Urteil des SozG Berlin vom 02.03.2011
SozG Berlin: wissenschaft und forschung, geistig behinderter, form, erlass, behinderung, verordnung, gefahr, schulpflicht, schüler, wiederholung
Sozialgericht Berlin
Beschluss vom 02.03.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 49 SO 109/11 ER
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Dem Antragsteller wird ab Antragstellung
bei Gericht Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin J J beigeordnet. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Der minderjährige Antragsteller begehrt Eingliederungshilfe im Wege der einstweiligen Kostenübernahme für einen
Schulhelfer.
Der am 2003 geborene Antragsteller mit einem Grad der Behinderung von 80 (Merkzeichen G, H) und der Pflegestufe
II leidet an einer beidseitigen Frontalhirnnekrose infolge eines Schädel-Hirn-Traumas dritten Grades im Oktober 2003
bei Hemiparese links und mäßiger mentaler Redardierung. Nach den Feststellungen der Senatsverwaltung für Bildung,
Wissenschaft und Forschung hat er ausweislich des Bescheides vom 7. April 2009 einen sonderpädagogischen
Förderbedarf im sonderpädagogischen Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Aufgrund Bescheides vom 23. März
2010 gewährt ihm der Antragsgegner seit März 2010 Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für einen
(außerschulisch eingesetzten) Sozialassistenten im Umfang eines Stundenkontingentes von maximal 390 Stunden
bis zum 15. März 2011, welches etwa sechs personenbezogenen Kontaktstunden in der Woche entspricht. Seit
August 2009 besucht er die 12. Schule mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in Berlin L
... Nach einer Stellungnahme der Klassenlehrerin vom 22. Dezember 2010 setzt sich die Klasse Antragstellers neben
ihm aus sechs Jungen und einem Mädchen zusammen. Die Klasse wird von einer Sonderschullehrerin und einer
Pädagogischen Unterrichtshilfe geleitet. Ihr ist des Weiteren eine Betreuerin zugeteilt, die bei Bedarf auch in anderen
Klassen eingesetzt werde.
Das den Antragsteller medizinisch betreuende Sozialpädiatrische Zentrum für chronisch kranke Kinder, Abteilung für
Neuropädiatrie/Entwicklungsneurologie/Neonatologie, der C (im Folgenden: SPZ) wies mit Bescheinigung vom 26.
April 2010 zur Vorlage beim Schulamt darauf hin, dass der Antragsteller infolge einer schweren Hirnverletzung an
einer Aufmerksamkeitsstörung, einer körperlichen Beeinträchtigung und einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit
leiden würde. Seine Konzentrationsschwäche führe in der Schule immer wieder zu einer schnellen Ablenkbarkeit; es
bestehe ein erhöhter sozialpädagogischer Förderbedarf. Der Antragsteller sei sozial gut in der jetzigen Schule
integriert; um seinen weiteren schulischen Werdegang nicht zu gefährden, sei der Einsatz eines Schulhelfers nötig,
und zwar insbesondere in den Hauptfächern.
Die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung lehnte mit Bescheid vom 4. Juli 2010 der Schule
gegenüber den Einsatz eines Schulhelfers mangels entsprechenden Bedarfs des Antragstellers ab. Die
Regelausstattung sei vorhanden; um den geforderten Bedarf zu decken, seien schulorganisatorische Maßnahmen
durchzuführen.
Am 18. Oktober 2010 beantragte die Mutter des Antragstellers die Bewilligung von Eingliederungshilfe in Form der
Integrationsassistenz (Schulhelfer). Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 13. Dezember 2010 ab
mit der Begründung, der Antragsteller besuche bereits eine Schule mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt. Die
im Einzelnen im Antragsschreiben aufgeführten Bedarfe seien vom Lehrpersonal zu erfüllen. Über den am 6. Januar
2011 erhobenen Widerspruch ist noch nicht entschieden.
Mit dem am 19. Januar 2011 beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung macht der Antragsteller geltend, er benötige im Unterricht und in allen Pausen, mit Ausnahme der
Hofpause, eine ständige 1:1-Betreuung, und zwar auch im Rahmen alltäglicher Verrichtungen, wie der
Nahrungsaufnahme, Medikamenteneinnahme, den Toilettengängen und dem An- und Auskleiden. Er sei
tagesformabhängig extrem laut, verbal und körperlich aggressiv, worunter auch seine Mitschüler litten, wie sich aus
der Stellungnahme der Klassenlehrerin vom 22. Dezember 2010 ergebe. Er sei bei fehlender oder unzureichender
Förderung von weiteren Einschränkungen seiner geistigen Entwicklung bedroht.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ab sofort vorläufig,
längstens bis zum Ende des Schuljahres 2011/2011 oder einer früheren Entscheidung in der Hauptsache, die Kosten
der Eingliederungshilfe in Form eines Schulhelfers im Umfang von 40 Stunden pro Woche zu übernehmen, und ihm
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Er hält einen 1:1-Betreuungsbedarf nicht für gegeben und verweist insbesondere auf die Stellungnahme der
Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung vom 22. Februar 2011 unter Bezugnahme auf einen
Schulbesuch der Sonderpädagogen der Koordinierungsstelle vom selben Tag sowie ein Gespräch mit der Schulleiterin
und der Klassenlehrerin am 18. Februar 2011.
II. Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur
Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt danach
voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass
die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Sowohl der
Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. §
86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Wesentliche Nachteile drohen, wenn entweder die Gefahr der
Rechtsvereitelung oder jedenfalls einer wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung besteht. Eine solche
Gefahr besteht grundsätzlich dann, wenn eine Unterschreitung des verfassungsrechtlich garantierten
Existenzminimums droht, weil daraus folgende Beeinträchtigungen nicht mehr nachträglich behoben werden könnten,
selbst wenn die Leistungen im Hauptsacheverfahren erstritten und rückwirkend gewährt würden (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – Juris).
Der Antragsteller hat jedoch weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch hinreichend plausibel
dargelegt bzw. glaubhaft gemacht. Zwar gehört er aufgrund seiner schweren körperlichen und geistigen Behinderung
zu den dem Grunde nach Eingliederungshilfeberechtigten nach den §§ 53 ff. des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch
(SGB XII) vom 27. Dezember 2003. Dies ist auch zwischen den Beteiligten nicht streitig, wie sich daraus ergibt, dass
der Antragsteller laufend Leistungen der Eingliederungshilfe erhält. Ein (weiterer) Leistungsanspruch (neben der
bewilligten Einzelfallhilfe) bestände aber in Bezug auf das geltend gemachte Begehren nur, wenn nach der im
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich allein möglichen summarischen Prüfung mit der für dieses
Verfahren erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit ein sozialhilferechtlich anzuerkennender und dringend sofort zu
deckender Bedarf festzustellen oder jedenfalls vorläufig aufgrund einer entsprechenden Folgenabwägung zu
unterstellen wäre. Beides ist nicht der Fall.
Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe insbesondere auch Hilfen zu einer
angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender
Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im
Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben dabei unberührt. Die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im
Sinne dieser Vorschrift umfasst nach § 12 Nr. 1 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung
[EinglHV]) vom 1. Februar 1975 heilpädagogische (hier nicht gegenständlich, vgl. insofern LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 18. November 2010 – L 7 SO 6090/08 – Juris Rn. 30) sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich
und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem
behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Insbesondere die sonstigen Maßnahmen sind weder vom SGB XII noch der EinglHV gesetzlich näher definiert. In
Betracht kommen insofern nach der Rechtsprechung alle (übrigen) Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der
Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen jedenfalls zu
mildern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. September 2003 – 5 B 259/02 – Juris Rn. 15 m.w.N.). Die Bereitstellung
bzw. Kostenübernahme für einen Schulhelfer kommt hiernach als sonstige Maßnahme der Hilfe zu einer
angemessenen Schulbildung gemäß § 12 Nr. 1 EinglhV dem Grunde nach in Betracht, soweit nicht Leistungen der
Jugendhilfe gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII vorrangig sind. Letzteres ist hier nicht der Fall (vgl. § 10 Abs. 4 Satz
2 SGB VIII).
Gemäß § 2 Abs. 1 SGB XII erhält Sozialhilfe jedoch nicht, wer (u.a.) die erforderliche Leistung von anderen,
insbesondere von Trägern anderer Sozialleistungen, bereits erhält. Dies gilt sinngemäß auch für die Hilfe zu einer
angemessenen Schulbildung, da die pädagogische Förderung schulpflichtiger Kinder in erster Linie Aufgabe der
Schule und nicht des Sozialhilfeträgers ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O. Rn. 34 m.w.N.). Demgemäß ist nach
§ 4 Abs. 6 Satz 1 des Schulgesetzes für das Land Berlin (Schulgesetz – SchulG) vom 26. Januar 2004 jede Schule
für die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags verantwortlich und gestaltet den Unterricht und seine
zweckmäßige Organisation selbständig und eigenverantwortlich. Schülerinnen und Schüler, die in ihren Bildungs-,
Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten derart beeinträchtigt sind, dass sie im Unterricht der allgemeinbildenden und
beruflichen Schulen ohne sonderpädagogische Unterstützung nicht hinreichend gefördert werden können, haben
sonderpädagogischen Förderbedarf. Einen solchen Förderbedarf hat die Schulverwaltung dem Antragsteller gegenüber
zuerkannt, und zwar hinsichtlich des Förderbedarfs "Geistige Entwicklung", wobei er der Förderstufe II zugeordnet
worden ist. Im sonderpädagogischen Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung" werden, wie sich aus § 12 der
Verordnung über die sonderpädagogische Förderung (Sonderpädagogikverordnung – SopädVO – vom 19. Januar 2005
ergibt, Schülerinnen und Schüler gefördert, die wegen einer hochgradigen Beeinträchtigung ihrer intellektuellen
Fähigkeiten und damit verbundener Lern- und Entwicklungsstörungen erheblich unter den altersgemäßen
Erwartungsnormen liegen. Ziel der Förderung ist insbesondere die Entwicklung von kognitiven, kommunikativen,
sprachlichen, senso- und psychomotorischen, emotionalen und sozialen Fähigkeiten, einschließlich der Ausformung
von lebenspraktisch orientierten Kulturtechniken, um den Schülerinnen und Schülern ein aktives Leben in sozialer
Integration und die selbstbestimmte Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu ermöglichen. Der Förderstufe II werden gemäß
§ 16 Abs. 2 Satz 2 SopädVO Schülerinnen und Schüler zugeordnet, die so gravierende Einschränkungen ihrer
geistigen, sensorischen, emotional-sozialen oder motorischen Entwicklung haben, dass sie zu einer selbständigen
Lebensbewältigung nicht in der Lage sind und dauernder Pflege und Unterstützung bedürfen. Wie ferner aus § 38
SchulG folgt, sind Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt (Sonderschulen), Grundschulen und
Schulen der Sekundarstufen I und II. Die Organisation dieser Schulen richtet sich nach den jeweils festgestellten
sonderpädagogischen Förderschwerpunkten. Schulpflichtige besuchen gemäß § 38 Abs. 2 SchulG die für sie
geeignete Schule mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt. Vorstehendes ist beim Antragsteller der Fall.
Vorliegend kann dahinstehen, ob ein Eingliederungshilfebedarf in Bezug auf einen Schulbegleiter allein im Falle des
Besuchs einer Regelschule anerkannt werden kann, oder auch im Falle der Beschulung des Schülers auf einer für die
besonderen Bedürfnisse des Schülers ausgerichtete Sonderschule (vgl. eher verneinend Grube/Wahrendorf, SGB XII,
3. Auflage 2010, § 54 Rn. 34; eher bejahend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Juni 2007 – L 7 SO 414/07 –
Juris Rn. 25). Denn hier fehlt es bereits an einem entsprechenden und darüber hinaus dringend einstweilig zu
regelnden Bedarf des Antragstellers in Bezug auf eine 1:1-Betreuung mithilfe eines Schulhelfers.
Zwar ist seitens des SPZ zuletzt mit ärztlichem bzw. sozialtherapeutischem Bericht vom 21. Februar 2011 ausgeführt
worden, dass, je intensiver die Förderung hinsichtlich der Strukturierung des Unterrichts, der Wiederholung der
Aufgabenstellung und der Wiederholung des Unterrichtsstoffes sowie der Verhaltensregulation sei, desto größer die
Wahrscheinlichkeit einer geglückten Integration des Antragstellers in der Zukunft wäre. Hierfür benötige der
Antragsteller die ständige, ungeteilte Aufmerksamkeit einer Bezugsperson, die ihm die Unterrichtsanforderungen
erkläre, soziale Kontakte begleite und aggressivem und autoaggressivem Verhalten entgegenwirke. Auf welcher
Erkenntnis die ärztliche bzw. sozialtherapeutische Einschätzung hingegen beruht, auch die sehr erfahrenen Lehrer der
Schule des Antragstellers seien auf derart schwierige Kinder, bei denen die Kontrollinstanz des Gehirns geschädigt
sei, nicht ausreichend vorbereitet, lässt sich dem Bericht nicht entnehmen. Sie wird auch seitens des Gerichts nicht
in diese Form geteilt. Dass der Antragsteller einen außerordentlich hohen Betreuungs- und Förderbedarf auch im
Rahmen der Beschulung hat, ist, wie ausgeführt, von Seiten der Schulbehörde dadurch bestätigt worden, dass sein
sonderpädagogischer Förderbedarf gemäß der Stufe II anerkannt worden ist und er dementsprechend beschult wird.
Soweit die Klassenlehrerin, offenbar mit Einverständnis der Schulleiterin, den Tagesablauf des Antragstellers in der
Klasse exemplarisch am 22. Dezember 2010 dargestellt und zusammenfassend ausdrücklich den Einsatz eines
Schulhelfers befürwortet hatte, der individuell auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Antragstellers einzugehen in
der Lage sein sollte, trifft diese Situation nach den Ausführungen der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und
Forschung vom 22. Februar 2011 nicht mehr zu. Denn danach seien nach einem (erneuten) Unterrichtsbesuch der
Sonderpädagogen der Koordinierungsstelle für Feststellungsverfahren und Schulhelfer am 22. Februar 2011 keine
gravierenden Auffälligkeiten bei dem Antragsteller beobachtet werden, die einer zusätzlichen Unterstützung bedurft
hätten. Vielmehr sei der Antragsteller in den vier Arbeitsphasen (Frühstück, Aufräumen, Spielzeit und Morgenkreis)
offen, freundlich und zugewandt gewesen. Zwar ist das jeweilige Verhalten des Antragstellers ausweislich des
geschilderten Tagesablaufs seitens der Klassenlehrerin offenbar auch von seiner jeweiligen Tagesform abhängig;
darüber hinaus ist die Verhaltensauffälligkeit nach den Ausführungen der Klassenlehrerin wie auch dem
Krankenhausbericht der H Klinik H vom 10. September 2008 größer, je vertrauter die Menschen und die Umgebung
dem Antragsteller sind. Allerdings würde eine vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zu einer Kostenübernahme
für eine schulische 1:1-Ganztagsbetreuung trotz schulorganisatorisch bereitgestellter 1:3,5-Betreuung (gerechnet auf
die Klassenlehrerin und die pädagogisch geschulte Betreuerin) bzw. die 1:2,3-Betreuung (wenn der weitere, der Klasse
zur Seite gestellte Betreuer hinzugezählt wird) bei vollzähliger Schülerzahl voraussetzen, dass der Antragsteller stets
und einschränkungslos auf eine solche Hilfe angewiesen wäre. Solches folgt jedoch weder aus dem geschilderten
Tagesablauf, noch aus den Berichten des SPZ, noch im Übrigen aus der Stellungnahme des Einzelfallhelfers M. Fitz
vom 14. Juni 2010, wonach es dem Antragsteller nach einer für ihn verständlichen Erklärung durchaus möglich sei,
sich längere Zeit zu konzentrieren. Soweit der Antragsteller jedenfalls zeitweise auf eine Individualbetreuung
angewiesen ist, bestehen keine Anhaltspunkte, dass dies nicht im Rahmen des bereitgestellten Lehr- und
Betreuungspersonals ermöglicht wird bzw. werden kann.
Vielmehr scheint auch seitens der Schule selbst, die nach dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 14. Februar 2011
offenbar bereits über Schulhelfer verfüge, die in den Lerngruppen bedarfsgerecht eingesetzt werden könnten, wenn in
begründeten Ausnahmefällen zusätzlicher medizinischer und pflegerischer Aufwand notwendig sei, ein weiterer Bedarf
bei personeller Kontinuität nicht mehr für gegeben erachtet zu werden. Denn, wie im bereits genanten Schreiben der
Senatsverwaltung vom 22. Februar 2011 wiedergegeben, hätten die Schulleiterin und die Klassenlehrerin in einem
Gespräch vom 18. Februar 2011 bestätigt, dass die Ausstattung der Klasse mit drei Vollzeitkräften grundsätzlich
ausreichend sei.
Ob eine seinerzeit bestehende Situation ein kurzfristiges Hilfemanagement in Form eines Schulhelfers seitens des
Schulamtes oder im Wege der Eingliederungshilfe erfordert hätte, als offenbar im Oktober 2010 ausweislich eines
Email-Schreibens der sorgeberechtigten Mutter des Antragstellers vom 1. Oktober 2010 eine Erzieherin längerfristig
ausgefallen war, kann bei dieser Sachlage dahinstehen. Zu beachten dürfte allerdings in diesem Zusammenhang sein,
dass gerade aufgrund einer Behinderung besonders förderbedürftige Kinder auf Veränderungen ihres Umfeldes häufig
besonders sensibel reagieren mit der Gefahr des Verlustes erworbener Fähigkeiten, welches ein gegebenenfalls
kurzfristiges Intervenieren im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten dringend erforderlich
machen könnte.
Bei dieser Sachlage kann auch unter dem Gesichtspunkt der Nachrangigkeit der Sozialhilfe dahinstehen, ob für den
Antragsteller Nachteilsausgleich gemäß § 38 SopädVO seitens des Schulamtes empfohlen worden ist (seitens des
SPZ war dies bereits im April 2010 angeregt worden), über dessen Art und Umfang die Schulleitung in Absprache mit
den Lehrkräften zu befinden hätte (vgl. § 40 SopädVO). Insofern wäre es gemäß § 39 SopädVO möglich, dem
Antragsteller zum Ausgleich seiner Erschwernisse besondere Hilfsmittel oder methodische
Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen, wozu etwa auch ein auf die Behinderung abgestimmter Einsatz
von unterstützendem Personal (z. B. fachgerechte Pflege während der Bearbeitungszeit, Vorlesedienste u.a.) zählt.
Dem Antragsteller war antragsgemäß nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO für das erstinstanzliche
Verfahren ab Antragstellung bei Gericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Er ist, wie sich aus der mit Antragstellung
eingereichten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ergibt, nicht in der Lage, die Kosten
der Prozessführung aufzubringen. Darüber hinaus war ihm jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des
Prozesskostenhilfegesuchs (nach Einräumung einer angemessenen Stellungnahmefrist, vgl. § 118 Abs. 1 ZPO) eine
für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung, an die zumal im
Bereich der Existenzsicherung keine überspannten Anforderungen zu stellen sind (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19.
Februar 2008 – 1 BvR 1807/07 – und 15. Dezember 2008 – 1 BvR 1404/04 – jeweils Juris), nicht von vornherein
abzusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der
Sache.