Urteil des SozG Berlin vom 13.03.2017
SozG Berlin: verfügung, wohnung, wiederherstellung, notlage, gefahr, gas, energieversorgung, link, quelle, sammlung
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Gericht:
SG Berlin 49.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 49 SO 6304/05 ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 34 Abs 1 S 1 SGB 12, § 34 Abs
1 S 2 SGB 12, § 2 Abs 1 SGB 12
Sozialhilfe - Unterkunftskosten - Übernahme von Gasschulden -
drohende Wohnungslosigkeit - Selbsthilfegebot
Leitsatz
1) Die Übernahme von Gasschulden nach § 34 Abs 1 S 2 SGB 12 kommt nicht in Betracht,
wenn nicht die Gefahr des Wohnungsverlustes besteht.
2) Unwirtschaftliches Verhalten ist auch nicht im Wege einer Ermessensentscheidung nach §
34 Abs 1 S 1 SGB 12 zu unterstützen: Vielmehr müssen alle zur Verfügung stehenden
Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft werden; es kann von einem Hilfesuchenden verlangt
werden, dass er sich um eine angemessene Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Gläubiger
unter Wiederherstellung der Gasversorgung bemüht.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Der am 27. Dezember 2005 beim Sozialgericht eingegangene sinngemäße Antrag,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die G.-
Schulden der Antragsteller zu übernehmen,
hat keinen Erfolg.
Die Antragsteller, die seit dem 1. Januar 2005 laufend Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts beziehen und deren Gasanschluss wegen der bestehenden Schulden
gesperrt ist, haben einen Anordnungsanspruch mit der für eine Vorwegnahme der
Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit nicht glaubhaft gemacht (§§ 86b
Abs. 2 SGG, 920 Abs. 2 ZPO).
Die Schuldenübernahme kann nicht in der Form der Begleichung eines ungedeckten
Altbedarfs nach den §§ 11, 12 BSHG erfolgen, da die Antragsteller bis zum 31.
Dezember 2004 keine Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen haben und auch nichts dafür
ersichtlich ist, dass dem Sozialhilfeträger bis zu diesem Zeitpunkt eine Notlage bekannt
war.
Die Antragsteller können sich auch nicht auf einen Anspruch aus § 34 Abs. 1 Satz 1 und
2 SGB XII stützen. Danach können Schulden übernommen werden, wenn dies zur
Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt
ist. Zudem sollen Schulden übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und
notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.
Die Übernahme der Schulden nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, wonach der
Sozialhilfeträger bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen im Regelfall die
geforderte Hilfe leistet, kommt nicht in Betracht, weil nicht die Gefahr des
Wohnungsverlustes besteht.
Als Anspruchsgrundlage steht somit nur noch § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zur Verfügung,
der jedoch lediglich eine Ermessensentscheidung eröffnet. Allerdings liegen die
tatbestandlichen Voraussetzungen auch dieser Vorschrift nicht vor.
Denn die Schuldenübernahme ist nicht gerechtfertigt. Die Antragsteller haben dem
Gasversorger in der Vergangenheit den Zugang zu ihrer Wohnung zum Zwecke der
10
11
Gasversorger in der Vergangenheit den Zugang zu ihrer Wohnung zum Zwecke der
Ablesung des Gaszählers nicht eingeräumt, so dass nur eine Schätzung der monatlichen
Abschlagzahlungen erfolgen konnte. Dass diese Schätzung mit 32,- EUR deutlich zu
niedrig ausfiel, haben sich die Antragsteller somit selbst zuzuschreiben. Es hätte vor
diesem Hintergrund auch nahe gelegen, sich mit dem Gasversorger in Verbindung zu
setzen, um den richtigen Betrag ermitteln zu lassen. Es kommt noch hinzu, dass die
Antragsteller trotz der ohnehin schon vergleichsweise geringen Festsetzung der
monatlichen Abschläge nur vereinzelte Zahlungen leisteten. Diese Gesichtspunkte
deuten insgesamt auf ein unwirtschaftliches Verhalten der Antragsteller hin, das der
Antragsgegner nicht auch noch durch eine Schuldenübernahme unterstützen muss. Der
Befund des unwirtschaftlichen Verhaltens wird letztlich auch dadurch bestätigt, dass der
Antragsgegner bereits im Mai 2005 die damals bestehenden Mietschulden in Höhe von
1.426,95 EUR übernahm.
Die Antragsteller müssen sich zudem entgegenhalten lassen, dass gemäß § 2 Abs. 1
SGB XII vom Hilfesuchenden zunächst zu verlangen ist, alle zur Verfügung stehenden
Selbsthilfemöglichkeiten auszuschöpfen. Demzufolge kann von einem Hilfesuchenden
verlangt werden, dass er sich zunächst um eine angemessene
Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Gläubiger unter Wiederherstellung der
Gasversorgung bemüht. Die Antragsteller haben das Scheitern derartiger Bemühungen
jedoch nicht glaubhaft gemacht. Da die Antragsteller darüber hinaus spätestens seit der
Sperrung ihres Anschlusses und seit dem Forderungsschreiben des Gasversorgers vom
20. September 2005 Kenntnis von den Schulden hatten, waren sie im Rahmen der
Selbsthilfeobliegenheit zusätzlich gehalten, sich um eine andere angemessene Wohnung
zu bemühen, in der die Energieversorgung nicht mit Gas erfolgt. Auch solche
Bemühungen haben die Antragsteller nicht nachgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum