Urteil des SozG Aachen vom 22.02.2011

SozG Aachen: eheliche wohnung, beihilfe, verfügung, versorgung, gerichtsakte, einverständnis, pauschal, kreis, kauf, rente

Sozialgericht Aachen
Urteil vom 22.02.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Aachen S 20 SO 142/10
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der erstattungsfähigen Kosten für die Erstausstattung und die
Einzugsrenovierung einer Wohnung. Der Kläger begehrt von der Beklagten über die hierfür anerkannten 706,00 EUR
hinaus weitere 179,00 EUR, von denen 155,00 EUR auf die Erstausstattung und 24,00 EUR auf die Renovierung
entfallen.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist als Schwerbehinderter anerkannt nach einem Grad der Behinderung von 80
(Merkzeichen G). Er ist verheiratet. Bei der AOK Rheinland/Hamburg ist er gesetzlich krankenversichert. Er bezieht
von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe
von 844,25 EUR (Stand: Juli 2010). Bis 30.06.2010 wohnte der Kläger in C ... Anfang 2010 trennten sich die Eheleute;
die gemeinsame Wohnung war dem Kläger zu teuer und sozialhilferechtlich unangemessen; die eheliche Wohnung
wurde bis Ende Juli 2010 aufgelöst; die Möbel wurden aufgeteilt. Ab 01.07.2010 mietete der Kläger eine neue
Wohnung in X. Die Nettokaltmiete für die 42 qm große Wohnung beträgt 215,00 EUR; zuzüglich eines monatlichen
Betriebskostenvorschusses von 100,00 EUR beträgt die Gesamtmiete 315,00 EUR. Die Stadt X. übernahm die
Mietkaution von 430,00 EUR als Darlehen aus Mitteln der Sozialhilfe.
Am 03.08.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erstattung der Kosten für die Renovierung der neuen
Wohnung und die Erstausstattung mit Möbeln. Er bezifferte die Kosten wie folgt: - für Renovierung 150,00 EUR - für
eine gebrauchte Küche 350,00 EUR - für einen Kleiderschrank 150,00 EUR - für ein Bett einschließlich
Spezialmatratze 235,00 EUR insgesamt: 885,00 EUR Er legte hierzu einen Beleg über den Kauf einer Einbauküche
zum Preis von 350,00 EUR vor, des weiteren eine von ihm und seiner Ehefrau unterschriebenen Erklärung über die
Haushaltsauflösung wegen der erfolgten Trennung und eine Erklärung der Ehefrau, aus der sich die Kosten für Bett
und Kleiderschrank ergaben. Bezüglich der beantragten Kosten der Renovierung in Höhe von 150,00 EUR nahm der
Kläger im Antrag auf die "amtliche Pauschale" Bezug.
Durch Bescheid vom 09.08.2010 anerkannte die Beklagte als einmalige Bedarfe - für Renovierung (pauschal) 126,00
EUR - für eine Küche 350,00 EUR - für einen dreiteiligen Kleiderschrank 102,00 EUR - für ein Einzelbett (ohne
Matratze) 77,00 EUR - für eine Federkernmatratze 51,00 EUR insgesamt 706,00 EUR. Als weiteren
sozialhilferechtlichen Bedarf (Regelbedarf, Mehrbedarf, Kosten der Unterkunft und Heizungskosten) erkannte sie
735,03 EUR an. Von dem anerkannten Gesamtbedarf von 1.441,03 EUR verblieb nach Abzug der um
Versicherungsbeiträge in Höhe von 8,40 EUR verminderten Erwerbsminderungsrente ein Grundsicherungsbedarf für
den Monat August 2010 in Höhe von 605,18 EUR. Diesen Betrag zahlte die Beklagte an den Kläger aus.
Den hiergegen am 17.08.2010 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom
27.10.2010 zurück. Sie wies daraufhin, dass alle Gegenstände bereits zum Antragszeitpunkt gekauft gewesen seien.
Sie hätten aber günstiger gekauft werden können. Die bewilligte Beihilfe habe sich an Preisen aus
Gebrauchtmöbellagern orientiert.
Dagegen hat der Kläger am 04.11.2010 Klage erhoben, ohne diese - trotz ausführlicher Hinweise des Gerichts - zu
begründen.
Der Kläger beantragt dem Sinne seines schriftsätzlichen Vorbringens nach,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 09.08.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
27.10.2010 zu verurteilen, ihm über die anerkannten 706,00 EUR hinaus für Renovierung und
Wohnungserstausstattung weitere 179,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, sie hätte den Antrag des Klägers auch vollständig ablehnen können, weil er die Möbel zum
Zeitpunkt der Antragstellung bereits angeschafft habe. Gleichwohl habe sie sich entschlossen, Hilfe zu gewähren. Die
Versorgung eines Hilfeempfängers mit Gebrauchtmöbeln sei grundsätzlich ausreichend. Vergleichsberechnungen und
Erhebungen bei Gebrauchtmöbellagern bestätigten, dass die bewilligten Hilfen sachgerecht und angemessen seien.
Zu den Renovierungskosten habe der Kläger keine Belege vorgelegt; eine Pauschale (ohne weitere Nachweise) im
bewilligten Umfang von 126,00 EUR sei für eine 42 qm große Wohnung (3,00 EUR pro qm) angemessen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden
Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, konnte die Kammer verhandeln und
entscheiden, weil der Kläger auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Er hat eine Viertelstunde vor Beginn des
Termins telefonisch mitgeteilt, dass er erkrankt sei und an dem Verhandlungstermin nicht teilnehmen könne. Zugleich
hat er - ausdrücklich auch per E-Mail - sein Einverständnis erklärt, dass in seiner Abwesenheit entschieden werden
könne.
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Kosten für die
Erstausstattung seiner Wohnung in Höhe von 155,00 EUR und für deren Renovierung in Höhe von 24,00 EUR,
insgesamt weitere Kosten von 179,00 EUR.
Erstausstattung für die Wohnung
Als dauerhaft erwerbsgeminderte Person gehört der Kläger zum Kreis der Berechtigten, die Anspruch auf Leistungen
der Grundsicherung bei Erwerbsminderung haben (§ 41 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII), soweit sie
sozialhilfebedürftig sind (§ 19 Abs. 2 SGB XII). Gemäß § 42 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII werden
Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung gesondert erbracht. Sie werden auch erbracht, wenn die
Leistungsberechtigten keine Regelsatzleistungen benötigen, den Bedarf jedoch aus eigenen Kräften und Mitteln nicht
voll decken können (§ 31 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Die Beklagte hat die beantragten Kosten für die Küche in vollem
Umfang anerkannt. Von den geltend gemachten Kosten für ein Bett einschließlich Matratze in Höhe von 235,00 EUR
hat sie lediglich 128,00 EUR (Differenz: 107,00 EUR), für die Kosten eines Kleiderschranks in Höhe von 150,00 EUR
lediglich 102,00 EUR (Differenz: 48,00 EUR) anerkannt. Zwischen geltend gemachten und anerkannten Kosten für die
Erstausstattung der Wohnung bleibt also eine Differenz von 155,00 EUR. Abgesehen davon, dass der Kläger sich die
Möbel bereits angeschafft hatte, bevor er bei der Beklagten einen entsprechenden Sozialhilfeantrag gestellt hat,
mithin der Bedarf zu diesem Zeitpunkt schon gedeckt war, besteht kein Anspruch auf Erstattung weiterer
Erstausstattungskosten von 155,00 EUR, weil diese das Maß des Angemessenen überschreiten. Unter
Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten ist ein sozialhilferechtlicher Bedarf (auch) durch Gebrauchtmöbel zu decken (so
schon: BVerwG, Urteile vom 14.03.1991 - 5 C 70/86 - und vom 01.10.1998 - 5 C 19/97; LSG NRW, Beschluss vom
10.11.2010 - L 20 SO 436/10 NZB). Grundsätzlich gilt bei Leistungen für Erstausstattung für die Wohnung das
Sachleistungsprinzip, d. h. der Sozialhilfeträger stellt Möbel zur Verfügung, indem er auf Lieferquellen (Möbellager)
verweist. Bei einer Selbstbeschaffung müssen die Kosten vorher beim Sozialhilfeträger genehmigt werden. Unter
diesen Voraussetzungen ist die Beklagte schon weiter gegangen als sie es hätte tun müssen, da der Kläger den
Beschaffungsweg nicht eingehalten hat, indem er sich erst die Möbel selbst beschafft und danach Erstattung der
Kosten beantragt hat. Die Höhe der von der Beklagten anerkannten Erstausstattungskosten sind auch in Bezug auf
den Kleiderschrank und das Bett mit Matratze nicht zu beanstanden. Aktuelle Internetrecherchen über "Google"
belegen, dass - ein Einzelbett zu Preisen von 77,00 EUR (bei "lifestyle4living") oder auch darunter (z.B. für 56,90
EUR bei Ebay) - eine Federkernmatratze (neu!) für 49,99 EUR (Fa. Breckle, erhältlich über OTTO-Versand) - ein 3-
türiger Kleiderschrank gebraucht für 60,00 EUR (z.B. bei Ebay). Im Hinblick darauf sind die von der Beklagten
anerkannten Erstausstattungskosten auch für das Bett mit Matratze und den Kleiderschrank (mehr als)
angemessen.).
Renovierungskosten
Gemäß § 42 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII werden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der
tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Zu den Kosten der Unterkunft gehören auch die Kosten einer
Einzugsrenovierung; dies sind Wohnungsbeschaffungskosten, die gem. § 29 Abs. 1 Satz 7 SGB XII bei vorheriger
Zustimmung übernommen werden können. Die Kosten einer Einzugsrenovierung sind dann angemessene Kosten der
Unterkunft, wenn die Einzugsrenovierung ortsüblich und erforderlich zur Herstellung des Wohnstandards im unteren
Wohnsegment ist (BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R). Abgesehen davon, dass der Kläger die
Einzugsrenovierung ohne vorherige Zustimmung der Beklagten durchgeführt hat, sind die von ihm bei der
Antragstellung geltend gemachten Kosten von 150,00 EUR weder tatsächlich belegt noch in diesem pauschalem
Umfang angemessen. Für eine 42 qm große Wohnung sind 3,00 EUR pro qm, also 126,00 EUR sachgerecht und
angemessen. Diesen Betrag hat die Beklagte auch als sozialhilferechtlichen Bedarf anerkannt. Einen Anspruch auf
Erstattung weiterer 24,00 EUR für die Renovierung der Wohnung hat der Kläger nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Kammer hat keine Veranlassung gesehen, die Berufung zuzulassen, da sie der Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung beimisst (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG).