Urteil des SozG Augsburg vom 29.11.2010

SozG Augsburg: bezahlung, arbeitsunfall, schwimmbad, entschädigung, bauarbeiten, halle, dach, gefälligkeit, unternehmer, wahrscheinlichkeit

Sozialgericht Augsburg
Urteil vom 29.11.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 8 U 136/10
I. Der Bescheid des Beklagten vom 11. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. April 2010
wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Unfall des Klägers am 3. Juli 2008 ein Arbeitsunfall ist, für dessen
Entschädigung der Beklagte zuständig ist. II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu
erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob der Kläger einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der 1956 geborene Kläger stürzte am 3. Juli 2008 bei Bauarbeiten an einem Hallendach aus ca. 3 m Höhe ab und zog
sich dabei ausweislich des Entlassberichts des Klinikums B-Stadt vom 24. Juli 2008 Frakturen an beiden Füßen zu.
Das Bauvorhaben war bei der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) angemeldet worden war, wobei
neben zwei Söhnen des Bauherrn, des Zeugen A.S., auch der Kläger als Helfer angegeben worden war. Der BG Bau,
die zunächst ermittelte, teilte der Kläger mit, er sei vom 1. bis zum 3. Juli 2008 als Aushilfe tätig geworden. Er habe
selbst die Hilfe angeboten und aus Verwandtschaft geholfen, eine Entschädigung habe er nicht erhalten. Der Zeuge
A.S. teilte mit, der Kläger habe beim Einbau von Stützten für die Dachrenovierung geholfen. Der Bau habe zwar das
Dach einer Halle betroffen, die an eine gewerbliche Firma vermietet sei, sei jedoch Privatsache gewesen. Auch mit
seiner beruflichen Tätigkeit im Nutzfahrzeug- und Schrotthandel habe der Bau nichts zu tun. Der Kläger habe seine
Mithilfe angeboten, Lohn oder Taschengeld habe er dem Kläger nicht bezahlt.
Nach Übernahme des Falles und ergänzenden Ermittlungen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 11. November
2009 die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Die Mithilfe des Klägers stelle wegen der verwandtschaftlichen und
bekanntschaftlichen Beziehung eine private Gefälligkeit dar. Zwischen dem Kläger und dem Zeugen A.S. sei es
üblich, kleinere Arbeiten oder Gefälligkeiten unentgeltlich bzw. im Rahmen der Gegenhilfe füreinander zu verrichten.
Im Rahmen des Widerspruchs trug der Kläger vor, er habe für seine Hilfe Geld bekommen. Es bestünden auch keine
verwandtschaftlichen Beziehungen; der Zeuge A.S. sei der Onkel seiner damaligen Lebensgefährtin.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Wegen der zunächst
anderslautenden Erklärungen sei es nicht glaubhaft, dass der Kläger entlohnt worden sei. Die Mithilfe des Klägers sei
im Wesentlichen von der freundschaftlichen Beziehung zur damaligen Lebenspartnerin, einer Verwandten des Zeugen
A.S., geprägt gewesen. In diesem Rahmen sei die angebotene Hilfe typisch und üblich gewesen.
Dagegen hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten am 10. Mai 2010 Klage zum Sozialgericht Augsburg
erhoben.
Im Termin vom 20. Juli 2010 hat der Kläger erklärt, auf dem Dach der Halle habe ein Schwimmbad errichtet werden
sollen. Er habe schon mehrfach bei Bauvorhaben auf dem Grundstück des Zeugen A.S. geholfen, wofür er auch
entlohnt worden sei. Für seine Tätigkeit am Unfalltag habe er 100 Euro erhalten sollen. Es sei klar gewesen, dass er
nicht umsonst helfen würde. Den Lohn habe er dann zwar nicht bekommen. Allerdings sei nach dem Unfall ein
Beitragsrückstand bei seiner Krankenkasse ausgeglichen worden. Der Zeuge A.S. hat angegeben, er habe den Kläger
nicht um Mithilfe gebeten. Der Kläger habe auch zuvor nie geholfen. Auch habe er kein Geld erhalten. Dass er ihm bei
einem Besuch im Krankenhaus 20 oder 30 Euro gegeben habe, sei nicht als Lohn gedacht gewesen.
In einem weiteren Termin am 29. September 2010 haben die Tochter des Zeugen A.S., die Zeugen S.O., deren
Ehemann, der Zeuge E.O., der Zeuge A.K. sowie zwei Kinder des Klägers, die Zeugin T.S. und der Zeuge D.S.,
ausgesagt. Die Zeugin S.O. hat erklärt, sie habe vom Zeugen A.S., ihrem Vater, etwa 800 bis 900 Euro erhalten und
damit die ausstehenden Krankenkassenbeiträge des Klägers bezahlt. Der Kläger habe ihrem Mann und ihr mehrfach
bei kleineren Bauvorhaben geholfen, weil er sich mit Bauarbeiten gut auskenne. Essen und Trinken seien frei
gewesen und er habe vielleicht 30 oder 50 Euro pro Tag erhalten. Der Zeuge E.O. hat angegeben, der Kläger habe
schon bei einigen Bauarbeiten geholfen und er habe diesem dafür 50 bis 100 Euro gegeben. Der Zeuge A.K. hat
gesagt, der Kläger habe ihm vor dem Unfall von Bauarbeiten berichtet. Er habe sich dafür interessiert, weil der Kläger
ihm Miete schuldig gewesen sei und für die Mithilfe Geld erhalten sollte. Auf dem Terrassendach sollte ein
Schwimmbad errichtet werden. Die Zeugin T.S. hat sich dahin geäußert, dass der Kläger den Zeugen S.O. und E.O.
öfters bei Bauvorhaben geholfen habe. Dafür habe er laut eigener Angabe mal 20, mal 50 Euro erhalten. Sie glaube,
dass der Kläger mitgeholfen habe, weil der Zeuge A.S. der Onkel seiner damaligen Lebensgefährtin war. Was
bezüglich des Bauvorhabens am 3. Juli 2008 vereinbart war, wisse sie nicht. Sie habe gehört, dass auf dem Dach ein
Schwimmbad errichtet werden sollte. Der Zeuge D.S. hat berichtet, auch er habe gehört, dass ein Schwimmbad
gebaut werden sollte. Dies habe er von der Zeugin T.S. oder dem Sohn der früheren Lebensgefährtin des Klägers
erfahren. Ob der Kläger für seine Hilfe Geld erhalten habe, wisse er nicht.
In der mündlichen Verhandlung am 29. November 2010 haben nochmals die Zeugen A.S. und T.S. ausgesagt. Die
Zeugin T.S. hat geschildert, wie sie von dem geplanten Bau des Schwimmbades erfahren hat. Der Zeuge A.S. hat
sich nun erinnert, der Zeugin S.O. nach dem Unfall 500 bis 700 Euro gegeben zu haben, damit sie
Krankenkassenbeiträge für den Kläger bezahlen habe können. Es könne sein, dass er vor dem Unfall mit dem Kläger
über das Aufbringen der Betonplatten geredet habe. Bezahlt habe er den Kläger nicht. Ziel des Bauvorhabens sei die
Erneuerung des Hallendaches und die Errichtung eines Schwimmbades gewesen. Letzteres habe er infolge des
Unfalls dann nicht umgesetzt.
Wegen der Einzelheiten der Zeugenaussagen wird auf die jeweiligen Niederschriften verwiesen.
Für den Kläger wird beantragt:
Der Bescheid der Beklagten vom 11. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. April 2010
wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Unfall des Klägers vom 3. Juli 2008 ein Arbeitsunfall ist, für dessen
Entschädigung der Beklagte zuständig ist.
Für den Beklagten wird beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschriften über
die Termine am 20. Juli 2010 und am 29. September 2010 und die mündliche Verhandlung am 29. November 2010
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der Kläger hat Anspruch auf die Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG), dass sein Unfall
am 3. Juli 2008 ein beim Beklagten versicherter Arbeitsunfall ist. Daher ist der Bescheid des Beklagten vom 11.
November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. April 2010 aufzuheben, weil er rechtswidrig ist und
den Kläger in seinen Rechten verletzt.
Nach § 8 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) sind
Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2,3 oder 6 SGB VII
begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende
Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls
der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem
zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat
(Unfallkausalität), und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten
verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen ist keine
Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG,
Urteil vom 4. September 2007, B 2 U 28/06 R).
Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, der Unfall und die Gesundheitsschädigung im Sinn des Vollbeweises, also
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als
Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der
wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, reicht grundsätzlich die "hinreichende" Wahrscheinlichkeit – nicht
allerdings die bloße Möglichkeit – aus (BSG in SozR 3-2200 § 551 RVO Nr. 16, m.w.N.). Eine solche
Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang
sprechenden Faktoren ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gestützt
werden kann (BSG, BSGE 45, 285; 60, 58).
Demnach stand der Kläger bei seiner zum Unfall führenden Verrichtung unter dem Schutz der gesetzlichen
Unfallversicherung.
Der Kläger war zwar bei dem unfallbringenden Bauvorhaben am 3. Juli 2008 nicht als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1
Nr. 1 SGB VII tätig, weil es an einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zu den Bauherren fehlte. Ein solches
ergibt sich aus dem insoweit übereinstimmenden und daher glaubwürdigen Vorbringen des Klägers und der Zeugen
nicht und es finden sich sonst dafür keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Allerdings war der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls am 3. Juli 2008 als sogenannter Wie-Beschäftigter nach § 2 Abs. 2
Satz 1 SGB VII tätig.
Nach dieser Vorschrift sind Personen gegen Arbeitsunfall versichert, die wie ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII
versicherter Beschäftigter (arbeitnehmerähnlich) tätig werden. Dies ist dann der Fall, wenn die Tätigkeit wesentlich
einem nicht der Rechtssphäre des Tätigen zuzurechnenden Unternehmen zu dienen bestimmt war. Das erfordert
keine persönliche Abhängigkeit zu einem Unternehmer. Vielmehr ist ausreichend, dass eine ernstliche, dem fremden
Unternehmen dienende Tätigkeit verrichtet wird, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers
entspricht und die ihrer Art nach auch von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen
Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen und die ungeachtet des Beweggrundes für den
Entschluss, tätig zu werden, unter solchen Umständen geleistet wird, dass sie einer Tätigkeit auf Grund eines
Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. Die Tätigkeit muss also - ohne bloße Gefälligkeit zu sein - nicht sämtliche
Merkmale eines Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisses aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer abhängigen
Beschäftigung ähneln. Bei der Abgrenzung des Wie-Beschäftigen von den in anderer Eigenschaft oder Funktion
Tätigen ist insbesondere zu prüfen, ob im Einzelfall Art und Umfang der Tätigkeit noch durch enge persönliche
Beziehungen geprägt sind oder ob diese Beziehungen nur der Beweggrund dafür waren, die Tätigkeit wie ein
Beschäftigter auszuführen. Je enger die persönlichen Beziehungen sind, desto mehr spricht dafür, dass die Tätigkeit
durch diese enge Beziehung geprägt wird. Zwar steht es dem Versicherungsschutz nicht grundsätzlich entgegen,
dass der Tätigwerdende ein Verwandter des (Mit-)Unternehmers ist. Jedoch besteht dann kein Versicherungsschutz,
wenn es sich um bloße Gefälligkeitshandlungen, die unter Verwandten vorgenommen werden und von familiären
Beziehungen zwischen Angehörigen geprägt sind, handelt. Außerdem scheidet eine Wie-Beschäftigung aus, wenn die
Tätigkeit des Betreffenden nicht arbeitnehmerähnlich, sondern unternehmerähnlich ausgeübt worden ist. Dabei sind für
die Abgrenzung zwischen Beschäftigtem und Unternehmer bei § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII begriffsimmanent Abstriche
zu machen, weil nur eine arbeitnehmer- und unternehmerähnliche Tätigkeit gegenübergestellt wird. Entscheidend für
die Beurteilung, ob eine Wie-Beschäftigung gegeben ist, ist das Gesamtbild der Tätigkeit (BayLSG, Urteil vom 29. Juli
2009, L 17 U 350/06, und Urteil vom 30. Juni 2010, L 2 U 278/09; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Januar
2009, L 3 U 107/07).
Demnach sind die Voraussetzungen für eine Wie-Beschäftigung erfüllt. Dass eine Versicherung nach § 2 Abs. 2 SGB
VII gegeben war, folgt zwar nicht schon aus der Anmeldung des Klägers als Bauhelfer. Diese verschafft dem
Betreffenden nämlich keine Stellung wie ein Beschäftigter, sofern sich aus den tatsächlichen Verhältnissen ergibt,
dass die Tätigkeit tatsächlich nicht arbeitnehmerähnlich ausgeübt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 5. Februar 2008, B
2 U 3/07 R; LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.).
Der Kläger hat aber bei dem Bauvorhaben am 3. Juli 2008 in einer arbeitnehmerähnlichen Weise mitgeholfen. Seine
Mithilfe am Unfalltag steht nach den insoweit deckungsgleichen Aussagen des Klägers und aller Zeugen fest. Es
entspricht auch den Angaben des Klägers und des Zeugen A.S. im Verwaltungsverfahren. Daher besteht kein Zweifel
an der Glaubhaftigkeit.
Auch ist die Mitarbeit des Klägers nicht von engen persönlichen Bindungen, also einer Sonderbeziehung, geprägt
gewesen. Es bestand zwar eine Beziehung zu dem Bauherrn, dem Zeugen A.S., dadurch, dass der Kläger zum
damaligen Zeitpunkt mit einer Nichte des Zeugen A.S. zusammen war. Allerdings hat sich im Zuge der
Beweisaufnahme für das Gericht nicht der Eindruck ergeben, dass der Kläger nur einer Verpflichtung nachkommen
wollte, die aus der Bekanntschaft oder aus einer als familiengleich wahrgenommenen Bindung an die Verwandtschaft
des Zeugen A.S. resultierten. Vielmehr stand für ihn die Verdienstmöglichkeit im Vordergrund. Der Kläger hat
mehrfach bei Bauvorhaben der Familie des Zeugen A.S. mitgeholfen, allein im Jahr 2008 an etwa 30 bis 40 Tagen.
Dafür hat der Kläger neben freiem Essen und Trinken pro Tag bis zu 50 Euro erhalten. Ohne die zugesagte Bezahlung
hätte der Kläger am 3. Juli 2008 nicht mitgeholfen.
Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts fest auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens im
Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sowie der Angaben der gehörten Zeugen. Wenngleich der Kläger zunächst erklärt
hat, keine Entschädigung erhalten zu haben, ist doch am Unfalltag von einem Tätigwerden gegen Bezahlung
auszugehen. Denn der Kläger hat erläutert, dass er die Frage so verstanden hat, dass er für Verletzungen vom
Zeugen A.S. entschädigt wurde – was nicht der Fall war. Auch haben die Zeugen S.O., T.S. und A.K. erklärt, dass
der Kläger für seine Arbeit Geld erhalten hat. Es mag sein, dass die Bezahlung letztlich nicht vom Zeugen A.S. selbst
kam, sondern in seinem Auftrag oder zumindest mit seinem Geld durch die Zeugin S.O. oder deren Mann erfolgt ist.
Insofern kann auch dahin stehen, ob der Aussage des Zeugen A.S. Glauben zu schenken ist, dass er den Kläger für
seine Mithilfe keine Bezahlung angeboten hat. Denn übereinstimmend mit der Zeugin S.O. hat er zuletzt erklärt, dass
er das Geld zur Begleichung der rückständigen Krankenkassenbeiträge des Klägers zur Verfügung gestellt hat. Auch
erscheint es angesichts der Angaben der Zeugen S.O. und E.O. zu ihren finanziellen Verhältnissen plausibel, dass
sie dieses Geld nicht hatten. Zudem ist es nach der Lebenserfahrung nicht zu erwarten, dass sie den Kläger für eine
Mithilfe bei anderen als ihren eigenen Bauvorhaben Arbeiten bezahlen. Weiter haben die Zeugen S.O. und E.O. sowie
die Zeugin T.S. ausgesagt, dass der Kläger für seine wiederholte Mithilfe bei Bauten Geld erhalten hat. Es ist also
unwahrscheinlich, dass er just bei dem Vorhaben des Zeugen A.S., zu dem er keine so enge Beziehung hatte wie zu
den Zeugen S.O. und E.O., unentgeltlich tätig geworden sein sollte.
Der somit feststehende Umfang, in dem der Kläger tätig geworden ist, entsprach nicht mehr dem üblichen und
erwartbaren Rahmen bei verwandtschaftlichen oder – wie hier – lediglich freundschaftlichen Verhältnissen. Vor allem
lag deshalb keine bloße Gefälligkeit mehr vor. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger bereits für frühere
Mitarbeit bei Bauvorhaben der Zeugen S.O. und E.O. bezahlt wurde. Daher war nicht zu erwarten, dass er bei der hier
relevanten Renovierung des Hallendaches ohne Bezahlung gearbeitet hätte, insbesondere da er zum Bauherrn eine
weniger enge Beziehung als zu den Zeugen S.O. und E.O. hatte und aufgrund seiner damaligen prekären finanziellen
Verhältnisse auf einen Verdienst angewiesen war. Die Beziehung zu den Angehörigen des Bauherrn bzw. der
damaligen Lebensgefährtin des Klägers tritt somit zurück hinter die Motivation des Klägers, sich durch seine Mithilfe
Geld zu verdienen, mag ihm auch die Bekanntschaft die Gelegenheit dazu verschafft haben oder der Beweggrund für
die Mithilfe gewesen sein. Ohne Bezahlung hätte der Kläger nicht mitgeholfen. Die Erwartung einer Bezahlung spricht
aber deutlich gegen eine auf familiären oder freundschaftlichen Motiven aufbauende Handlungstendenz.
Es kann auch nicht eingewandt werden, der Kläger habe unternehmerähnlich gehandelt. Dafür fehlen deutliche
Indizien wie die Übernahme eines wirtschaftlichen Risikos bzw. einer Haftung für Schlechtleistung. Zudem wurden die
Arbeiten maßgeblich nach den Vorstellungen und Anweisungen des Zeugen A.S. durchgeführt. Dieser hat auch selbst
mitgearbeitet und die weiteren Helfer, seine Söhne, angewiesen. Ferner konnte der Kläger nicht über Zeit, Ort, Art und
Weise der Ausführung mitbestimmen. Auch wenn er den Zeugen A.S. zum Aufbringen der Betonplatten beraten hat
und man sich die allseits bestätigten besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers im Bauen zunutze machen
wollte, ist nichts dafür vorgetragen worden oder sonst ersichtlich, dass auf ein Weisungsrecht des Klägers schließen
ließe. Weder der Kläger noch der Zeuge A.S. noch sonst jemand hat angegeben, der Kläger habe wesentlich das Ob
und Wie des Baus bestimmt. Dies folgt auch daraus, dass der Zeuge A.S. nach seinem Bekunden einen Statiker
befragt hat, das Material gekauft und auch einen Kran zum Aufsetzen der Betonplatten auf die Halle gemietet hat. Die
– nach den insofern übereinstimmenden Aussagen aller Zeugen anzunehmende – besondere Sachkunde des Klägers
tritt demgegenüber als Indiz für ein unternehmerähnliches Handeln zurück. Auch ändert an der Beurteilung nichts,
dass der Kläger im Jahr 2008 offenbar seinen Lebensunterhalt weitgehend durch diverse Hilfstätigkeiten, vor allem bei
Bauvorhaben, bestritten hat. Denn dieser Umstand für sich genommen kann sowohl für eine Unternehmer- als auch
für eine Arbeitnehmertätigkeit sprechen, weil auch Arbeitsnehmer je nach Art und Dauer ihrer Tätigkeit verschiedene,
immer wechselnde Arbeitsgelegenheiten suchen und dann wahrnehmen können. Zusammen mit den weiteren
Umständen ist daher in der Gesamtschau von einer arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung auszugehen.
Somit ist der Kläger zum Unfallzeitpunkt am 3. Juli 2008 einer nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII versicherten Tätigkeit
nachgegangen.
Diese war auch alleinige Ursache eines Gesundheitsschadens des Klägers, nämlich der Brüche an beiden Füßen,
deretwegen der Kläger stationär behandelt wurde. Daher liegen die Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall nach § 8
Abs. 1 SGB VII vor.
Für die Entschädigung des Arbeitsunfalls des Klägers ist auch der Beklagte zuständig gemäß § 129 Abs. 1 Nr. 3 SGB
VII. Denn es handelt sich weder um gewerbsmäßige Bauarbeiten, für die die BG Bau zuständig wäre, noch um ein
Neben- oder Hilfsunternehmen des Unternehmens des Zeugen A.S. Das ist auch unstreitig zwischen den Beteiligten
und auch das Gericht hat keinen Anhalt, dies anzuzweifeln. Auch diente das Bauvorhaben zumindest seiner
Ausführung nach vornehmlich privaten Zwecken und nicht so sehr dem Zweck, das Dach der an eine gewerbliche
Firma vermieteten Halle zu renovieren. Dass der Bau "Privatsache" ist, hat der Zeuge A.S. bereits im
Verwaltungsverfahren angegeben und in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Dort hat er nämlich gesagt, er habe
nach dem Unfall die Absicht, ein Schwimmbad zu errichten, aufgegeben. Von dem Ziel, ein Schwimmbad zu
errichten, haben auch die Zeugin T.S., D.S. und A.K. berichtet, so dass das Gericht diese Planung für glaubhaft und
nachgewiesen erachtet. Soweit infolge des Unfalls eine Änderung in den Plänen eingetreten ist, ist dies für die
Beurteilung der Motivationslage im Zeitpunkt des Unfalls unerheblich. Damit ergibt sich auch keine Zuständigkeit einer
anderen gewerblichen Berufsgenossenschaft, hier wohl der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft. Daher bestand
jedenfalls keine Notwendigkeit im Sinn des § 75 Abs. 2 SGG zu der vom Beklagtenvertreter beantragten Beiladung
der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft und das Gericht sah deswegen auch keine Veranlassung, eine fakultative
Beiladung zu beschließen.
Daher ist wie aus dem Urteilsspruch ersichtlich zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.