Urteil des SozG Aurich vom 30.07.2009

SozG Aurich: gebühr, vergütung, anmerkung, niedersachsen, vergleich, abgabe, führer, beweismittel, fahren, beendigung

Sozialgericht Aurich
Beschluss vom 30.07.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Aurich S 21 SF 56/08 (P)
In Änderung der Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 26. Juni 2008 (Az.: S 12 P 19/07) wird
die Vergütung des Erinnerungsführers auf 547,40 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Gründe:
Die gemäß § 56 RVG zulässige Erinnerung ist teilweise begründet. Sie führt zur Festset-zung einer höheren
Vergütung, allerdings unter Berücksichtigung einer Einigungs- an Stelle einer Terminsgebühr.
Zu Recht hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die von dem Erinnerungsführer in seinem Festsetzungsantrag
vom 18. Juni 2008 geltend gemachte Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG nicht berücksichtigt. Diese Gebühr ist
vorliegend nicht entstanden. Nach Nr. 3106 VV RVG entsteht eine Terminsgebühr grundsätzlich nur, soweit ein Ter-
min tatsächlich stattfindet. Dies ist vorliegend nicht der Fall gewesen. Einer der in der Vorschrift genannten
Ausnahmetatbestände, in denen die Gebühr auch entsteht, wenn der Rechtsstreit ohne Durchführung einer
mündlichen Verhandlung endet, ist vorliegend nicht erfüllt. Zwar entsteht nach Nr. 3106 Anmerkung 3 VV RVG die Ge-
bühr auch, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Ein solcher
Fall liegt hier aber nicht vor. Ein Anerkenntnis hat die Beklagte des zu Grunde liegenden Rechtsstreits nicht
abgegeben. Vielmehr haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen.
Gegenstand des Rechtsstreits sind Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung gewesen. Die Klägerin hat
Leistungen nach der Pflegestufe 1 erhalten und am 27. Juli 2006 einen Antrag auf Neufeststellung des Anspruchs
gestellt. Diesen auf Leistungen nach der Pflegestufe 2 gerichteten Antrag hat die Beklagte abgelehnt. Nach
Beweiserhe-bung im Klageverfahren hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 28. Januar 2008 angeboten, Leistungen
nach Pflegestufe 2 ab dem 01. April 2007 zu erbringen. Die Klägerin hat durch Schriftsatz des Erinnerungsführers
vom 20. Februar 2008 erklärt, dass der Ver-gleichsvorschlag unter Zurückstellung von Bedenken angenommen und
der Rechtsstreit im Übrigen für beendet erklärt werden solle.
Dieser Fall der Beendigung des Rechtsstreits – die prozessual formal als Annahme eines Teilanerkenntnisses und
Klagerücknahme im Übrigen angesehen werden kann (§ 101 Abs. 2; 102 SGG) – wird von der Regelung der Nr. 3106
VV RVG nicht erfasst (Be-schluss der Kammer vom 19. Juli 2007, Az.: S 21 SF 49/06 AS m.w.N.; a.A. Sozialgericht
Oldenburg, Beschluss vom 21. Juni 2007, Az.: S 10 SF 103/07). In Nr. 3106 Anmerkung 3 VV RVG ist nur das
vollständige Nachgeben im Sinne des § 101 Abs. 2 SGG gemeint, welches den Klageanspruch insgesamt umfasst
und – auch vergütungsrechtlich – nicht als Einigung angesehen werden kann. Letzteres folgt insbesondere aus der
Regelung der Nr. 1000 VV RVG i.V.m. Nr. 1006 VV RVG, wonach ein sich auf die Annahme eines Anerkenntnisses
beschränkender Vertrag eine Einigungsgebühr nicht entstehen lässt. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass
nach dem Wortlaut des Gesetzes in den Ver-fahren, in denen Betragsrahmengebühren nicht entstehen, eine
Terminsgebühr auch entstehen kann, wenn ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird (Nr. 3104 Anmerkung 1 VV
RVG). Der Gesetzgeber hat diese Regelung für den Anwendungsbereich der Nr. 3106 VV RVG nicht übernommen.
Aus der Gesetzesbegründung lässt sich nicht entneh-men, dass dies – entgegen dem klaren Wortlaut der Regelung –
beabsichtigt gewesen wäre. Vielmehr ergibt sich aus dem Umstand, dass in der gesetzlichen Regelung der Nr. 3106
VV RVG einzelne, bereits in Nr. 3104 VV RVG Anmerkung 1 geregelte Tatbestände aufgegriffen werden, dass eine
eigenständige Regelung getroffen werden sollte. Danach sind die in Nr. 3106 VV RVG genannten Tatbestände, in
denen ausnahmsweise auch ohne tatsächlich stattfindenden Termin eine Terminsgebühr entstehen soll, als abschlie-
ßend zu verstehen und entsprechend der allgemeinen Regel eng auszulegen.
Allerdings entsteht bei Erledigung des Rechtsstreits auf diese Weise eine Einigungsge-bühr nach Nr. 1006 VV RVG
i.V.m. 1000 VV RVG. Hierfür genügt die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss eines Vergleichsvertrags, die
der Erinnerungsführer durch Abgabe der schriftsätzlichen Erklärung vom 20. Februar 2008 geleistet hat.
Der Berücksichtigung der Einigungsgebühr steht nicht entgegen, dass der Erinnerungs-führer diese in seinem
Festsetzungsantrag nicht ausdrücklich geltend gemacht hat. Zwar ist Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung
über die Erinnerung (lediglich) die auf den konkreten Festsetzungsantrag ergangene Entscheidung des
Urkundsbeamten der Ge-schäftsstelle. Das Gericht darf aber – im Rahmen der beantragten Festsetzung – einen
einschlägigen Gebührentatbestand anwenden, wenn die Gebühr zwar nicht ausdrücklich, aber mit der falsch
bezeichneten Gebühr der Sache nach geltend gemacht worden ist. Dies ist vorliegend der Fall, weil sowohl der
geltend gemachten Terminsgebühr als auch der tatsächlich entstandenen Einigungsgebühr dieselbe anwaltliche
Handlung – Abgabe der den Rechtsstreit beendenden Erklärung – zu Grunde liegt.
Hinsichtlich der Höhe der Einigungsgebühr bestimmt Nr. 1006 VV RVG einen Rahmen zwischen 30,- und 350,- Euro.
Maßgeblich für die Bestimmung der Höhe der Gebühr sind auch hier – unter Berücksich-tigung der Kriterien des § 14
Abs. 1 Satz 1 RVG – alle Umstände des Einzelfalls. Dabei kann im Sinne eines Ausgangspunktes auf die zur
Ermittlung der Verfahrensgebühr vor-genommene Beurteilung der einzelnen Kriterien zurückgegriffen werden.
Insbesondere unter Berücksichtigung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit gerade im
Hinblick auf eine nicht streitige Erledigung des Rechtsstreits ist danach zu ent-scheiden, ob eine Einigungsgebühr in
relativer Höhe der Verfahrensgebühr anzusetzen ist oder hiervon – innerhalb des Gebührenrahmens – nach oben oder
unten abzuweichen ist (vgl. Beschluss der Kammer vom 19. Juli 2007, Az.: S 21 SF 49/06 AS). Vorliegend besteht
für ein Abweichen von der Mittelgebühr kein Anlass. Zu berücksichti-gen ist insbesondere, dass das
Vergleichsangebot der Beklagten vor dem Hintergrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu prüfen gewesen und
insbesondere die Annahme gegen die Vor- und Nachteile der Fortführung des Rechtsstreits abzuwägen gewesen ist.
Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind hierauf bezogen mit Blick auf die zu berücksichtigenden
Beweismittel und Stellungnahmen der Beklagten als bereits durchschnittlich anzusehen.
Es ergibt sich hiernach folgende Berechnung der Vergütung:
• Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG): 250,- EUR • Einigungsgebühr (Nr. 1006; 1002 VV RVG): 190,- EUR •
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG): 20,- EUR • Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG, 19 v.H. auf: 460,- EUR) 87,40
EUR
• insgesamt: 547,40 EUR
Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen ist auch in Verfahren über die
Festsetzung der Vergütung nach §§ 55 f. RVG die Beschwerde gegen die Entscheidung des Sozialgerichts - entgegen
§§ 56 Abs. 2; 33 Abs. 3 RVG – gemäß §§ 178; 197 Abs. 2 SGG ausgeschlossen (vgl. etwa LSG Niedersachsen-
Bremen, Be-schluss vom 09. Juni 2009, Az.:L 13 B 1/08 SF m.w.N.).
Dieser Beschluss ist mithin endgültig.
Dr. Bußmann-Weigl Richter am Sozialgericht