Urteil des SozG Aachen vom 19.12.2006

SozG Aachen: vermögensbildung, zwangsvollstreckung, pauschalbetrag, versuch, kreditgeber, lebensmittelpunkt, zustand, verfügung, ausnahme, beleihung

Sozialgericht Aachen, S 11 AS 125/06
Datum:
19.12.2006
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 11 AS 125/06
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 20 AS 4/07
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Der Kläger begehrt höhere Leistungen der Unterkunft unter Einbeziehung auch der
Tilgungsraten für sein Eigenheim.
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Der am 00.00.1956 geborene Kläger ist Alleineigentümer eines Hausgrundstücks, das
er mit seiner am 00.00.1960 geborenen Ehefrau bewohnt. Auf ihren Antrag vom
01.07.2006 gewährte der Beklagte beiden Eheleuten mit Bescheid vom 16.08.2006
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ab dem 01.09.2006 unter
Berücksichtigung monatlicher Leistungen für Unterkunft i.H.v. 124,50 Euro. Der Kläger
legte hiergegen am 23.08.2006 Widerspruch ein, in dem er die "Hauslastenberechnung"
rügte. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 30.08.2006 zurück.
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Hiergegen richtet sich die am 22.09.2006 erhobene Klage. Seit dem 01.12.2006 ist der
Kläger wieder in Arbeit.
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Der Kläger führt (unter Verweis auf das Urteil des SG Detmold vom 16.02.2006, S 8 AS
37/05) aus, der Beklagte habe auch die monatlichen Tilgungsraten für das
Hausgrundstück zu übernehmen. Diese hielten sich mit 372,55 Euro monatlich im
Rahmen dessen, was auch für eine angemessene Mietwohnung zu zahlen sei. Durch
die Verweigerung der Übernahme dieser Ausgaben laufe der Kläger nunmehr Gefahr,
das Hausgrundstück nicht mehr halten zu können.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 16.08.2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 30.08.2006 zu verurteilen, ihm Leistungen der Unterkunft
einschließlich der monatlichen Tilgungsraten wegen der Anschaffung seines
Hausgrundstücks zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er bleibt bei seiner Auffassung.
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Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige
Gerichtsakte, sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen des Beklagten
sind nicht rechtswidrig i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger
hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen der Unterkunft. An dem weitergehenden
Antrag, auch noch andere Aufwendungen (für Telefon, Gas etc.) bei den Leistungen der
Unterkunft zu berücksichtigen, hat der Kläger zuletzt nicht mehr festgehalten.
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Leistungen der Unterkunft werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zweites
Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Höhe der tatsächlichen
Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Zu den Unterkunftskosten
selbstgenutzter Eigenheime zählen alle notwendigen Ausgaben, die bei der
Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind (Lang, in:
Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22, Rn. 26). Die monatlichen Tilgungsraten sind keine
solchen notwendigen Ausgaben (so im Ergebnis LSG Baden-Württemberg, Beschluss
vom 31.08.2005, L 13 AS 2759/06 ER-B, LSG Thüringen, Beschluss vom 31.01.2006, L
7 AS 770/05 ER; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 02.09.2005, L 8 AS 1995/05; LSG
Niedersachsen, Beschluss vom 05.07.2005, L 8 AS 71/05 ER; a.A. SG Detmold, Urteil
vom 16.02.2006, S 8 AS 37/05, juris; eine vermittelnde Ansicht, wonach zur Vermeidung
drohender Wohnungslosigkeit Darlehen gewährt werden sollen, vertritt insbesondere
Lang, a.a.O., Rn. 31). Zur Sicherung des Lebensunterhalts, die das SGB II sicherstellen
soll, gehört nicht auch die Tilgung der Schulden des Hilfebedürftigen (zum
Sozialhilferecht a.F. etwa BVerwG, Beschluss vom 21.04.1988, 5 B 2/88). Erst recht hat
das SGB II nicht den Zweck, den Hilfebedürftigen die Vermögensbildung zu
ermöglichen (zum Sozialhilferecht a.F. BVerwG, Urteil vom 10.09.1992, 5 C 25/88,
NvwZ-RR 1993, 194 ff).
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Der Argumentation des SG Detmold (Urteil vom 16.02.2006, S 8 AS 37/05) folgt das
Gericht nicht. Zwar kennt das Gesetz - worauf das SG Detmold abstellt -
Schutzmechanismen für bereits bestehende Vermögenswerte. Der Schutz bestehenden
Vermögens zwingt jedoch weder zur Übernahme aller Folgelasten auf die Staatskasse
noch begünstigt er den Erwerb weiterer Vermögenswerte. Dem Argument, es mache
leistungsrechtlich keinen Unterschied, ob die Leistungen zur Vermögensbildung bei
einem Vermieter oder beim Hilfeempfänger dienten, ist entgegen zu halten, dass § 22
SGB II dem Leistungsempfänger lediglich eine angemessene Unterkunft, nicht aber ein
angemessenes Eigenheim garantiert. Auch der Schutz des Eigenheims als
Lebensmittelpunkt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II) knüpft lediglich an den vorhandenen
Zustand an. Beiden Gesichtspunkten ist außerdem damit Rechnung getragen, dass die
Schuldzinsen übernommen werden, denn dies hat im Regelfall zur Folge, dass der
Kreditgeber keinen Versuch macht, die Zwangsvollstreckung in das Hausgrundstück zu
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betreiben. Im Gegensatz zu § 20 SGB II stellt § 22 SGB II auch keinen Pauschalbetrag
zur Verfügung, mit dem der Hilfebedürftige wirtschaften soll.
Es kann offenbleiben, ob von diesen Grundsätzen dann eine Ausnahme zu machen ist,
wenn die Tilgungsraten nur mehr für einen sehr überschaubaren Zeitraum zu leisten
sind, eine Integration des Hilfebedürftigen in den Arbeitsmarkt fraglich erscheint und
sonst der Verlust der Unterkunft droht (vgl. auch hierzu SG Detmold, a.a.O.). Ein solcher
Fall liegt schon deswegen nicht vor, weil der Kredit nach Angaben des Klägers erst vier
Jahre nach Leistungsbeginn abgezahlt sein wird. Nicht ersichtlich ist auch, dass der
Kläger vorrangige Eigenbemühungen (Änderung der Darlehensmodalitäten,
Umschuldung durch Beleihung des Hausgrundstücks etc; zu deren Vorrangigkeit siehe
LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.03.2006, L 18 B 183/06 AS ER) entfaltet
hat. Im Übrigen spricht allgemein gegen die Anerkennung der eingangs geschilderten
Ausnahmetatbestände, dass gerade in Fällen eines beinahe abgezahlten Kredits eine
Tilgungsstreckung unter Berücksichtigung der neuen Einkommensverhältnisse
vorrangig und regelmäßig auch möglich ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Auch angesichts des nur dreimonatigen
Leistungsbezugs bedurfte es keiner Entscheidung über die Zulassung der Berufung (§
144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), da sich die geltend gemachten Tilgungsraten auf mehr
als 300.- Euro monatlich belaufen.
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