Urteil des SozG Berlin vom 13.03.2017

SozG Berlin: aufschiebende wirkung, nichteheliche lebensgemeinschaft, wohnung, verwaltungsakt, erlass, beweislast, link, sammlung, quelle, versicherung

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Gericht:
SG Berlin 104.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 104 AS 26829/07
ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 7 Abs 3 Nr 3c SGB 2, § 36 SGB
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Arbeitslosengeld II - Anhaltspunkte für das Vorliegen einer
eheähnlichen Gemeinschaft - gewöhnlicher Aufenthalt
Leitsatz
Hält sich ein Hilfebedürftiger über einen Zeitraum von ungefähr zwei Monaten
krankheitsbedingt in einer anderen Wohnung auf, lässt das noch nicht darauf schließen, dass
er während dieser Zeit seinen gewöhnlichen Aufenhalt im Sinne von § 36 SGB 2 in seiner
bisherigen Wohnung aufgegeben hat.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 30. September
2007 gegen den Bescheid vom 18. September 2007 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des
Verfahrens zu erstatten.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S N
gewährt.
Gründe
Der (sinngemäße) Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines
Widerspruchs vom 30. September 2007 gegen den Aufhebungsbescheid vom 18.
September 2007 anzuordnen, hat Erfolg.
Der von dem Antragsteller gestellte Antrag war nach § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den
Aufhebungsbescheid vom 18. September 2007 auszulegen. Denn nach seinem
Vorbringen wendet sich der Antragsteller ausschließlich gegen die in dem Bescheid vom
18. September 2007 enthaltenen Regelungen. Allein durch Anordnung der
aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen diesen Bescheid kann er sein
Begehren, die volle Auszahlung von Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit ab 1. Oktober
2007 erreichen. Denn bei Suspendierung des Aufhebungsbescheides vom 18.
September 2007 kann sich der Antragsteller weiterhin auf die Regelungen in dem
ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 21. August 2007 berufen, durch welche ihm
die Gewährung von Alg II für die Zeit von August 2007 bis Januar 2008 eingeräumt
worden ist.
Demgegenüber würde der von ihm wörtlich gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung bereits an der Subsidiaritätsklausel des § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG scheitern.
Der so verstandene Antrag ist zulässig.
Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den
Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung
haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der von dem
Antragsteller erhobene Widerspruch hat nach § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit
§ 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) keine
aufschiebende Wirkung, weil der angegriffene Bescheid vom 18. September 2007 ein
Verwaltungsakt ist, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
entscheidet.
Der Antrag ist auch begründet.
Bei der nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zu treffenden Entscheidung über die
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Bei der nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zu treffenden Entscheidung über die
Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist eine Abwägung des Aussetzungs- und des
Vollzugsinteresses vorzunehmen. Dabei ist maßgebliches Kriterium bei dieser Abwägung
die Erfolgsaussicht des eingelegten Rechtsbehelfs. Soweit sich der angegriffene
Verwaltungsakt bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung als
rechtswidrig erweist, ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen.
Dies ist vorliegend der Fall. Der Aufhebungsbescheid vom 18. September 2007 erweist
sich nach summarischer Prüfung anhand der Aktenlage als rechtswidrig.
Insoweit ist für die Kammer insbesondere nicht erkennbar, dass die Voraussetzungen für
die Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheids vom 21. August 2007 für die
Zeit ab 1. Oktober 2007 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch –
Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) zur Überzeugung der
Kammer vorliegen.
Hiernach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den
tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes
mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Eintritt
einer wesentlichen Änderung, die nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin hier alleine
darin liegen kann, dass der Antragsteller seine Wohnung im W-V-D .., … B, aufgegeben
und zu einer Frau M Scha. bzw. M Schä. in der O.straße .., … B, gezogen sein soll mit der
Folge, dass zwischen dem Antragsteller und Frau Sch eine nichteheliche
Lebensgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II bestehen soll, lässt sich also
nicht nachweisen. Zur Einschätzung der Kammer bestehen an den Behauptungen der
Antragsgegnerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt doch erhebliche Zweifel. Diese gründen
sich einerseits auf die eidesstattlichen Versicherungen des Antragstellers vom 22.
Oktober 2007 und der Frau Sch vom 22. Oktober 2007 wonach der Antragsteller sich
lediglich in der Zeit von Mitte Juli bis etwa Mitte September 2007 in der Wohnung der
Frau Sch krankheitsbedingt aufgehalten hat. Dieser Umstand lässt jedenfalls noch nicht
darauf schließen, dass der Antragsteller während dieser Zeit seinen gewöhnlichen
Aufenthalt im Sinne des § 36 SGB II in der Wohnung W-V-D .. aufgegeben hat. Auch der
Prüfbericht der Antragsgegnerin vom 10. September 2007 kann hierbei zu keiner
anderen Einschätzung führen. Denn auch nach dem Vorbringen des Antragstellers
selbst (vgl. eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom 22. Oktober 2007)
befand er sich zu diesem Zeitpunkt noch krankheitsbedingt in der Wohnung der Frau
Sch.
Soweit damit doch erhebliche Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 SGB
X (bzw. des § 45 SGB X) verblieben sind, gehen diese nach den Grundsätzen der
objektiven Beweislast zu Lasten der Antragsgegnerin (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 –
B 3 P 8/04 R -; SozR 4-1300 § 48 Nr. 6).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt S N beruht auf
§ 73 a SGG i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung.
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