Urteil des SozG Augsburg vom 17.08.2005

SozG Augsburg: befreiung von der versicherungspflicht, echte rückwirkung, beitragssatz, rentner, form, arbeitsentgelt, gleichbehandlung, eigentumsgarantie, krankenversicherungsbeitrag, witwenrente

Sozialgericht Augsburg
Urteil vom 17.08.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 12 KR 366/04
Bayerisches Landessozialgericht
Bundessozialgericht B 12 KR 18/06 R
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 9. Februar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September
2004 wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich dagegen, aus Versorgungsbezügen für die Zeit ab 01.01.2004 den vollen allgemeinen
Beitragssatz zu entrichten anstelle eines halben Anteiles.
Die am 1921 geborene Klägerin ist seit 18.07.1982 Mitglied der Beklagten. Seit 17.08.1982 besteht eine
Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Sie bezieht eine Witwenrente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung, deren Höhe vom Klägerbevollmächtigten zum 01.01.2004 mit 619,14 EUR brutto
angegeben wurde. Des Weiteren erhält sie Versorgungsbezüge nach ihrem Ehemann in Höhe von 2.069,48 EUR
monatlich ab 01.01.2004. Der Sohn und Bevollmächtigte der Klägerin legte am 02.02.2004 "Rechtsmittel" gegen die
Höhe des Krankenkassenbeitrages ab Januar 2004 ein. Der Widerspruch richte sich gegen die Einbeziehung ihrer
gesamten Renten- und Versorgungsbezüge in die Bemessungsgrundlage des vollen Krankenkassenbeitrages ab
2004. In Kummulation mit früheren Belastungen führe die Regelung zu Abzügen, die in ihrer Summe gegen das
Übermaßverbot und die Eigentumsgarantie verstießen. Die Witwenrente beruhe überwiegend auf freiwilligen Zahlungen
des verstorbenen Ehemannes und werde inzwischen durch Abzüge und Anrechnungen, die es damals noch nicht
gegeben habe, praktisch aufgezehrt. Die Regelung sei verfassungswidrig. Die Beklagte bestätigte mit Bescheid vom
09.02.2004 die Entrichtung von Rentenbeiträgen nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz in Höhe von 14,9 % und
bezifferte den Krankenversicherungsbeitrag mit monatlich 308,35 EUR.
Der Bevollmächtigte bat daraufhin am 23.02.2004 um einen förmlichen rechtsmittelfähigen Bescheid. Die
Wehrbereichsverwaltung West (WBV) als Zahlstelle der Versorgungsbezüge wies mit Bescheid vom 09.06.2004 einen
Widerspruch gegen den Bescheid vom 03.02.2004 zurück. In diesem Verfahren, wozu nunmehr beim Bayer.
Verwaltungsgericht Augsburg unter dem Az.: Au 2 K 04.1276 Klage anhängig ist, hatte der Bevollmächtigte beantragt,
aus den Versorgungsbezügen weiterhin nur den halben Beitrag an die Beklagte abzuführen. Die WBV berief sich
darauf, nach § 256 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) als Zahlstelle der Versorgungsbezüge
zum Einbehalt der Beiträge verpflichtet zu sein. Die Beklagte wies anschließend den Widerspruch mit Bescheid vom
30.09.2004 zurück.
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat hiergegen am 18.10.2004 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur
Begründung hat er vorgetragen, dass die Neuregelung des § 248 SGB V den Status der soldaten- und
beamtenrechtlichen Versorgungsempfänger entwerte. Nach dem Alimentationsgrundsatz hätten Beamte und Soldaten
Anspruch auf Beihilfe im Krankheitsfall. Die Klägerin müsse aber jetzt nicht nur aus der gesetzlichen Rente sondern
auch aus der Witwenpension den vollen Krankenkassenbeitrag ohne jede Beteiligung ihres Dienstherrn aufbringen.
Dagegen gehe das Beihilferecht davon aus, dass der Soldat oder Beamte nur einen Teil der Kosten seiner
Absicherung für den Krankheitsfall selbst zu tragen habe. Es werde in den Status der Versorgungsempfänger
eingegriffen und der im Rahmen des soldatenrechtlichen Treueverhältnisses geltende Vertrauensschutz verletzt. Zur
Entscheidung über diese Streitigkeit sei daher das Verwaltungsgericht zuständig. Ergänzend hat der Bevollmächtigte
am 06.11.2004 vorgetragen, dass durch die Umkehrung des Verhältnisses von der Regelversorgung der Beamten und
dem zusätzlich erworbenen Rentenanspruch die von seinem Vater weitgehend aus freiwilligen Leistungen aufgebaute
Rechtsposition in der gesetzlichen Rentenversicherung materiell ausgehöhlt werde. Die Klägerin würde nicht nur
hinsichtlich ihres Status sondern auch finanziell wesentlich besser stehen, wenn sie keine gesetzliche Rente wegen
ihrer soldatenrechtlichen Versorgung beziehen würde. Der Gesetzgeber überschreite damit den im Rahmen der
Eigentumsgarantie eingeräumten Gestaltungsspielraum. Die Regelung sei unverhältnismäßig und wirke enteignend.
Die Beklagte hat zur Klageerwiderung auf ein Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 20.09.2004 (S 6 KR 74/04) sowie
einen Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26.05.2004 (L 16 B 32/04 KR ER) Bezug
genommen. Zur Sachaufklärung hat das Gericht die Akten des Verwaltungsgerichts Augsburg eingesehen. Der
Bevollmächtigte hat gegen die Argumentation der Beklagten unter Bezug auf den Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 15.03.2000 (1 BvL 16/96) angemerkt, dass die dortigen Ausführungen zu einem
völlig anders gelagerten Sachverhalt erfolgt seien und daher nicht zur Beantwortung der hier anstehenden Rechtsfrage
herangezogen werden könnten. Die Beklagte hat sich demgegenüber auf weitere Urteile des Sozialgerichts Freiburg
vom 16.12.2004 (S 11 KR 2949/04) und des Sozialgericht Düsseldorf vom 12.05.2005 (S 34 KR 268/04) berufen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, weiterhin ab 01.01.2004 den Krankenversicherungsbeitrag aus den Versorgungs- bezügen
nur mit dem halben Beitragssatz festzustellen. Hilfsweise beantragt er, das Verfahren auszusetzen und gemäß Artikel
100 Grundgesetz dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte der Beklagten Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Rechtsweg zum Sozialgericht ist nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eröffnet, da es sich um eine
Streitigkeit aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung handelt. Eine Verweisung an das
Verwaltungsgericht war daher nicht vorzunehmen. Das Sozialgericht Augsburg ist gemäß §§ 57 Abs. 1, 8 SGG auch
zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich und sachlich zuständig. Die form- und fristgerecht erhobene Klage (§§ 87,
90, 92 SGG) ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 09.02.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2004 ist rechtmäßig.
Die Leistung der WBV West an die Klägerin gehört als Versorgungsbezug im Sinne von §§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3,
229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 237 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zu den beitragspflichtigen Einnahmen der Klägerin. Die Festsetzung
des von der Klägerin zu tragenden Beitrages aus dem Versorgungsbezug unter Berücksichtigung des vollen
allgemeinen Beitragssatzes beruht auf § 248 Satz 1 SGB V in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung durch das GKV-
Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003. Diese Vorschrift hat faktisch eine Verdoppelung des
Krankenversicherungsbeitrages der Klägerin aus ihren Versorgungsbezügen bewirkt, da nach dem unveränderten §
250 Abs. 1 Nr. 1 SGB V die Beiträge aus Versorgungsbezügen weiterhin allein vom Mitglied zu tragen sind. Dabei
haben die Zahlstellen der Versorgungsbezüge, hier die WBV West, die Beiträge aus den Versorgungsbezügen
einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse abzuführen (§ 256 Abs. 1 Satz 1 SGB V).
Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass § 248 SGB V neuer Fassung (n.F.) verfassungswidrig ist,
soweit er eine Verdoppelung der Beiträge aus beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen bewirkt hat durch die
Anwendung des vollen allgemeinen Beitragssatzes. Der Rechtsstreit war daher nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1
Grundgesetz (GG) an das Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Die Anwendung des vollen allgemeinen Beitragssatzes verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Art. 3
Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Ein Verstoß hiergegen liegt dann vor, wenn
eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird,
obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die
ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 78, 232 f; BVerfGE 87, 1 f.). Maßgeblicher Gesichtspunkt
für die Prüfung eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz ist also die Frage, ob eine Personengruppe gegenüber
einer anderen ohne hinreichenden sachlichen Grund unterschiedlich behandelt wird.
Die Neuregelung bewirkt keine Ungleichbehandlung sondern vielmehr eine Gleichbehandlung bisher unterschiedlich
geregelter Sachverhalte. Versorgungsbezüge zählen in der Krankenversicherung bei Versicherungspflichtigen seit
1983 zu den beitragspflichtigen Einnahmen. Dabei galt für die Erhebung der Beiträge, dass immer nur der halbe
allgemeine Beitragssatz von den Versicherungspflichtigen allein zu tragen war. Dagegen war auf Arbeitsentgelt und
Renten der allgemeine Beitragssatz zu entrichten, wobei hinsichtlich der Beitragstragung bei Arbeitsentgelt und Rente
galt, dass der Beitrag hälftig vom Versicherten und vom Arbeitgeber bzw. der Rentenversicherung zu tragen war.
Damit war zwar die Beitragslast der Versicherten aus den verschiedenen beitragspflichtigen Einnahmearten
rechnerisch gleich. Die Regelung führte aber zwangsläufig zu einer Ungleichbehandlung der Versorgungsbezüge im
Verhältnis zum Arbeitsentgelt und der Rente aus Sicht der beitragserhebenden Krankenkassen, da sie Beiträge aus
Versorgungsbezügen nur zur Hälfte der Beiträge erhielten, jedoch auch bei Personen, bei denen der Hauptanteil der
Einkünfte aus Versorgungsbezügen bestand, die Leistungen voll erbringen mussten. Mit der Beschränkung auf die
Beitragshälfte aus Versorgungsbezügen führte § 248 SGB V a.F. insbesondere auch zu unausgewogenen
Beitragseinnahmen der Krankenkassen im Verhältnis der freiwillig Versicherten und der Pflichtversicherten, als zweier
Versicherungsgruppen zueinander, da freiwillig Versicherte Beiträge nach dem vollen Beitragssatz allein tragen
müssen. § 248 SGB V n.F. führt also aus Sicht der beitragserhebenden Krankenkassen zu einer Gleichbehandlung
der beitragspflichtigen Einkunftsarten, dagegen aus Sicht der Versicherungspflichtigen, die effektiv mit einem
doppelten Beitrag aus Versorgungsbezügen belastet sind, zu einer ungleichen Beitragslast bei den verschiedenen
Einkunftsarten.
Der Gesetzgeber war nicht gehalten, die Ungleichbehandlung der verschiedenen Einkunftsarten zueinander auch für
die Zukunft beizubehalten. So ist auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 15.03.2000 (1 BvL
16/96 in SozR 3-2500 § 5 Nr. 42) davon ausgegangen, dass durch eine Änderung des § 248 SGB V eine Annäherung
der Behandlung des Einkommens freiwillig und pflichtversicherter Mitglieder in der KVdR zulässig ist. Es hat diese
Annäherung auch mit dem Ziel einer stärkeren Heranziehung der beitragspflichtigen Einnahmen bei den
Versicherungspflichtigen ausdrücklich für zulässig erklärt, ohne das naheliegende Mittel einer Erhöhung der
Beitragslast auszuschließen. Für die mittelbare Erhöhung der Beitragslast gibt es auch hinreichende sachliche
Gründe. Sie verfolgt das Ziel, Rentner mit Versorgungsbezügen in angemessenem Umfang an der Finanzierung der
Leistungsaufwendungen zu beteiligen, um so das solidarisch finanzierte Krankenversicherungssystem zu erhalten,
ohne einerseits die Lohnnebenkosten durch weitere Beitragssatzanhebung zu steigern und ohne andererseits
Leistungen rationalisieren zu müssen (BT-Drucks. 15/1525 S. 1, 140). § 248 SGB V ist dabei nur Teil eines Bündels
finanzieller Maßnahmen des GMG, mit dem den finanziellen Herausforderungen in der gesetzlichen
Krankenversicherung begegnet werden soll. Der Gesetzgeber führt aus, dass die Beitragsdeckungsquote von den
Leistungen in der KVdR von ca. 70 v.H. im Jahr 1973 stetig gesunken sei auf eine Quote von deutlich unter 50 v.H.
im Jahr 2003 (BT-Drucks. 15/1525 S. 140). Die Änderung des § 248 SGB V ist geeignet, das erklärte Ziel einer
verstärkten Beteiligung der Rentner aus der Finanzierung ihrer Leistungsausgaben zu erreichen. Die Regelung ist auch
nicht deshalb unzumutbar, weil wie im Fall der Klägerin wegen ihres höheren Anteiles der Versorgungsbezüge an der
Gesamtversorgung die Belastung größer ist als bei anderen Versicherten. Denn bei der Ordnung von
Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht
verpflichtet, jede erwägenswerte Fallgestaltung zu regeln. Vielmehr ist er befugt, das aus den vorliegenden
Erfahrungen gewonnene Gesamtbild seiner Normsetzung zugrunde zu legen. Deshalb darf auch eine Regelung
generalisieren, typisieren und pauschalieren, sofern die damit verbundenen Härten und Ungerechtigkeiten nur bei einer
verhältnismäßig kleinen Zahl von Personen auftreten und der Gleichheitssatz nicht wesentlich verletzt ist. Dabei sind
auch praktische Erwägungen der Verwaltung von Bedeutung (vgl. BVerfGE 87, 234, 255 f.). Zu diesem Punkt ist auch
zu berücksichtigen, dass gerade in den Fällen, in denen die individuellen Versorgungsbezüge - wie bei der Klägerin -
gegenüber der gesetzlichen Rente besonders hoch sind, die frühere hälftige Beitragstragung bei Versorgungsbezügen
gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz und dem Gedanken der Solidarität in der Finanzierung der gesetzlichen
Krankenversicherung besonders problematisch war.
Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Das Vermögen als solches wird durch Art.
14 Abs. 1 GG nicht gegen die Auferlegung öffentlich rechtlicher Geldleistungspflichten geschützt, soweit es dadurch
nicht zu einer grundlegenden Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse kommt (vgl. BVerfGE 91, 207, 220;
BVerfGE 82, 159, 190). Es ist nicht zu erkennen, weshalb die Beitragserhebung nach dem vollen Beitragssatz bei
versicherungspflichtigen Mitgliedern der GKV zu einer Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG führen könnte, während sie
dagegen bei freiwillig Versicherten der GKV gemessen am Maßstab des Art. 14 GG zulässig ist.
Die Verdoppelung der Beitragslast auf Versorgungsbezüge bei Personen, die neben einer Rente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung beamtenrechtliche Versorgungsbezüge erhalten und in der KVdR pflichtversichert sind, verstößt
auch nicht gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG). Entscheidend wäre, ob
die personale Bindung, die zwischen (Ruhestands)Beamten (bzw. Hinterbliebenen) und Dienstherrn für die
Unterhaltsgewährung bestehen muss oder die rechtliche und wirtschaftliche Absicherung, welche der
Ruhestandsbeamte innerhalb des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses erwarten darf, durch die
beanstandeten Vorschriften in unzulässiger Weise beeinträchtigt wird. Dies ist jedoch nicht der Fall. Auch die
Prinzipien der Unabdingbarkeit, Unverzichtbarkeit und Unteilbarkeit der Alimentation erscheinen nicht verletzt. Die
Erhebung von Beiträgen auch von beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen führt nicht dazu, dass ein Teil der vom
Dienstherrn geschuldeten Alimentation nunmehr von der Sozialversicherung (GKV) geleistet wird. § 248 RVO enthält
keine Bestimmung, die Einfluss hat auf die Höhe der dem Pensionär gewährten Alimentation. Das zustehende
Ruhegehalt wird also nicht verringert. Die Vorschrift bewirkt, dass der Rentnerpensionär den Teil seiner Alimentation,
den er als Betrag an die Krankenversicherung der Rentner abgeführt und damit für seine Krankheitsvorsorge
aufgewendet hat, nicht mehr anderweitig verwenden kann. Darüber in welcher Weise ein Ruhegehaltsteil für die
Krankheitsvorsorge zu verwenden ist, enthalten die für die Alimentation geltenden verfassungsrechtlichen Grundsätze
jedoch keine näheren Vorgaben (s. BVerfG vom 06.12.1988 - 2 BvL 18/84 in SozR 2200 § 180 Nr. 46). Es liegt auch
kein Verstoß gegen den Grundsatz der Vorsorgefreiheit vor. Dieser Grundsatz besagt, dass der Beamte in der Wahl
seiner Krankenvorsorge frei ist, also in eigener Verantwortung darüber entscheidet, "in welchem Umfang, bei welchem
Versicherungsunternehmen, zu welchen Versicherungsbedingungen und mit welcher eigenen Beitragsleistung er
Vorsorge treffen will". Ob ein so verstandenes Prinzip der Vorsorgefreiheit zu den hergebrachten Grundsätzen des
Berufsbeamtentums gehört, hat das Bundesverfassungsgericht in der oben genannten Entscheidung vom 06.12.1988
offen gelassen. Jedenfalls aber ist dieser Grundsatz schon deshalb nicht verletzt, weil die Klägerin gemäß Art. 56
Abs. 4 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheitsreformgesetz - GRG) vom 20.12.1988 die
Möglichkeit hatte die Befreiung von der Versicherungspflicht als Rentnerin zu beantragen. Es blieb also ihr überlassen
zu entscheiden, ob sie weiterhin Mitglied der KVdR bleiben wollte, dann allerdings auch mit allen Rechten und
Pflichten die sich aus der Solidargemeinschaft in der GKV ergeben. Damit wird auch der Grundsatz der
Amtsangemessenheit der Versorgung nicht verletzt. Die Wahlmöglichkeit der Befreiung versetzte die Klägerin in die
Lage, den für die Krankheitsvorsorge bestimmten Teil ihrer Witwenpension, angemessen zu verwenden. Entscheidet
sie sich für den Verbleib in der Krankenversicherung, ist gerade diese Entscheidung die Form, in der sie von ihrer
Vorsorgefreiheit Gebrauch macht (vgl. BVerfG vom 06.12.1988). Der Alimentationsgrundsatz ist auch nicht im Blick
auf das System der Beihilfen verletzt. Die konkrete Möglichkeit, Beihilfen zu beanspruchen, wird durch die
hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums ebenso wenig garantiert wie die gegenwärtige Form des
Beihilfesystems (BVerfG vom 06.12.1988 a.a.O.). Zudem ist der Beihilfeanspruch der Klägerin auch nicht
weggefallen, vielmehr besteht er dem Grunde nach fort.
Die gesetzliche Neuregelung verletzt auch nicht Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz
des Vertrauensschutzes. Eine echte Rückwirkung in Form einer Rückerstreckung des zeitlichen
Anwendungsbereiches liegt nicht vor. Beiträge werden erst für die Zukunft ab 01.01.2004 gefordert. Es handelt sich
also um eine tatbestandliche Rückanknüpfung ( BVerfGE 76, 256). In die erforderliche grundrechtliche Bewertung
fließen die allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzipien des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit, aber auch der
Verhältnismäßigkeit grundsätzlich in der Weise ein, wie dies allgemein bei der Auslegung und Anwendung von
Grundrechten im Hinblick auf die Fragen des materiellen Rechts geschieht (vgl. BVerfGE 72, 200 f.). Das Vertrauen
von Versicherten, insbesondere älteren Mitgliedern der GKV auf den Fortbestand einer günstigen Rechtslage ist zwar
in der Regel hoch einzuschätzen (vgl. BVerfGE vom 24.03.1998 - 1 BvL 6/92 in SozR 3-2500 § 48 Nr. 7). Jedoch
besteht kein schutzwürdiges Vertrauen der Rentenbezieher auf Fortbestand von für sie günstigen
Beitragslastregelungen. Der Gesetzgeber hat nämlich in der Krankenversicherung in der Vergangenheit wiederholt
Änderungen hinsichtlich der Beitragspflicht angeordnet. Schon hieraus kann kein Vertrauensschutz bestehen, dass
die bis zum 31.12.2003 geltende Regelung unverändert fortbesteht. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht in
seiner Entscheidung vom 15.03.2000 (a.a.O.), wo es die Neufassung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V beanstandet hatte,
die Erhöhung der Beitragslast bei den versicherungspflichtigen Rentnern als eine Möglichkeit zur Beseitigung der
verfassungswidrigen Ungleichbehandlung bezeichnet. Zu berücksichtigen ist auch, dass ein Ausschluss der
Bestandsrentner von der Erhöhung der Beitragslast eine lang andauernde Ungleichbehandlung zwischen den Gruppen
der versicherungspflichtigen Rentner zur Folge gehabt hätte. Die angestrebte Erhöhung der Beitragseinnahmen hätte
erst in vielen Jahren tatsächlich wirksam werden können. Unter vertrauensschutzrechtlichen Gesichtspunkten ist
daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung aller versicherungspflichtigen Rentner
angeordnet hat.
Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.