Urteil des SozG Berlin vom 28.11.2005
SozG Berlin: fortsetzung des mietverhältnisses, räumung, schuldübernahme, geldsumme, deckung, ermessen, sammlung, quelle, link, nebeneinkommen
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Gericht:
SG Berlin 37.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 37 AS 11119/05 ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 22 Abs 5 SGB 2
Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Darlehen für
Mietschulden
Gründe
I.
Nach dem Vorbringen des Antragstellers (Ast.) und der von ihm eingereichten
Unterlagen soll die derzeit von ihm und seiner Partnerin bewohnte Wohnung wegen
erheblicher Mietruck stände am Montag, den 28.11.2005, geräumt werden.
Ausweislich eines Schreibens des Vermieters wird das Mietverhältnis bei Übernahme der
Mietschulden und der Gerichtsvollzieherkosten fortgesetzt.
Der Ast. legt einen Arbeitsvertrag vor, wonach er ab 1.11.2005 eine Teilzeitarbeit
beginnen sollte (410 € brutto); der bereits unterschriebene Vertrag soll wegen einer
noch ausstehenden Genehmigung noch nicht vollzogen worden sein.
Nach Vortrag des Ast. ist er nach (mündlicher) Ablehnung einer Mietschuldübernahme
seitens des Sozialamtes zum JobCenter geschickt worden. Dort wurde zunächst eine
Übernahme mit der Begründung einer fehlenden Kausalität zwischen Wohnungslosigkeit
und Arbeitsplatzverlust abgelehnt (Bescheid vom 14.11.2005), in einem Folgebescheid
vom 24.11.2005 heißt es: Der Schuldübernahmeantrag werde abgelehnt, da der Ast.
nicht hilfebedürftig sei. Der Bescheid vom 14.11.2005 werde damit hinfällig.
Nach telefonischer Auskunft des Ast. war bislang kein offizieller Alg II-Antrag gestellt
worden. Der Bescheid vom 24.11.2005 beruhe auf einer ihm, dem Ast., mündlich
gegebenen Erläuterung, mit dem Einkommen der Partnerin, dem bereits ausgeübten
Nebenjob und dem Einkommen der ab 1.11.2005 vertraglich vereinbarten Tätigkeit sei
der Bedarf gedeckt.
Da es sich bei dieser Tätigkeit, die erst ab Dezember Einkommen bringe, um eine
Tätigkeit beim Abgeordnetenhaus handele, sei er sicher, dass bei Wohnungslosigkeit
keine Arbeitsaufnahme erfolgen werde.
Auf Seiten des Antragsgegners war niemand mehr zu erreichen.
II.
Der zulässige Antrag ist nach dem Vorbringen des Ast. begründet. Angesichts der
akuten Eilbedürftigkeit konnte die Richtigkeit des Vortrags nicht vor Eintritt der Räumung
überprüft werden. Unter Berücksichtigung der vom BVerfG in Eilverfahren nach dem SGB
II geforderten Folgenabwägung (1 BvR 569/05) musste daher auf der Grundlage des
vorgetragenen Sachverhalts entschieden werden.
Es spricht im Rahmen der begrenzten Prüfungsmöglichkeit mehr für als gegen eine
Ablehnung des Antrags. Denn die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II sind
glaubhaft gemacht: drohende Wohnungslosigkeit, Bereitschaft zur Fortsetzung des
Mietverhältnisses bei Schuldübernahme, sowie einem als Folge der Räumung drohenden
Verlust der angestrebten Tätigkeit. Dass die Tätigkeit nur teilweise bedarfsdeckend ist,
spielt keine Rolle (LPK-SGB II, § 22 Rdnr. 70). Im vorliegenden Fall soll sogar die
Hilfebedürftigkeit für die Bedarfsgemeinschaft mit dem Zusatzeinkommen abgewendet
werden können.
Nach Vortrag des Ast. ist es nahe liegend, dass er als Wohnungsloser die ihm
angebotene Tätigkeit nicht übertragen bekommt.
Sollte der Ast. schon ohne das erwartete Nebeneinkommen nicht hilfebedürftig i. S. von
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Sollte der Ast. schon ohne das erwartete Nebeneinkommen nicht hilfebedürftig i. S. von
§ 9 SGB II sein, schadet das nicht, da es sich bei der Leistung nach § 22 Abs. 5 SGB II um
eine besondere Integrationsleistung handelt, die auch erbracht werden kann, wenn der
Grundbedarf nach § 19 Nr. 1 SGB II gedeckt ist, aber keine Schuldübernahme aus
eigener Kraft geleistet werden kann (vgl. zu § 34 SGB XII Grube/Wahrendorf Rdnr. 3).
Auch sonst ist eine Leistungsgewährung in Sonderfällen trotz Abdeckung des
Grundbedarfs dem SGB II nicht fremd (vgl. § 23 Abs. 3, Abs. 4 SGB II, § 9 Abs. 4 SGB II).
Unbestritten ist, dass auch bei Deckung des Grundbedarfs Integrationsleistungen für
Personen, die nicht dem SGB III unterfallen, zu erbringen sind.
Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten liegen nicht vor. Dagegen spricht
schon, dass der Ast. seiner Erklärung nach bislang versucht habe, ohne Leistungen des
SGB II klarzukommen. Er erwarte demnächst eine größere Geldsumme als Ergebnis
eines erfolgversprechenden Rechtsstreits vor dem Landgericht Potsdam.
Wenn man schließlich bedenkt, dass nach Vortrag des Ast. bei Verlust der Tätigkeit ein
Hilfeanspruch bestünde, ist im Rahmen der Folgenabwägung zugunsten einer
Darlehensübernahme zu entscheiden. Auch wenn dem Ag. Ermessen zusteht, musste
das Gericht zur Abwendung der Wohnungslosigkeit auf eine Verpflichtung zur
Schuldübernahme erkennen. Da die Räumung nur bei Übernahme der
Gerichtsvollzieherkosten, die in unmittelbaren Zusammenhang mit den Mietrückständen
entstanden sind, vermieden wird, war auch insoweit zur Kostenübernahme zu
verpflichten.
Die Regelung der Einzelheiten der Darlehensvergabe bleibt dem Ag. bei Umsetzung des
Beschlusses vorbehalten.
Sollte sich der Vortrag des Ast. in wesentlichen Punkten als unrichtig erweisen, hat der
Ast. die Möglichkeit, einen Abänderungsantrag nach § 86 b Abs. 1 S. 4 SGG zu stellen
(vgl. LSG Berlin, NZS 2002, S. 670).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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