Urteil des SozG Berlin vom 18.01.2006

SozG Berlin: aufschiebende wirkung, aufenthalt, anfechtungsklage, heizung, verwaltungsakt, erlass, quelle, hauptsache, begriff, brd

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Gericht:
SG Berlin 34.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 34 AS 140/06 ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 7 SGB 2, § 30 SGB 1, SGB 3
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Arbeitslosengeld II -
Unterkunftskosten - Verfügbarkeit während eines
sechswöchigen Auslandsaufenthaltes -
Leitsatz
1) Der in § 30 SGB 1 definierte Begriff des gewöhnlichen Aufenthalt gilt auch für § 7 SGB 2.
2) Ein sechswöchiger Auslandsaufenthalt steht einem gewöhnlichen Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland nicht entgegen, wenn der Hilfebedürftige seinen Wohnsitz
weiterhin in der Bundesrepublik Deutschland hat.
3) Die Vefügbarkeit im Sinne des SGB 3 ist nicht für die Erwerbsfähigkeit nach § 7 SGB 2
maßgeblich.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 09. August 2005 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2005 wird angeordnet, soweit
die Antragsgegnerin mit der angefochtenen Entscheidung die Bewilligung von Leistungen
für Unterkunft und Heizung aufgehoben hat.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Die Antragsteller begehren die Herstellung der aufschiebenden Wirkung einer
Anfechtungsklage, soweit die Antragsgegnerin mit der angefochtenen Entscheidung die
Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung aufgehoben hat.
Mit Bescheid vom 30. März 2005 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern für
die Zeit vom 01. Mai 2005 bis einschließlich 31. Oktober 2005 Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – nachfolgend SGB II.
Unter dem 14. Juni 2005 zeigten die Antragsteller für die Zeit vom 25. Juni 2005 bis
einschließlich 06. August 2005 eine Ortsabwesenheit an.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 09. August 2005 hob die Antragsgegnerin die
Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
mit Wirkung ab dem 16. Juli 2007 auf. Mit weiterem Bescheid vom 09. August 2005
bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern ab dem 05. August 2005 Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhaltes weiter.
Hiergegen erhoben die Antragsteller Widerspruch, mit dem sie geltend machten, dass
ihnen zugesagt worden sei, dass die Miete auch nach Ablauf der ersten drei Wochen
ihres Urlaubes weiter gezahlt werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2005 wies die Antragsgegnerin den
Widerspruch zurück. Begründend führte sie im wesentlichen aus, dass die Antragsteller
trotz Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen bewilligte Leistungen nicht zur
Sicherung des Lebensunterhaltes während ihrer Arbeitssuche sondern ausschließlich zur
Sicherung des Lebensunterhaltes während ihres Auslandserholungsurlaubes und damit
zweckentfremdet verwenden würden.
Dagegen richtet sich die am 05. Januar 2006 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage.
Zudem begehren die Antragsteller mit dem ebenfalls am 05. Januar 2006 beim
Sozialgericht Berlin erhobenen Antrag sinngemäß die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung der Klage mit dem Begehren, die Antragsgegnerin insoweit zu verpflichten,
umgehend die Mietzahlungen für die Monate Juli und August 2005 zu übernehmen.
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Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegende Gerichtsakte
sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.
II. Der zulässige Antrag der Antragsteller hat Erfolg.
Nach § 86a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - haben Widerspruch und
Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung.
Die Klage gegen den Bescheid vom 09. August 2005 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2005 hat indes abweichend von § 86 a Abs.
1 Satz 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Denn nach § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt
die aufschiebende Wirkung in durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Ein solcher
Fall ist vorliegend auch gegeben, denn nach § 39 Satz 1 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch
und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt der über Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Damit
richtet sich der einstweilige Rechtsschutz nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG. Danach kann
das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder
Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz
oder teilweise anordnen. Die Zulässigkeit eines derartigen Antrags hat auch nicht zur
Voraussetzung, dass zuvor von der Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde eine durch §
86 a Abs. 3 Satz 1 SGG ermöglichte Entscheidung zur Aussetzung der sofortigen
Vollziehung ergangen ist.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage in dem begehrten
Umfang ist auch begründet. Die aufschiebende Wirkung ist zur Gewährung effektiven
Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG)) anzuordnen, wenn bei
summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom
09. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2005
bestehen. Ernstliche Zweifel im vorgenannten Sinne sind dann anzunehmen, wenn der
angegriffene Bescheid nach den bisherigen Ermittlungen voraussichtlich nicht
aufrechtzuerhalten wäre. Maßgeblich ist hierbei der Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der
Entscheidung; eine eventuell weitere mögliche und gegebenenfalls auch nötige
Beweiserhebung ist einem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Die Antragsgegnerin war bei summarischer Prüfung indes nicht berechtigt, mit dem
angefochtenen Bescheid die Leistungsbewilligung mit Wirkung für die Zeit vom 16. Juli
2005 bis einschließlich 04. August 2005 nach § 40 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. §
48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - i.V.m. § 330 Abs. 3 Drittes Buch
Sozialgesetzbuch - SGB III - aufzuheben. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für
die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die
beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine
wesentliche Änderung eintritt. Diese Voraussetzungen dürften vorliegend nicht gegeben
sein. Denn in den Verhältnissen, die bei der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch am 30. März 2005
vorgelegen haben, ist keine wesentliche Änderung eingetreten.
Nach § 7 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Diese Voraussetzungen liegen auch über den 15. Juli 2005 hinaus vor. Die Antragsteller
haben insbesondere weiterhin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland. Bei der vorgenannten Regelung wird Bezug genommen auf den in § 30
SGB I definierten Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes. Mithin steht ein sechswöchiger
Auslandsaufenthalt dem gewöhnlichen Aufenthalt in der BRD nicht entgegen, denn die
Antragsteller haben ihren Wohnsitz weiterhin in der BRD. Nicht maßgeblich für die
Erwerbsfähigkeit ist zudem die Verfügbarkeit im Sinne des SGB III ( vgl. Münder,
Kommentar zum SGB II, § 8 Rdnr. 5 ).
Mithin ist nicht erkennbar, dass es nach Erlass des Bewilligungsbescheides zu einer
wesentlichen Änderung der Verhältnisse gekommen ist.
Bereits danach erscheint bei der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und
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Bereits danach erscheint bei der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und
Rechtslage der angefochtene Bescheid als rechtswidrig. Er wird aller Voraussicht nach in
einem Hauptsacheverfahren aufgehoben werden.
Die aufschiebende Wirkung der Klage bedeutet, dass der angefochtene Verwaltungsakt
nicht vollzogen werden kann. Mithin ist die Antragsgegnerin gehalten, Leistungen
insoweit weiter nach dem alten Bewilligungsbescheid zu zahlen. Einer gesonderten
einstweiligen Anordnung, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet wird, den
Antragstellern bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die Kosten für
Unterkunft und Heizung, die Monate Juli und August 2005 betreffend, bedurfte es nach
alldem nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
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