Urteil des SozG Berlin vom 06.12.2010

SozG Berlin: gebühr, ermessen, vergütung, glaubhaftmachung, vergleich, gerichtsakte, fahrtkosten, vorschlag, ausschluss, entstehung

Sozialgericht Berlin
Beschluss vom 06.12.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 180 SF 1755/09 E
Die Erinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 27. Mai
2009 (Az. S 137 AS 1./08 ER) wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Erinnerungsführer legte im Juli 2008 namens der drei Antragsteller Beschwerde gegen einen Beschluss des
Sozialgerichts Berlin ein, durch den ihr Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Bewilligung von Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) abgelehnt worden war. Die
Ablehnung hatte das Sozialgericht im Wesentlichen damit begründet, dass die Antragsteller als polnische
Staatsangehörige keine Leistungsberechtigte nach dem SGB II seien. In dem Beschwerdeverfahren vor dem
Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg fand am 14.10.2008 ein Erörterungstermin statt, der mit dem
Abschluss eines von der Berichterstatterin angeregten Vergleichs endete. Im Rahmen des Erörterungstermins
gewährte das LSG den Antragstellern für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des
Erinnerungsführers als Rechtsanwalt.
Mit Schriftsatz vom 02. März 2009 beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung seiner Vergütung nach folgender
Berechnung:
Verfahrensgebühr nach Nr. 3204, 1008 VV RVG 644,80 EUR Terminsgebühr nach Nr. 3205 VV RVG 200,00 EUR
Einigungsgebühr nach Nr. 1007 VV RVG 250,00 EUR Dokumentenpauschale, 126 Fotokopien Nr. 7000 VV RVG
36,40 EUR Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG 35,00 EUR Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR Summe netto 1.186,20 EUR Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG 225,38 EUR Fahrtkosten Nr. 7004 VV
RVG 6,50 EUR Gesamtbetrag 1.418,08 EUR.
Mit Beschluss vom 27. Mai 2009 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Erinnerungsführer zu
erstattenden Kosten auf den Betrag von 737,21 EUR fest. Dabei legte sie folgende Berechnung zugrunde:
Verfahrensgebühr nach Nr. 3501, 1008 VV RVG 208,00 EUR Terminsgebühr nach Nr. 3515 VV RVG 100,00 EUR
Einigungsgebühr nach Nr. 1007 VV RVG 250,00 EUR Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Fahrtkosten Nr. 7004 VV RVG 6,50 EUR Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG 35,00 EUR Umsatzsteuer
nach Nr. 7008 VV RVG 117,71 EUR Gesamtbetrag 737,21 EUR.
Zur Begründung führte die Urkundsbeamtin u. a. aus, dass die Verfahrensgebühr sich nach Nr. 3501 VV RVG richte,
da Nrn. 3200 ff. VV RVG nur für bestimmte Beschwerden gälten. Die Beschwerde über die Zurückweisung der
einstweiligen Anordnung sei dort nicht aufgeführt. Nach den Kriterien des § 14 RVG sei für die Verfahrensgebühr der
Betrag von 130,00 EUR billig, wobei die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG in Höhe von 78 EUR wegen Mehraufwand
bei zwei weiteren Auftraggebern hinzukäme. Hinsichtlich der Terminsgebühr nach Nr. 3515 VV RVG sei von einer
leicht über dem Mittelwert liegenden Gebühr auszugehen. Die Einigungsgebühr könne antragsgemäß festgesetzt
werden, da Nr. 1007 VV RVG für alle Rechtsmittelverfahren einschließlich des Beschwerdeverfahrens Anwendung
finde. Die beantragte Dokumentenpauschale sei nicht festzusetzen. Der Rechtsanwalt müsse sein Ermessen
ausüben und dürfe nicht kurzerhand die gesamte Akte ablichten lassen. Bei der Durchsicht der Kopien sei festgestellt
worden, dass ab einer bestimmten Blattzahl die gesamte Akte fotokopiert worden sei, darunter auch viele nicht
ausgefüllte Antragsformulare. Da das Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden sei, komme eine
Erstattungspflicht nicht in Betracht.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich die Erinnerung vom 18. Juni 2009, die hier am selben Tag
eingegangen ist. Der Erinnerungsführer meint, unter Geltung der Gebührenrahmen der Nrn. 3501, 3515 VV RVG sei es
unbillig nur die Mittelgebühr bzw. die um 30 % erhöhte Mittelgebühr in Ansatz zu bringen. Das entspreche nicht
annähernd dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Die Antragsteller hätten sich in einer schweren Notlage befunden,
so dass der Ausgang des Verfahrens für sie beinahe von existenzieller Bedeutung gewesen sei. Bei einem Termin,
der über zwei Stunden gedauert habe und sorgfältig vorbereitet worden sei, sei eine Terminsgebühr von nur 100,00
EUR völlig unangemessen. Es sei eine rechtlich äußerst schwierige Angelegenheit gewesen, in der er alle
Besprechungen in polnischer Sprache geführt habe. Sowohl für die Verfahrens- als auch die Terminsgebühr sei die
Höchstgebühr anzusetzen. Zur sachgerechten Durchführung der Angelegenheit sei auch die Ablichtung der nicht
ausgefüllten Antragsformulare erforderlich gewesen. Jedenfalls sei es unzulässig, wenn das Gericht Auslagen, die es
nur teilweise für erforderlich halte, überhaupt nicht erstatte. Aus § 46 Abs. 1 RVG ergebe sich, dass dann wenigstens
die für nötig befundenen Auslagen zu vergüten seien.
Der Erinnerungsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss.
II.
Die zulässige Erinnerung vom 18. Juni 2009, hier eingegangen am selben Tag, ist nicht begründet. Im angefochtenen
Vergütungsfestsetzungsbeschluss sind im Ergebnis zu Recht keine höheren Gebühren und Auslagen festgesetzt
worden.
Nach § 3 Abs. 1 RVG entstehen Betragsrahmengebühren in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in
denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem
Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
genannten Personen gehört. Da die Antragsteller zu dem Kreis der Personen nach § 183 SGG zählen und das GKG
somit nicht anwendbar ist, entstehen hier Betragsrahmengebühren.
Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor
allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der
Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes
Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich
nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten
zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist, § 14 Abs. 1
RVG.
Unter Beachtung der Bemessenskriterien des § 14 Abs. 1 RVG ist hier die Festsetzung der Verfahrensgebühr nach
Nrn. 3501, 1008 VV RVG in Höhe von 208,00 EUR nicht zu beanstanden. Die darüber hinausgehende Forderung des
Erinnerungsführers ist unbillig.
Im Vergütungsfestsetzungsbeschluss ist zutreffend auf Nr. 3501 VV RVG als dem einschlägigen Gebührentatbestand
für die Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens vor dem Landessozialgericht abgestellt worden (ebenso: LSG
Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 05.05.2008, L 20 B 139/07; LSG Hessen, Beschluss v. 25.05.2009, L 2 SF 50/09
E; SG Lüneburg, Beschluss v. 24.03.2009, S 12 SF 55/09 E; zitiert nach sozialgerichtsbarkeit.de; SG Berlin,
Beschluss v. 30. April 2009, S 164 SF 78/09 E , unveröffentlicht; vgl. auch BSG, Beschluss v. 01.04.2009, B 14 SF
1/08 R Rn. 20, zitiert nach juris). Ein Fall von Nr. 3204 VV RVG, wie im Vergütungsfestsetzungsantrag vom
Erinnerungsführer angenommen, liegt nicht vor. Aus dem Wortlaut von Nr. 3501 VV RVG und der Systematik des
RVG ergibt sich, dass vorliegend eine Anwendung von Nr. 3204 VV nicht in Betracht kommt (überzeugend: LSG
Nordrhein-Westfalen, a. a. O.). Insbesondere gehört die Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht zu
den "bestimmten Beschwerden" im Sinne des Teil 3 Abschnitt 2. des RVG, die dort abschließend aufgezählt werden.
Die Regelungen im 2. Abschnitt des 3. Teils gelten damit nur für die dort in der Vorbemerkung ausdrücklich genannten
Beschwerden; im Übrigen bleibt es bei den Regelungen im Abschnitt 5 (vgl. Vorbemerkung 3.5 vor Abschnitt 5). Zu
den im 2. Abschnitt des 3. Teils aufgezählten Beschwerden gehören Beschwerdeverfahren vor dem LSG nicht. Bei
Nr. 3501 VV RVG handelt es sich insoweit um eine Spezialregelung für sozialgerichtliche Beschwerdeverfahren, wenn
in den Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen. Zudem würde bei Zugrundelegung der Nr. 3204 VV RVG kein
Anwendungsbereich für die Regelung in Nr. 3501 1. Alt. VV RVG verbleiben und die Vorschrift bei
Beschwerdeverfahren damit leer laufen.
Innerhalb des Gebührenrahmens der entstandenen Betragsrahmengebühr nach Nrn. 3501, 1008 VV RVG ist
zutreffend keine höhere Gebühr als 208,00 EUR festgesetzt worden. Die Bewertungen im angefochtenen
Vergütungsfestsetzungsbeschluss zu Umfang und Schwierigkeit der Angelegenheit sind im Ergebnis nicht zu
beanstanden. Auch im Übrigen sind Fehler bei der Bestimmung der billigen Gebühr nicht ersichtlich. Die Kammer
kann ebenfalls nicht erkennen, dass nach den Bemessenskriterien des § 14 RVG hier, wie vom Erinnerungsführer
beantragt, die jeweiligen Höchstgebühren festzusetzen wären. Diese müssen solchen Verfahren vorbehalten bleiben,
in denen zumindest der weit überwiegende Teil der Bewertungskriterien des § 14 Abs. 1 RVG deutlich
überdurchschnittlich sind. Das ist hier nicht der Fall. Denn jedenfalls die Einkommens- und Vermögensverhältnisse
der Antragsteller als SGB II-Leistungsempfänger waren weit unterdurchschnittlich. Die Schwierigkeit der
Anwaltstätigkeit ist als weit überdurchschnittlich einzuschätzen, nicht jedoch der Umfang der Anwaltstätigkeit. Der
Bevollmächtigte hatte sich mit dem ablehnenden Beschluss sowie den Einwänden des Antragsgegners im
Beschwerdeverfahren auseinanderzusetzen. Dabei beschränkte sich sein Vortrag im Beschwerdeverfahren im
Wesentlichen auf die Darlegung und Glaubhaftmachung der Ausübung der selbständigen Tätigkeit durch den
Antragsteller zu 2). Die Anwaltstätigkeit war damit zwar überdurchschnittlich umfangreich. Dies allerdings nicht in
einem solchen Ausmaß, das die Höchstgebühr rechtfertigt. Schließlich ist auch kein besonderes Haftungsrisiko des
Bevollmächtigten ersichtlich.
Dem Erinnerungsführer ist jedoch darin zu folgen, dass für die Terminsgebühr nach Nr. 3513 VV RVG hier die
Höchstgebühr von 160,00 EUR anzusetzen ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Erörterungstermin vom
14.10.2008 über zwei Stunden gedauert und damit überdurchschnittlich lang war. Die Kammer geht hierbei davon aus,
dass in sozialgerichtlichen Verfahren regelmäßig eine Terminsdauer von 30-45 Minuten dem Durchschnitt entspricht
(SG Berlin, Beschluss v. 22.01.2010, S 165 SF 1315/09 E, zitiert nach juris und sozialgerichtsbarkeit.de). Die
benannten Bemessenskriterien des § 14 Abs. 1 RVG sind ebenfalls deutlich überdurchschnittlich. Im Termin erfolgte
eine ausführliche Anhörung der beiden erwachsenen Antragsteller, es war zudem eine Auseinandersetzung mit der
schwierigen und uneinheitlichen Rechtsprechung zu den Leistungsausschlüssen im SGB II bei EU-Bürgern aus den
osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten erforderlich. Hinzu kam die Prüfung des vom Gericht angeregten
Vergleichsvorschlags. Zu berücksichtigen ist auch die überragende Bedeutung der streitigen Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts für die Antragsteller. Insgesamt erscheint der Kammer trotz der unterdurchschnittlichen
wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller insbesondere im Hinblick auf die außergewöhnlich lange Terminsdauer
in einem schwierigen Verfahren die Festsetzung der Höchstgebühr gerechtfertigt.
Dennoch führt die Festsetzung der Höchstgebühr für die Terminsgebühr nicht zu einer höheren Vergütung. Denn die
Einigungsgebühr ist ausgehend von Nr. 1006 VV RVG und nur in Höhe von 190,00 EUR festzusetzen, so dass die
höhere Terminsgebühr hier im Ergebnis nicht zu einer höheren Vergütung führt. Unstreitig ist eine Einigungsgebühr
angefallen, da die Beteiligten in dem Erörterungstermin vom 14.10.2008 zur Beendigung des einstweiligen
Rechtsschutzverfahrens einen gerichtlichen Vergleich geschlossen haben. Im Gegensatz zum Erinnerungsführer und
der Ansicht im Beschluss geht die Kammer allerdings davon aus, dass hier der Gebührentatbestand Nr. 1006 VV
RVG und nicht Nr. 1007 VV RVG anwendbar ist. Nr. 1007 VV RVG gilt nur für den Fall, dass über den Gegenstand ein
Berufungs- oder Revisionsverfahren anhängig ist. Dagegen ist Nr. 1006 VV RVG anwendbar, wenn über den
Gegenstand ein sonstiges gerichtliches Verfahren anhängig ist. Damit ist Nr. 1007 VV RVG ausweislich Wortlaut und
Systematik eine Spezialregelung für Einigungen oder Erledigungen in Berufungs- oder Revisionsverfahren. Eine
Beschwerde in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist aber weder eine Berufung noch eine Revision. Nr. 1007
VV RVG kann hier auch nicht analog angewandt werden. Es fehlt insoweit an einer planwidrigen Regelungslücke. Aus
der Parallelvorschrift zu den gerichtskostenpflichtigen Verfahren in Nr. 1004 Absatz 1 VV RVG ist zu folgern, dass
dem Gesetzgeber der Ausschluss von Beschwerdeverfahren bewusst gewesen ist. Denn in dieser Vorschrift hat er
ausdrücklich geregelt, dass der höhere Gebührensatz im Falle einer Einigung oder Erledigung für bestimmte
Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren (Vorb. 3.2.1 und 3.2.2) gelten soll (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt,
RVG, 19. Aufl., Nr. 1003, 1004 Rn. 55). Da bei dem im gleichen Abschnitt des RVG geregelten Nr. 1007 VV RVG eine
vergleichbare Ausnahmeregelung fehlt, kann jedenfalls für die Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
nicht von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden (vgl. aber Müller-Rabe in: a. a. O., Nr. 1005-1007
Rn. 5, der für die Nichtzulassungsbeschwerden nach §§ 145, 160a SGG Nr. 1007 VV RVG für anwendbar hält).
Als billige Einigungsgebühr ist hier die Mittelgebühr von 190,00 EUR anzusetzen. Insoweit ist festzustellen, dass der
Erinnerungsführer ebenfalls - wenngleich unter Zugrundelegung von Nr. 1007 VV RVG - von einem durchschnittlichen
Verfahren ausgegangen ist. Der im Termin geschlossene Vergleich weist keine Besonderheiten auf. Er ist nicht
besonders kompliziert oder umfangreich. Der Inhalt des Prozessvergleichs wurde ausweislich des Sitzungsprotokolls
auf Vorschlag der Berichterstatterin mit dem Vertreter des Antragsgegners im Erörterungstermin vereinbart. Die
Anforderungen an die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss des gerichtlichen Vergleichs sind somit als
durchschnittlich zu bewerten. Der hohen Bedeutung der Angelegenheit für die Auftraggeber stehen deren schlechten
Einkommens- und Vermögensverhältnisse gegenüber, vgl. die obigen Ausführungen. Auch im Übrigen sind keine
Anhaltspunkte für die Festsetzung einer höheren Gebühr geltend gemacht oder ersichtlich. Daher ist bezüglich der
Einigungsgebühr von der Mittelgebühr auszugehen.
Schließlich kann der Erinnerungsführer nicht die Dokumentenpauschale für Ablichtungen aus dem von ihm
eingesehenen Verwaltungsvorgang geltend machen. Nach Nr. 7000 Ziff. 1.a) VV RVG kann eine Pauschale für die
Herstellung und Überlassung von Dokumenten für Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten gewährt werden,
soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war.
Was zur Bearbeitung der Sache sachgemäß ist, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung des
Prozessbevollmächtigten, sondern nach der allgemeinen Verkehrsanschauung im Prozessrechtsverkehr. Dabei ist die
Eigenverantwortlichkeit des Prozessbevollmächtigten für die Prozessführung zu berücksichtigen und eine kleinliche
Handhabung bei der erforderlichen Glaubhaftmachung der Entstehung der Kosten und ihrer Notwendigkeit im Hinblick
auf die Entwicklung des gegenwärtigen Rechtsverkehrs zu vermeiden (Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 19.
Aufl., Nr. 7000 Rn. 22 m. w. N.).
Ausgehend von diesen Grundätzen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Ablichtung der geltend
gemachten 126 Seiten aus der Verwaltungs- und Gerichtsakte zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache
geboten war. Zwar dürfte entgegen der Begründung im Beschluss die Anfertigung von Kopien der nicht ausgefüllten
Antragsformulare grundsätzlich nicht zu beanstanden sein. Zutreffend weist der Erinnerungsführer insoweit darauf hin,
dass diese Kopien erforderlich waren, weil nur so nachzuvollziehen war, dass insoweit keine Angaben durch die
Mandanten gemacht worden waren. Allerdings hat der Erinnerungsführer sich offensichtlich keine Gedanken darüber
gemacht, welche Kopien notwendig sind und welche nicht. Denn er hat sämtliche Schriftstücke, die sich in dem
Verwaltungs- und Gerichtsvorgang befanden, abgelichtet oder ablichten lassen. Darunter sind auch einige Schreiben,
die sowohl aus der Verwaltungs- als auch aus der Gerichtsakte und damit doppelt kopiert worden sind (u. a. Schreiben
des Vermieters und zum Widerspruchsvorgang). Soweit der Erinnerungsführer darauf verweist, dass hier zumindest
die aus Sicht des Gerichts notwendigen Fotokopien zu berücksichtigen seien, kann er damit nicht gehört werden. Es
ist in einer solchen Situation nicht Aufgabe des Gerichts, die notwendigen Fotokopien von den insgesamt geltend
gemachten Fotokopien abzuziehen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.10.2006, Az.: 7 E 1339/05, zitiert
nach juris). Voraussetzung für die Anerkennung von Fotokopierkosten im Festsetzungsverfahren ist nach Nr. 7000
Ziff. 1a) VV RVG, dass der Beteiligte Tatsachen darlegt, aus denen sich schlüssig die Notwendigkeit der Kopien für
eine sachgerechte Prozessführung ergibt. Hieran fehlt es vorliegend. Diese Verpflichtung der Kostengläubiger zur
Darlegung und Glaubhaftmachung der Umstände, die die Gebotenheit der Anfertigung von Kopien zur sachgemäßen
Bearbeitung der Rechtssache belegen, dürfen sie nicht auf das Gericht abwälzen. Daher waren die Fotokopierkosten
insgesamt nicht berücksichtigungsfähig.
Aus dem vom Erinnerungsführer angeführte § 46 Abs. 1 RVG folgt hier nichts anderes. Denn bezüglich der Erstattung
von Kopierkosten ist Nr. 7000 VV RVG die speziellere Regelung, so dass § 46 Abs. 1 RVG nicht zur Anwendung
kommt. Zudem käme man auch unter Anwendung von § 46 Abs. 1 RVG zu keinem anderen Ergebnis. Denn er sieht
die Erstattung von Auslagen des beigeordneten Rechtsanwalts nur für den Fall vor, dass sie zur sachgemäßen
Durchführung der Angelegenheit erforderlich waren. Insoweit trifft den Rechtsanwalt somit ebenfalls die Pflicht die
Erforderlichkeit des Anfalls von Auslagen darzulegen. Dieser Verpflichtung ist der Erinnerungsführer, wie oben
dargelegt, hier nicht nachgekommen.
Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss ist somit im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Erinnerung war daher
zurückzuweisen.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
Die Beschwerde gegen diese Entscheidung ist nicht statthaft, vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss
vom 20.06.2008, L 1 B 60/08 SF AL.