Urteil des SozG Bayreuth vom 20.02.2011

SozG Bayreuth: aufschiebende wirkung, krankenkasse, hauptsache, lege artis, einsichtnahme, pauschal, passivlegitimation, rechtsschutz, herausgabe, verwaltungsbehörde

Sozialgericht Bayreuth
Beschluss vom 20.02.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 6 KR 72/11 ER
I. Der Antrag auf einstweilige Anordnung, den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, es zu unterlassen, von der
Antragstellerin pauschal und ohne Einzelfallbezug für sämtliche von den Krankenkassen gemäß § 275 SGB V
beauftragten Prüfverfahren die Vorlage der kompletten Krankenakten zu fordern, wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
III. Der Streitwert wird auf 625.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner, der Medizinische Dienst der Krankenkassen in Bayern (MDK), versuchte am 01.02.2011, die ihm
von den einzelnen Krankenkassen vorgegebenen Begutachtungen nach Aktenlage ohne Fallbesprechung im Klinikum
B. durchzuführen. Hierzu wollte dieser Einsicht in die Behandlungsakten der Patienten nehmen, deren stationärer
Aufenthalt im Auftrag der Krankenkassen überprüft werden sollte. Der Antragsgegner informierte die Antragstellerin im
Dezember 2010 über die am 01.02.2011 anstehende Begutachtung nach Aktenlage mit einer sog. Sammelliste.
Diesen Sammellisten ist der Auftraggeber (die jeweilige Krankenkasse), die Aufnahmenummer des Patienten, der
Aufnahme- und Entlassungstag sowie die Fragestellung der jeweiligen Krankenkasse zu entnehmen. Die
Antragstellerin verweigerte dem Antragsgegner die Einsicht in die Behandlungsakten der Patienten. Hierauf teilte der
Antragsgegner den jeweils zuständigen Krankenkassen mit, dass die Antragstellerin die Einsicht in die
Behandlungsunterlagen verweigert habe. Mit neuer Sammelliste teilte der Antragsgegner mit Schreiben vom
03.02.2011 der Antragstellerin mit, dass die nächste "Aktenlage-Klinikbegehung" am 22.02.2011 stattfinden werde.
Mit Schreiben vom 16.02.2011 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf einstweilige Anordnung beim Sozialgericht
Bayreuth mit dem Antrag
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, es zu unterlassen, von der
Antragstellerin pauschal und ohne Einzelfallbezug für sämtliche von den Krankenkassen gemäß § 275 SGB V
beauftragten Prüfverfahren die Vorlage der kompletten Krankenakten zu fordern.
Am 01.02.2011 habe der Antragsgegner unabhängig vom Inhalt der erteilten Prüfaufträge die Vorlage sämtlicher
Krankenunterlagen der bei der Antragstellerin behandelten Patienten gefordert. Die Pauschalabforderung von
datengeschützten Patientenunterlagen verstoße gegen die Gesetzeslage und die einschlägige Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts. Der Antragsgegner habe, nachdem man ihm eine Einsichtnahme am 01.02.2011 verweigerte,
erneut für den 22.02.2011 eine Prüfung von Behandlungsfällen mitgeteilt. Auch hier fordere er erneut pauschal die
Vorlage sämtlicher datengeschützter Patientenunterlagen. Dabei dürfe der Antragsgegner nur die Sozialdaten insoweit
erheben, als dies für die Prüfungen, Beratungen und gutachterlichen Stellungnahmen erforderlich sei. Hierbei sei
insbesondere auf das einschlägige Urteil des Bundessozialgerichts vom 22.04.2009 zu verweisen. Aus diesem Urteil
sei zu entnehmen, dass ein Krankenhaus auf begründete Anforderung im Einzelfall entscheiden darf, welche
Krankenunterlagen aus der Krankenakte zur Beantwortung der Prüfanfrage der Krankenkasse durch den MDK
erforderlich seien. Dies könne, aber müsse nicht immer die gesamte Krankenakte sein. Da die nächste "Aktenlage
Klinikbegehung" zu weiteren 150 Behandlungsfällen am 22.02.2011 unmittelbar bevorstehe, sei der Antragsgegner
dringlich zu verpflichten, das Prüfverfahren de lege artis und unter Beachtung der sozialgerichtlichen Rechtsprechung
durchzuführen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen.
Der im Antrag der Antragstellerin streitgegenständlichen Vorwurf, das die beauftragten Auffälligkeitsprüfen pauschal
und ohne Einzelfallbezug erfolgten, sei nicht zutreffend. Der Antragsgegner halte sich bei der Begutachtung jederzeit
an die datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Grundsätzlich habe der Antragsgegner das Recht, die erforderlichen
Unterlagen zur Begutachtung einzusehen, was im Regelfall die postalische Übermittlung der Krankenakte bedeute.
Hierbei werde dem Krankenhaus ein Schreiben übersandt, in dem die Fragestellung der Krankenkasse und die
Patientendaten genannt werden. Es sei daher aus Sicht des Krankenhauses möglich, zu erkennen, welche Unterlagen
aus der Gesamtakte zur Verfügung zu stellen sind. Es sei insbesondere darauf hinzuweisen, dass es weder
vertragliche noch gesetzliche Regelungen zum Inhalt und Umfang der Prüfanzeige nach § 275c SGB V gebe. Im
vorliegenden Fall habe man sich mit den Vertretern der Bayerischen Krankenhausgesellschaft und des Bayerischen
Landesdatenschutzbeauftragten darauf geeinigt, dass die Einsichtnahme in die Akten der Patienten in den Räumen
des Krankenhauses erfolge. Es werde drei Wochen vor Durchführung der Prüfung in dem jeweiligen Krankenhaus eine
Sammelliste versandt und hierbei auch die Prüfungsfrage der Krankenkasse mitgeteilt. Die Ärzte des Antragsgegners
nähmen dann unter dem Beisein der befassten Personen Einsicht in die Akten, um die vorgelegten Fälle zu
begutachten. Dabei hätten die behandelnden Ärzte die Möglichkeit, weitere Unterlagen vorzulegen. Dieses Verfahren
sei ausnahmslos in den letzten Jahren so durchgeführt worden, so dass seitens des Antragsgegners nicht
nachvollzogen werden könne, warum sich eine plötzliche Rechtswidrigkeit dieser Verfahrensweise ergebe, die eine
einstweilige Anordnung begründe. Einzig ein Umstand habe sich im Verfahren geändert. Vor dem 01.02.2011 habe
unmittelbar an die Begutachtung eine abschließende Fallbesprechung stattgefunden, in der streitige Fälle unverzüglich
diskutiert werden konnten. Diese werde ab dem 01.02.2011 nicht mehr so durchgeführt. Im Übrigen werde vorsorglich
die Passivlegitimation des Antragsgegners bestritten, da sein Verfahren der Ausführung der Gutachtensaufträge sich
lediglich als unselbständiger Teil des Verwaltungsverfahrens darstelle. Klagen und andere Unterlassungsansprüche
seien gegen die beauftragenden Krankenkassen zu richten.
Zur weiteren Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die gewechselten Schriftsätzen
der Beteiligten vollumfänglich Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist jedenfalls unbegründet; dies war gem. § 86b Abs. 4
Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss auszusprechen.
Es ergeben sich bereits Zweifel an der Zulässigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes. Wie in jedem gerichtlichen
Verfahren ist auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses
erforderlich. Das Rechtsschutzbedürfnis ist grundsätzlich zu verneinen, wenn der Antragsteller sein Ziel durch
einfachere Art und Weise erreichen kann. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn dem Antragsteller zuzumuten ist,
zunächst außergerichtliche Wege zu beschreiten. Der Antragsgegner untersteht nach § 281 Abs. 3 Satz 1
Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) der Aufsicht der für die Sozialversicherung zuständigen obersten
Verwaltungsbehörde des Landes in dem er seinen Sitz hat. Zuständige Verwaltungsbehörde ist für den Antragsgegner
das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen. Die Aufsicht erstreckt sich nach
§ 281 Abs. 3 Satz 1 SGB V i.V.m. § 87 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) auf die Beachtung
von Gesetz und sonstigem Recht, dass für den Antragsgegner maßgebend ist (Rechtsaufsicht). Die Antragstellerin
rügt die nichtordnungsgemäße Anwendung des § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Diese behauptete Verletzung der
gesetzlichen Vorschrift des § 276 SGB V kann die Antragsstellerin gegenüber der Rechtsaufsichtsbehörde anzeigen.
Kommt diese im Rahmen einer Prüfung des Verhaltens des Antragsgegners zu dem Ergebnis, dass eine Verletzung
von § 276 SGB V vorliegt, ist die Aufsichtsbehörde nach § 281 Abs. 3 Satz 1 SGB V i.V.m. § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB
IV gehalten, darauf hinzuwirken, dass der Antragsgegner die Rechtsverletzung behebt. Weiterhin besteht die
Möglichkeit, den Antragsgegner zu verpflichten, das rechtswidrige Verhalten abzustellen und diese Verpflichtung mit
den Mitteln des Verwaltungsvollstreckungsrechtes durchzusetzen (§ 281 Abs. 3 Satz 1 SGB V i.V.m. § 89 Abs. 1
Satz 2 und 3 SGB IV). Der Antragstellerin war die Verfahrensweise des Antragsgegners im Prüfverfahren seit langem
bekannt, so dass es der Antragstellerin sowohl möglich als auch zumutbar war, den beschriebenen außergerichtlichen
Weg zu beschreiten.
Die Frage der Zulässigkeit kann im Ergebnis jedoch offen bleiben, da es sowohl an der Passivlegitimation des
Antragsgegners fehlt als auch ein Anordnungsanspruch sowie Anordnungsgrund nicht erkennbar sind.
Die Kammer kommt zur der Überzeugung, dass bereits die Passivlegitimation des Antragsgegners in vorliegenden
Fall nicht gegeben ist. Im Rahmen der Passivlegitimation prüft das Gericht, ob der Beteiligte, gegen den sich der
Antrag richtet, richtiger Antragsgegner nach materiellem Recht ist. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes hat
daher das Gericht zu prüfen, ob ein Anspruch in der Hauptsache gegen den Antragsgegner gegeben wäre. Der
Antragsgegner ist im Rahmen des Prüfverfahrens nach §§ 275, 276 SGB V lediglich im Auftrag der jeweiligen
Krankenkassen tätig. Die beauftragende Krankenkasse ist indes Herrin des Prüfverfahrens. In diesem Rahmen
entscheidet sie nach Maßgabe der §§ 275 ff. SGB V, ob in mit welcher konkreten Fragestellung sie den
Antragsgegner bei der Klärung der zu begutachtenden Frage einschaltet (BSG, Urteil vom 28.02.2007, Az. B 3 KR
12/06 R). Sie kann danach den Begutachtungsauftrag jeder Zeit ändern, ergänzen oder beenden. Sie kann selbst
darüber entscheiden, ob und mit welchen Mitteln vorgegangen werden soll, wenn ein Beteiligter die Erteilung der
erbetenen Auskünfte, die erbetene Einsichtnahme in medizinische Unterlagen oder deren Herausgabe verweigert
(BSG, a.a.O.). Da allein die Krankenkasse vorgenannte Entscheidungen eigenständig trifft, ist es dem Antragsgegner
weder möglich noch zumutbar, selbst gerichtlich gegen die Beteiligten vorzugehen, die sich der notwendigen
Mitwirkung verweigern. Allein die beauftragende Krankenkasse kann aus eigenem Recht und im eigenen Namen,
etwaige Ansprüche gegenüber dem Leistungserbringer (hier die Antragstellerin) gerichtlich geltend machen, wenn die
Aufforderung des MDK zur Herausgabe von Unterlagen oder Einsichtnahme in dieselben erfolglos war und der
Gutachtensauftrag deswegen nicht durchgeführt werden konnte. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass sich etwaige
Ansprüche im Zusammenhang mit der Herausgabe oder Einsichtnahme in Behandlungsunterlagen gegen die
beauftragende Krankenkasse zu richten haben. Auch in solchen Verfahren ist der MDK nicht Beteiligter und somit der
Antragsgegner im vorliegenden Fall nicht passivlegitimiert.
Darüber hinaus ist das Begehren auf einstweiligen Rechtsschutz nach Maßgabe der Regelungen der §§ 86a, 86b SGG
zu entscheiden.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen
Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben (vgl. hierzu § 86a Abs. 2 SGG), die
aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der
Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs.1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den
Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die
Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige
Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2
SGG).
Vorliegend kommt, da es der Antragstellerin ersichtlich um eine Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes geht,
wenn überhaupt, eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussicht in
der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des
Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung
(Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Die Antragstellerin hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Zur Prüfung des Anordnungsanspruchs orientiert sich das Gericht an den Erfolgsaussichten der Hauptsache. Dabei
begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der
Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom
02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerGK 5, 237, 242). In der Hauptsache macht die Antragstellerin einen
Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner geltend. Auch im Rahmen des Hauptsacheverfahrens bestehen
bereits Bedenken gegen die Passivlegitimation des Antragsgegners. Entsprechend den obigen Ausführungen müsste
sich ein Hauptsacherechtsbehelf gegen die beauftragende Krankenkasse richten. Der Antragsgegner wäre auch im
Hauptsacheverfahren nicht passivlegitimiert, so dass bereits aus diesem Grund erhebliche Bedenken gegen die
Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs bestehen. Darüber hinaus ist ein Anspruch auf Unterlassung der
kompletten Vorlage von Krankenakten pauschal und ohne Einzelfallbezug im Prüfverfahren nach § 275 SGB V nicht
gegeben. Einen solchen Anspruch steht der aus § 44a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) folgende
Rechtsgrundsatz entgegen, der die isolierte Anfechtung behördlicher Verfahrenshandlungen ausschließt (ebenso
BSG, SozR 1500 § 144 Nr. 39, LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.01.2006, Az. L 1 KR 28/03). § 44a VwGO soll
verhindern, dass noch anhängige Verwaltungsverfahren verzögert und erschwert werden, und die Gerichte mit
Streitfällen befasst werden, obwohl das Verfahren noch gar nicht abgeschlossen und noch offen ist, ob der Betroffene
durch das Ergebnis des Verfahrens überhaupt in der Sache beschwert ist. Nichts anderes gilt hier. Die Antragstellerin
richtet sich gegen eine tatsächliche Prüfhandlung, die Bestandteil eines Prüfverfahrens ist, aber keine selbständige
anfechtbare Verwaltungshandlung darstellt. Im Übrigen wäre im Falle der ordnungsgemäßen Durchführung des
Prüfverfahrens im jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht abzusehen, ob die Antragstellerin durch das Ergebnis beschwert
wäre.
Weiterhin ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Eilbedürftigkeit ist dann gegeben, wenn die von der
Antragstellerin begehrte Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich wäre. Vermieden werden soll bei
der Regelungsanordnung, dass der Antragsteller vor vollendete Tatsachen gestellt wird, bevor er wirksamen
Rechtsschutz erlangen kann. Entscheidend ist, ob es bei einer Interessenabwägung nach den Umständen des
Einzelfalls für den Betroffenen zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in: Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86b Rdnr. 27/28). Da es sich bei der Antragstellerin um eine Stiftung des
öffentlichen Rechts handelt, mithin um eine den öffentlich rechtlichen Körperschaften vergleichbare Einrichtung, sind
an den Anordnungsgrund erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Antragstellerin war der Umfang des Prüfverfahrens,
welches der Antragsgegner im Auftrag der Krankenkassen durchführt, seit längerer Zeit bekannt. Warum nun plötzlich
dringend eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen sei, nur weil am 22.02.2011 eine erneute Prüfung von Fällen
anstehe, kann seitens des Gerichts nicht nachvollzogen werden. Der Antragsgegner hat glaubhaft gemacht, dass es
sich bei der "Aktenlage-Klinikbegehung" um ein Standardverfahren handelt, welches im Interesse der Antragstellerin in
deren Räumlichkeiten durchgeführt wird. Als Regelfall sieht der Gesetzgeber in § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V die
Übermittlung im Sinne einer Übersendung der Sozialdaten an den Antragsgegner vor. Durch die Einsichtnahme in die
Sozialdaten in den Räumlichkeiten der Antragstellerin werden im Zusammenhang mit der Übermittlung der Sozialdaten
anfallende Kosten vermieden. Insofern handelt es sich um einen verhältnismäßig geringeren Eingriff. Das gilt erst
recht, weil die prüfenden Ärzte des Antragsgegners unmittelbar vor Ort noch entscheiden können, in welche
Aktenbestandteile eine Einsichtnahme zur Beantwortung der Prüffragen notwendig ist und dies in Absprache mit den
behandelnden Ärzten begründen können. Dass die gesamte Behandlungsakte bei der Antragstellerin vorhanden ist
und grundsätzlich komplett vom Antragsgegner eingesehen werden könnte, ändert hieran nichts. Durch diese
Ausgestaltung des Prüfverfahrens werden auch die datenschutzrechtlichen Bedenken der Antragstellerin ausgeräumt.
Die schutzwürdigen Sozialdaten verlassen nicht die Sphäre der Antragstellerin. Ferner unterliegen die begutachtenden
Ärzte des Antragsgegners der Schweigepflicht. Es besteht mithin keine Gefahr, dass schutzwürdige Sozialdaten
versehentlich an Dritte gelangen können. Im Übrigen hat der Antragsgegner glaubhaft gemacht, dass das
beschriebene Prüfverfahren mit dem zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten abgestimmt ist. Der Wegfall der
abschließenden Fallbesprechung seit dem 01.02.2011 hat keinen Einfluss auf die rechtliche Würdigung des
Sachverhalts. Selbst bei der vom Gesetzgeber vorgesehenen Übermittlung von Sozialdaten findet eine solche nicht
statt.
Aus den vorherigen Ausführungen folgt daher, dass der Anspruch auf einstweiligen Rechtsschutz zurückzuweisen
war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs.1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Danach ist der
Streitwert nach Ermessen der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache zu
bestimmen. Der von der Antragstellerin vorgeschlagene Streitwert von 2.000.000,00 EUR erscheint im vorliegenden
Verfahren zu hoch. Maßgeblich ist allein die sich aus dem Antrag der Antragstellerin bei einer objektiven Beurteilung
für sie ergebende Bedeutung. Bei einer weiteren Verweigerung der Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen
besteht die Möglichkeit, dass die beauftragende Krankenkasse diese Rechnungen nicht oder nur zum Teil bezahlt
bzw. eine Aufrechnung mit anderen Rechnungen erfolgen wird. Dabei ist nicht abzuschätzen, in welcher Höhe hierbei
etwaige Zahlungsansprüche entstehen werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass in einer Hauptsache nach § 52
Abs. 4 GKG der höchste Streitwert mit 2.500.000,00 EUR anzusetzen wäre, kann dieser nicht maßgeblich für das
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sein. Das Gericht kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
ein Viertel bis die Hälfte des Streitwertes der Hauptsache je nach deren wirtschaftlicher Bedeutung anzusetzen. Das
Gericht setzt im vorliegenden Fall für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Viertel des
Höchststreitwertes fest. Damit ergibt sich die oben genannte Festsetzung des Streitwertes in Höhe von 625.000,00
EUR.