Urteil des SozG Aachen vom 18.07.2006

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Sozialgericht Aachen, S 11 AL 86/05
Datum:
18.07.2006
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 11 AL 86/05
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Der Kläger begehrt die Herstellung von Krankenversicherungsschutz durch einen
niederländischen Krankenversicherungsträger.
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Der am 00.00.1965 geborene Kläger war von 2002 bis April 2005 in den Niederlanden
beschäftigt. Am 11.04.2005 meldete er sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld
(Alg) mit der Maßgabe, er wolle weiterhin bei seiner bisherigen niederländischen
Krankenkasse krankenversichert bleiben. Die Beklagte leistete sodann Alg und stellte
eine Krankenversicherung bei der Techniker Krankenkasse her. Den erneuten Antrag,
für Krankenversicherungsschutz beim bisherigen Krankenversicherungsträger zu
sorgen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.06.2005 mit der Begründung ab, eine
Wahlmöglichkeit bestehe nur unter inländischen Krankenversicherungsträgern. Seinen
am 23.06.2006 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, er habe auch
seinen Leistungsanspruch durch eine Beschäftigung im Ausland erworben. Die
Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 04.08.2005 zurück.
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Hiergegen richtet sich die am 25.08.2005 erhobene Klage.
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Der Kläger führt aus, er habe einen Anspruch auf freie Krankenkassenwahl, der sich in
seinem Fall auch auf ausländische Krankenversicherungsträger erstrecke, da er seinen
Alg-Anspruch aufgrund einer Beschäftigung im Ausland erworben habe.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.06.2005 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 04.08.2005 zu verurteilen, Krankenversicherungsschutz
durch die DA H herzustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bleibt bei ihrer Auffassung.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene
Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen ist, verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten
sind nicht rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der
Kläger hat keinen Anspruch auf Herstellung von Krankenversicherungsschutz durch den
bisherigen niederländischen Versicherungsträger.
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Die Wahl der Krankenkasse durch den Versicherten regelt § 173 Sozialgesetzbuch -
Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V). Nach § 5 SGB V
Versicherungspflichtige können nach § 173 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB V die
Krankenkasse wählen, bei der vor Beginn der Versicherungspflicht zuletzt eine
Mitgliedschaft bestanden hat. Trotz dieses weit gefassten Wortlauts der Vorschrift
scheidet die Wahl einer ausländischen Krankenkasse deswegen aus, weil die
Wahlmöglichkeit des Versicherungspflichtigen auf die Träger der gesetzlichen
Krankenversicherung (und somit auf eine Reihe inländischer
Krankenversicherungsträger) beschränkt ist. Voraussetzung für das Wahlrecht ist nach §
173 Abs. 1 SGB V die Versicherungspflicht nach § 5 SGB V. Der Kläger, der nach
deutschem Recht Alg bezieht, ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt SGB V in der deutschen
gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Zuständig für die gesetzliche
Krankenversicherung sind nach § 21 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB
I) die Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen, die See-Krankenkasse, die
landwirtschaftlichen Krankenkassen, die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-
Bahn-See und die Ersatzkassen. Andere - auch inländische Krankenkassen (etwa
private Krankenversicherungsunternehmen) - kann ein Versicherungspflichter daher
nicht im Wege des § 173 SGB V wählen.
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Auch der Einwand des Klägers, er seinen Alg-Anspruch aufgrund einer Beschäftigung
in den Niederlanden erworben und werde nun durch die Beschränkung der
Krankenkassenwahl diskriminiert, greift nicht durch. Es kann dahinstehen, ob und
inwieweit die Inanspruchnahme von Sozialversicherung (hier: die Herstellung von
Versicherungsschutz) überhaupt als Dienstleistung i.S.d. der Artt. 49 und 50 des
Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) qualifiziert werden kann.
Selbst wenn dies der Fall wäre, liegt keine unzulässige Beschränkung des freien
Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft vor, denn unter die
Beschränkungen, die Art. 49 EG verbietet, fallen nur solche Anforderungen, die an den
Leistenden (oder den Leistungsempfänger) namentlich aus Gründen seiner
Staatsangehörigkeit oder wegen des Fehlens eines ständigen Aufenthalts in dem Staat,
in dem die Leistung erbracht wird, gestellt werden und nicht auch für im Staatsgebiet
ansässige Personen gelten (EuGH, Urteil vom 3.12.1974, 33/74, Slg. 1974, 1299, 1309;
zu Staatsangehörigkeit und ständigem Aufenthalt als maßgeblichem Kriterium siehe
auch Urteil vom 17.12.1981, 279/80, Slg. 1981, 3305, 3306). An Artt. 49, 50 EG zu
messen sind daher nur solche Vorschriften, die auf Staatsangehörigkeit oder ständigen
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Aufenthalt des Leistenden oder des Leistungserbringers als maßgebliches
Unterscheidungskriterium abstellen. Behandelt eine Vorschrift hingegen Sachverhalte
ohne und Sachverhalte mit Bezug zum EU-Ausland völlig gleich, so stehen die Artt. 49,
50 EG ihr nicht entgegen. Die sich aus § 173 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB V
ergebende Beschränkung auf inländische Träger der gesetzlichen Krankenversicherung
stellt indes weder auf die Staatsangehörigkeit noch auf den ständigen Aufenthalt ab,
sondern knüpft an den Tatbestand der Versicherungspflicht (§ 5 SGB V) an. Sie macht
damit - wie dargelegt - die Wahl nicht nur eines ausländischen
Krankenversicherungsträgers unmöglich, sondern auch die eines inländischen privaten
Versicherungsunternehmens.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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