Urteil des SozG Berlin vom 22.12.1999

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Gericht:
SG Berlin 81.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 81 KR 2801/01
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 812
Abs 1 S 2 Alt 1 BGB, § 818 Abs 2
BGB, § 69 S 3 SGB 5 vom
22.12.1999, § 132a Abs 2 SGB 5
Krankenversicherung - häusliche Krankenpflege -
Vergütungsanspruch der Leistungserbringer - Wertbestimmung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Vergütung für Leistungen der häuslichen
Krankenpflege.
Die Klägerin erbrachte zugunsten mehrerer Versicherter der Beklagten in der Zeit vom
1. September 1999 bis 28. Februar 2005 Leistungen der häuslichen Krankenpflege,
obwohl zwischen ihr und der Beklagten die Einzelheiten der Versorgung mit Leistungen
der häuslichen Krankenpflege nur für die Zeit vom 1. September 1999 bis 31. März 2000
aufgrund einer am 6. Dezember 1999 getroffenen Vereinbarung geregelt waren. Diese
Vereinbarung sah vor, dass der vor dem Sozialgericht Berlin am 1. Oktober 1999 in dem
Verfahren S 75 KR 737/99 ER geschlossene Vergleich auch zwischen ihnen Geltung
beanspruchen solle. Dieser Vergleich hatte folgenden Wortlaut:
"1. Die Beteiligten sind sich darin einig, dass die umfassende Versorgung der
Versicherten der BKK das Landes Berlin durch die Antragstellerin weiterhin sichergestellt
wird.
2. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin setzen die Versorgung der
Versicherten fort auf der Basis beider Rahmenverträge (Rahmenvertrag vom 1. Oktober
1994 und Vertragsangebot der BKK Berlin vom 1. September 1999) und wenden die
übereinstimmenden Vertragsteile an, wodurch die Versorgung der Versicherten
sichergestellt ist.
3. Die inhaltlichen Abweichungen und Differenzen in der Höhe des
Leistungsentgelts werden gesondert verhandelt, wobei die Antragsgegnerin sich bereit
erklärt, vorläufig ab 1. September 1999 die Vergütung auf der Grundlage des BKK-
Vertrages vom 1. September 1999 zu zahlen, und wobei sich die Antragstellerin mit
dieser vorläufigen Regelung einverstanden erklärt.
4. Ein gegebenenfalls erzieltes Verhandlungsergebnis wird rückwirkend ab 1.
September 1999 anerkannt.
5. Diese Vereinbarung hat Gültigkeit bis 31. März 2000.
6. [ ]
7. [ ]."
Die erbrachten Leistungen rechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten auf der
Grundlage der mit der AOK Berlin und anderen Krankenkassen mit Wirkung zum 1.
September 1999 gemäß § 132a SGB V geschlossenen Verträge ab. Wegen der
Einzelheiten der Abrechnungen wird auf Bl. 4 – 18, 58 – 76194 – 203 GA verwiesen.
Die Beklagte zahlte auf die Abrechnungen jeweils nur die im so genannten BKK-Vertrag
vereinbarte Vergütung. Den Abschluss dieses Vertrages hatte die Beklagte auch der
Klägerin angeboten. Diese hatte das Angebot jedoch zurückgewiesen, weil es eine um
rund 20 %, später, ab 2001, eine um rund 92 % und ab 2002 eine um rund 87 %
geringere Vergütung als die mit der AOK Berlin und anderen Krankenkassen mit Wirkung
zum 1. September 1999 geschlossenen Verträge vorsah.
Mit ihrer am 18. September 2001 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst nur die
Beträge geltend gemacht, um die die Beklagte die Abrechnungen für die Monate
September 1999 bis einschließlich Dezember 1999 gekürzt hat, und beantragt, die
Beklagte zu verurteilen, an sie 2874,07 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz
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Beklagte zu verurteilen, an sie 2874,07 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz
nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes seit Klagezustellung zu zahlen. Mit Schriftsatz
vom 6. September 2002 – Eingang bei Gericht am selben Tage – hat sie ihre Klage
bezüglich der Beträge, um die die Beklagte die Abrechnungen für die Monate Januar
2000 bis einschließlich Dezember 2000 gekürzt hat, erweitert und beantragt, die
Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 4542,91 DM nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes seit Zustellung der
Klageerweiterung zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2005 – Eingang bei Gericht
am selben Tage – hat sie die Klage bezüglich der Beträge, um die die Beklagte die
Abrechnungen für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2004 gekürzt hat,
erweitert und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 5261,19 EUR nebst 8
% Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 2355,95 EUR seit dem 1. Januar
2002, aus 1052,70 EUR seit dem 1. Januar 2003, aus 118,42 EUR seit dem 1. Januar
2004 und aus 1734,12 EUR seit dem 1. Januar 2005 zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 12.
Januar 2006 – Eingang bei Gericht am 13. Januar 2006 – hat sie die Klage bezüglich der
Beträge, um die die Beklagte die Abrechnungen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 28.
Februar 2005 gekürzt hat, erweitert und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie
weitere 296,14 EUR nebst 8 % Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem
1. April 2005 zu zahlen. In der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2006 hat sie die
Klage bezüglich der Zinsforderung teilweise zurückgenommen.
Sie beantragt nunmehr,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 9349,57 EUR nebst 4 % Zinsen aus
1469,49 EUR seit dem 18. September 2001, aus 2322,75 EUR seit dem 6. September
2002, nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus
2355,95 EUR seit dem 1. Januar 2002, aus 1052,70 EUR seit dem 1. Januar 2003, aus
118,42 EUR seit dem 1. Januar 2004, aus 1734,12 EUR seit dem 1. Januar 2005 und aus
296,14 EUR seit dem 1. April 2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Meinung, dass zwischen ihr und der Klägerin konkludent ein
Versorgungsvertrag zu den Bedingungen des BKK-Vertrages geschlossen worden sei,
indem sie, die Beklagte, am 31. August 1999 angekündigt habe, die Leistungen nur noch
zu den Preisen des BKK-Vertrages vergüten zu wollen, und die Klägerin sich hierauf
eingelassen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten
Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Gegenstand der Klage ist eine Forderung von insgesamt 9349,57 EUR nebst Zinsen. Die
in der Klageerweiterung vom 6. September 2002, 5. Oktober 2005 und 12. Januar 2006
liegenden Klageänderungen sind zulässig, weil sie sachdienlich ist, §§ 99 Abs. 1 und 2
SGG.
Die Klage ist zulässig begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung des
oben genannten Betrages aus §§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB (Zeitraum 1.
September 1999 bis 31. März 2000) respektive §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt 1., 818 Abs. 2 BGB
(Zeitraum 1. April 2000 bis 28 Februar 2005) beanspruchen.
§§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, S. 2 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB sind anwendbar. Für die vor dem 1.
Januar 2000 fällig gewordenen Ansprüche ergibt sich die Anwendbarkeit aufgrund der
Tatsache, dass die Beziehungen zwischen den Erbringern von Leistungen der häuslichen
Krankenpflege und den Krankenkassen zu dieser Zeit dem Privatrecht zuzuordnen waren
(vgl. BSG, Urteil vom 13.05.2004, B 3 KR 2/03 R.), und für die Zeit ab dem 1. Januar 2000
aufgrund der Regelung in § 69 S. 3 SGB V.
Die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB liegen vor. Für das, was die
Beklagte infolge der von der Klägerin in der Zeit vom 1. September 1999 bis 31. März
2000 erbrachten Leistungen – Befreiungen von Verbindlichkeiten (vgl. BSG, Urteil vom
13.05.2004, B 3 KR 2/03 R.) – erlangt hat, ist der Rechtsgrund nachträglich entfallen.
Rechtsgrund dieser Leistungen war gemäß der Vereinbarung vom 6. Dezember 1999 der
vor dem Sozialgericht Berlin am 1. Oktober 1999 geschlossene Vergleich. Dieser
Vergleich stand unter der auflösenden Bedingung des Abschlusses einer
Entgeltvereinbarung bis 31. März 2000. Dies ergibt sich aus Nr. 3 des Vergleichs, der
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Entgeltvereinbarung bis 31. März 2000. Dies ergibt sich aus Nr. 3 des Vergleichs, der
ausdrücklich regelt, dass die Vergütung ab dem 1. September 1999 entsprechend dem
so genannten BKK-Vertrag nur "vorläufig" gezahlt und von der Klägerin nur "vorläufig"
akzeptiert werde.
Auch die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB liegen vor. Für das, was die
Beklagte infolge der von der Klägerin in der Zeit vom 1. April 2000 bis 28. Februar 2005
erbrachten Leistungen erlangt hat, bestand von Anfang an kein Rechtsgrund.
Da die Herausgabe des Erlangten der Beklagten nicht möglich ist, ist sie nach § 818 Abs.
2 BGB der Klägerin zum Wertersatz verpflichtet. Für die Wertbestimmung nach § 818
Abs. 2 BGB ist der objektive Verkehrswert des Erlangten maßgeblich. Dieser bestimmt
sich hier nach den üblicherweise, also den von der AOK Berlin und anderen
Krankenkassen auf der Grundlage des so genannten AOK-Vertrages gezahlten
Entgelten. Die Beklagte ist seit September 1999 nicht in der Lage, mit den
Vertragspartnern des BKK-Vertrages die Versorgung ihrer Versicherten mit Leistungen
der häuslichen Krankenpflege sicherzustellen (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 2. März 2005, L
9 KR 19/01.). Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 69 S. 3 SGB V iVm §§ 291, 288 Abs. 1
S. 1 BGB in der bis 31. Dezember 2001 gültigen Fassung sowie aus § 69 S. 3 SGB V iVm
§§ 286 Abs. 1 und 2 Nr. 3, 288 Abs. 2 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183,
193 Abs. 1 SGG in der bis 2. Januar 2002 gültigen Fassung, und zwar auch bezüglich der
erst nach dem 1. Januar 2002 geltend gemachten Klageerweiterungen. Denn nach Art.
17 Abs. 1 S. 2 6. SGGÄndG (BGBl. I [2001] S. 2144 [2158].) gilt § 183 SGG in der alten
Fassung für "Verfahren" nach § 197a SGG – und nicht etwa einen bestimmten
Streitgegenstand –, die vor dem 2. Januar 2002 rechtshängig waren, weiter.
Sozialgericht Kassel
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