Urteil des SozG Berlin vom 13.03.2017

SozG Berlin: erlass, notlage, heizung, quelle, link, sammlung, auflage, verfügung, minderung, umkehrschluss

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Gericht:
SG Berlin 104.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 104 AS 25829/07
ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 86b Abs 2 S 2 SGG, § 22 Abs 1
SGB 2, § 31 SGB 2
Arbeitslosengeld II - Absenkung der Regelleistung für einen
Übergangszeitraum - Notlage - einstweiliger Rechtsschutz
Leitsatz
1) Auch bei einer (kurzfristig) um 14,06 Prozent monatlich abgesenkten Regelleistung ist eine
menschenwürdige Lebensführung gewährleistet; es ist daher zumutbar, auch ohne Erlass
einer einstweiligen Anordnung des Hauptsacheverfahren durchzuführen.
2) Dass auch bei einer Herabsenkung der Regelleistung um bis zu 30 Prozent -jedenfalls für
einen Übergangszeitraum - noch nicht mit einer existenziellen Notlage zu rechnen ist, zeigt
auch die Regelung des § 31 SGB 2.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Gründe
Der (sinngemäße) Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verurteilen, ihr für die Zeit ab 1. August 2007 monatlich
höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung von 48,79 € zu gewähren, hat keinen
Erfolg.
Die Kammer hat den Antrag der Antragstellerin bei verständiger Würdigung ihres
Vorbringens ausgelegt (§ 123 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Insoweit hat die Kammer
das Vorbringen der Antragstellerin dahingehend verstanden, dass sie entsprechend
ihrem Begehren im Hauptsacheverfahren (S 104 AS 25829/07) für die Zeit ab 1. August
2007 die Gewährung des Differenzbetrages zwischen den bis einschließlich Juli 2007
gewährten monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 408,79 € und den ab 1.
August 2007 gewährten Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 360,00 € erstrebt.
Soweit der Antrag den Zeitraum vom 1. August 2007 bis zum 14. Oktober 2007, also für
die Zeit vor der Antragstellung bei Gericht am 15. Oktober 2007, betrifft, besteht für die
von der Antragstellerin begehrte Regelungsanordnung (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG)
zumindest kein Anordnungsgrund. Denn der Antragstellerin ist es in den in der
Vergangenheit liegenden Zeiträumen offensichtlich gelungen, mit den ihr zur Verfügung
stehenden finanziellen Mitteln, ihren Bedarf zu sichern. Insoweit erscheint der Erlass
einer einstweiligen Anordnung nicht nötig, um wesentliche Nachteile auf Seiten der
Antragstellerin abzuwenden (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, § 86 b, Randnr. 28).
Gleiches gilt jedoch auch für die Zeit vom 15. Oktober 2007 bis zum 31. Januar 2008.
Auch insoweit besteht kein Anordnungsgrund. Zur Einschätzung der Kammer ist es der
Antragstellerin in Anbetracht dieses ca. dreieinhalb Monate dauernden Zeitraums, in
welchem sie den mit diesem Antrag geltend gemachten monatlichen Betrag von 48,79 €
aus ihrer Regelleistung von monatlich 347,00 € begleichen muss, zumutbar, auch ohne
den Erlass einer einstweiligen Anordnung das Hauptsacheverfahren durchzuführen.
Denn zur Einschätzung der Kammer ist eine menschenwürdige Lebensführung auch bei
einer (kurzfristig) um 14,06% monatlich abgesenkten Regelleistung gewährleistet. Das
auch bei einer Herabsenkung der Regelleistung um bis zu 30% - jedenfalls für einen
Übergangszeitraum – noch nicht mit einer existenziellen Notlage zu rechnen ist, zeigt
die Regelung des § 31 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Diese Vorschrift regelt in Absatz 1 die Absenkung der Regelleistung um 30% beim
Vorliegen eines Sanktionstatbestandes. Nach der Vorschrift des § 31 Abs. 3 SGB II kann
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Vorliegen eines Sanktionstatbestandes. Nach der Vorschrift des § 31 Abs. 3 SGB II kann
die Regelleistung bei weiteren Pflichtverstößen auch noch weitergehend abgesenkt
werden. Allerdings regelt § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II, dass erst bei einer Minderung des Alg
II um mehr als 30% der Regelleistung der zuständige Träger in angemessenem Umfang
ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen kann. Hieraus ergibt
sich der Umkehrschluss, dass nach der Einschätzung des Gesetzgebers auch bei einer
bis zu 30 %-igen Kürzung der Regelleistung jedenfalls noch vorübergehend von einer
Sicherung des Lebensunterhalts auszugehen ist.
Für den Zeitraum ab dem 1. Februar 2008 scheitert der Erlass der erstrebten
Regelungsanordnung daran, dass kein Anordnungsanspruch besteht. Für den Zeitraum
nach Ablauf des in dem Bescheid vom 3. August 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13. September 2007 geregelten Bewilligungsabschnitts
(August 2007 bis Januar 2008) setzt die Gewährung von Alg II einen entsprechenden
Antrag der Antragstellerin entsprechend § 37 SGB II voraus; nach § 37 Abs. 1 SGB II
werden nämlich Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nur auf Antrag
erbracht. Einen entsprechenden Antrag hat die Antragstellerin bislang jedoch noch nicht
gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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