Urteil des SozG Berlin vom 26.11.1993

SozG Berlin: pflegezulage, unechte rückwirkung, verhinderung, medizinische untersuchung, tod, behandlung, verordnung, minderung, rücknahme, erwerbsfähigkeit

Sozialgericht Berlin
Urteil vom 26.11.1993 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 43 VH 114/88-48
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 13 VH 7/94 W04 - 11
Bundessozialgericht B 9 VH 1/99 R
Auf die Klage wird der Bescheid des Beklagten vom 14. Februar 2007 in der Fassung des Zusatzbescheides vom 16.
März 2007 geändert.
Der Beklagte wird – zum Teil auf Grund seines Anerkenntnisses vom 7. Juni 2007 - verurteilt, der Klägerin auch für
die Zeit vom 1. Januar 1982 bis zum 31. Dezember 1985 Beschädigtenrente nach einer MdE von 100, einen vollen
Ehegattenzuschlag und die halbe Ausgleichsrente sowie für die Zeit vom 1. Januar 1982 bis zum 31. Dezember 1987
Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe III, Pflegezulage nach Stufe II und einen Pauschbetrag für
Kleidermehrverschleiß nach der Bewertungszahl 53 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin und dem vom 5. Mai 1998 bis 29. August 2006 Beigeladenen deren notwendige
außergerichtliche Kosten einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens B 9 VH 1/99 R und des
Beschwerdeverfahrens B 9 VH 1/03 B zur Hälfte zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, nachdem der Senat durch rechtskräftiges Teilurteil vom 29. August 2006 festgestellt hat, dass die bei dem
1987 verstorbenen Versorgungsberechtigten S L (L) diagnostizierten arteriosklerotischen Gefäßveränderungen
Schädigungsfolgen im Sinne des Häftlingshilfegesetzes (HHG) sind, noch eine höhere Beschädigtenversorgung für die
Zeit von Januar 1973 bis Dezember 1985 im Neufeststellungsverfahren sowie der Leistungszeitraum der zu
gewährenden Ausgleichsrente, des Ehegattenzuschlages, der Pflegezulage und der Kleiderpauschale sowie die Höhe
der Schwerstbeschädigtenzulage.
Auf Antrag des L erkannte das Versorgungsamt K mit Bescheid vom 8. Januar 1957 einen "Nährstoffmangel nach
langjähriger Inhaftierung" als Schädigungsfolge mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v.H. an. Einen
Verschlimmerungsantrag vom 14. Dezember 1960, den L mit einem am 28. September 1960 erlittenen Herzinfarkt
begründete, lehnte das Versorgungsamt Köln mit Bescheid vom 24. März 1961 ab und bezeichnete das
Versorgungsleiden als "Herzmuskelschaden nach Dystrophie" neu.
Vom 23. August 1971 bis 21. September 1971 wurde L wegen cerebraler Durchblutungsstörungen stationär behandelt.
Im Januar 1973 erlitt er einen apoplektischen Insult mit Hemiparese rechts, Hypoglossusparese links (Lähmung der
Zungenmuskulatur) und Sprachstörung. Im Entlassungsbericht des E Krankenhauses B vom 8. März 1973 ist
angegeben, dass L nach etwa einer Woche nach Rückgang der Schluckstörungen passierte Kost habe zu sich
nehmen und wenige Worte habe nachsprechen können. Zuletzt habe er kleine Sätze sprechen und mit Hilfe gehen
können. Vom 15. Februar bis zum 18. März 1980, 3. Juli bis 18. Juli 1980 und 7. August bis 16. Juli 1980 war L in
stationärer Behandlung im Krankenhaus H. Im Entlassungsbericht vom 8. August 1980 ist eine bracheo-zephalbetonte
rechtsseitige Parese als Restzustand nach vorherigem Apoplex angegeben. Nur bei schlechter Stimmungslage sei L
aphasisch, während der bei guter Stimmungslage durchaus gut verständlich und zusammenhängend reden könne.
Insgesamt reagiere er stark verlangsamt und sei psychisch sehr labil.
Im November 1984 verzog L nach Berlin zu seiner Tochter, der Klägerin. Er befand sich seitdem in regelmäßiger
Behandlung bei der Internistin Dr. R, die ihn bereits 1980, als er sich zur Entlastung seiner Ehefrau, (FML)
vorübergehend zur Pflege in Berlin bei seiner Tochter aufhielt, betreut hatte. In einem Befundbericht vom 18. Oktober
1989 teilte Dr. R mit, die Basisversorgung sei wegen Herzrhythmusstörungen und Pumpleistungsstörungen des
Herzens erfolgt. Die Behandlung der Herzmuskelschwäche habe immer den Einsatz von drei verschiedenen
Medikamentengruppen zum Ausgleich der Pumpleistung notwendig gemacht. Im Sommer 1987 sei eine zunehmende
Verschlechterung eingetreten, der Einsatz der Medikamente habe keine ausreichende Wirkung mehr gezeigt. Es habe
sich eine zunehmende Pumpschwäche mit Wasseransammlung in Lunge, Leber und Beinen eingestellt. Der Verlauf
der cerebralen Beeinträchtigung sei recht langwierig gewesen. Das erste Ereignis habe 1972 stattgefunden, im
Rahmen eines Infektes 1980 sei es zu einer erneuten Beeinträchtigung und im Mai 1985 zu einer erneuten akuten
Durchblutungsstörung mit kurzfristigen Lähmungserscheinungen gekommen. Umfangreiche Untersuchungen seien
wegen der erheblichen körperlichen Beeinträchtigung durch Halbseitenlähmung und Sprachstörung nicht durchgeführt
worden. Dem Befundbericht war ein Brief der Ärztin an Dr. Sch vom 8. Juli 1987, die die weitere Behandlung des L
übernommen hatte, beigefügt, in dem sie ausführt, dass L im gesamten Behandlungszeitraum kardial kompensiert
gewesen sei. Erst Mitte Juni 1987 sei es zu einer biventrikulären Insuffizienz gekommen. In der von Dr. Sch am 1.
Dezember 1987 ausgestellten Verordnung von Krankenhauspflege werden als Untersuchungsergebnisse "akut
aufgetretene Atemnot, kurzfristig aufgetretene Beinödeme" aufgeführt.
Die Klägerin beantragte am 4. März 1986 für L Hilflosenpflegegeld nach dem Gesetz über die Gewährung von
Leistungen an Zivilblinde, Gehörlose und Hilflose (ZGHG) in der Fassung vom 12. Februar 1982 (GVBl. 1982, S. 534
ff). Die Ärztin Sgelangte bei einer Untersuchung vom 23. April 1986 zu dem Ergebnis, dass L nur mit Ja und Nein
antworten könne; seine Stimmung erscheine gedrückt bis depressiv. Er verhalte sich ruhig und kooperativ und
benötige wegen häufiger akuter Herzanfälle eine ständig anwesende Pflegekraft.
Am 9. Juni 1986 erteilte L der Klägerin eine notariell beglaubigte Generalvollmacht, ihn in allen vermögens- und
personenrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten. In der Urkunde hat der Notar vermerkt, dass er sich durch ein
Gespräch mit L und durch die Erörterung des Umfangs der Vollmacht und deren Rechtsfolgen davon überzeugt habe,
dass L in seiner Geschäftsfähigkeit trotz des Schlaganfalls nicht beeinträchtigt sei.
Am 20. Oktober 1986 beantragte die Klägerin für L die Ausstellung eines Ausweises über die Eigenschaft als
Schwerbehinderter und den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Zu den bestehenden Behinderungen gab sie
u.a. einen Herzmuskelschaden mit dem Klammerzusatz "seit Feststellung mehrere Infarkte hinzugekommen" und zur
Ursache "gemäß HHG/BVG" an. Vor allem bestehe eine "Sprech-, Schreib- und Gehunfähigkeit auf Grund v.
Schlaganfall". Dem Antrag beigefügt waren u.a. die Feststellungsbescheide des Versorgungsamtes Köln vom 8.
Januar 1957, 14. April 1959 und 24. März 1961.
Nach dem Tod des L beantragte die Klägerin am 7. Dezember 1987 für FML bei dem Beklagten die nach dem
HHG/BVG in Betracht kommenden Leistungen. In dem Antrag heißt es: Sollte (FML) einen Anspruch auf Leistungen
irgendwelcher Art auf Grund der Rente des Verstorbenen haben, so beantrage ich diese hiermit im Namen von FML.
Mit einem durch das Teilurteil vom 29. August 2006 geänderten Bescheid vom 7. April 1988 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 26. August 1988 lehnte der Beklagte die Gewährung einer Witwenrente ab.
Im Laufe des gegen den ablehnenden Bescheid gerichteten sozialgerichtlichen Verfahrens hat FML am 6. Dezember
1990 die Neufeststellung der Beschädigtenversorgung des L beantragt, die der Beklagte mit Bescheid vom 31. März
2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2000 abgelehnt hat. Nach dem Tod der FML 1994
hat die Tochter, die jetzige Klägerin, die mit ihrer Mutter in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat und gemäß
Erbschein vom 21. September 1994 Alleinerbin ist, die Ansprüche weiterverfolgt.
Am 17. August 1993 hat der Enkel der FML, (E), der im Zeitraum vom 5. Mai 1998 bis zum 29. August 2006
Beigeladener war, eine notarielle Abtretungsurkunde vom 5. August 1993 vorgelegt, mit der FML neben dem Anspruch
auf Witwenrente alle sonstigen Ansprüche nach dem BVG, die der Abtretenden in Sonderrechtsnachfolge zustünden,
an ihn abgetreten hat. Am 8. Juli 2005 hat E diese Ansprüche an die Klägerin abgetreten.
Durch Teilurteil vom 29. August 2006 hat der Senat den Bescheid vom 31. März 2000 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 25. August 2000 aufgehoben und festgestellt, dass die bei L vorliegende
Arteriosklerose Schädigungsfolge ist und den Beklagten verurteilt, den Bescheid vom 24. März 1961 aufzuheben und
den Bescheid vom 8. Januar 1957 in der Fassung des Bescheides vom 14. April 1959 zu ändern. Daraufhin hat der
Beklagte mit Bescheid vom 14. Februar 2007 den Bescheid vom 31. März 2000 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 25. August 2000 "mit Wirkung vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Dezember 1987
zurückgenommen" und als weitere Schädigungsfolgen "Aphasie mit Lese- und Schreibunfähigkeit nach Hirninfarkt;
Herzminderleistung bei coronarer Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen, allgemeine Gefäßsklerose" anerkannt. Die
durch die vorstehenden Gesundheitsstörungen bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage vom 1. Januar 1986
bis zum 31. Dezember 1987 100 v.H. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Antrag auf Erlass eines günstigeren
Bescheides sei am 6. Dezember 1990 gestellt worden. Die Voraussetzungen für eine Zugunstenregelung seien daher
vom 1. Januar 1986 an erfüllt. Der Versorgungsberechtigte sei nicht seit Januar 1973 der Antragstellung gehindert
gewesen, weil er mit Datum vom 19. April 1974 eine neue Kontoverbindung mitgeteilt habe, die mit unterschrieben sei.
Schriftbild und Unterschrift seien völlig unauffällig gewesen. Am 18. Oktober 1984 habe FML mitgeteilt, dass der
künftige Schriftwechsel mit ihr zu führen sei, weil L aus gesundheitlichen Gründen hierzu nicht in der Lage sei.
Angesichts der Ausführungen in der notariellen Vollmacht vom 9. Juni 1986 sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund
L, seine Frau und seine Bevollmächtigten gehindert gewesen seien, zeitgerecht ab Januar 1973 einen
Neufeststellungsantrag zu stellen.
Mit weiterem Bescheid vom 14. Februar 2007 hat der Beklagte für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis 31. Dezember
1987 die halbe Ausgleichsrente, den vollen Ehegattenzuschlag, eine Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe I, und
eine Pflegezulage nach Stufe I gewährt. Auf die Einwendungen der Klägerin zur Höhe der Leistungen hat er mit
Teilanerkenntnis vom 7. Juni 2007 einen Anspruch auf Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe III, Pflegezulage
nach Stufe II und einen Pauschbetrag für Kleider- und Wäscheverschleiß nach der Bewertungszahl 53 anerkannt.
Mit Zusatzbescheid vom 16. März 2007 hat der Beklagte den Bescheid vom 24. März 1961 aufgehoben und den
Bescheid vom 8. Januar 1957 in der Fassung des Bescheides vom 14. April 1959 geändert.
Die Klägerin macht geltend, die Beschädigten-Grundrente sei im Überprüfungsverfahren für Januar 1973 bis Dezember
1987 nach einer MdE von 100 v.H. zu zahlen. Des weiteren seien für Januar 1973 bis Dezember 1987 Pflegezulage
nach Stufe II, die halbe Ausgleichsrente, der volle Ehegattenzuschlag, Schwerstbeschädigtenzulage in gestaffelter
Höhe und Kleiderpauschale zu gewähren. Zur Begründung führt sie aus, dass sich durch den schädigungsbedingten
Schlaganfall das anerkannte Schädigungsleiden verschlechtert habe. Es sei eine Änderung der Verhältnisse
eingetreten, der Verwaltungsakt sei nach § 48 Sozialgesetzbuch (SGB) X aufzuheben. Der Zeitpunkt der
Antragstellung sei nach § 60 Bundesversorgungsgesetz (BVG) fiktiv zu bestimmen, weil L unverschuldet gehindert
gewesen sei, einen Verschlimmerungsantrag zu stellen. Die Klägerin verweist unter Vorlage von Passkopien darauf,
dass die Unterschrift vom 19. April 1974 von FML stamme und L sei schreibunfähig gewesen sei. Dadurch, dass L
seit dem 9. Juni 1986 durch sie, die Klägerin, vertreten worden sei, sei keine Änderung eingetreten, weil sie sich
durch die Pflege des Vaters in einer außergewöhnlich belastenden Situation befunden habe. Auch sei der Beklagte
seinen Beratungspflichten anlässlich der Übernahme der Akten nach dem Umzug des Ehepaars L nach Berlin sowie
anlässlich der Beantragung von Pflegegeld am 4. März 1986 nicht nachgekommen. Hinsichtlich des Leistungsbeginns
schließe § 60 BVG als lex specialis die Anwendung der allgemeinen vierjährigen Ausschlussfrist für Leistungen nach
§ 48 Abs. 4 SGB X aus. Diese dürfe vorliegend im übrigen schon deshalb nicht angewandt werden, weil sie erst am
18. Juni 1994 in Kraft getreten sei. Jedenfalls sei der Antrag auf Pflegegeld (1986) auch als Antrag auf Pflegezulage
nach dem BVG zu werten. Hinsichtlich der Anträge auf Pflegezulage, Schwerstbeschädigtenzulage, Kleiderpauschale,
Ausgleichsrente, Ehegattenzuschlag und Alterszulage handele es sich um Erstfeststellungen, für die die vierjährige
Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X nicht gelte, sondern die Verjährungsvorschrift des § 45 SGB I. Über die
Anträge sei erst jetzt entschieden worden. Die Einrede der Verjährung habe der Beklagte nicht erhoben.
Zur Höhe der Schwerstbeschädigtenzulage macht sie geltend, dass seit dem Hirninfarkt vom 23. Januar 1973 die
Gehirnbereiche 1 und 2 zusammen mit einer Punktzahl von 130 zu bewerten seien, zuzüglich 40 für das Herz-
Kreislaufsystem und 20 Punkten Zuschlag, da zwei innere Organsysteme betroffen seien. Im August 1980 habe sich
der Zustand des Organssystems Herz-Kreislauf nochmals verschlimmert, da nun schwere Lungenödeme aufgetreten
seien, deshalb sei das Herz-Kreislaufsystem mit 100 Punkten zu bewerten. Die Summe von 250 bedinge eine
Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe V.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 14. Februar 2007 zu ändern und den Beklagten über dessen
Teilanerkenntnis vom 7. Juni 2007 hinaus zu verurteilen, ihr für Januar 1973 bis Dezember 1987 Beschädigten-
Grundrente einschließlich Alterszuschlag nach einer MdE von 100 v.H., Pflegezulage nach Stufe II, die halbe
Ausgleichsrente, den vollen Ehegattenzuschlag und Kleiderpauschale nach einer Bewertungszahl 53, für Januar 1973
bis Juli 1980 Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe III und für August 1980 bis Dezember 1987
Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe V zu gewähren, jeweils zuzüglich 4 v.H. Zinsen ab Fälligkeit. hilfsweise, alle
schriftsätzlich vorgetragenen Beweise zu erheben.
Der Beklagte beantragt, die Klagen abzuweisen, soweit sie über das Anerkenntnis vom 7. Juni 2007 hinausgehen.
Er macht geltend, die Neufeststellung der Beschädigtenversorgung sei erst am 6. Dezember 1990 beantragt worden.
Eine Rückwirkung der Antragstellung wegen schuldloser Verhinderung gemäß § 60 Abs. 2 BVG scheide aus, weil der
Antrag erst drei Jahre nach dem Tod des Beschädigten gestellt worden sei. Zur Höhe der
Schwerstbeschädigtenzulage hat er auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von MD R vom 5. Juni 2007
verwiesen, nach der 1980 nur eine vorübergehende Verschlimmerung von Seiten des Herz-Kreislauf-Systems
vorgelegen habe, so dass für die Zeit von Januar 1973 bis Dezember 1987 durchgehend von einer Gesamtpunktzahl
von 200 auszugehen sei. Hinsichtlich der Kleiderpauschale führten der Gebrauch von 2 Unterarmgehstützen sowie
das Tragen eines Urinals zu einer Bewertungszahl 53.
Entscheidungsgründe:
Über die nach Erlass des Teilurteils vom 29. August 2006 noch streitigen Leistungen hatte der Senat kraft Klage zu
entscheiden, da die nach diesem Urteil ergangenen Bescheide im Wege der Klageänderung Gegenstand des
Berufungsverfahrens geworden waren.
Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 14. Februar 2007 die von der Klägerin begehrten Leistungen dem Grunde
nach und durch das Teilanerkenntnis auch teilweise der Höhe nach anerkannt hat, war er, nachdem die Klägerin das
Teilanerkenntnis nicht angenommen hatte, im Wege eines Anerkenntnisurteils zu verurteilen, für die Zeit vom 1.
Januar 1986 bis zum 31. Dezember 1987 Pflegezulage nach Stufe II, Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe III und
einen Pauschbetrag für Kleidermehrverschleiß nach Stufe 53 zu gewähren.
Im übrigen hatte die Klage hinsichtlich des Beginns der Leistungen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang
Erfolg.
Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin auch für die Zeit vom 1. Januar 1982 bis zum 31. Dezember 1985 dem L
zustehende Leistungen zu gewähren. Die Klägerin ist zur Geltendmachung der Ansprüche aktivlegitimiert. FML hatte
die ihr als Sonderrechtsnachfolgerin des L zustehenden Ansprüche an E abgetreten, der sie wiederum an die Klägerin
abgetreten hat. FML war berechtigt, die dem L zustehenden Ansprüche auf Neufeststellung der Beschädigtenrente
bzw. Bewilligung der geltend gemachten zusätzlichen Leistungen als Sonderrechtsnachfolgerin geltend zu machen.
FML hatte mit ihrem Antrag vom 7. Dezember 1987 ausdrücklich auch Leistungen aufgrund der Rente des
Verstorbenen beantragt. Dieser Antrag war u.a. als Überprüfungsantrag zur Beschädigtenversorgung auszulegen. Der
Geltendmachung dieses Anspruchs durch FML steht nicht entgegen, dass sie nicht Anspruchsinhaber der
Beschädigtenversorgung war. Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, SozR 1300 § 44
Nr. 15), nach der Rechtsnachfolger des Versicherten Korrekturen der diesem bindend bewilligten Rente auch nach
dessen Tod fordern können. Einen derartigen ausdrücklichen Antrag hatte FML am 7. Dezember 1987 gestellt. Die
Abtretung ist mit dem Tod der FML rückwirkend wirksam geworden. Mit diesem Zeitpunkt sind die einschränkenden
Voraussetzungen des § 53 SGB I, unter denen die Übertragung eines Sozialleistungsanspruchs nur möglich ist,
weggefallen.
Einen 1986 für L gestellten Antrag auf Leistungen nach dem BVG, den der Beklagte nicht bearbeitet hätte, konnte der
Senat nur hinsichtlich einer zugleich beantragten Pflegezulage gemäß § 35 BVG in dem Antrag vom 4. März 1986 auf
Leistungen nach dem ZGHG erkennen. Bei dem beantragten Pflegegeld handelt es sich um eine subsidiäre Leistung,
Nach § 1 Abs. 3 ZGHG werden Leistungen nach diesem Gesetz nicht gewährt, wenn die Blindheit, hochgradige
Sehbehinderung, Gehörlosigkeit oder Hilflosigkeit die Folge einer gesundheitlichen Schädigung ist, für welche die
Gewährung eines Pflegegeldes oder einer gleichartigen Leistung durch Bundesrecht erschöpfend geregelt ist. Für die
Höhe der Leistungen bei Hilflosigkeit verweist § 2 Abs. 3 ZGHG auf § 35 BVG. Der Auslegung des Antrages auf
Pflegegeld als zugleich gestelltem Antrag auf Pflegezulage steht auch nicht entgegen, dass der Pflegegeld-Antrag bei
dem Bezirksamt zu stellen war. Denn das Bezirksamt hatte die Subsidiarität der Leistung zu prüfen und
gegebenenfalls den Antrag entsprechend § 16 Abs. 2 SGB I an das Versorgungsamt weiterzuleiten.
Auf der Grundlage des im März 1986 gestellten Antrages auf Pflegezulage waren, nachdem der Beklagte durch das
Teilanerkenntnis vom 7. Juni 2007 dem Grunde nach eine Pflegezulage gemäß § 35 BVG nach Stufe II anerkannt
hatte, diese Leistungen auch für die Zeit ab 1. Januar 1982 zu erbringen. Ein Anspruch für einen weiter in die
Vergangenheit reichenden Zeitraum scheidet aus.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 BVG beginnt die Beschädigtenversorgung mit dem Monat, in dem ihre Voraussetzungen
erfüllt sind, frühestens jedoch mit dem Antragsmonat. Dieser Vorschrift wurden aber durch das 10. Anpassungsgesetz
–KOV vom 10. August 1978 (BGBl. I 1217), in Kraft getreten am 1. Januar 1979, die Sätze 2 und 3 angefügt. Nach
Satz 2 ist Beschädigtenversorgung auch für Zeiträume vor der Antragstellung zu leisten, wenn der Antrag innerhalb
eines Jahres nach Eintritt der Schädigung gestellt wird. War der Beschädigte ohne sein Verschulden an der
Antragstellung verhindert, so verlängert sich nach S. 3 die Frist um den Zeitraum der Verhinderung. Nach Abs. 2 der
Vorschrift in der ab 1. Januar 1979 geltenden Fassung gilt Abs. 1 entsprechend, wenn eine höhere Leistung beantragt
wird; war der Beschädigte jedoch ohne sein Verschulden an der Antragstellung verhindert, so beginnt die höhere
Leistung mit dem Monat, von dem an die Verhinderung nachgewiesen worden ist, wenn der Antrag innerhalb von
sechs Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt wird.
Diese Vorschrift, nach der eine Rückwirkung des Antrags grundsätzlich möglich ist, findet im vorliegenden Fall
Anwendung, obwohl die Schädigungsfolgen sich bereits im Januar 1973 verschlechtert hatten. Denn nach der
Rechtsprechung des BSG findet § 60 BVG in der neuen Fassung immer dann Anwendung, wenn ein Antrag nach dem
Inkrafttreten des Gesetzes gestellt wird, auch wenn er sich auf zurückliegende Schadensfälle bezieht (vgl. BSG SozR
4-3100 § 60 Nr. 1 mit Verweis auf SozR 2200 § 205 RVO Nr. 55, S. 150). Der Antrag ist im März 1986 gestellt
worden.
Der Beschädigte erfüllte auch die Voraussetzungen, unter denen Leistungen für Zeiträume vor der Antragstellung zu
erbringen waren. Denn er war seit Januar 1973 gehindert, einen Antrag auf höhere Versorgung zu stellen. Maßgeblich
ist insoweit ein subjektiver Verschuldensmaßstab (vgl. VV Nr. 3 zu § 60 mit Hinweis auf VV Nr. 2 zu § 18 BVG).
Danach können Alter und eine daraus resultierende Geschäftsungewandtheit berücksichtigt werden. Diese
Voraussetzungen sind für die Zeit ab Januar 1973 erfüllt. Durch den damals erlittenen Schlaganfall war L gehindert,
einen Antrag zu stellen, da er seitdem unter Sprachstörungen litt, insgesamt stark verlangsamt reagierte und
psychisch sehr labil war. Sind nach den zitierten Verwaltungsvorschriften schon Alter und daraus resultierende
Geschäftungewandtheit bei der Prüfung einer Verhinderung zu berücksichtigen, so ist eine derartige Verhinderung
jedenfalls anzunehmen, wenn weitere, über das Alter hinausgehende gesundheitliche Beeinträchtigungen, die sich auf
die Handlungsfähigkeit auswirken, gegeben sind. Derartige schwerwiegende Beeinträchtigungen lagen bei L vor, da
der Beklagte in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 28. Februar 2006 dargelegt hat, dass ab 1973 ein
GdB von 100 wegen der Folgen des Schlaganfalles gegeben sei. Dass L von 1973 an selbst keinen Schriftverkehr
mehr mit dem Versorgungsamt geführt hat, insbesondere die Mitteilung vom 19. April 1974 nicht von ihm, sondern
von FML unterschrieben worden ist, hat der Vergleich der Unterschriften des L und der FML ergeben.
Der Annahme einer Verhinderung steht nicht entgegen, dass FML mit Schreiben vom 18. Oktober 1984 mitgeteilt
hatte, nunmehr den Schriftwechsel mit der Versorgungsbehörde "in seinem Auftrag" zu führen. Denn mit dem
Schriftwechsel wurden lediglich die sich aus dem Versorgungsverhältnis ergebenden Mitwirkungspflichten erfüllt, eine
Änderung der Adresse und des Kontos mitzuteilen. Einen Auftrag, weitergehende Anträge zu stellen, kann dem nicht
entnommen werden. Ob FML oder die Klägerin in der Lage gewesen wären, einen derartigen Antrag zu stellen, kann
dahingestellt bleiben, weil eine Rechtspflicht, für Angehörige Anträge zu stellen, deren schuldhafte Nichterfüllung dem
Angehörigen zuzurechnen wäre, nicht besteht. Die Ehe begründet keine gesetzliche Vertretungsmacht eines
Ehegatten für den jeweils anderen, sondern die Regelung des § 1357 Abs. 1 BGB macht deutlich, dass lediglich die
Berechtigung besteht, mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten Rechtsgeschäfte abzuschließen. Für das
Kindschaftsverhältnis besteht nicht einmal eine derartige Regelung.
Entgegen der Annahme des Beklagten war eine Verhinderung des L aufgrund seines Gesundheitszustandes auch
gegeben, obwohl L der notariellen Urkunde vom 9. Juni 1986 zufolge erklärt hat, "infolge eines Schlaganfalls nicht
mehr schreiben zu können" und der Notar sich durch ein Gespräch mit L und durch die Erörterung des Umfangs der
Vollmacht und deren Rechtsfolgen davon überzeugen konnte, dass L in seiner Geschäftsfähigkeit trotz des
Schlaganfalls nicht beeinträchtigt ist. Eine medizinische Untersuchung hat der Notar nicht vorgenommen. Allein ein
von dem Notar angenommenes Reaktionsvermögen auf konkrete Fragen lässt keinen Rückschluss auf die Fähigkeit
zu, selbst aktiv tätig zu werden, wie es eine Antragstellung erfordert. Abgesehen davon überzeugt die Feststellung
des Notars nicht, weil L fast zeitgleich hierzu im Zusammenhang mit dem Antrag auf Pflegegeld durch die Ärztin Sch
am 23. April 1986 untersucht worden ist, die L als hilflos angesehen hat. Dieses Unvermögen ist nach Lage der Akten
auch für die Zeit ab Januar 1973 nachgewiesen, da Dr. H in ihrer Stellungnahme vom 28. Februar 2006 von einem
GdB von 100 von diesem Zeitpunkt an ausgeht.
Die danach grundsätzlich gegebene Rückwirkung des Antrags auf Pflegezulage führt jedoch nicht dazu, dass
Leistungen über einen Zeitraum von vier Jahren von Beginn des Jahres der Antragstellung an hinaus zu gewähren
waren. Zwar beginnt nach § 60 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BVG die höhere Leistung mit dem Monat, von dem an die
Verhinderung nachgewiesen ist, wenn der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes
gestellt wird. Unter höherer Leistung ist nach Nr. 2 der Veraltungsvorschriften zu § 60 die Erhöhung der
Gesamtleistung zu verstehen; hierzu gehört auch die Gewährung weiterer Einzelleistungen. Soll danach auch die
Gewährung von Einzelleistungen als "höhere Leistung" anzusehen sein, sind für den Leistungszeitraum die
Regelungen des § 48 Abs. 4 SGB X zu beachten. Denn in § 60 BVG ist lediglich der Beginn einer Leistung unter der
Voraussetzung geregelt, dass darüber erstmalig oder unter Beseitigung einer Bindungswirkung entschieden werden
darf und muss. Ob diese Feststellung zulässig und geboten ist, richtet sich nach dem SGB X (vgl. BSG Breithaupt
1986, S. 416).
Für die Zeit vor dem 1. Januar 1982 steht dem Anspruch die Regelung des § 48 Abs. 4 SGB X in Verbindung mit § 44
Abs. 4 SGB X entgegen. Danach werden, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit
zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches
längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Bei Leistungen nach dem BVG handelt
es sich um Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches, weil das BVG nach
Art. II § 1 Nr. 11 SGB I als besonderer Teil des Sozialgesetzbuches gilt.
Zwar verweist § 48 Abs. 4 SGB X erst seit der Neufassung durch das Gesetz vom 13. Juni 1994 auf § 44 Abs. 4
SGB X. Die geänderte Vorschrift ist jedoch immer dann anzuwenden, wenn zu diesem Zeitpunkt noch nicht bindend
über einen Anspruch entschieden worden ist (so auch LSG Niedersachsen, Urteil vom 15. Februar 2006 -L 2 RI
230/04 mit Hinweis auf Steinwedel, Kasseler Kommentar, § 48 SGB X, Rdnr. 42). Allerdings entfaltet die geänderte
Vorschrift dann, wenn sie auf Sachverhalte Anwendung findet, bei denen die wesentliche Änderung schon vor dem 14.
Juni 1994 eingetreten ist, eine unechte Rückwirkung. Gegen eine tatbestandliche Rückanknüpfung derart, dass die
Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach Verkündung der Norm eintreten, der Tatbestand der Norm aber Sachverhalte
erfasst, die bereits vor Verkündung ins Werk gesetzt worden sind (sogenannte unechte Rückwirkung), bestehen
allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann Bedenken, wenn Gesichtspunkte des
Vertrauensschutzes nicht berücksichtigt werden. Die tatbestandliche Rückanknüpfung als solche unterliegt weniger
strengen Beschränkungen als die nachträglich in abgeschlossene Sachverhalte eingreifende Rückwirkung von
Rechtsfolgen (vgl. BVerfGE 72, 200,242; 92, 277,344; 97, 67,79; 109, 133, 180 f.). Die Grenzen ihrer Zulässigkeit
sind - vorbehaltlich spezieller Anforderungen des einschlägigen Grundrechts - erst dann überschritten, wenn die
Anknüpfung des Gesetzes an Tatbestände aus der Vergangenheit zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet
oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen das vom Gesetzgeber verfolgte
Änderungsinteresse überwiegen. Bestandsinteressen des Betroffenen sind hier schon deswegen nicht berührt, weil
lediglich die Gewährung einer höheren Leistung streitbefangen ist.
Selbst wenn § 48 SGB X nicht für einschlägig erachten würde, weil der Antrag auf Pflegezulage als Erstantrag auf
eine Leistung angesehen würde, bestünde kein weitergehender Leistungsanspruch. Denn der Senat entnimmt – in
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung einzelner Senate des BSG (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27.3.2007-B 13 R
58/06 R- mit weiteren Nachweisen) - § 44 Abs. 4 SGB X den allgemeinen Rechtsgedanken, dass Sozialleistungen
nicht über vier Jahre hinaus rückwirkend zu gewähren sind. In dieser Auffassung eines allgemeinen Rechtsgedankens
sieht sich der Senat auch dadurch bestärkt, dass auch die Verjährungsfrist nach § 45 Abs. 1 SGB I vier Jahre
beträgt. Diese Frist ist trotz Verkürzung der allgemeinen Verjährungsfrist durch das
Schuldrechtsmodernisierungsgesetz auf drei Jahre in § 195 BGB nicht geändert worden. Der Grund für eine
Begrenzung der rückwirkenden Leistungsgewährung, dass Sozialleistungen im Wesentlichen dem Unterhalt des
Berechtigten dienen, rechtfertigt insbesondere im vorliegenden Fall eine Begrenzung der Leistungspflicht auf vier
Jahre, da die Leistungen dem Beschädigten selbst nicht mehr zugute kommen.
Hinsichtlich des Anspruchs auf höhere Beschädigtengrundrente einschließlich Alterszuschlag, Pflegezulage nach
Stufe II, die halbe Ausgleichsrente, den vollen Ehegattenzuschlag, die Kleiderpauschale und der
Schwerstbeschädigten-Zulage ist die Klägerin im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so zu stellen,
als habe L einen Antrag auf höhere Beschädigtenversorgung und die übrigen Leistungen im Jahr 1986 gestellt.
Voraussetzung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist es, dass ein Sozialleistungsträger eine ihm auf
Grund eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht zur Beratung verletzt hat, zwischen der Pflichtverletzung
und dem Nachteil ein ursächlicher Zusammenhang besteht und der durch die Pflichtverletzung eingetretene Nachteil
durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Die Klägerin hatte in dem für L gestellten Antrag auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises angegeben,
dass, nachdem die Feststellungen nach dem HHG/BVG getroffen worden seien, mehrere Infarkte hinzugekommen
seien. Dies löste zwar keine Pflicht dahingehend aus, hinsichtlich der Höhe der Beschädigtenversorgung einen
Neufeststellungsantrag anzuregen. Denn ein Leistungsträger ist nur gehalten, spontan auf klar zu Tage liegende
Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen. Dabei ist die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zu Tage liegt, allein
nach objektiven Merkmalen zu beurteilen (BSG SozR 5070 § 10 Nr. 25 S. 56 m.w. N.) Eine Gestaltungsmöglichkeit,
die klar zu Tage lag, war den beigefügten Bescheiden nicht zu entnehmen, weil die besonderen Umstände, aufgrund
derer der Senat letztendlich nach Einholung von insgesamt drei Gutachten einen Ursachenzusammenhang
angenommen hat, sich hieraus nicht ergeben. Insbesondere erfüllte L im Hinblick auf sein fortgeschrittenes Alter
gerade nicht die Voraussetzungen der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen
Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (Anhaltspunkte), unter denen eine Kannversorgung in
Betracht kam.
Aufgrund der Hinweise auf die weiteren Infarkte traf den Beklagten aber die Pflicht, bei L nachzufragen, ob er zugleich
einen Verschlimmerungsantrag hinsichtlich seiner Schädigungsleiden stellen wolle. Wäre der Beklagte dieser Pflicht
nachgekommen, ist im Hinblick auf die Verfolgung aller denkbaren Ansprüche durch die Klägerin als
Generalbevollmächtigter des L davon ausgehen, dass sie bei einer derartigen Rückfrage einen
Verschlimmerungsantrag gestellt hätte, der letztlich zum Erfolg geführt hätte, da der Senat im Teilurteil vom 29.
August 2006 festgestellt hat, dass die bei L vorliegende Arteriosklerose Schädigungsfolge war.
Dass L mit der Erteilung der Vollmacht für die Klägerin am 9. Juni 1986 nicht mehr gehindert war,
Überprüfungsanträge bzw. Neufeststellungsanträge zu stellen, steht der Rückwirkung eines wegen des unterbliebenen
Hinweises des Beklagten nicht gestellten Antrages nach dem HHG/BVG im Zusammenhang mit dem Antrag auf
Erteilung eines Ausweises nach dem SchwerbehindertenG nicht entgegen, da insoweit die Frist von einem halben
Jahr nach § 60 Abs. 2 BVG für den Neufeststellungsantrag zur Beschädigtenversorgung, die auch für den Antrag auf
die erstmals geltend gemachten Ansprüche auf halbe Ausgleichsrente, vollen Ehegattenzuschlag, Pflegezulage und
zusätzliche Leistungen gilt, gewahrt ist.
Aufgrund des danach gegebenen sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hatte L rückwirkende Leistungsansprüche
für vier Jahre ab fingierter Antragstellung. Der Senat folgt der Rechtsprechung des 9. und des 13. Senats des BSG,
nach der dann, wenn aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Leistungen zu erbringen sind, diese
längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht werden (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 27.
März 2007- B 13 R 58/06 R- mit weiteren Nachweisen). Er sieht keine Veranlassung, von den Erwägungen des 9.
Senats abzuweichen, dass der Herstellungsanspruch, der die Verletzung einer Nebenpflicht sanktioniert, nicht weiter
reichen kann als der Anspruch nach § 44 Abs. 1 SGB X als Rechtsfolge der Verletzung einer Hauptpflicht.
Insbesondere überzeugt das Argument des 4. Senats, dass jedenfalls im Rentenversicherungsrecht die
richterrechtliche Übertragung der Rechtsfolge des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X auf andere als die vom Deutschen
Bundestag in § 44 Abs. 1 und 2 sowie in § 48 SGB X ausgestalteten Fälle der Rücknahme von Verwaltungsakten
(bzw. der rückwirkenden Aufhebung nach § 48 SGB X) schon einfachgesetzlich i.S. von § 37 Abs 1 SGB I
ausgeschlossen sei, weil das Gesetz durch die einzelanspruchsvernichtenden Einwände aus § 99 SGB VI und § 44
Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. der Verjährungsregelung des § 45 SGB I ein in sich stimmiges und lückenfreies
Regelungskonzept für das Rentenversicherungsrecht ausgestaltet habe, das einer richterrechtlichen Ergänzung oder
gar Durchbrechung nicht offen stehe, schon deshalb nicht, weil ein Anspruch des L erst im Wege richterrechtlicher
Ergänzung begründet werden kann.
Diese Leistungsansprüche umfassen die von dem Beklagten dem Grunde nach anerkannten Ansprüche auf
Beschädigtenrente nach einer MdE von 100, einen vollen Ehegattenzuschlag und die halbe Ausgleichsrente sowie für
die Zeit vom 1. Januar 1982 bis zum 31. Dezember 1987 Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe III, Pflegezulage
nach Stufe II und einen Pauschbetrag für Kleidermehrverschleiß nach der Bewertungszahl 53.
Hinsichtlich der Höhe der Schwerstbeschädigtenzulage hatte die Klage keinen Erfolg. Der Senat konnte insoweit in
der Sache entscheiden, da er den Beweisanregungen der Klägerin im Hinblick darauf, dass von Dr. R umfangreiche
Auskünfte zum Gesundheitszustand des L eingeholt worden waren, die Prof. Dr. D in seinem Gutachten vom 16. April
1993 berücksichtigt hatte, nicht zu folgen brauchte. Nach § 31 Abs.5 BVG in Verbindung mit §§ 2, 5 der Verordnung
zur Durchführung des § 31 Abs. 5 BVG handelt es sich um eine selbständige Leistung, die denjenigen Beschädigten
zugute kommen soll, die an mehreren Gesundheitsstörungen im Sinne des § 1 BVG leiden, von denen jede für sich
allein bereits die Annahme eines hohen MdE-Grades rechtfertigt. Die Zulage ist nicht mit dem Anspruch auf die
Grundrente identisch und wird in einer an die MdE für die einzelnen Leiden orientierten Punktbewertung erfasst (vgl.
BSG SozR 3100 § 65 Nr. 1 BVG). Ausgehend von einer Punktzahl 130 für die Gehirnbereiche 1 und 2, zuzüglich
eines Zuschlages von 20, weil zwei innere Organsysteme betroffen sind, hätte zur Annahme eines Punktwertes von
mindestens 220 Punkten, der Voraussetzung für die nächsthöhere Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe IV wäre,
eine MdE von 70 für das Herzleiden vorliegen müssen.
Eine MdE von 70 konnte der Senat jedoch für den Zeitraum ab 1. Januar 1982, für den dem Grunde nach eine
Schwerstbeschädigtenzulage zu gewähren war, nicht feststellen. Nach S. 191 der Anhaltspunkte für die ärztliche
Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen, Ausgabe 1973, Herz und Kreislauf III bestand eine MdE von 50 bis 80 v.H.
bei Herz-Kreislaufschäden bereits bei leichter Belastung, nach IV eine MdE von 80 bis 100 v.H. bei Herz-Kreislauf-
Schäden mit Leistungsbeeinträchtigung bereits in Ruhe. Nach Nr. 26.9, S. 67 der ab 1983 anzuwendenden
Anhaltspunkten 1983 wurden Herzschäden mit Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung
(z.B. Spazierengehen [3-4 km/h], Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit), Beschwerden
und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens 3 Minuten) mit einer MdE
von 50 bis 70 v.H., zeitweiligen schweren Dekompensationserscheinungen mit einer MdE von 80 v.H. bewertet,
während Herzschäden mit Leistungsbeeinträchtigung bereits in Ruhe (manifeste Ruheinsuffizienz), langdauernde
schwere Dekompensationserscheinungen eine MdE von 90 bis 100 bedingten. Schädigungsbedingte
Leistungsbeeinträchtigungen bereits bei jeder Form körperlicher Belastungen, wie sie für eine MdE im oberen Bereich
der Stufe III erforderlich wären, lassen sich den Behandlungsunterlagen von Dr. R nicht entnehmen. Dr. R teilte in
einem Arztbrief vom 26. Mai 1982 mit, dass die bei L aufgetretenen verstärkten peripheren Ödeme unter der Gabe
eines Medikamentes schnell zurückbildeten. Im Befundbericht vom 18. Oktober 1989 gab sie an, dass sich im
Sommer 1987 eine zunehmende Pumpschwäche mit Wasseransammlung in Lunge, Leber und Beinen eingestellt
habe. Das Beschwerdebild der Pumpleistungsstörung in Form von Luftnot habe sich lange durch Medikamente
ausgleichen lassen, erst im Sommer 1987 sei es nicht mehr zu stabilisieren gewesen. Auch wird am 1. Dezember
1987 ausgestellten Verordnung von Krankenhauspflege von der L seit Sommer 1987 behandelnden Dr. Sch als
Untersuchungsergebnis "akut aufgetretene Atemnot, kurzfristig aufgetretene Beinödeme" angegeben. Danach kann
ein durchgehender schädigungsbedingter Zustand, der eine MdE von 70 bedingt, nicht festgestellt werden, zumal
Prof. Dr. D in seinem Gutachten zu einer schädigungsbedingten Beeinträchtigung der Herzfunktion mit einer MdE von
60 gelangt ist. Insoweit besteht ein Anspruch auf eine Zulage nach Stufe III, die der Beklagte mit Schriftsatz vom 7.
Juni 2007 anerkannt hat.
Der Zinsanspruch folgt aus § 44 SGB I.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt den Umfang des Obsiegens und
Unterliegens.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.