Urteil des SozG Berlin vom 15.03.2006
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Gericht:
SG Berlin 81.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 81 KR 381/06 ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 37 Abs 2 S 1 SGB 5
Krankenversicherung - häusliche Krankenpflege -
Behandlungspflege - Merkmal des eigenen Haushalts
Tatbestand
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin die Versorgung mit Leistungen der
häuslichen Krankenpflege. Die am 20. Dezember 1941 geborene, bei der
Antragsgegnerin gegen Krankheit versicherte Antragstellerin steht unter Betreuung. Sie
leidet an einer hypoxischen Hirnschädigung, einem apallischen Syndrom, einer
Tetraparese und einer Epilepsie. Am 22. September 2005 musste sie wegen eines
erlittenen Herzinfarkts reanimiert werden. Seitdem wird sie über eine Trachealkanüle
beatmet und parenteral über eine Magensonde ernährt. Sie bedarf der ständigen
Beaufsichtigung durch eine Pflegekraft im Falle der Atemnot. Seit dem 1. Februar 2006
lebt sie in einem Zimmer in einer betreuten Wohngemeinschaft. Der Gebrauch dieses
Zimmers nebst dem Gebrauch einer Gemeinschaftsküche, einem Gemeinschaftsbad
und einem Aufenthaltsraum wurde ihr mit Mietvertrag vom 2. Februar 2006 – dessen
Einzelheiten wegen auf Bl. 13 – 18 GA Bezug genommen wird – überlassen.
Unter Bezugnahme auf ein ärztliches Gutachten stellte am 23. Dezember 2005 die „R
Pflegedienst B GmbH" bei der Antragsgegnerin den Antrag, die Antragstellerin in einer
betreuten Wohngemeinschaft für die Zeit vom 15. Januar 2006 bis 15. Februar 2006 mit
Leistungen der häuslichen Krankenpflege – deren Einzelheiten wegen auf Bl. 1 – 3, 11, 15
VA Bezug genommen wird – zu versorgen. Mit Bescheid vom 19. Januar 2006 lehnte die
Antragsgegnerin den Antrag mit der Begründung, dass die Antragstellerin keinen
eigenen Haushalt „führe" – weil sie die notwendigen häuslichen Verrichtungen nicht
mehr selbst erledigen könne – ab. Den gegen diesen Bescheid gerichteten Widerspruch
der Antragstellerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2006 als
unbegründet zurück.
Die Antragstellerin hat am 1. März 2006 Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie ist der Meinung, dass sie einen
eigenen Haushalt führe, da sie über ihren Betreuer Einfluss darauf nehmen könne, wie
und wann in ihrer Wohnung die zu verrichtenden Arbeiten erledigt würden. Zur
Glaubhaftmachung der Notwendigkeit ihrer Versorgung mit Leistungen der häuslichen
Krankenpflege für die Zeit vom 15. Februar 2006 bis 31. Mai 2006 hat sie eine ärztliche
Verordnung eingereicht, deren Inhalts wegen auf Bl. 53 GA Bezug genommen wird.
Sie beantragt wörtlich,
die Beklagte einstweilen zu verpflichten, ihr häusliche Krankenpflege in der
Wohngemeinschaft Sch Straße, B, in Form der Intensivversorgung für 24 Stunden täglich
durch die R Pflegedienst B GmbH bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der
Hauptsache zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags trägt sie vor, dass – wenngleich die medizinische
Notwendigkeit der verordneten Pflegemaßnahmen nicht bestritten werde – die
Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGBV nicht vorlägen, weil die Antragstellerin nicht in
einem eigenen Haushalt oder ihrer Familie versorgt werde, sondern in einer betreuten
Wohngemeinschaft.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist zulässig und weitgehend begründet. Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG sind
einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein
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einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das setzt voraus, dass sowohl ein
Anordnungsanspruch, als auch ein Anordnungsgrund vom Antragsteller glaubhaft
gemacht werden, § 86b Abs. 2 S. 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 ZPO. Dies ist vorliegend für
die Zeit bis zum 31. Mai 2006 der Fall.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2
S. 1 SGB V vorliegend gegeben. Insbesondere fehlt es nicht am Merkmal des eigenen
Haushalts. Das Landessozialgericht Berlin hat bereits entschieden, dass ein gewisses
Maß an eigenwirtschaftlichem Haushalten nicht vorliegen muss, damit ein Haushalt im
Rechtssinne angenommen werden kann (Urteil vom 05.05.2004, L 9 KR 759/01). Dieser
Auffassung schließt sich das Gericht an. Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG)
vom 1. September 2005, B 3 KR 19/04 R, ergibt sich nichts anderes. Denn im
Unterschied zu dem diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt ist der Aufenthalt der
Antragstellerin in der betreuten Wohngemeinschaft aufgrund eines frei ausgehandelten
Mietvertrages zustande gekommen. Überdies steht die Antragstellerin – anders als die
Klägerin in dem vom BSG entschiedenen Fall – unter Betreuung.
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