Urteil des SozG Augsburg vom 22.09.2010

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Sozialgericht Augsburg
Urteil vom 22.09.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 10 KR 390/09
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 408/10
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 850,25 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. März 2007 zu zahlen. II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. III.
Der Streitwert wird auf 850,25 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist ein Vergütungsanspruch der Klägerin wegen erbrachter Hebammenleistungen in Höhe von 850,25 EUR.
Die Klägerin ist freiberuflich tätige Hebamme und im Rahmen eines Belegvertrages am Krankenhaus C-Stadt als
Beleghebamme tätig. Vom 03.09. bis 24.12.2006 und vom 12.01. bis 28.01.2007 erbrachte sie im Krankenhaus C-
Stadt Hebammenleistungen für die Versicherte der Beklagten L ... Mit 2 Rechnungen vom 08.02.2007 stellte sie der
Beklagten hierfür insgesamt 1.431,13 EUR in Rechnung.
Die Beklagte beglich die Rechnungen bis auf einen Betrag von 850,25 EUR. Die Kürzung wurde damit begründet,
dass die von der Klägerin erbrachten Leistungen bereits mit der Vergütung an die Beigeladene abgegolten seien. Das
Krankenhaus könne wählen, ob die erforderlichen Hebammenleistungen durch angestellte oder freiberuflich tätige
Hebammen erbracht werden. Im Fallpauschalenkatalog werde zwischen der Versorgung ohne Beleghebamme und mit
Beleghebamme differenziert. Vorliegend sei durch das Krankenhaus eine Behandlung ohne Beleghebamme
abgerechnet worden. Daraus ergebe sich, dass die Klägerin nicht als Beleghebamme tätig geworden sei, sondern ihre
Leistung als freiberuflich tätige Hebamme im Auftrage des Krankenhauses erbracht habe. Somit handle es sich um
eine vom Krankenhaus veranlasste Leistung Dritter im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Krankenhausentgeltgesetz,
die von der an das Krankenhaus gezahlten Vergütung umfasst sei.
Am 18.12.2009 hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage erhoben. Die Leistungen von Beleghebammen
würden nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Krankenhausentgeltgesetz bzw. § 2 Abs. 1 Satz 2 Bundespflegesatzverordnung nicht
zu den Krankenhausleistungen gehören. Dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.02.1971, Aktenzeichen 3 RK
35/68 zufolge begründe allein die Tatsache, dass die Hebamme in einem Fall Hilfe geleistet hat, ihren
Gebührenanspruch. Nach der im Zeitpunkt der Leistungserbringung gültigen Hebammenhilfe-Gebührenverordnung sei
ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen der Hebamme und der Krankenkasse zu Stande gekommen. Dieser könne
nicht durch einen einseitigen Rechtsakt vernichtet werden. Insbesondere sei die Beklagte nicht berechtigt, die ihr
obliegende gesetzliche Zahlungspflicht auf andere Stellen zu übertragen. Es gebe nur die beiden Möglichkeiten des
Einsatzes einer Hebamme als freiberufliche Beleghebamme oder als angestellte Hebamme. Systemfehler im Bereich
der DRGs könnten nicht in den Risikobereich der Klägerin fallen, sondern beträfen ausschließlich das Verhältnis
zwischen Krankenhaus und Krankenkasse. Der Klägerbevollmächtigte hat eine Bestätigung der Beigeladenen
vorgelegt, der zufolge die Klägerin die streitigen Leistungen für die Versicherte L. im Rahmen ihrer Tätigkeit als
Beleghebamme am Krankenhaus C-Stadt erbracht habe.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 850,25 EUR zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von
8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.03.2007 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24.02.1971 sei nicht mehr anwendbar, da sich mit der Einführung
des pauschalierenden Entgeltsystems zum 01.01.2004 die Vergütung der Krankenhausleistungen grundlegend
verändert habe. In den Fällen, in denen der Fallpauschalenkatalog nicht für alle DRGs unterschiedliche
Bewertungsrelationen für Behandlungen mit oder ohne Beleghebammen enthält, seien mit der gezahlten Vergütung an
das Krankenhaus sämtliche Ansprüche aus dem Behandlungsfall abgegolten. Würde die Beklagte die Rechnung der
Klägerin komplett begleichen, so seien die Leistungen der Klägerin doppelt bezahlt, was dem Wirtschaftlichkeitsgebot
und dem System der Krankenhausfinanzierung widerspreche. Bei der Vereinbarung der DRGs des
Fallpauschalenkataloges hätten sich die Krankenhäuser bereit erklärt, bei fehlender Bewertung der Tätigkeit einer
Beleghebamme die Leistungen der Hebamme selbst zu erbringen und deren Kosten zu tragen. Für die DRG F63 B sei
bis heute keine Bewertungsrelation für die Tätigkeit einer Beleghebamme ausgewiesen. Hinsichtlich der
abgerechneten DRG O64B sei von der Beigeladenen der Entgeltschlüssel 703 übermittelt worden, der die Behandlung
auf einer Belegabteilung mit Belegoperateur jedoch ohne Beleghebamme ausweise.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Für den stationären Aufenthalt der Versicherten L. vom 10.12. bis zum
14.12.2006 habe sie die DRG F63 B abgerechnet, für die im Jahr 2006 keine eigenständige Bewertungsrelation für
Belegoperateur und Beleghebammen vorgelegen habe. Die für den Aufenthalt vom 15.01. bis 16.01.2007
abgerechnete Bewertungsrelation der DRG O64B sei identisch mit der Bewertungsrelation für Belegoperateur und
Beleghebamme. Für den stationären Aufenthalt vom 23.01. bis 28.01.2007 sei die DRG O60D mit der
Bewertungsrelation für Belegoperateur und Beleghebamme abgerechnet worden.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen
Entscheidungsgründe:
I.
Die zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Augsburg formgerecht erhobene Leistungsklage ist zulässig
und begründet. Eines Vorverfahrens und der Einhaltung einer Klagefrist bedurfte es nicht, da es sich um eine
Zahlungsklage im Gleichordnungsverhältnis handelt.
Die Klägerin hat nach § 134 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung in
Verbindung mit der bis 31.07.2007 geltenden Hebammenhilfe-Gebührenverordnung (HebGV) einen Anspruch auf
Zahlung von 850,25 EUR.
Die Klägerin war im Sinne von § 1 Abs. 1 HebGV als freiberufliche Hebamme für eine Versicherte der Beklagten tätig,
so dass sich ihre Vergütung im Rahmen der Hebammenhilfe nach der HebGV bestimmt. Denn die Klägerin war, wie
die Beigeladene ausdrücklich bestätigt hat, im Rahmen der Leistungserbringung für die Versicherte L. freiberuflich als
Beleghebamme am Krankenhaus C-Stadt tätig. In § 2 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 des Belegvertrages vom 01.07.1998 ist
niedergelegt, dass durch die Tätigkeit der Klägerin im Krankenhaus C-Stadt kein Anstellungsverhältnis begründet wird
und die Klägerin unmittelbar gegenüber der Patientin bzw. deren Krankenkasse abrechnet.
Durch die Leistungserbringung bei der Versicherten L. hat die Klägerin nach § 2 Abs. 1 HebGV einen Anspruch auf
Zahlung des von ihr geltend gemachten Betrages erworben. Danach zahlen die Krankenkassen Vergütungen nach
Maßgabe der Bestimmungen der HebGV. Die Klägerin hat nach der Anlage zur HebGV korrekt abgerechnet, was von
der Beklagten auch nicht infrage gestellt wird.
Der Vergütungsanspruch der Klägerin entfällt nicht aus dem Grund, dass die Leistungserbringung im Rahmen einer
stationären Behandlung der Versicherten erbracht wurde. Denn nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Krankenhausentgeltgesetz
(KHEntG) gehören zu den Krankenhausleistungen, die von dem Krankenhaus abgerechnet werden, nicht die
Leistungen der Beleghebammen. Vielmehr werden diese eigenständig durch die Beleghebammen abgerechnet. Ein
anderes Ergebnis lässt sich nicht aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntG ableiten, wonach zu den allgemeinen
Krankenhausleistungen auch die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter gehören. Angesichts der
Spezialvorschrift in § 2 Abs. 1 Satz 2 KHEntG können Beleghebammen nicht als Dritte im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz
2 Nr. 2 KHEntG angesehen werden. Entgegen der Ansicht der Beklagten existiert neben der Beleghebammentätigkeit
keine zusätzliche Möglichkeit der freiberuflichen Leistungserbringung von Hebammen in Krankenhäusern.
Dem Vergütungsanspruch der Klägerin kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Leistungen der Klägerin
bereits von der Beigeladenen abgerechnet worden seien. Die Vergütungsansprüche der Beleghebamme und des
Krankenhauses, in dem die Beleghebamme tätig wurde, sind unabhängig voneinander. Etwaige Einwendungen sind
auf das jeweilige Rechtsverhältnis beschränkt. Sollte von dem Krankenhaus eine falsche Bewertungsrelation
bezüglich einer Fallpauschale abgerechnet worden sein, so muss die Beklagte dies gegenüber der Beigeladenen
geltend machen. Soweit im Behandlungszeitpunkt keine spezielle Bewertungsrelation für den Einsatz von
Beleghebammen im Fallpauschalenkatalog vorgesehen war, die vom Krankenhaus hätte abgerechnet werden können,
berührt dies ebenfalls nur das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und der Beigeladenen. Der
Fallpauschalenkatalog wird nach §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntG, 17b Abs. 1 Satz 10
Krankenhausfinanzierungsgesetz vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit der deutschen
Krankenhausgesellschaft vereinbart. Etwaige im Fallpauschalenkatalog enthaltene Lücken können sich nicht auf das
Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten auswirken, die über ihren Berufsverband keinerlei Möglichkeiten
der Einflussnahme auf die Gestaltung des Fallpauschalenkataloges hat.
Der Anspruch auf Verzinsung ergibt sich aus § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. §§ 288 Abs. 1 und Abs. 2, 286 Abs. 1
und Abs. 2 Nr. 1, 187 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und § 5 Abs. 4 HebGV. Die Zinspflicht beginnt am Tag nach
Eintritt des Verzugs. Verzug trat ein mit Ablauf der dreiwöchigen Zahlungsfrist ab Rechnungseingang (§ 5 Abs. 4
HebGV). Nach fingiertem Rechnungszugang am 11.02.2007 lief die Dreiwochenfrist am Montag dem 05.03.2007 ab
und die Beklagte befand sich ab 06.03.2007 in Verzug. Da zudem an dem Rechtsgeschäft kein Verbraucher beteiligt
war, konnten Zinsen im beantragten Umfang zugesprochen werden.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten
Personen gehören und die Beklagte die unterliegende Partei des Rechtsstreits ist.
III.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit dem Gerichtskostengesetz (GKG).
Da der Klageantrag auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet war, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG).