Urteil des SozG Aachen vom 19.11.2007
SozG Aachen: wohnung, heizung, alleinstehende person, ultra petita, haushalt, nebenkosten, wohnfläche, wohnraum, unterkunftskosten, aufenthalt
Sozialgericht Aachen, S 14 AS 80/07
Datum:
19.11.2007
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 14 AS 80/07
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 02.02.2007 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2007 verurteilt, dem
Kläger für den Zeitraum Februar bis Juli 2007 Leistungen für Unterkunft
und Heizung in Höhe von 400,00 EUR monatlich zu gewähren. Die
Beklagte trägt die Kosten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Streitig ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung für eine zeitweise
Bedarfsgemeinschaft bestehend aus dem Kläger und seinen Kindern.
2
Der 1970 geborene Kläger steht im laufenden Bezug von Leistungen nach dem
Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende -. Am
xx.xx.2001 heiratete der Kläger die Zeugin B. Aus der Beziehung zwischen dem Kläger
und der Zeugin B waren zum damaligen Zeitpunkt bereits das 1997 geborene Kind K
sowie das am 2000 geborene Kind L hervorgegangen. Am 2003 wurde das dritte Kind I
geboren. Der Kläger bewohnte zunächst mit der Zeugin B und den drei Kindern eine 90
qm große Wohnung auf der x Straße x E. Die Beklagte gewährte der damals
fünfköpfigen Bedarfsgemeinschaft Leistungen ab Januar 2005. Mit Fortzahlungsantrag
vom 19.06.2006 teilte der Kläger den Auszug der Zeugin B und der Kinder zum
01.07.2006 mit. Die Beklagte gewährte dem Kläger daraufhin nur noch Leistungen für
diesen selbst und wies zudem mit Schreiben vom 27.06.2006 darauf hin, dass die
Wohnung des Klägers für diesen nunmehr zu groß sei. Für eine alleinstehende Person
sei lediglich eine Wohnungsgröße bis zu 45 qm angemessen. Falls er nicht bis zum
31.12.2006 seine Unterkunftskosten auf das angemessene Maß senke, würden nur
noch die angemessenen Kosten der Unterkunft übernommen werden.
3
Ausweislich eines Vermerkes der Beklagten vom 01.08.2006 erklärte der Kläger, dass
ihm klar sei, dass er neuen Wohnraum anmieten müsse, er wolle aber eine 60 qm große
Wohnung anmieten, da seine drei Kinder sich regelmäßig bei ihm aufhielten. Nach
einem entsprechenden Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren führten die Beteiligten
in der Folge einen Hauptsache- und einen Eilrechtsstreit über die Frage, ob dem Kläger
grundsätzlich eine 60 qm Wohnung zustehe (Az.: S 23 AS 77/06 und S 23 AS 76/06
4
ER). Sowohl der Eilantrag als auch die Klage wurden zurückgenommen, nachdem das
Gericht darauf hingewiesen hatte, dass die Klärung der zugrunde liegenden Fragen nur
im Hinblick auf ein konkretes Wohnungsangebot erfolgen könne. Am 08.12.2006
beantragte der Kläger bei der Beklagten die Zustimmung zum Umzug in eine 55 qm
groß Wohnung auf der x Straße. Die Wohnung sollte bei einem Quadratmeterpreis von
5,68 EUR 311,78 EUR monatlich netto-kalt kosten. Außerdem sollten monatliche
Abschläge für Betriebskosten in Höhe von 91,33 EUR und für Heizkosten in Höhe von
36,89 EUR (zusammen 440,00 EUR) gezahlt weden. Die Wohnung sollte aus einem
Wohnzimmer, einem Schlafzimmer, einer "Kitchenette", einer Diele und einem Bad
bestehen. Mit Bescheid vom 08.12.2006 lehnte die Beklagte die Zustimmung ab. Die
Wohnung sei schon deshalb unangemessen teuer, da die Beklagte lediglich einen
Quadratmeterpreis von 4,89 EUR für angemessen halte. Zudem könnten bei der
Berechnung des angemessenen Preises weiterhin lediglich 45 qm zugrunde gelegt
werden. Es stehe dem Kläger jedoch frei, eine größere Wohnung anzumieten, soweit
diese nur eine Netto-Kalt-Miete von 220,05 EUR nicht überschreite. Hiergegen wandte
sich der Kläger erneut mit einem Eilantrag (S 23 AS 97/06 ER). Auch dieser Antrag
wurde zurückgenommen, nachdem das Gericht darauf hingewiesen hatte, dass die
Wohnung unter Berücksichtigung des von der Beklagten angesetzten Wertes von 4,89
EUR pro qm selbst dann unangemessen sei, wenn 60 qm zugrunde gelegt würden. Im
Übrigen bestünden gegen den von der Beklagten angesetzten qm-Preis keine
durchgreifenden Bedenken.
Am 28.12.2006 unterzeichnete der Kläger einen Mietvertrag ab 01.01.2007 für eine
andere ebenfalls 55 qm große Wohnung auf der x Straße. Die Wohnung bestand - wie
auch bereits die zuvor angebotenen Wohnungen - aus einem Wohnzimmer mit
"Kitchenette", Schlafzimmer, Diele und Bad. Auch für diese Wohnung sollte eine Netto-
Kalt-Miete von 311,78 EUR, eine Nebenkostenvorauszahlung von 91,33 EUR und eine
Heizkostenvorauszahlung von 36,89 EUR (zusammen 440,00 EUR) monatlich anfallen.
Mit Bescheid vom 04.01.2007 gewährte die Beklagte zunächst nur Leistungen in Form
der Regelleistung für den Zeitraum Februar bis Juli 2007. Im Laufe des Januar 2007
legte der Kläger für die von ihm bereits bezogene Wohnung zwei weitere
Vermieterbescheinigungen vor, wobei auf der letzten Bescheinigung nur noch
Gesamtkosten von 400,00 EUR monatlich ausgewiesen wurden. Nach dieser
Bescheinigung betrug der Preis pro qm (netto-kalt) nunmehr nur noch 4,89 EUR, die
Netto-Kalt-Miete demnach 268,41 EUR, die Betriebskostenvorauszahlung 94,00 EUR
und die Heizkostenvorauszahlung 37,59 EUR. Auf beiden Vermieterbescheinigungen
vermerkte die Beklagte, dass der Anmietung nicht zugestimmt werde.
5
Mit Änderungsbescheid vom 02.02.2007 gewährte die Beklagte für Februar bis Juli
2007 auch Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 344,05 EUR
(Netto-Kalt-Miete 220,05 EUR, Nebenkosten 70,00 EUR, Heizkosten 54,00 EUR). Am
09.02.2007 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein und begehrte Leistungen für
Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 400,00 EUR. Der Widerspruch des
Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.03.2007 zurückgewiesen. Darin führte
die Beklagte aus, dass keine Zustimmung für die Anmietung der neuen Wohnung
vorgelegen habe. Es könne lediglich ein Quadratmeterpreis von 4,89 EUR und eine
maximale Wohnfläche von 45 qm zugrunde gelegt werden. Daraus ergebe sich die
angemessene Netto-Kalt-Miete von 220,05 EUR. Aufgrund ortsüblicher Vergleichswerte
könnten als Nebenkosten 70,00 EUR berücksichtigt werden. Nach den entsprechenden
Richtlinien des Kreises Aachen könnten an Leistungen für Heizung im vorliegenden
Falle 1,20 EUR pro qm angesetzt werden, was bei einer maximal zu berücksichtigenden
6
Wohnfläche von 45 qm anerkennungsfähige Heizkosten von 54,00 EUR bedeute. In der
Sache würden dem Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht
aufgrund der Wohnfläche, sondern aufgrund der zu hohen Grundmiete verweigert
werden. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom gleichen Tag wies die Beklagte den
im Rahmen des Eilverfahrens S 23 AS 97/06 ER erhobenen Widerspruch des Klägers
gegen die Ablehnung der Zusicherung mit Bescheid vom 08.12.2006 zurück.
Am 02.04.2007 hat der Kläger Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16.03.2007
erhoben, der sich auf die Festsetzung der Leistungen für Unterkunft und Heizung im
Bewilligungsbescheid vom 02.02.2007 bezieht.
7
Der Kläger trägt vor, ihm müssten jedenfalls 60 qm zustehen, da seine drei Kinder sich
regelmäßig bei ihm aufhielten. So seien alle drei Kinder von freitags bis sonntags bei
ihm. Die jüngste Tochter würde sich darüber hinaus auch unter der Woche bei ihm
aufhalten und bei ihm übernachten. Er bringe sie dann am nächsten Morgen zum
Kindergarten. Auch in den Ferien seien die Kinder bei ihm. Die jetzige Wohnung sei
besonders deshalb wichtig für ihn, da sie in unmittelbarer Nähe des Kindergartens liege,
den die jüngste Tochter besuche. Im Übrigen habe er in der Innenstadt von E keine
günstigere Wohnung gefunden. Dass die aktuelle Wohnung über kein Kinderzimmer
verfüge, liege daran, dass er zum 31.12.2006 aufgrund der entsprechenden
Aufforderung der Beklagten und nach den vorangegangenen erfolglosen Verfahren eine
schnelle Entscheidung habe treffen müssen. Die aktuelle Wohnung verfüge zwar über
kein Kinderzimmer, sie sei aber immerhin größer. In der Sache handele es sich bei den
von ihm geltend gemachten Leistungen für Unterkunft und Heizung um seinen eigenen
Anspruch und nicht einen Anspruch auch seiner Kinder.
8
Der Kläger beantragt,
9
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02.02.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 16.03.2007 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum Februar
bis Juli 2007 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 400,00 EUR zu gewähren.
10
Die Beklagte beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Sie
trägt weiter vor, auch die Zeugin B erhalte Leistungen nach dem SGB II. In deren
Haushalt sei ausreichender Wohnraum für die Kinder vorhanden. Die Zeugin B habe im
Übrigen bei der Stellung ihres ersten eigenen Antrages auf SGB II-Leistungen davon
gesprochen, dass sie in ihre derzeitige Wohnung gerade deshalb gezogen sei, da auch
ihre Mutter im gleichen Haus wohne und ihr - der Zeugin - bei der Erziehung der Kinder
helfen könne. Von einer Betreuung der Kinder durch den Kläger sei anlässlich dieser
Vorsprache der Zeugin keine Rede gewesen.
13
Die Beklagte hat im Laufe des Verfahrens Wohnungsangebote für Einzelpersonen in
Eschweiler zu dem von ihr als angemessen angesehenen Preis vorgelegt. Das Gericht
hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin B. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 19.11.2007
verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
Gerichtsakte, die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten der Verfahren
14
S 23 AS 76/06 ER, S 23 AS 77/06 sowie S 23 AS 97/06 ER verwiesen, deren jeweiliger
wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
15
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide
im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da diese
rechtswidrig sind. Der Kläger hat einen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und
Heizung jedenfalls in der beantragten Höhe von 400,00 EUR monatlich für den Zeitraum
Februar bis Juli 2007.
16
Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in
Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die
Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten erfolgt im Hinblick auf die Netto-
Kalt-Miete nach der sogenannten Produkttheorie (vgl. hierzu und zum Folgenden
Bundessozialgericht – BSG –, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R, Rdnr. 19 ff.;
Piepenstock, in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl., 2007, § 22 Rdnr. 49 ff.). Danach ist eine sich
nach der Anzahl der in der Bedarfsgemeinschaft befindlichen Personen zu
bestimmende Quadratmeterzahl mit einem für den maßgeblichen Einzugsbereich
abstrakt zu bestimmenden "angemessenen" Quadratmeterpreis zu multiplizieren.
17
Zur Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises ist vorrangig der örtliche
Mietspiegel heranzuziehen. Bei der Festlegung des genauen Quadratmeterpreises ist
sodann zu beachten, dass Bezieher von SGB II-Leistungen auf das untere
Marktsegment verwiesen sind. Wie diese Vorgabe im Hinblick auf einen bestimmten
Mietspiegel umzusetzen ist, ist umstritten. Gleichwohl bestehen gegen den von der
Beklagten in Eschweiler als angemessen angesehenen Quadratmeterpreis von 4,89
EUR keine Bedenken. Der Mietspiegel für die Stadt Eschweiler für den Zeitraum
01.01.2006 bis 31.12.2007 sieht insgesamt eine Spanne von 2,75 EUR bis 7,70 EUR
vor. Der Mittelwert liegt demnach bei 5,23 EUR. Der von der Beklagten als angemessen
angesehene Quadratmeterpreis von 4,89 EUR liegt nur knapp unterhalb dieses
Mittelwertes.
18
Die als angemessen anzusehende Quadratmeterzahl wurde bisher nach den
landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften zum zwischenzeitlich aufgehobenen
Wohnungsbindungsgesetz ermittelt (vgl. Lang, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 22
Rdnr. 42). Danach standen in Nordrhein-Westfalen einer Person 45 qm, zwei Personen
60 qm, drei Personen 75 qm usw. zu (vgl. Ministerialblatt für das Land Nordrhein-
Westfalen, Nr. 23 vom 10.05.2002, S. 396 ff., 400). Nunmehr könnten über § 10 des
Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) die hierzu ergangenen
landesrechtlichen Wohnraumförderungsbestimmungen maßgeblich sein (vgl.
Landessozialgericht – LSG – Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.09.2007, L 7 B
233/07 AS ER mit Verweis auf BSG, a.a.O.). Nach Ziffer 1.4.1 der Anlage 1 zu den
Wohnraumförderungsbestimmungen des Landes Nordrhein-Westfalen (vgl.
Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, Nr. 7 vom 22.02.2006, S. 129)
ergeben sich jeweils Werte von 47 qm, 62 qm, 77 qm usw. Ob mit dem Argument der
Sicherstellung einer bundeseinheitlichen Rechtsanwendung an den bisherigen Werten
festgehalten werden kann, kann hier dahinstehen. Denn der Klageantrag ist bereits
unter Berücksichtigung der bisher maßgeblichen Werte begründet, so dass diese auch
im Folgenden zugrunde gelegt werden können.
19
Nach Auffassung der Kammer sind im vorliegenden Fall jedenfalls 60 qm angemessen.
Dem steht nicht entgegen, dass die Wohnung des Klägers durchgehend nur von diesem
bewohnt wird. Auf Grundlage der Rechtsprechung des BSG zur sogenannten
zeitweisen Bedarfsgemeinschaft ist nach Auffassung der Kammer angesichts des
regelmäßigen Aufenthalts der Kinder des Klägers in dessen Wohnung davon
auszugehen, dass diese so genutzt wird, als ob sich dort zwei Personen regelmäßig
und durchgehend aufhalten.
20
Das BSG hat in seinem Urteil vom 07.11.2006 (B 7b AS 14/06 R, Rdnr. 27-29)
ausgeführt, dass Kinder, die sich zwar grundsätzlich bei einem Elternteil aufhalten,
regelmäßig aber auch beim anderen (und hilfebedürftigen) Elternteil leben, mit letzterem
eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft bilden. Entsprechend sei den Kindern (und nicht
dem jeweiligen Elternteil) entsprechend der Anzahl der Tage, die sie sich bei dem
jeweiligen Elternteil aufhalten, ein anteiliger Leistungsanspruch zuzugestehen.
Allerdings ist in diesem Urteil nicht ausgeführt, welche Konsequenzen eine solche
zeitweise Bedarfsgemeinschaft für die Angemessenheit der Leistungen für Unterkunft
und Heizung desjenigen Elternteils hat, bei dem sich die Kinder gerade nicht
überwiegend aufhalten. Das BSG deutet in dem vorgenannten Urteil aber an, dass auch
Leistungen nach § 22 SGB II im Rahmen der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft zu
berücksichtigen sind (vgl. BSG a.a.O., Rdnr. 28; vgl. auch Behrend, in: jurisPK-SGB II, 2.
Aufl., 2007, § 23 Rdnr. 43). Nach Auffassung der Kammer kann jedenfalls vor dem
Hintergrund der besonderen Förderungspflicht des Staates aus Art. 6 Abs. 1
Grundsgesetz (GG) kein Zweifel daran bestehen, dass insbesondere unter der
Voraussetzung einer gewissen Regelmäßigkeit und zeitlichen Erheblichkeit der
Anwesenheit von Kindern im Haushalt eines hilfebedürftigen Elternteiles dort ein
höherer Anspruch auf Leistungen für Unterkunft bestehen muss. Wegen der
grundrechtlichen Dimension der Frage hält die Kammer es nicht für möglich, die Kinder
auf den beim anderen Elternteil vorhandenen Wohnraum zu verweisen.
21
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass
alle drei Kinder des Klägers sich tatsächlich von freitags mittags bis sonntags abends
bei ihm aufhalten und die jüngste Tochter darüber hinaus regelmäßig an mindestens
zwei weiteren Tagen in der Woche beim Kläger übernachtet. Dies ergibt sich aus der
glaubhaften und mit den Ausführungen des Klägers übereinstimmenden Aussage der
Zeugin B. Diese bestätigte darüber hinaus, dass die getroffene Regelung bereits seit der
Trennung praktiziert werde und daran auch nach Abschluss des mittlerweile
eingeleiteten Scheidungsverfahrens festgehalten werden solle. Eine Änderung der
Situation komme allerdings dann in Betracht, wenn die jüngste Tochter in die
Grundschule gehen werde, da sich die Grundschule anders als der Kindergarten nicht in
unmittelbarer Nähe der Wohnung des Klägers, sondern der der Zeugin B befinde. Die
anfänglich angedachte Betreuung der Kinder auch durch die Mutter der Zeugin B stehe
wegen deren Wegzugs nicht mehr im Raum.
22
Nach Auffassung der Kammer ist es jedenfalls bei einem derart kontinuierlichen und
umfangreichen Aufenthalt der Kinder des Klägers in dessen Wohnung nicht zumutbar,
diesen auf eine 45 qm große Wohnung zu verweisen. Eine Vergleichbarkeit jedenfalls
mit einem Zwei-Personen-Haushalt, dem 60 qm zustehen, zeigt sich, wenn die Anzahl
derjenigen Tage addiert wird, die sich jedes Kind durchschnittlich im Monat bei dem
Kläger aufhält. Dies sind angesichts zweier Übernachtungen aller drei Kinder an den
Wochenenden bereits 24 Tage (3 Kinder mal 2 Tage mal 4 Wochenenden) und sodann
8 weitere Tage (2 Übernachtungen pro Woche mal 4 Wochen der Tochter Inga),
23
zusammen 32 Tage.
Die Kammer hält es im Übrigen für unerheblich, dass die neue Wohnung des Klägers
über kein Kinderzimmer verfügt. Wegen der pauschalierenden Berechnung der
angemessenen Unterkunftskosten kann es nicht auf die tatsächliche Zimmerzahl,
sondern (nur) auf die qm-Zahl ankommen. Der Kläger verweist zutreffend darauf, dass in
einer 60 qm großen Wohnung auch ohne Kinderzimmer drei Kinder besser zu
beherbergen und zu betreuen sind als in einer 45 qm großen Wohnung. Die Kammer
weist des Weiteren darauf hin, dass die Bejahung eines höheren Anspruchs auf
Leistungen für Unterkunft hier allein wegen der zeitweisen Anwesenheit der Kinder
erfolgt. Der vereinzelt vertretenen Ansicht, bereits die Alleinerziehung von Kindern
begründe einen höheren Anspruch auf Leistungen für Unterkunft (so Sozialgericht – SG
– Aachen, Urteil vom 16.11.2005, S 11 AS 70/05), hat sich die Kammer nicht
angeschlossen (vgl. SG Aachen, Urteil vom 23.10.2006, S 23 (10) AS 88/05).
24
Für die Berechnung der angemessenen Leistungen für Unterkunft kommen zwei
Modelle in Betracht. Zum einen kann auf Grundlage der vorgenannten vergleichenden
Betrachtung ein 60 qm Haushalt angenommen werden. Es ergeben sich dann 293,40
EUR für die Netto-Kalt-Miete (4,89 x 60). Alternativ könnte für jeden einzelnen Tag des
Monats auf Grundlage der jeweils an diesem Tag in der Wohnung befindlichen
Personen ein entsprechender Wert ermittelt werden. In diesem Fall ergäbe sich für 14
Tage ein Wert von insgesamt 102,69 EUR (an 14 Tagen wohnt der Kläger allein,
angemessene Quadratmeter dann 45; 45 x 4,89 = 220,50; 220,50: 30 x 14 = 102,69), an
8 weiteren Tagen ein Betrag von 78,24 EUR (an 8 Tagen wohnt der Kläger mit der
Tochter I zusammen, angemessene Quadratmeter dann 60; 4,89 x 60 = 293,40: 30 x 8 =
78,24) und an 8 weiteren Tagen ein Betrag von 117,36 EUR (an 8 Tagen wohnt der
Kläger mit allen drei Kindern zusammen, angemessene Quadratmeter dann 90; 4,89 x
90 = 440,10 EUR: 30 x 8 = 117,36 EUR), was einen Gesamtbetrg von 289,29 EUR
ergäbe.
25
In beiden Fällen wird unter Hinzuziehung der von der Beklagten bereits jetzt
zugestandenen 70,00 EUR für Nebenkosten und 54,00 EUR für Heizkosten (zusammen
124,00 EUR) der eingeklagte Betrag von 400,00 EUR erreicht. Gleiches gilt unter
Zugrundelegung der zuletzt vom Vermieter bescheinigten Neben- und Heizkosten
(94,00 EUR Nebenkosten und 37,59 EUR Heizkosten, zusammen 131,59 EUR). Da
über einen weitergehenden Anspruch nicht zu entscheiden ist (ne ultra petita), kann
dahinstehen, ob die Beklagte die Neben- und Heizkosten pauschaliert in Abhängigkeit
von der Quadratmeterzahl gewähren durfte oder ob hier nicht die tatsächlichen Kosten
hätten zugrunde gelegt werden müssen (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 19.09.2007, L 20 B 111/07 AS, m.w.N.).
26
Obwohl das BSG in seinem Urteil vom 07.11.2006 (B 7b AS 14/06 R) davon
auszugehen scheint, dass es sich auch bei den Leistungen nach § 22 SGB II im
Rahmen der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft um eigene Ansprüche der Kinder handelt
(vgl. BSG, a.a.O.; Berendt a.a.O.), geht die Kammer im vorliegenden Fall davon aus,
dass (allein) dem Kläger ein Anspruch auf Leistungen für Unterkunft unter
Zugrundelegung von 60 qm zusteht. Denn es bestehen Zweifel daran, dass die
Vorgaben des BSG zur anteiligen Leistungsgewährung im Fall der zeitweisen
Bedarfsmeinschaft für die Regelleistung direkt auf die Leistungen für Unterkunft
übertragbar sind. Die genaue Übertragung bedeutete, dass selbst der Aufenthalt eines
einzigen Kindes an nur einem Tag im Monat bei dem hilfebedürftigen Elternteil zu einem
27
- wenngleich minimalen - Anspruch (des Kindes) auf anteilige Leistung für Unterkunft
führen würde. Einen solchen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft hält die Kammer
aber nicht für gerechtfertigt (so offenbar auch Berendt, a.a.O.). Es erscheint durchaus
zumutbar, dass ein alleinstehender hilfebedürftiger Elternteil (und auch das Kind bzw.
die Kinder) bei vergleichsweise seltenen bzw. in zeitlicher Hinsicht nicht umfangreichen
Besuchen mit einer 45 qm großen Wohnung auskommt (bzw. auskommen). Dies spricht
dafür, anders als bei der Regelleistung keine nach Tagen anteilige Gewährung
vorzunehmen, sondern im Rahmen einer Gesamtbetrachtung einen Vergleich mit einem
Zwei-, Drei- oder Vier-Personen-Haushalt vorzunehmen. Diese sich von den Vorgaben
des BSG zur Regelleistung lösende Betrachtung weist bereits in Richtung einer
Erhöhung des Anspruchs des hilfebedürftigen Elternteils (und nicht der Kinder). Ein
weiteres Argument gegen einen eigenen Leistungsanspruch der Kinder für die Zeit des
Aufenthaltes bei dem Kläger im Hinblick auf die Leistungen für Unterkunft ist darin
begründet, dass anders als bei der Regelleistung eine Aufteilung der Leistungen für
Unterkunft zwischen den zwei anzunehmenden Bedarfsgemeinschaften nicht möglich
erscheint. Jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Kinder ganz überwiegend bei dem
anderen Ehepartner (der Zeugin B) leben, wäre es nicht gerechtfertigt, nach einer der
oben genannten Methoden den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft dieses anderen
Ehepartners und der Kinder zu kürzen. Stehen damit der Zeugin B und den Kindern
Leistungen für Unterkunft für einen Vier-Personen-Haushalt zu und ist gleichzeitig der
zeitweisen Bedarfsgemeinschaft aus dem Kläger und seinen Kindern eine 60 qm große
Wohnung zuzubilligen, so bietet es sich an, zur Vermeidung eines Doppelbezuges der
Kinder von einem entsprechend erhöhten Anspruch des Klägers auszugehen.
Diesem Anspruch des Klägers steht schließlich nicht entgegen, dass die Beklagte
bestandskräftig eine Zustimmung zum Umzug abgelehnt hat, da eine Zustimmung nach
§ 22 Abs. 2 SGB II für die Gewährung von Leistungen für eine angemessene Unterkunft
nicht konstitutiv ist (vgl. Berlit, in: LPK-SGB II, 2. Aufl., 2007 § 22 Rdnr. 70).
28
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183,193 SGG, die Zulassung der Berufung auf §
144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
29