Urteil des SozG Altenburg vom 14.10.2005

SozG Altenburg: eintragung im handelsregister, ddr, verfassungskonforme auslegung, zugehörigkeit, verordnung, ingenieur, anerkennung, industrie, datum, kreis

Sozialgericht Altenburg
Urteil vom 14.10.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Altenburg S 19 RA 1062/03
Thüringer Landessozialgericht L 2 R 932/05
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob der Kläger in der Zeit vom 2. Mai 1966 bis zum 30. Juni 1990 faktisch
der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz angehört hat.
Der am 26. April 1940 geborene Kläger schloss sein Studium an der Technischen Universität Dresden am 31. März
1966 mit der Erlangung des akademischen Grades eines Diplom-Ingenieurs ab.
Vom 2. Mai 1966 bis zum 31. Dezember 1967 war er Ingenieur für Vorplanung im VEB Wohnungsbau G., vom 1.
Januar 1968 bis zum 28. Februar 1975 Technologe im VEB Wohnbaukombinat (WBK) G. Dort war er anschließend
vom 1. März 1975 an Bauleiter, ab 1. Januar 1978 Gruppenleiter Technologie, ab 1. Januar 1983 Fachkader
Technologie, ab 28. November 1983 Technologe an der Erdgastrasse, ab 13. Dezember 1985 Gruppenleiter
Produktion Export, ab 6. März 1989 wieder Technologe an der Erdgastrasse und ab 16. Juli 1989 Fachkader für
Technologie, Produktion und Export-Projektierung.
Nach dem Antrag des Klägers auf Überführung von Versorgungsanwartschaften, den er mit dem Datum des 27.
Dezember 2000 unterzeichnet hat, hat die Tätigkeit im VEB Wohnbau¬kombinat G. mit dem 31. Mai 1990 geendet.
Ab 1. Juni 1990 ist er, wie dort angegeben, entsprechend den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis
Mitarbeiter Projektierung der Firma H. Gera Architekten- und Ingenieurgesellschaft gewesen. Diese Tätigkeit übte der
Kläger auch noch am 30. Juni 1990 aus.
Mit Bescheid vom 18. Juni 2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung von Versorgungs¬anwartschaften mit der
Begründung ab, der Kläger sei am 30. Juni 1990 nicht im Geltungs¬bereich der Zusatzversorgung der technischen
Intelligenz tätig gewesen.
Der Kläger widersprach am 15. Juli 2002.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2003 zurück, der am 14. April 2003
übersandt wurde (Blatt 28 Verwaltungsakte) und dem Kläger erst am 22. April 2003 zugegangen ist.
Dagegen richtet sich die Klage vom 14. Mai 2003, die am 16. Mai 2003 bei Gericht eingegangen ist.
Zur Begründung trägt der Kläger vor, er sei entgegen der Ansicht der Beklagten am 30. Juni 1990 nicht in der
Architekten- und Ingenieurgesellschaft mbH tätig gewesen, sondern weiter im VEB Wohnbaukombinat G., dessen
Rechtsfähigkeit erst am 24. Juli 1990 geendet habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 18. Juni 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2003 abzuändern und die
Beklagte zu verurteilen, für die Zeit vom 2. Mai 1966 bis 30. Juni 1990 die Zugehörigkeit zum
Zusatzversorgungs¬system 1 der Anlage 1 zum AAÜG festzustellen, die während dessen erzielten Entgelte und
sonstigen Sachverhalte zu ermitteln, mit Bescheid festzustellen und dem Rentenversicherungsträger zu übermitteln.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist die Beklagte darauf, der Betrieb sei am 30. Juni 1990 bereits privatisiert gewesen. Sie beruft
sich auf die Umwandlungserklärung vom 22. Juni 1990 und die Eintragung der Fa. H. Architekten- und
Ingenieurgesellschaft mbH am 28. Juni 1990 in das Handelsregister.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte und die Sitzungsniederschrift vom 14.
Oktober 2005 Bezug genommen.
Die Klägerbevollmächtigte war zu dem Termin entsprechend ihrer vorherigen Ankündigung gegenüber dem Kläger und
dem Gericht nicht erschienen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben worden.
Der Widerspruchsbescheid, der das Datum des 2. April 2003 trägt, wurde an die Kläger¬bevollmächtigte mit einem
Schreiben, das ebenfalls das Datum des 2. April 2003 trägt, aber ausweislich des Bearbeitungsvermerkes erst am 14.
April 2003 an die Klägerbevollmächtigte übersandt. Die Klageerhebung am 16. Mai 2003 ist mithin fristgerecht erfolgt.
Die Klage ist vor dem örtlich zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist jedoch unbegründet, denn die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig, sie verletzen den Kläger nicht
in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Feststellungen nach dem Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG), denn dieses Gesetz ist auf den Versicherungsverlauf des Klägers nicht
anwendbar.
Der persönliche Geltungsbereich des AAÜG ist nämlich begrenzt auf Personen, die am 1. August 1991, also bei
Inkrafttreten dieses Gesetzes Versorgungsansprüche oder -anwartschaften aufgrund der Zugehörigkeit zu einem
Versorgungssystem hatten, weil sie bei der Vereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 bereits in
ein Versorgungs¬system einbezogen waren oder erst danach wegen der Aufhebung rechtswidriger Verwaltungs¬akte
der ehemaligen DDR wieder einbezogen wurden oder bereits vor dem 1. Juli 1990 einbezogen waren, aber auf Grund
von Regelungen der Versorgungssysteme wieder ausgeschieden waren.
Im Hinblick darauf, dass eine positive Entscheidung eines Versorgungs¬trägers über die Zugehörigkeit des Klägers zu
einem Versorgungssystem weder aktenkundig noch vorgetragen ist, kommt hier allenfalls die Zugehörigkeit zum Kreis
der Versorgungs¬berechtigten auf Grund der verfassungskonform ausweitenden Auslegung des § 1 AAÜG in
Betracht, die das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung praktiziert.
Nach dieser Rechtsprechung ist von einer faktischen Versorgungsanwartschaft auszugehen, wenn nach der am 30.
Juni 1990 gegebenen Sachlage auf Grund der zu Bundesrecht gewordenen zwingenden Bestimmungen der
Versorgungssysteme ein Anspruch auf die Einbeziehung bzw. eine Versorgungszusage am 30. Juni 1990 bestanden
hätte.
Diese fiktive Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung setzt im Hinblick auf die hier allein in Betracht kommende
Zusatzversorgung der technischen Intelligenz nach der Verordnung vom 17. August 1950 und der Zweiten
Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 voraus, dass der Kläger am 30. Juni 1990 gleichzeitig kumulativ
folgende drei Voraussetzungen erfüllt hätte:
1. die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung als Ingenieur oder Techniker bzw. Architekt oder Statiker
besaß, 2. produktionstechnische Tätigkeiten als Ingenieur, Techniker, Architekt, Statiker oder Konstrukteur ausübte
und 3. diese Tätigkeit als Beschäftigter eines volkseigenen Produktionsbetriebes der Industrie oder des Bauwesens
oder in einem nach § 1 Abs. 2 Zweite Durchführungsbestimmung gleichgestellten Tätigkeitsbereich erfolgte.
(vgl. beispielhaft Urteil des Bundessozialgerichtes vom 31. Juli 2002, Az.: B 4 RA 62/01 R).
Der Kläger besitzt den universitären Abschluss als Diplom-Ingenieur seit dem 31. Dezember 1966. Er war nach
seinem beruflichen Werdegang, wie er sich in den Eintragungen im SV-Ausweis und in seinen Angaben zum Antrag
auf Überführung der Versorgungsanwartschaften niederschlägt, ingenieur-technisch tätig.
Allerdings war der Kläger am 30. Juni 1990 nicht mehr in einem volkseigenen Baubetrieb tätig gewesen.
Damit fehlt hier die dritte der nach der Recht¬sprechung des Bundessozialgerichtes erforderlichen Voraussetzungen
für die Anerkennung einer faktischen Zugehörigkeit zum Versorgungssystem.
Welche Voraussetzung im Einzelnen fehlt und aus welchen Gründen dies der Fall ist, ist unerheblich, entscheidend ist
allein die Tatsache, dass bezogen auf den 30. Juni 1990, also bei Schließung der Versorgungssysteme, nicht alle
Voraussetzungen für Leistungen aus dem Versorgungssystem vorgelegen haben.
Soweit der Kläger der Ansicht ist, er sei noch am 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Produktionsbetrieb des
Bauwesens, nämlich dem VEB Wohnbaukombinat G. tätig gewesen, kann ihm die Kammer nicht folgen.
Der Kläger war nämlich ab Anfang Juni 1990, so wie er es im Antrag auf Überführung der Versorgungsanwartschaften
angegeben bzw. selbst unterschrieben hatte und wie es im Sozialversicherungsausweis eingetragen ist, bei der Fa. H.
Architekten- und Ingenieurgesellschaft mbH (in Gründung) tätig gewesen.
Die Beklagte führt hierzu sachlich zutreffend aus, dass die Vereinbarung zwischen der Leitung des VEB
Wohnbau¬kombinates G., der Treuhandanstalt und den Gesellschaftern der Fa. H. und einer weiteren Gesellschaft,
die gleichfalls aus dem Wohnbaukombinat G. entstehen sollte, am 22. Juni 1990 notariell beurkundet worden ist.
Die Fa. H. GmbH wurde am 28. Juni 1990 in das Handelsregister eingetragen. Aus dem Registereintrag ergibt sich
dabei, dass der Gesellschaftervertrag ebenfalls am 22. Juni 1990 abgeschlossen worden ist. Daraus ist zu schließen,
dass die Fa. H. GmbH spätestens ab dem 22. Juni 1990 in das Gründungsstadium eingetreten war, also schon vor
der Eintragung im Handelsregister unternehmerisch tätig war. Das ergibt sich auch daraus, dass der Geschäftsführer
der Fa. H., der ein Arbeitskollege des Klägers im VEB Wohnbaukombinat gewesen war, seinen
Geschäftsführervertrag ebenfalls ab dem 22. Juni 1990 abgeschlossen hatte und ab diesen Termin ausschließlich für
die Fa. H. arbeiten durfte.
Hinzu kommt, dass die Schluss¬bilanz des Wohnbaukombinates zum 31. Mai 1990 und die Eröffnungsbilanz der Fa.
H. zum 1. Juni 1990 erstellt wurden.
Auf diese Umstände wurde der Kläger im Kammertermin am 14. Oktober 2005 hingewiesen.
Sie sind der Kammer aus zahlreichen weiteren Verfahren mit früheren Beschäftigten des Wohnbaukombinates, die
von der Fa. H. weiterbeschäftigt wurden, bekannt.
Diese Umstände entsprechen dem SV-Eintrag des Beschäftigungsverhältnisses mit dem VEB Wohnbaukombinat bis
zum 31. Mai 1990 und der Eintragung der Fa. H. als Arbeitgeber ab dem 1. Juni 1990, Eintragungen, die dem Kläger
bestens bekannt sind, weil sie sich in seinem Sozialversicherungsausweis finden. Diese Angaben wurden von ihm im
Übrigen in seinem Antrag auf Überführung von Versorgungsanwartschaften vom 27. Dezember 2000 wiederholt; die
Richtigkeit dieser Eintragungen im Sozialversicherungsausweis wird durch die Unterschrift des Klägers auf seinem
Überführungsantrag mit den identischen Angaben bestätigt.
Ob der VEB Wohnbaukombinat nach § 7 Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und
Einrichtungen in Kapitalgesellschaften vom 1. März 1990 bereits mit der Handelsregister-Eintragung der Fa. H.
Ingenieurgesellschaft mbH am 28. Juni 1990 erloschen war, kann an dieser Stelle dahinstehen. Diese Konsequenz
erscheint fraglich, weil die ebenfalls aus dem VEB WBK gebildete Fa. O. GmbH erst am 25. Juni 1990, ebenfalls auf
Grund der Umwandlungserklärung vom 22. Juni 1990 in das Handelsregister eingetragen wurde.
Die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Rechtsfähigkeit des VEB Wohnbaukombinat erloschen ist, richtet sich nach der
Verordnung vom 1. März 1990 nicht nach der Löschung des VEB im Register der volkseigenen Wirtschaft, sondern
ausschließlich nach der Eintragung der umgewandelten Kapital- oder Personengesellschaft. Die hier gegebene
Fallkonstellation, dass der VEB in mehrere Kapital- oder Personengesellschaften umgewandelt wird, ist in der
Verordnung nicht geregelt, was zu Ausdeutungen der Rechtslage beim Auseinanderfallen der Eintragungstermine der
umgewandelten Gesellschaften führen kann. Der Umwandlungsprozess war sicher mit der Eintragung der Fa. O.
abgeschlossen.
Dessen ungeachtet war der Kläger ausschließlich für den Projektierungsbetrieb, der in der Fa. H. Architekten- und
Ingenieurgesellschaft mbH fortgeführt wurde, tätig. Auf Grund dessen besteht hier kein Zweifel daran, dass er im Juni
1990 nicht mehr für den VEB Wohnbaukombinat, sondern die Fa. H. Ingenieurgesellschaft mbH (zunächst noch im
Gründungsstadium) arbeitstätig war.
Deshalb kommt es hier nicht auf die Frage an, wann der VEB Wohn¬baukombinat (nach der
Umwandlungsverordnung) rechtlich erloschen war.
Das Bundessozialgericht hat seit dem 9. und 10. April 2002 die Maßgeblichkeit der Tätigkeit im Geltungsbereich des
Versorgungssystems am 30. Juni 1990 in den Fällen hervorgehoben, in denen es nicht vorher zu einer tatsächlichen
Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem gekommen war, also in den Fällen, in denen die
Versorgungsanwartschaft nur auf der Grundlage der BSG-Rechtsprechung fiktiv angenommen werden kann, weil die
gesetzlichen Voraussetzungen für diese Annahme eben nicht erfüllt sind (vgl. BSG-Urteile vom 10. April 2002, Az.: B
4 RA 32/01 R, vom 6. Mai 2004, Az.: B 4 RA 55/03 R, vom 29. April 2004, Az.: B 4 RA 12/04 R, vom 10. Februar
2005, Az.: B 4 RA 48/04 R).
Im Hinblick auf diese ständige Rechtsprechung ist an der Maßgeblichkeit des 30. Juni 1990 als dem Termin, zu dem
die Voraussetzungen für die Annahme einer fiktiven Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung erfüllt sein müssen, um
überhaupt zu einer Anwendbarkeit des AAÜG zu kommen, nicht mehr ernstlich zu zweifeln, zumal es ohne diese
Rechtsprechung an jeder rechtlichen Voraussetzung für die Annahme einer fiktiven Versorgungsanwartschaft fehlen
würde.
Aus welchen Gründen am 30. Juni 1990 die Beschäftigung nicht mehr in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder
des Bauwesen ausgeführt wurde, ist unerheblich, es kommt also nicht darauf an, ob dies auf einem eigenen
Entschluss des Klägers beruhte oder ob es sich aus von ihm nicht zu beeinflussenden Geschehensabläufen ergeben
hat. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob dem Kläger der Wechsel des Arbeitgebers zum 22. Juni 1990, oder
spätestens zum 28. Juni 1990 bzw. bereits zum 1. Juni 1990 bewusst war und ob er eine Vorstellung über mögliche
spätere (versorgungs-) rechtliche Auswirkungen dieses Wechsel hatte. Letzteres konnte ihm nicht bekannt sein, weil
seinerzeit die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, die die Anerkennung von Versorgungsanwartschaften ohne
eine Versorgungsentscheidung ermöglicht, noch nicht existierte, sie wurde erst durch die BSG-Urteile vom 24. März
1998 (Az.: B 4 RA 27/97 R) und vom 30. Juni 1998 (Az.: B 4 RA 11/98 R) begründet.
Natürlich konnte der Kläger auch keine Kenntnis davon haben, dass es seit den o. g. Urteilen des
Bundessozialgerichtes vom 9. und 10. April 2002 auf die Tätigkeit im volkseigenen
Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Bereich am 30. Juni 1990
ankommen könne.
Entscheidend ist allein, dass der Kläger nach der objektiven Sachlage am 30. Juni 1990 nicht mehr in einem
volkseigenen Produktionsbetrieb des Bau¬wesens tätig war. Die Gleichstellung des Klägers mit Personen, die noch
am 30. Juni 1990 in einem Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens tätig waren, ist von Verfassungs
wegen nicht geboten.
Mit seiner Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung den Kreis der
Versorgungsberechtigten über die tatsächlich zu DDR-Zeit hierdurch Begünstigen in weitem Umfange ausgeweitet.
Diese Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht mit der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Ausdehnung
des Anwendungsbereiches des § 1 AAÜG begründet. Soweit das Bundessozialgericht insoweit auf die Sachlage am
30. Juni 1990 abstellt, ist das im Hinblick auf die Schließung der Versorgungssysteme und den Umstand, dass
grundsätzlich die Versorgungsanwartschaft ohne eine Versorgungsentscheidung nicht denkbar ist, nach Ansicht der
Kammer leicht nachvollziehbar und nicht zu beanstanden.
Für eine weitergehende Zuerkennung von Versorgungsanwartschaften fehlt es an einer Rechts¬grundlage. Sie würde
gegen das Verbot der Neueinbeziehung in Versorgungssysteme - wie es durch den Einigungsvertrag vorgegeben ist -
verstoßen.
In der Bezugnahme auf die tatsächlichen Verhältnisse der ehemaligen DDR sowohl durch das AAÜG als auch in
eingeschränktem Maße durch die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist kein Verstoß gegen
höherrangiges Recht, insbesondere keine gesetzgeberische oder rechtsprechende Willkür oder ein Verstoß gegen das
Gleichbehandlungsgebot zu sehen.
Der Gesetzgeber durfte bei der Zusammenführung der Rentensysteme der beiden deutschen Staaten die historischen
Entwicklungen der ehemaligen DDR und ihre Gesetzlichkeiten, auch wenn sie ihren Niederschlag nur in
Durchführungsbestimmungen zu einer Verordnung gefunden hatten, berücksichtigen. Es wäre Aufgabe der ehemaligen
DDR gewesen, diese Bestimmungen, die am Beginn des Industrieaufbaus der ehemaligen DDR entstanden waren,
den späteren Gegebenheiten dieses Staates anzupassen. Der Gesetzgeber der ehemaligen DDR
sah dazu offenbar keine Veranlassung. Dieser Umstand ist allein dafür maßgeblich, dass im vorliegenden Falle eine
faktische Versorgungsanwartschaft nicht festgestellt werden kann.
Der Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundenen Ausgestaltungen der
Versorgungssysteme in der ehemaligen DDR sowie an die zu diesem Zeitpunkt bestehende versorgungsrechtliche
Lage der Betroffenen anknüpfen, ohne damit gegen das verfassungsrechtliche Willkürgebot zu verstoßen.
Artikel 3 Abs. 1 und 3 Grundgesetz gebieten nicht, von jenen zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen
der Versorgungssysteme sowie den historischen Tatsachen, aus denen sich Unterschiede ergeben, abzusehen und
sie gewissermaßen rückwirkend auszugleichen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 4. August 2004 Az.:
1 BvR 1557/01 R).
Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes könnte allerdings gefragt werden, ob die
vom Bundessozialgericht praktizierte verfassungskonforme Auslegung des § 1 AAÜG, mit dem der
Anwendungsbereich der Norm um ein vielfaches gegenüber dem unmittelbar hiervon erfassten Personenkreis
ausgedehnt wurde, tatsächlich von Verfassungswegen geboten war.
Im Hinblick darauf, dass der Kläger nicht zu einer früheren Zeit in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und
am 30. Juni 1990 nicht mehr im betrieblichen Geltungsbereich der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz tätig
war, ist das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz auf den Kläger jedenfalls nicht anwendbar. Schon
hieran scheitert sein geltend gemachter Feststellungsanspruch.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.