Urteil des SozG Aachen vom 13.01.2010

SozG Aachen (krankenversicherung, stationäre behandlung, sgg, argumentum e contrario, e contrario, örtliche zuständigkeit, plastische chirurgie, private krankenversicherung, versicherungspflicht, krankheitsfall)

Sozialgericht Aachen, S 19 SO 59/08
Datum:
13.01.2010
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
19. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 19 SO 59/08
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Beigeladene zu 2. wird verurteilt, an die Klägerin 8810,75 Euro
nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2008 zu
zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Gerichtskosten und
die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beigeladene zu 2.,
die außergerichtlichen Kosten des Beklagten und des Beigeladenen zu
1. trägt die Klägerin. Der Streitwert wird auf 8855,02 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
1
Die Klägerin begehrt die Kosten für eine stationäre Behandlung der Frau H (i.F.:
Patientin) in der Zeit vom 28.10.2007 bis zum 19.11.2007.
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Die am 00.00.00 geborene Patientin lebte während des Jahres 2006 zumindest
vorübergehend im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen zu 1. und hielt
sich nach eigenen Angaben aus Oktober 2007 gelegentlich bei einem Bekannten in
diesem Bereich auf. Ab September 2006 wurde sie mehrfach im Krankenhaus D auf
Kosten des Beigeladenen zu 1. behandelt. Eine Krankenversicherung bestand bis zum
24.11.2004 in Form einer Familienversicherung und besteht wieder seit dem 26.06.2009
aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II.
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Am 28.10.2007 wurde die Patientin im Rahmen einer Notfallbehandlung in der von der
Klägerin betriebenen Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie
aufgenommen. Die Klägerin unterrichtete den Beigeladenen zu 1. am Folgetag von der
Aufnahme und beantragte am 31.10.2007 Übernahme der Kosten, was der Beigeladene
zu 1.mit Bescheid vom 08.01.2008 mit der Begründung ablehnte, die Patientin sei
bereits im Jahre 2006 aus seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich abgemeldet worden
und seither unbekannten Aufenthalts. Über den am 110.02.2008 hiergegen eingelegten
Widerspruch ist noch nicht entschieden.
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Ferner beantragte die Klägerin am 07.02.2008 die Erstattung der Kosten beim
Beklagten. Dieser lehnte eine Übernahme mit Bescheid vom 15.04.2008 ab und führte
aus, weder der Aufenthalt noch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der
Patientin seien hinreichend aufklärbar gewesen. Den am 14.05.2008 erhobenen
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Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 12.06.2008 zurück und führte aus, für
die Patienin habe vorrangig eine sog. Bürgerversicherung bestanden.
Hiergegen richtet sich die am 30.06.2008 erhobene Klage.
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Die Klägerin hatte zunächst ausgeführt, ein vorrangiger Anspruch der Patientin
gegenüber der Beigeladenen zu 2. habe nicht bestanden, da die im Laufe der Jahre
2006 und 2007 seitens des Beigeladenen zu 1. gewährte Krankenhilfe als anderweitiger
Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall die sog. Bürgerversicherung
ausgeschlossen habe. Sie hat ihre Rechtsauffassung später dahingehend geändert,
dass grundsätzlich die Beigeladene zu 2. zur Vergütung der Behandlungsleistungen
verpflichtet ist.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten, hilfsweise die Beigeladene zu 2., höchsthilfsweise den Beigeladenen zu
1., unter Aufhebung des Bescheides vom 15.04.2008 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 12.06.2008 zu verurteilen, an sie 8.855,02 Euro nebst 5
% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2008 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die gegen ihn gerichtete Klage abzuweisen.
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Er hält sich für örtlich unzuständig und sieht im Übrigen eine Bürgerversicherung als
gegeben an.
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Der Beigeladene zu 1. beantragt,
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die gegen ihn gerichtete Klage abzuweisen.
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Er verneint - selbst für den Fall, dass ein Nothelferanspruch grundsätzlich gegeben wäre
- seine örtliche Zuständigkeit. Im Übrigen schließt er sich der Auffassung des Beklagten
zum Vorliegen einer Bürgerversicherung an.
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Die Beigeladene zu 2. beantragt,
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die gegen sie gerichtete Klage abzuweisen.
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Sie führt aus, die Voraussetzungen einer Bürgerversicherung seien nicht gegeben, da
eine Klärung des Versicherungsschutzes für die Zeit zwischen dem 25.11.2004 und
dem 26.06.2009 aufgrund der lückenhaften Angaben der Patientin nicht möglich sei. In
der mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene zu 2. mitgeteilt, sie habe den vom
Betreuer der Patientin gestellten Antrag auf Durchführung der Krankenversicherung in
der Zeit vom 01.04.2007 bis zum 25.06.2009 mit Bescheid vom 12.11.2009 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2009 abgelehnt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogenen
Verwaltungsakten des Beklagten und des Beigeladenen zu 1. sowie die Krankenakten
der Klägerin verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist insoweit begründet, als gem. § 75 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) die Beigeladene zu 2. zur Zahlung eines geringfügig niedrigeren Betrages als
von der Klägerin beantragt zu verurteilen ist. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen einen der beiden Sozialhilfeträger (dazu unten
1.), da die Patientin im Behandlungszeitraum versicherungspflichtig in der gesetzlichen
Krankenversicherung gewesen ist (dazu unten 1 b) und somit einen gegenüber dem
Sozialhilfeanspruch vorrangigen Anspruch auf Krankenbehandlung hatte. Aus diesem
Grund hat die Klägerin jedoch einen Anspruch gegenüber der Beigeladenen zu 2. als
zuständiger Krankenkasse (dazu unten 2.).
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1.) Soweit die Klägerin Kostenübernahme aus Mitteln der Sozialhilfe (hier: aufgrund der
Nothelferregelung in § 25 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch - Sozialhilfe - SGB XII)
begehrt (d.h. soweit sich die Klage gegen den Beklagten und den Beigeladenen zu 1.
richtet), ist die Klage unbegründet.
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a) Einem Nothelferanspruch der Klägerin gegenüber einem der beiden Sozialhilfeträger
gem. § 25 SGB XII steht entgegen, dass auch bei Kenntnis des Beklagten oder des
Beigeladenen zu 1. von der Behandlungsbedürftigkeit der Patientin kein Anspruch auf
Leistungen der Krankenhilfe (§ 48 SGB XII) bestanden hätte, denn der Anspruch des
Hilfebedürftigen auf Krankenschutz durch einen Träger der Krankenversicherung geht
einem Anspruch auf Krankenhilfe aus Sozialhilfemitteln vor, § 2 SGB XII.
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b) Die Patientin war im Behandlungszeitraum bei der Beigeladenen zu 2. gesetzlich
krankenversichert in der sog. Bürgerversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a
Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).
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aa) Hiernach besteht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für
Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben
und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren. Nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe
a SGB V versicherungspflichtig ist gem. § 5 Abs. 8a Satz 1 SGB V, wer nach § 5 Abs. 1
Nr. 1 bis 12 SGB V versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 SGB V
versichert ist. Entsprechendes gilt für Empfänger laufender Leistungen nach dem
Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII (§ 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V).
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bb) Die Patientin hatte während des Behandlungszeitraums keinen anderweitigen
Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall. Insbesondere führt die Tatsache, dass der
Beigeladene zu 1. seit September 2006 verschiedentlich die Kosten stationärer
Behandlungen etc. im Wege der Krankenhilfe nach § 48 SGB XII übernommen hat
(darunter auch die stationäre Behandlung im Krankenhaus Düren, die der Aufnahme bei
der Klägerin unmittelbar vorausgegangen ist) keinen solchen anderweitigen Anspruch,
denn § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V nimmt ausdrücklich nur die Bezieher laufender
Leistungen nach dem dritten, vierten, sechsten und siebten Kapitel des SGB XII von der
Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V aus, die "Bezieher" der fallweisen
Hilfen zur Gesundheit nach dem fünften Kapitel des SGB XII als sedes materiae der
Krankenhilfe fallen somit nicht unter den Ausschlusstatbestand nach § 5 Abs. 8a SGB V
(sog. argumentum e contrario). Der alleinige Bezug von Hilfe bei Krankheit gem. § 48
SGB XII stellt damit keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S.d. § 5 Abs. 1
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Nr. 13 SGB V dar (hierzu SG Aachen, Urteil vom 24.11.2009, S 20 SO 95/08).
cc) Die Patientin erfüllte während des Behandlungszeitraums auch die
Tatbestandsvoraussetzung, zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen zu sein. Die
Familienversicherung der Patientin bei der Beigeladenen zu 2., die nach deren
Angaben bis zum 24.11.2004 bestanden hat, erfüllt den Tatbestand einer gesetzlichen
Krankenversicherung i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V, denn das Gesetz stellt für die
Bürgerversicherung ausdrücklich auf das Bestehen einer gesetzlichen
Krankenversicherung, nicht aber auf eine Versicherungspflicht bzw. den Status als
Mitglied ab.
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dd) Es ist nicht ersichtlich, dass zwischenzeitlich eine andere Krankenversicherung
bestanden hätte. Bei einer Würdigung der Gesamtumstände, die dem Gericht aus den
Akten des Beklagten, des Beigeladenen sowie den Krankenakten der Klägerin über die
Lebensverhältnisse der Patientin zwischen November 2004 und dem
Behandlungszeitraum bekannt sind, erscheint es hinreichend unwahrscheinlich, dass
nach dem Ende privat gegen Krankenheit versichert gewesen ist oder dass eine
gesetzliche Krankenversicherung bei einem anderen Träger als der Beigeladenen zu 2.
bestanden hat. Die Patientin hat - nach eigenen Angaben gegebüber dem
Beigeladenen zu 1. - nach dem Ende eines Sozialhilfebezugs im Jahr 2004 keine
laufenden Leistungen mehr bezogen und auch keinerlei Einkommen erzielt. Sie hatte
auch keinen festen Wohnsitz, sondern hat seit Anfang 2005 bei verschiedenen
Personen gelebt. Verschiedene in der Akte des Beigeladenen zu 1. befindliche
Krankenunterlagen sprechen von Heroinabhängigkeit, Kachexie (Auszehrung) bei
Mangelernährung, Polytoxikomanie, chronischer Virushepatitis C sowie ausgedehnten
Unterarmphlegmonen mit Nekrose. All dies lässt auf Lebensumstände schließen, in
denen es sehr unwahrscheinlich erscheint, dass die Patientin anderweitig gegen
Krankheit abgesichert gewesen ist, zumal sie gegenüber der Landeskrankenhaus D
GmbH am 05.10.2006 mitgeteilt hat, sie sei nicht krankenversichert, eine Versicherung
bei der Beigeladenen zu 2. habe lediglich bis "vor ca. 1 Jahr" bestanden.
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dd) Dass eine Krankenversicherung möglicherweise nicht bis unmittelbar vor dem
Behandlungszeitraum bestanden hat, ist unbeachtlich. § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a
SGB V setzt nicht voraus, dass einer möglichen "Bürgerversicherung" eine gesetzliche
Krankenversicherung zeitlich unmittelbar vorausgegangen sein muss (hierzu und zum
folgenden LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.10.2008, L 5 B 75/08 KR ER;
SG Aachen, Urteil vom 24.11.2009, S 20 SO 95/08). Das Erfordernis einer "zuletzt"
bestehenden gesetzlichen Krankenversicherung dient lediglich einer Verteilung der
unter § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ("Bürgerversicherung") fallenden Personen auf die
Bereiche der Gesetzlichen und der Privaten Krankenversicherung (LSG Baden-
Württemberg, Beschluss vom 25.02.2009, L 11 KR 497/09 ER-B). Insbesondere sollen
Personen, die bisher keinen Bezug zur gesetzlichen Krankenversicherung hatten, vom
Versicherungsschutz der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen (vgl. BT-
Drucksache 16/3100, S. 94) und dem System der Privaten Krankenversicherung (sog.
Basistarif nach § 178a Abs. 5 Versicherungsvertragsgesetz - VVG) zugeordnet werden.
Maßgeblich für die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V ist
somit, dass die letzte Krankenversicherung vor dem fehlenden anderweitigen Anspruch
auf Absicherung im Krankheitsfall eine gesetzliche Krankenversicherung (und nicht eine
private Krankenversicherung) gewesen ist (vgl. Schreiben des BMG vom 05.01.2009;
SG Aachen, Beschluss vom 15.05.2009, S 13 KR 71/09 ER).
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ee) Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V scheitert
insbesondere auch nicht an einem fehlenden Antrag der Patientin. Die
Versicherungspflicht setzt keinen solchen Antrag voraus, sondern entsteht kraft
Gesetzes (ausführlich SG Aachen, Urteil vom 24.11.2009, S 20 SO 95/08). Sie beginnt
nach Maßgabe von § 186 Abs. 11 Satz 1 und 3 SGB V entweder mit dem ersten Tag
ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall oder aber mit dem
01.04.2007 (wofür im vorliegenden Fall einiges spricht).
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ff) Die Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2. ergibt sich aus § 174 Abs. 5 SGB V,
wonach Versicherungspflichtige nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Mitglied der
Krankenkasse werden, bei der sie zuletzt versichert waren.
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2.) Soweit sich die Klage gegen die Beigeladene zu 2. richtet, ist sie größtenteils
begründet.
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a) Die förmlichen Voraussetzungen zur Verurteilung der Beigeladenen zu 2. sind erfüllt.
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aa) Sie ist Versicherungsträger i.S.d. § 75 Abs. 5 SGG. Dass Krankenhilfe nach
Sozialhilferecht und Versicherungspflicht in der Krankenversicherung rechtlich gesehen
verschiedene Dinge sind, steht einer Verurteilung auf Beiladung nicht entgegen, denn §
75 Abs. 5 SGG setzt nur eine "grundsätzliche" Identität der fraglichen Ansprüche voraus
(vgl. BSG, Urteil vom 24.05.1984, 7 RAr 15/82, SozR 220 § 1237a Nr. 25). die hier
gegeben ist, da es der Klägerin der Sache nach um Übernahme der Behandlungskosten
geht. Weiterhin kommt eine Verurteilung nach § 75 Abs. 5 SGB V auch dann in Betracht,
wenn beide fraglichen Ansprüche in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander
stehen (BSG, Urteil vom 15.11.1979, 11 RA 9/79, SozR 5090 § 6 Nr. 4), das sich im
vorlegenden Fall wiederum aus der Nachrangigkeit der Sozialhilfe gegenüber dem
Krankenversicherungsschutz aus der Gesetzlichen Krankenversicherung ergibt.
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Dass die Beigeladene den Antrag der Patientin auf Durchführung der
Krankenversicherung in der Zeit vom 01.04.2007 bis zum 25.06.2009 mit Bescheid vom
12.11.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2009 abgelehnt
hat, steht einer Verurteilung ebenfalls nicht entgegen. Es kann dahinstehen, welche
Rechtswirkungen ein bestandskräftiger Versagungsbescheid gegenüber der Patientin
im Verhältnis zur Klägerin hätte und ob eine solcher Bescheid grundsätzlich der
Verurteilung nach § 75 Abs. 5 SGG entgegenstünde, denn die Versagung ist bislang
nicht bestandskräftig und damit bindend (§ 77 SGG) erfolgt.
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b) Die Klägerin kann von der Beigeladenen zu 2. Vergütung nach den Vorschriften der
gesetzlichen Krankenversicherung verlangen.
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aa) Die Patientin war - wie dargelegt worden ist - im Behandlungszeitraum bei der
Beigeladenen zu 2. gesetzlich krankenversichert. Die Klägerin kann daher von der
Beigeladenen zu 2. aufgrund § 109 Abs. 4 SGB V i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2
SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch des versicherten Patienten
Vergütung ihrer Behandlungen verlangen. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse
entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung des Versicherten (BSG,
Urteil vom 13.12.2001, B 3 KR 11/01 R, SozR 3-2500 § 112 Nr. 2; Urteil vom
23.07.2002, B 3 KR 64/01 R, SozR 3-2500 § 112 Nr. 3).
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bb) Anhaltspunkte, die für einen niedrigeren als den geltend gemachten
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Vergütungsanspruch sprechen,liegen bis auf den (nur gegenüber der Beigeladenen zu
2. und nicht auch den anderen Beteiligten einschlägigen) Abschlag nach § 8 Abs. 9 des
Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) in der vom 01.01.2007 bis 31.12.2008
geltenden Fassung nicht vor. Hiernach vermindert sich der Rechnungsbetrag um 0,5
Prozent auf 8.810,75.
cc) Der Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (30.06.2008) beruht auf entsprechender Anwendung
von §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
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3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. den
Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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a) Die Kammer weicht insoweit ausdrücklich von der Rechtsprechung des BSG
(Beschluss vom 11.06.2008, B 8 SO 45/07 B) ab, wonach Nothelfer wie
Leistungsempfänger kostenrechtlich zu privilegieren (§§ 183, 193 SGG) sind.
Fallkonstellationen wie die vorliegende zeigen, dass die im Hauptantrag auf den
Nothelferanspruch nach § 25 SGB XII gestützten Klagen auf Übernahme von
Behandlungskosten der Sache nichts anderes ist als Leistungserbringerstreitigkeiten.
Da es nicht vom Ausgang des Rechtsstreits abhängen kann, welches der beiden
Kostenregime des SGG Anwendung findet, erscheint es billig und dem Zweck von §
197a SGG entsprechend, denjenigen Nothelfer nicht nach den §§ 183, 193 SGG zu
privilegieren, dessen Nothilfehandlung sich nicht von den Leistungen unterscheidet, die
er ansonsten gegen Entgelt erbringt (vgl. bereits Urteil der Kammer vom 29.04.2009, S
19 (20) SO 14/08).
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b) Die Beigeladene zu 2. hat die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der
Klägerin zu tragen, soweit sie verurteilt worden ist (§ 197a Abs. 2 Satz 1 SGG).
Angesichts dessen, dass die Klägerin - gemessen an ihrem eigentlichen Klageantrag -
nur geringfügig (0,5 Prozent) unterlegen ist, hält die Kammer es für angemessen, der
Beigeladenen zu 2. die Kosten insoweit in voller Höhe aufzuerlegen. Auch ihre eigenen
Kosten trägt sie selbst. Hinsichtlich eines Anspruchs der Klägerin auf Kostenübernahme
aus Sozialhilfemitteln haben der Beklagte und der Beigeladene zu 1. in vollem Umfang
obsiegt. Da sie auch durch Stellung eigener Anträge ein eigenes Kostenrisiko
eingegangen sind, hat die Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten, §§ 155
Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
43
4.) Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1
des Gerichtskostengesetzes (GKG).
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