Urteil des SozG Berlin vom 21.12.2008

SozG Berlin: anrechenbares einkommen, betriebskosten, nummer, wohnung, wohnraum, heizung, unterkunftskosten, erlass, obliegenheit, verbrauch

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Gericht:
SG Berlin 128.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 128 AS 38212/09
ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 12 Abs
1 SGB 2, § 12 Abs 2 SGB 2, § 21
Abs 5 SGB 2, § 22 Abs 1 S 1
SGB 2 vom 21.12.2008
Einstweiliger Rechtsschutz - Arbeitslosengeld II - Einkommens-
oder Vermögensberücksichtigung - Erlös aus Veräußerung eines
Vermögensgegenstandes des Schonvermögens - Unterkunft und
Heizung - Kostensenkungsverfahren bei unangemessenen Heiz-
und Betriebskosten - kein Mehrbedarf für kostenaufwändige
Ernährung bei Diabetes
Leitsatz
1. Der Hilfebedürftige erzielt auch im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende dadurch,
dass er einen bereits in seinem Vermögen befindlichen Gegenstand zum Verkehrswert
veräußert, kein zu berücksichtigendes Einkommen (Anschluss an Bundessozialgericht, Urteil
vom 20. Juni 1978 - 7 RAr 47/77 -– juris).
2. Beruhen zu hohe Heiz- und Betriebskosten nicht auf einem unwirtschaftlichen Verhalten
des Hilfebedürftigen, sondern allein auf der Wohnungsgröße, müssen entsprechend § 22 Abs
1 S 3 SGB 2I, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen, neben der tatsächlichen Kaltmiete
auch die tatsächlichen Heiz- und Betriebskosten übernommen werden.
3. Für die Beurteilung eines Anspruchs nach § 21 Abs 5 SGB 2 sind jedenfalls im Verfahren
einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich die Empfehlungen des Deutschen Vereins für
öffentliche und private Fürsorge e.V. zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe
(Stand: 1. Oktober 2008) verbindlich.
Tenor
1. Der Antragsgegner wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
verpflichtet, den Antragstellern für November 2009 jeweils Leistungen in Höhe von 473,-
€ (insgesamt 946,- € für die Bedarfsgemeinschaft) sowie für den Zeitraum vom 1.
Dezember 2009 bis zum 30. April 2010 jeweils Leistungen in Höhe von monatlich 568,- €
(insgesamt 1.136,- € für die Bedarfsgemeinschaft) zu gewähren.
2. Der Antragsgegner hat den Antragstellern deren außergerichtlichen Kosten zu
erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Antragsgegner.
Der am 6. August 1949 geborene Antragsteller zu 1. und die am 23. Januar 1964
geborene Antragstellerin zu 2. sind verheiratet und bewohnen eine rund 68 qm große
Wohnung zu einer monatlichen Kaltmiete von 488,32 € zzgl. einer
Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 68,- € sowie einer Betriebskostenvorauszahlung
in Höhe von 123,22 €. Der Antragsteller zu 1. ist selbständig und betreibt einen Kiosk.
Hieraus hat er ausweislich eines Steuerbescheides des Finanzamts Charlottenburg vom
2. Februar 2009 im Jahr 2007 Einkünfte in Höhe von 7.294,- € erzielt. Der Antragsteller
zu 1. hat die Antragstellerin zu 2. zu einem monatlichen Bruttolohn von 401,- € bei sich
angestellt. Die Antragsteller verfügten des Weiteren über folgendes Vermögen:
- Wertpapiere, die sie am 15. Juli 2009 über die B V für 10.562,50 € verkauften,
- einen Sparbrief der K-Q-Bank Nummer … im Wert von 18.170,- € (nachfolgend:
Sparbrief); diesen haben sie ausweislich einer Bestätigung von Frau R P (P.) für ein von P.
gewährtes Darlehen als Sicherheit abgetreten; am 16. Juli 2009 wurde den Antragstellern
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gewährtes Darlehen als Sicherheit abgetreten; am 16. Juli 2009 wurde den Antragstellern
nach Auflösung des Sparbriefes ein Betrag von 18.663,46 € überwiesen; mit Schreiben
vom 14. August 2009 hat P. bestätigt, das Darlehen von 18.500,- € vom Antragsteller zu
1. zurückgezahlt bekommen zu haben;
- eine Lebensversicherung bei der DBV W Nummer …; diese wurde gekündigt,
das Guthaben in Höhe von 17.947,85 € am 6. Mai 2008 auf das Konto der Antragsteller
überwiesen;
- eine Rentenversicherung bei K-Q-Versicherungen Nummer …; dieser Vertrag
wurde an den Vermieter des Ladengeschäfts des Antragstellers zu 1. im Februar 2004
abgetreten; nach Vertragsbeendigung wurde der Verkaufserlös von 13.411,52 € den
Antragstellern im August 2008 gutgeschrieben.
Im August 2008 beantragten die Antragsteller Leistungen nach dem SGB II beim
Antragsgegner. Ihnen wurden vom Antragsgegner mit Bescheid vom 28. Januar 2009
(Änderungsbescheid für Februar 2009 erging am 18. Februar 2009) vorläufig Leistungen
für die Zeit vom 26. August 2008 bis zum 28. Februar 2009 bewilligt. Dabei
berücksichtigte der Antragsgegner unter anderem einen Mehrbedarf für
kostenaufwändige Ernährung des Antragstellers zu 1., der Diabetiker ist, in Höhe von
monatlich 51,13 €. Unterkunfts- und Heizkosten berücksichtigte er im Umfang von
667,60 €, wobei er 11,94 € für Warmwasserbereitung abzog. Auf den Bedarf rechnete er
das Einkommen der Antragstellerin zu 2. nach Berücksichtigung der Freibeträge im
Umfang von monatlich 177,15 € an. Einkommen des Antragstellers zu 1. berücksichtigte
er nicht.
Im Januar 2009 beantragen die Antragsteller die Weiterbewilligung von Leistungen nach
dem SGB II. Änderungen gaben sie im Wesentlichen nicht an. Ihnen wurden vom
Antragsgegner mit Bescheid vom 19. Februar 2009 Leistungen für die Zeit vom 1. März
bis zum 31. August 2009 bewilligt. Bei der Bewilligung ging der Antragsgegner
weitgehend vom selben Bedarf aus wie im Bescheid für den vorherigen Zeitraum. Nicht
mehr berücksichtigt wurde ein ernährungsbedingter Mehrbedarf für den Antragsteller zu
1. Mit Schreiben vom 18. Februar 2009 setzte der Antragsgegner die Antragsteller über
eine seiner Ansicht nach angemessene Bruttowarmmiete in Höhe von nur 444,- €
monatlich in Kenntnis. Sollten sich die Antragsteller bis zum 12. März 2009 nicht hierzu
geäußert haben, würden sie eine schriftliche Aufforderung erhalten, sich um
preisgünstigeren Wohnraum zu bemühen. Die Antragsteller nahmen hierzu Stellung. Sie
wiesen auf das Alter des Antragstellers zu 1. sowie dessen 2007 erlittenen Schlaganfall
und auf die Gehbehinderung der Antragstellerin zu 2. (Grad der Behinderung 60) hin. Ein
Aufforderungsschreiben, sich preisgünstigeren Wohnraum zu suchen, übermittelte der
Antragsgegner nicht.
Im Juli 2009 erlangte der Antragsgegner anlässlich eines Datenabgleichs mit dem
Bundeszentralamt für Steuern Kenntnis von Kapitalerträgen der Antragsteller im Jahr
2007. Hierzu nahmen die Antragsteller dahingehend Stellung, im Jahr 2007 keine
Leistungen vom Antragsgegner erhalten zu haben. Sie beantragten im August 2009 die
Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II beim Antragsgegner. Dabei
prognostizierten sie einen Gesamtgewinn für die Monate September 2009 bis Februar
2010 in Höhe von 460,55 €. Am 2. September 2009 beglich der Antragsteller zu 1.
Schulden bei seinem Vermieter in Höhe von 6.135,51 € sowie Schulden beim Finanzamt
in Höhe von 4.315,55 €. Mit Bescheid vom 20. Oktober 2009 lehnte der Antragsgegner
den Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab, weil das zu
berücksichtigende Vermögen aus dem Sparbrief und dem Wertpapierverkauf in Höhe
von 29.225,96 € die Freibeträge von 17.250,- € übersteige. Hiergegen legten die
Antragsteller am 25. Oktober 2009 Widerspruch ein.
Am 6. November 2009 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Berlin einen Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Der Sparbrief sei bereits am 14.
Dezember 2007 an P. verpfändet worden und demnach nicht als Vermögen verfügbar
gewesen. Der Verkaufserlös aus dem Sparbrief sei für die Rückzahlung des Darlehens
verwendet worden. Auch die weiteren Verkaufserlöse seien vollständig zur Begleichung
von Verbindlichkeiten verwendet worden. Anrechenbares Einkommen erziele der
Antragsteller zu 1. nicht.
Die Antragsteller beantragen,
den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen Leistungen nach dem SGB II ab
Rechtshängigkeit zu bewilligen und zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
Die Verpfändung des Sparbriefes Nr. …. und die Rückzahlung des Darlehens an P. in bar
seien nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Dazu sei Vermögen aus einem
Wertpapierverkauf in Höhe von 10.562,- € zu berücksichtigen, so dass das Vermögen die
Freibeträge übersteige.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der
Prozessakte und der die Antragsteller betreffenden Verwaltungsakte Bezug genommen.
Er war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II.
Der zulässige Antrag ist auch begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige
Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile nötig erscheint. Insoweit gilt § 920 der Zivilprozessordnung (ZPO)
entsprechend. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist damit die
Glaubhaftmachung von Tatsachen, die einen Anordnungsgrund und den
Anordnungsanspruch begründen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs.
2 ZPO). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert
nebeneinander. Zwischen beiden besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als
die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit oder
Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt.
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen
Zusammenhangs ein bewegliches System (vgl. Beschluss des Landessozialgerichts
Rheinland-Pfalz vom 26. März 2007 - L 1 ER 32/07 AY). Ist die Klage in der Hauptsache
offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich
abzulehnen, weil ein schützenwertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der
Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, vermindern sich die Anforderungen an
den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen
Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des
Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine abschließende Aufklärung der Sach- und
Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu
entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers
umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) müssen sich die Gerichte schützend und fördernd
vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1
BvR 569/05).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze haben die Antragsteller ab Antragseingang bei
Gericht am 6. November 2009 bis zum 30. April 2010 einen Anspruch auf Leistungen
nach dem SGB II im Wege der einstweiligen Anordnung. Nach § 19 Satz 1 SGB II erhalten
erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung.
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine
Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer
Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen
Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder
Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von
Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1
SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen
und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.
Einem Anspruch der Antragsteller steht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ihr
Vermögen nicht entgegen. Als Vermögen sind nach § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren
Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Das zu berücksichtigende Vermögen
überschreitet nicht die den Antragstellern nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II und nach § 12
Abs. 2 Nr. 4 SGB II zustehenden Freibeträge von insgesamt 17.250,- € (105 Lebensjahre
mal 150,- € ergeben 15.750,- € + 1.500,- €).
Keines näheren Eingehens bedarf es dabei auf die bereits im Mai und Juli 2008
aufgelösten Lebens- (DBV W, Nummer …) und Rentenversicherungen (K Q, Nummer …),
deren Verwertung und Verbrauch die Antragsteller wohl auch nach Auffassung des
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deren Verwertung und Verbrauch die Antragsteller wohl auch nach Auffassung des
Antragsgegners hinreichend glaubhaft belegt haben. Aber auch der Sparbrief Nummer
…. von der K Q-Versicherung sowie der Verkauf von Wertpapieren stehen einem
Anspruch nicht entgegen.
Die Antragsteller haben im Juli 2009 ihren Sparbrief Nummer … von der K Q-
Versicherung aufgelöst. Hierfür wurde auf dem Konto der N-bank Nummer … am 16. Juli
2009 ein Betrag von 18.663,46 € (18.170,- zzgl. anteiliger Zinsen für 2009)
gutgeschrieben. Dieser Betrag ist trotz des damals noch bestehenden
Leistungsbezuges der Antragsteller nicht als Einkommen nach § 11 SGB II zu
berücksichtigen. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom
3. März 2009 (B 4 AS 47/08 R) Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II grundsätzlich
alles, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das,
was er vor Antragstellung bereits hatte. Insoweit ließe sich erwägen, dass die
Antragsteller während des laufenden Leistungsbezuges anrechenbares Einkommen
erhalten haben (mit der Folge, dass es auf den anschließenden Verbrauch des erzielten
Erlöses wohl nicht mehr ankäme). So liegt der Fall hier aber nicht. Sollten die
Antragsteller ihren Anspruch aus dem Sparbrief an die Kreditgeberin P. abgetreten
haben, dürfte – ungeachtet der genauen rechtlichen Bewertung – der Erlös von rund
18.600,- € gar nicht mehr dem Vermögen der Antragsteller zuzuordnen sein. Aber auch
dann, wenn man davon ausgeht, dass der Sparbrief und der aus dessen Verkauf erzielte
Erlös dem Vermögen der Antragsteller zu jeder Zeit zuzuordnen gewesen sind, liegt ein
anrechenbares Einkommen insoweit nicht vor. Nach der Rechtsprechung des BSG zur
Arbeitslosenhilfe, der sich die Kammer anschließt und die sie auf das Recht des SGB II
überträgt, erzielt der Arbeitslose dadurch, dass er einen bereits in seinem Vermögen
befindlichen Gegenstand zum Verkehrswert veräußert, kein zu berücksichtigendes
Einkommen (Urteil vom 20. Juni 1978 - 7 RAr 47/77 – juris). So liegt der Fall aber hier,
denn das, was die Antragsteller in Form eines Sparbriefes bereits hatten (18.170,- €
zzgl. Zinsanspruch), haben sie lediglich „umgewandelt“ in Geld (im Ergebnis ebenso
Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 11, Rn. 21).
Der demnach als Vermögen grundsätzlich zu berücksichtigende Betrag von rund
18.600,- € ist im Umfang von 18.500,- € am 14. August 2009 verbraucht worden. Dies
geht aus der schriftlichen Quittung der P. hervor, die eine entsprechende Barzahlung
bestätigt hat. Die Einlassung des Antragsgegners, angesichts des Betrages sei eine
Barzahlung ungewöhnlich und nicht hinreichend dargetan, ist in dieser Form zu dürftig.
Die Antragsteller haben durch Vorlage der Kontoauszüge belegt, vor dem 14. August
2009 mehrere erhebliche Barabhebungen nach Eingang des Erlöses aus dem Verkauf
des Sparbriefes vorgenommen zu haben. Sie haben Unterlagen vorgelegt, aus denen
sich eine Darlehensforderung über 18.500,- € ergibt. Diese Unterlagen und die Quittung
stellen ausreichende Belege für Bestehen und Rückzahlung des Darlehens dar, zumal
nicht ersichtlich ist, welche weiter gehenden Unterlagen die Antragsteller nun noch
vorlegen sollten.
Nachdem Vermögen aus dem Verkauf des Sparbriefes nicht zu berücksichtigen ist, das
allenfalls zu berücksichtigende Vermögen aus dem Wertpapierverkauf von rund 10.500,-
€ aber die Freibeträge nicht überschreitet, bedarf es auch keines weiteren Eingehens auf
letztgenannten Wertpapierverkauf. Allerdings dürfte einer Berücksichtigung des aus dem
Wertpapierverkauf erzielten Erlöses als Vermögen der Verbrauch von rund 10.450,- € am
2. September 2009 zur Begleichung von Kautions- und Steuerschulden entgegenstehen.
Anhaltspunkte für etwaiges weiteres Vermögen, das die Freibeträge übersteigt, hat die
Kammer nicht, nachdem der Antragsteller zu 1. Angaben zu einer Versicherung bei K Q
Nummer … nachgeholt hat.
Steht einem Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II Vermögen demnach nicht
entgegen, ist der Bedarf zu bestimmen. Neben den Regelleistungen von insgesamt
646,- € sind als anerkannte Kosten für Unterkunft und Heizung 679,54 € anzusetzen,
diese nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gekürzt um Kosten
für Warmwasserbereitung in Höhe von monatlich 11,64 € (vgl. BSG, Urteil vom 27.
Februar 2008 - B 14/11b AS 15/07 R und nunmehr Urteil vom 22. September 2009 - B 4
AS 8/09 R). Eine Kürzung der Unterkunftskosten auf ein vermeintlich angemessenes Maß
kommt vorliegend nicht in Betracht. Dabei lässt die Kammer offen, ob und inwieweit die
monatliche Kaltmiete der derzeit von den Antragstellern bewohnten Wohnung
unangemessen hoch ist. Offen lässt sie auch, inwieweit die von den Antragstellern im
Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumente (Alter und Krankheit) einen Umzug als
unzumutbar erscheinen lassen. Jedenfalls folgt der Anspruch der Antragsteller auf
Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Soweit
die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles
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die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles
angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II als Bedarf
des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu
berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der
Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen
Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu
senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Vorschrift begründet nach
der Rechtsprechung des BSG eine Obliegenheit zur Kostensenkung (BSG, Urteil vom 27.
Februar 2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 8). Ergibt der Vergleich
zwischen tatsächlichen Unterkunftskosten und der Referenzmiete, dass die
Aufwendungen der konkret angemieteten Wohnung höher sind als die angemessene
Referenzmiete, ist der Hilfeempfänger angehalten, Maßnahmen zur Kostensenkung
einzuleiten. Kennt der Hilfebedürftige seine Obliegenheit zur Senkung der Kosten seiner
Unterkunft und sind Kostensenkungsmaßnahmen sowohl subjektiv zumutbar als auch
möglich, kann er die Erstattung seiner Aufwendungen ab dem Zeitpunkt, zu dem diese
Maßnahmen zum Beispiel bei Einhaltung von Kündigungsfristen etc. wirksam werden
könnten, nur noch in Höhe der Referenzmiete, also der Aufwendungen für eine
angemessene Wohnung verlangen (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08
R). Vorliegend fehlt es an der Kenntnis der Antragsteller über eine etwaige Obliegenheit
zur Kostensenkung. Der Antragsgegner hat zwar die Antragsteller über die seiner
Ansicht nach angemessene Warmmiete in Kenntnis gesetzt. Er hat den Antragstellern
aber ausdrücklich die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt und nur für den Fall,
dass die Antragsteller nicht Stellung nehmen würden, ein Aufforderungsschreiben, sich
preisgünstigeren Wohnraum zu suchen, in Aussicht gestellt. Die Antragsteller haben
Stellung genommen. Der Antragsgegner hat darauf nicht mehr reagiert. Bei dieser
Sachlage mussten die Antragsteller jedenfalls in vorliegendem Einzelfall davon
ausgehen, dass die von ihnen vorgetragenen Erwägungen vom Antragsgegner
akzeptiert würden und sie sich um günstigeren Wohnraum nicht kümmern mussten,
mindestens aber mussten sie annehmen, dass sie sich erst nach Zugang einer
Kostensenkungsaufforderung um günstigeren Wohnraum zu kümmern hatten (vgl. zur
Funktion der Kostensenkungsaufforderung LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.
März 2009 - L 14 B 2268/08 AS ER).
Den Antragstellern sind auch die tatsächlichen Heiz- und Betriebskosten zu zahlen. Die
Kammer verkennt allerdings nicht, dass vorliegend die von den Antragstellern bewohnte
Wohnung unter Umständen mit 68 qm zu groß sein könnte (vgl. allerdings SG Berlin,
Urteil vom 26. September 2008 - S 37 AS 23104/07, nach dem für einen Zwei-Personen-
Haushalt bis 60 qm angemessen sind; a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.
September 2009 - L 32 AS 1248/09 -, das 65 (Zweizimmerwohnung) und 80 qm
(Dreizimmerwohnung) als abstrakt angemessen erachtet) und eine zu große Wohnung
auch zu unangemessenen Heiz- und Betriebskosten führen kann (vgl. auch LSG Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 10. September 2009 - L 28 AS 2189/08 -, nach dem die
Heizkosten im Rahmen der Wirtschaftlichkeit in vollem Umfang abhängig von der
abstrakt angemessenen Quadratmeterzahl zu übernehmen sind). Je nachdem, ob man
sich für die Bestimmung der angemessenen Heiz- und Betriebskosten an dem vom
Deutschen Mieterbund für die gesamte Bundesrepublik Deutschland ermittelten
Betriebskostenspiegel orientiert (so beispielsweise LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom
10. September 2009 - L 28 AS 2189/08) oder an den Werten der Anlage I zum Berliner
Mietspiegel, wobei teilweise der 4/5 Spannen-Oberwert herangezogen wird (so Urteil des
LSG Berlin-Brandenburg vom 24. April 2009 - L 32 AS 923/07), kann vorliegend von
angemessenen oder unangemessenen Heiz- und Betriebskosten ausgegangen werden.
Allerdings ist die Kammer der Auffassung, dass entsprechend § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II
die tatsächlichen Heiz- und Betriebskosten zu übernehmen sind (vgl. für die Heizkosten
zu § 22 Abs. 1 Satz 2 a. F. BSG, Urteil vom 19. September 2008 - B 14 AS 54/07 R; vgl.
auch SG Berlin, Urteil vom 8. Mai 2009 - S 37 AS 17129/08). Das BSG führt hierzu aus,
dass in der Vorschrift nur von Aufwendungen für die Unterkunft die Rede sei, und der
Gesetzgeber auch in Folgeregelungen die Aufwendungen für Heizung nicht ausdrücklich
aufgenommen habe. Der Umkehrschluss aus dem Wortlaut der Vorschrift stehe aber im
Widerspruch zu ihrem Sinn und Zweck. Sie enthalte eine Zumutbarkeitsregelung, mit
der verhindert werden soll, dass der Leistungsberechtigte sofort bei Eintritt der
Hilfebedürftigkeit gezwungen ist, seine bisherige Wohnung aufzugeben. Für eine
Übergangszeit werde dem Hilfebedürftigen der räumliche Lebensmittelpunkt auch bei
unangemessenen Kosten erhalten. Zu dem Grundbedürfnis "Wohnen", das von § 22 SGB
II geschützt werde, gehöre aber nicht nur eine bestimmte Räumlichkeit, sondern auch
eine angemessene Raumtemperatur (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom
31. März 2009 - L 9 AS 175/07). Die Kammer folgt dem in Begründung und Ergebnis und
erstreckt die zitierte Rechtsprechung auch auf die Betriebskosten, für die die
Erwägungen zu den Heizkosten entsprechend gelten. Beruhen zu hohe Heiz- und
Betriebskosten nicht auf einem unwirtschaftlichen Verhalten des Hilfebedürftigen,
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Betriebskosten nicht auf einem unwirtschaftlichen Verhalten des Hilfebedürftigen,
sondern allein auf der Wohnungsgröße, müssen entsprechend § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II
neben der tatsächlichen Kaltmiete auch die tatsächlichen Nebenkosten übernommen
werden.
Der Bedarf der Antragsteller beträgt demnach monatlich 1.313,90 €. Soweit in der
Vergangenheit ein ernährungsbedingter Mehrbedarf wegen der Diabetes-Erkrankung des
Antragstellers zu 1. geltend gemacht und nach § 21 Abs. 5 SGB II im Umfang von
monatlich 51,13 € teilweise auch anerkannt wurde, ist dieser Bedarf jedenfalls im
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu gewähren. Bei der gebotenen
summarischen Prüfung sind nämlich die Empfehlungen des Deutschen Vereins für
öffentliche und private Fürsorge e.V. zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der
Sozialhilfe (Stand: 1. Oktober 2008) zu berücksichtigen. Auf Seite 11 dieser
Empfehlungen ist ausgeführt, dass bei Diabetes in der Regel ein krankheitsbedingt
erhöhter Ernährungsaufwand zu verneinen sei, wovon die Kammer vorliegend gleichfalls
ausgeht (vgl. zur Frage der Verbindlichkeit der Empfehlungen jedenfalls des neuesten
Standes LSG Sachsen, Urteil vom 27. August 2009 - L 3 AS 245/08).
Vom Bedarf ist das Einkommen der Antragsteller abzuziehen. Das Einkommen der
Antragstellerin zu 2. beträgt monatlich brutto 401,- €, netto 339,11 €. Nach Maßgabe
des § 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 und § 30 SGB II ist hiervon ein Freibetrag von 160,20 €
abzuziehen, so dass ein anzurechnender Betrag von 178,91 € verbleibt.
Anrechenbares Einkommen des Antragstellers zu 1. aus dessen selbständiger Tätigkeit
liegt nach summarischer Prüfung nicht vor. Bei der Berechnung des Einkommens aus
selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft ist nach § 3 Abs. 1
Satz 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) von den
Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Alg II-V
alle aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft erzielten
Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum (§ 41 Abs. 1 Satz 4 des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch) tatsächlich zufließen. Nach § 3 Abs. 2 Alg II-V sind bei der Berechnung
des Einkommens von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich
geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11 Abs. 2 des Zweiten
Buches Sozialgesetzbuch abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche
Vorschriften abzusetzen.
Die Kammer zieht zur Schätzung – eine exakte Bestimmung des Einkommens ist aus
nahe liegenden Gründen nicht möglich – des Einkommens des Antragstellers zu 1. aus
dessen selbständiger Tätigkeit nicht den Einkommenssteuerbescheid für 2007 heran,
denn dieser vermag Aufschlüsse über die aktuelle Einkommenssituation nicht zu geben.
Ein Einkommenssteuerbescheid für 2008 liegt noch nicht vor. Die Kammer sieht es
deshalb als geboten an, die vorliegenden betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA)
für das Jahr 2009 bei der Einkommensschätzung heranzuziehen. Dabei ergibt sich für
den Zeitraum von Januar bis September 2009 ein Minus von gut 23.000,- €. Die Kammer
lässt offen, ob diese BWA die tatsächliche Gewinn- und Verlustrechnung im Detail
vollständig wieder spiegelt. Selbst dann nämlich, wenn man den Posten „Zugang
Verbindl.“ mit gut 10.300,- € nicht berücksichtigen wollte, ergäbe sich gleichwohl ein
deutlicher Verlust. Bei dieser Sachlage hat die Kammer keine Anhaltspunkte dafür, dass
der Antragsteller zu 1. Einkommen, zumal ein solches, das den Grundfreibetrag von
100,- € überschreiten würde, erzielt.
Den Antragstellern sind demnach monatlich Leistungen in Höhe von 1.134,99 €, für
November 2009 anteilig in Höhe von 945,83 € (§ 41 Abs. 1 Satz 3 SGB II), zu erbringen.
Individualisiert auf die beiden Antragsteller, deren Bedarf exakt identisch ist, so dass das
Einkommen der Antragstellerin zu 2. auch in gleicher Höhe anzurechnen ist, sind den
Antragstellern jeweils monatlich 567,50 €, für November 472,92 € zu gewähren
(horizontale Berechnungsmethode, vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 55/07
R). Diese Beträge sind nach § 41 Abs. 2 SGB II gerundet auf 568,- € bzw. 473,- €, zu
erbringen (vgl. zur Frage, ob die Rundungsvorschrift auch für Unterkunfts- und
Heizkosten gilt, BSG, Urteil vom 19. März 2008 - B 11b AS 23/06 R – m. w. N.; das BSG
lässt die Antwort offen; gegen eine Anwendung des § 41 Abs. 2 SGB II auf
Unterkunftskosten LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Januar 2009 - L 28 AS
1072/07).
Die Bewilligungsdauer von annähernd sechs Monaten ergibt sich aus dem
Rechtsgedanken des § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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