Urteil des SozG Augsburg vom 26.07.2006

SozG Augsburg: stationäre behandlung, ambulante behandlung, krankenkasse, aufenthalt, aufrechnung, nacht, entlassung, fälligkeit, klinik, verzinsung

Sozialgericht Augsburg
Urteil vom 26.07.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 12 KR 276/05
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.078,94 EUR zu zahlen zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 % über
dem Basiszinssatz ab 3. August 2005. II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. III. Der Streitwert wird auf
2.078,94 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Erstattung der Krankenhauskosten für einen stationären Aufenthalt des Versicherten E. vom 11.06
- 16.06.2005 im Zentralklinikum Augsburg in einer Resthöhe von 2.078,94 EUR zuzüglich Zinsen.
E. ist bei der Beklagten versichert. Die Klinik erstellte am 12.07.2005 eine Rechnung über 6.154,20 EUR, die mittels
maschineller Datensatzübermittlung nach § 301 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) am selben Tag übersandt
wurde. Die Beklagte zahlte auf diese Rechnung lediglich einen Betrag in Höhe von 4.075,26 EUR. Einwendungen
gegen die Rechnung selbst hat die Beklagte nicht erhoben. Hinsichtlich des Restbetrages von 2.078,94 EUR erklärte
die Beklagte mit Schreiben vom 20.07.2005 eine Aufrechnung. Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie für
insgesamt 5 in den Jahren 2002 und 2003 vom Kläger für Versicherte der Beklagten abgerechnete stationäre
Krankenhausaufenthalte zu Unrecht eine Zahlung vorgenommen habe. Hierbei handelt es sich um folgende
Einzelfälle: 1. F., geb. 2001, stat. Aufenthalt am 30.04.2002; Aufnahme 3.44 Uhr; Entlassung 18.00 Uhr, Kosten
329,99 EUR 2. B., geb. 1966, stat. Aufenthalt am 24.04.2002; Aufnahme 9.59 Uhr; Entlassung 18.00 Uhr, Kosten
312,16 EUR 3. B., geb. 1966, stat. Aufenthalt am 11.07.2002; Aufnahme 8.26 Uhr; Entlassung 17.00 Uhr, Kosten
321,16 EUR 4. D., geb. 1990, stat. Aufenthalt am 05.06.2003; Aufnahme 9.36 Uhr; Entlassung 14.00 Uhr, Kosten
569,81 EUR 5. E., geb. 1961; stat. Aufenthalt am 10.01.2002; Aufnahme 10.44 Uhr; Entlassung 20.15 Uhr, Kosten
545,82 EUR. Die Beklagte vertritt ebenso wie in Weiteren beim Sozialgericht Augsburg anhängigen Verfahren die
Auffassung, dass ein notwendiger stationärer Aufenthalt nicht vorliege, wenn die Aufenthaltsdauer weniger als 24
Stunden betrage.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 19.08.2005 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Begründung
haben sie vorgetragen, dass eine stationäre Behandlung hinsichtlich der 5 aufgerechneten Fälle vorliege. Die Beklagte
habe in keinem Fall das Überprüfungsverfahren entsprechend dem Vertrag über die Notwendigkeit und Dauer der
stationären Krankenhausbehandlung durchgeführt. Außergerichtlich sei ihr bereits mitgeteilt worden, dass in jedem der
Fälle die Ärzte des Krankenhauses die stationäre Krankenhausbehandlung aus der Sicht "ex-ante" für medizinisch
notwendig gehalten und daher auch eine stationäre Behandlung veranlasst hätten. Die Bevollmächtigten der Beklagten
haben sich zur Begründung der Aufrechnung auf Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 04.03.2004 (B 3 KR
4/03 R) vom 17.03.2005 (B 3 KR 11/04 R) berufen, wonach eine vollstationäre Behandlung im Sinne einer physischen
und organisatorischen Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses dann gegeben sei,
wenn sie sich nach dem Behandlungsplan des Krankenhausarztes zeitlich über mindestens 1 Tag und 1 Nacht
erstrecke. Entscheidend sei also die geplante Dauer des Aufenthaltes. Hinweise für eine sog. abgebrochene
stationäre Behandlung lägen in keinem der 5 Fälle vor, die Klägerin selbst trage hierzu nichts vor. Da keinerlei
Hinweise dazu vorlägen, dass die Versicherten jeweils nach der Planung der Krankenhausärzte stationär
aufgenommen werden sollten, liege bereits per Definition jeweils nur eine ambulante Behandlung vor und daher müsse
auch das medizinische Überprüfungsverfahren durch den Medizinischen Dienst (MDK) nicht eingeleitet werden, um
mit Einwänden gegen die medizinische Notwendigkeit gehört zu werden. Die Klägerbevollmächtigten haben mit
Schreiben vom 16.02.2006 die Zulässigkeit der Aufrechnung bestritten. Außerdem haben sie für jeden einzelnen der 5
Fälle eine kurze Beschreibung der Diagnosen, Befunde und Behandlungen gegeben. Auch hierauf haben die
Beklagtenbevollmächtigten erneut die Auffassung vertreten, dass es sich lediglich um ambulante Behandlungen
gehandelt habe. Der MDK wurde nicht eingeschaltet. Am 21.07.2006 haben die Bevollmächtigten die Aufhebung des
Termins zur mündlichen Verhandlung beantragt. Die Einholung von Sachverständigengutachten scheine zwingend
geboten, da die Klinik bei den jeweiligen Aufnahmen kein voraussichtliches Ende der Behandlung angegeben habe,
mit Ausnahme des Behandlungsfalles D ... Dies deute darauf hin, dass sie bei der Aufnahme selbst von einem
kurzfristigen Aufenthalt ohne Übernachtung ausgegangen sei. Daher habe auch keine Veranlassung zur Einschaltung
des MDK bestanden. Aus dem Urteil des BSG vom 22.07.2004 (B 3 KR 20/03 R) ergebe sich auch, dass eine
Krankenkasse, wenn sie erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens ihre Einwände substantiiert vorbringe, nicht zur
Zahlung zu verurteilen sei, sondern vielmehr Beweis zu erheben sei. Es müsse abhängig vom Ergebnis der jeweiligen
Zahlung zu verurteilen sei, sondern vielmehr Beweis zu erheben sei. Es müsse abhängig vom Ergebnis der jeweiligen
MDK-Stellungnahmen ggf. ein Sachverständigengutachten zur Frage der medizinischen Notwendigkeit eingeholt
werden. Daher werde das Ruhen des Verfahrens beantragt, um den MDK noch einzuschalten. Das Gericht hat den
Antrag auf Terminsaufhebung am 24.07.2006 abgelehnt.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.078,94 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 % über dem je-
weiligen Basiszinssatz ab 03.08.2005 zu zahlen.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte der Beklagten Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Das angerufene Gericht ist gemäß §§ 57 Abs. 1, 51 Abs. 1 Nr. 2, 8 Sozialgerichtsgesetz (SGG) örtlich und sachlich
zuständig. Die formgerecht erhobene Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) ist zulässig und auch begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für die stationäre Behandlung des E. vom 11.06. - 16.06.2005
in Höhe von 2.078,94 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 % über dem Basiszinssatz ab 03.08.2005.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs eines zugelassenen Krankenhauses für die stationäre Behandlung ist §
109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung 2005. Die Abrechnung des
Krankenhausaufenthaltes des Versicherten Eray folgte als stationäre Leistung im Sinne von § 39 SGB V. Zwischen
den Beteiligten unstreitig sind die Höhe der Rechnung, der Zeitpunkt der Fälligkeit sowie Höhe und Beginn der
Verzinsung. Fälligkeit und Verzinsung ergeben sich dabei aus § 9 Nr. 1 der Pflegesatzvereinbarung 2005.
Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob die Forderung durch Aufrechnung erloschen ist.
Die Beklagte hat die Hauptforderung bis auf einen Rest von 2.078,94 EUR erfüllt und hinsichtlich dieses Restbetrages
die Aufrechnung mit einer gleichartigen und erfüllbaren Gegenforderung erklärt, nämlich mit angeblichen
Rückzahlungsansprüchen aus 5 Behandlungsfällen gegen den Kläger in der genannten Höhe. Diese Aufrechnung ist
grundsätzlich zulässig, auch wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 51 SGB I nicht erfüllt sind. Es
besteht jedoch allgemein die Möglichkeit, einer öffentlich-rechtlichen Forderung im Wege der Aufrechnung, auf die §§
387 f. BGB entsprechend anzuwenden sind entgegen zu treten (vgl. hierzu BSG vom 17.03.2005 - B 3 KR 11/04 R -
in SozR 4-2500 § 39 Nr. 5 mit weiteren Nachweisen). Eine Aufrechnung ist auch nicht aufgrund der "Vereinbarung für
den Pflegesatzzeitraum 2005 nach § 11 Krankenhausentgeltgesetz und § 17 Abs. 1 Bundespflegesatzverordnung"
ausgeschlossen. Zwar enthält § 9 Nr. 2 Satz 3 eine Regelung, wonach im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung
die Rückzahlungsfrist des zu viel erhaltenen Betrages für das Krankenhaus 3 Wochen ab Rechtskraft der
Entscheidung beträgt, weshalb eine Forderung der Krankenkasse aufgrund einer Beanstandung nicht sofort fällig wird.
Diese Vereinbarung betrifft jedoch nur Leistungen für stationäre Krankenhausaufenthalte des Jahres 2005, die von der
Pflegesatzvereinbarung umfasst werden, nicht aber die hier streitigen Gegenforderungen aus den Jahren 2002 - 2003.
Wie der Bevollmächtigte mitgeteilt hat, fehlen in den Pflegesatzvereibarungen 2002 und 2003 entsprechende
Regelungen.
Eine Aufrechnung scheitert jedoch deshalb, weil eine fällige aufrechenbare Gegenforderung der Beklagten zur
Überzeugung des Gerichts nicht besteht.
Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob in den 5 aufgerechneten Fällen ein stationärer Krankenhausaufenthalt
im Sinne des § 39 SGB V tatsächlich vorlag, oder ob nicht vielmehr nur eine ambulante Leistung vom Krankenhaus
gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung hätte abgerechnet werden dürfen.
Die Beklagte argumentiert unter Bezug auf das Urteil des BSG vom 04.03.2004 (B 3 KR 4/03 R in SozR 4-2500 § 39
Nr. 1), dass ein Aufenthalt der Versicherten im Krankenhaus von weniger als 24 Stunden den Tatbestand eines
stationären Aufenthaltes im Sinne von § 39 SGB V nicht erfülle. Dies sei offensichtlich mit der Folge, dass auch eine
Überprüfung durch den MDK zur Frage, ob ein stationärer Aufenthalt notwendig gewesen sei oder nicht, nicht
vorzunehmen gewesen sei.
Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung (Urteil vom 17.03.2005, a.a.O., unter Bezug auf das o.g. Urteil vom
04.03.2004) die Auffassung vertreten, dass eine Abgrenzungsschwierigkeiten weitestgehend vermeidende Definition
von vollstationärer, teilstationärer und ambulanter Krankenhausbehandlung nur vom Merkmal der geplanten
Aufenthaltsdauer ausgehen könne. Eine vollstationäre Behandlung im Sinne einer physischen und organisatorischen
Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses ist danach dann gegeben, wenn sie sich
nach dem Behandlungsplan des Krankenhausarztes zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt.
Entscheidend ist dabei zunächst der Behandlungsplan. Die Entscheidung zum Verbleib des Patienten über Nacht wird
in der Regel zu Beginn der Behandlung vom Krankenhausarzt getroffen, kann im Einzelfall aber auch noch später
erfolgen. Eine ambulante Behandlung kann in eine vollstationäre Krankenhausbehandlung übergehen. Auf der anderen
Seite entfällt aber eine stationäre Behandlung nicht, wenn der Patient nach Durchführung eines Eingriffes oder einer
sonstigen Behandlungsmaßnahme über Nacht verbleiben sollte, aber gegen ärztlichen Rat auf eigenes Betreiben das
Krankenhaus noch am selben Tag wieder verlässt. Dann handelt es sich um eine "abgebrochene" stationäre
Behandlung. Eine Regel dergestalt, dass nur dann eine stationäre Krankenhausbehandlung im Sinne von § 39 SGB V
vorliegt, wenn sich ein Versicherter mindestens einen Tag und eine Nacht, d. h. mindestens 24 Stunden, im
Krankenhaus zur Behandlung befunden hat, existiert also nicht, anders als die Beklagte (auch in am hiesigen Gericht
anhängigen Parallelfällen) meint. Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus den Gründen des BSG-Urteiles vom
04.03.2004, a.a.O. Vielmehr betont das BSG in dieser Entscheidung, die mit weiterer Rechtsprechung fortgeführt
wurde, dass die Abgrenzung der stationären Krankenhausbehandlung von ambulanter oder teilstationärer Behandlung
vom Merkmal der geplanten Aufenthaltdauer auszugehen hat.
Dass die Versicherten in 4 Fällen nur tagsüber im Krankenhaus verblieben waren, legt zwar nahe, dass kein
vollstationärer Aufenthalt vorgelegen hat. Allein die geringe Stundenzahl ist aber kein Beweis dafür, dass nur eine
ambulante Behandlung vorgelegen hat. Denn in aller Regel wird bereits bei der Aufnahme durch den aufnehmenden
Krankenhausarzt die Entscheidung getroffen, ob eine stationäre Krankenhausaufnahme erfolgt. Stellt sich
nachträglich heraus, dass eine stationäre Behandlung doch nicht notwendig war, wird die stationäre Behandlung nicht
nachträglich in eine ambulante Behandlung umgewandelt.
Dass in 4 Fällen - wie der Beklagtenbevollmächtigte vorträgt - eine geplante Aufenthaltsdauer von der Klinik nicht
mitgeteilt wurde, belegt zur Überzeugung des Gerichts nicht, dass ein stationärer Aufenthalt nicht geplant war und
auch nicht erfolgt ist. Den Dateiausdrucken ist nicht zu entnehmen, wann die Aufnahmeanzeige bei der Beklagten
eingegangen war. Eine Aufnahmeanzeige mit Angabe einer geplanten Aufenthaltsdauer ist aber dann obsolet, wenn
der Versicherte zu diesem Zeitpunkt bereits wieder entlassen war.
Die objektive Beweislast dafür, dass ein notwendiger stationärer Krankenhausaufenthalt nicht vorgelegen hat, liegt bei
einer Aufrechnung grundsätzlich auf Seiten der Beklagten. In der Regel wäre wegen des Untersuchungsgrundsatzes
vom Gericht im Rahmen einer Sachverständigenbegutachtung nachprüfbar, ob tatsächlich ein notwendiger stationärer
Aufenthalt gegeben war oder nicht. Vorliegend ist jedoch eine weitere gerichtliche Sachaufklärung nicht
durchzuführen, da das zur Überprüfung der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung vereinbarte Verfahren von
der Krankenkasse nicht eingehalten, wurde.
Grundsätzlich entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse, wie das BSG in ständiger Rechtsprechung (u. a.
Urteil vom 17.05.2000, B 3 KR 33/99 R in SozR 3-2500 § 112 Nr. 1) entschieden hat, unabhängig von einer
Kostenzusage der Krankenkasse unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Über die
Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung entscheidet zunächst der Krankenhausarzt. Eine Zahlungspflicht der
Krankenkasse für die stationäre Versorgung eines Versicherten entfällt nur dann, wenn sich die Entscheidung des
Krankenhausarztes nach seinen jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten als nicht vertretbar herausstellt. Zur Prüfung der
Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung und der Richtigkeit der Entscheidung des
Krankenhausarztes existiert in Bayern ein Vertrag gemäß § 112 Abs. 1 SGB V zu § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V
zwischen der Bayer. Krankenhausgesellschaft und u. a. dem BKK-Landesverband Bayern hinsichtlich Überprüfung
der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung. § 2 Abs. 1 sieht dabei folgende Regelung vor: "Der
Krankenkasse obliegt die Überprüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen der stationären
Krankenhausbehandlung. Besteht aus Sicht der Krankenkasse in Einzelfällen Anlaß, die Notwendigkeit und Dauer der
stationären Behandlung zu überprüfen, so kann die Krankenkasse vor Beauftragung des Medizinischen Dienstes unter
Angabe des Überprüfungsanlasses eine Stellungnahme des Krankenhauses zu einzelnen Behandlungsfällen
anfordern. Das Krankenhaus erläutert die Dauer der stationären Behandlung (Kurzbericht). Ergibt sich aus Sicht der
Krankenkasse die Notwendigkeit einer ärztlichen Überprüfung, so kann die Krankenkasse im Einzelfall die
Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung durch Ärzte, die für den Medizinischen Dienst tätig sind,
überprüfen lassen. Die §§ 275 ff. und 283 SGB V bleiben hiervon unberührt."
Im anhängigen Verfahren hat die Beklagte die Aufrechnung mit den 5 benannten Fällen durchgeführt, ohne vorher eine
Prüfung durch den MDK einzuleiten. Obwohl der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 16.02.2006 zu jedem der 5
Fälle einen Kurzbericht gegeben hat, hat die Beklagte auch dies nicht zum Anlass genommen, den MDK
einzuschalten. Vielmehr hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass offenkundig allein durch die Dauer der
Krankenhausbehandlung der Beweis einer stationären Krankenhausbehandlung nicht erbracht sei und daher im Wege
einer Beweis- lastumkehr der Nachweis einer stationären Behandlung vom Kläger zu erbringen sei. Erst anlässlich
des Antrages auf Terminsaufhebung vom 21.07.2006 ist der Beklagtenbevollmächtigte von diesem strikten
Standpunkt abgerückt und hat "vorgeschlagen", den MDK noch einzuschalten, jedoch weder eine Stellungnahme des
MDK vorgelegt noch zumindest nachgewiesen, das der MDK beauftragt wurde.
Dieses Verhalten der Beklagten ist nicht vom o.g. Vertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der
Krankenhausbehandlung gedeckt. Ziel des Vertrages ist ausdrücklich, das Verfahren zur Überprüfung der
Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung im Einzelfall zu regeln (§ 1 des Vertrages). Der Vertrag sieht
vor, dass zunächst ein Kurzbericht anzufordern ist und anschließend bei verbleibenden Zweifeln an der Notwendigkeit
einer stationären Krankenhausbehandlung der MDK einzuschalten ist. Da es der Kasse vor Einschaltung des MDK in
der Regel an medizinischem Sachverstand fehlt, kommt zunächst nur eine Plausibilitätskontrolle in Betracht, etwa bei
offenbaren Diskrepanzen zwischen Aufnahmediagnose und Verweildauer, der stationären Aufnahme in
Behandlungsfällen, die üblicherweise ambulant durchgeführt werden, oder etwa einer Diskrepanz zwischen
Aufnahmediagnose und Fallpauschale nach den DRG. Dann tritt das gestufte Verfahren zur Überprüfung der
Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit entsprechend der o.g. Vereinbarung ein. Fristen für eine Überprüfung sieht die
Vereinbarung dabei nicht vor, woraus sich der Schluss ziehen lässt, dass auch nach Fälligkeit der Forderung und
Zahlung noch eine entsprechende Überprüfung stattfinden kann. Da die Versicherten in den 5 aufgerechneten Fällen
sich - bis auf den Fall F. - lediglich tagsüber im Krankenhaus aufgehalten hat, ist für das Gericht nachvollziehbar,
dass die Beklagte sich zu Zweifeln an einer stationären Aufnahme und stationären Behandlungsnotwendigkeit
veranlasst sah. Dies rechtfertigt jedoch nicht, eine Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der
Krankenhausbehandlung entsprechend des o.g. Vertrages rundweg zu verweigern, wie dies die Beklagte auch noch im
Klageverfahren praktisch bis zur mündlichen Verhandlung getan hat. Die Einhaltung des vereinbarten
Überprüfungsverfahrens ist nicht vom Krankenhaus vereitelt worden, sondern an der Krankenkasse gescheitert. Die
Weigerung eines Vertragspartners, die vertraglich vereinbarte Form der Überprüfung einzuhalten, führt zwar nicht zum
sofortigen Verlust der Rechtsposition, solange eine Nachholung möglich ist. Die Überprüfung kann aber nur
nachgeholt werden, solange sich der andere Vertragspartner hierauf einstellen kann und muss. Die Einleitung des
Verfahrens unter Einschaltung des MDK ist deshalb dann notwendig, wenn die Krankenkasse Zweifel an der
Behandlungsnotwendigkeit hat. Unterlässt sie die Einschaltung des MDK, so ist sie mit solchen Einwendungen
ausgeschlossen, die vorrangig einer Nachprüfung durch den MDK zugänglich sind (vgl. BSG vom 13.12.2001, B 3 KR
11/01 R in SozR 3-2500 § 112 Nr. 2).
Zur Überzeugung des Gerichts ist nicht nachgewiesen, dass in den 5 aufgerechneten Fällen keine notwendige
vollstationäre Krankenhausbehandlung vorgelegen hat. Da über die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung
grundsätzlich zunächst der Krankenhausarzt entscheidet und die Beklagte mangels Einschaltung des MDK keine
substantiierten Einwendungen hinsichtlich der Notwendigkeit einer Krankenhausaufnahme vorgebracht hat, spricht für
das Vorliegen einer stationären Behandlung nach wie vor der durch den aufnehmenden Krankenhausarzt begründete
Anscheinsbeweis, sodass sich kein Anlass für weitergehende gerichtliche Ermittlungen ergibt. Insbesondere ist kein
Sachverständigengutachten zum Nachweis der Richtigkeit der von der Beklagten vertretenen Auffassung einzuholen.
Wenn die Krankenkasse es versäumt, unter Ausschöpfung ihrer eigenen Ermittlungs- und Überprüfungsmöglichkeiten
ihre Einwendungen spezifiziert und nicht nur in Form eines "Bestreitens des Vorbringens des Krankenhauses"
darzustellen, dann ist über die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung vom Gericht kein Beweis mehr
zu erheben (Umkehrschluss aus BSG vom 22.07.2004 - B 3 KR 20/03 - in SozR 4-2500 § 112 Nr. 3).
Die Beklagte war daher wie beantragt zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit dem Gerichtskostengesetz (GKG).
Da der Klagantrag auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet war, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG).