Urteil des SozG Aachen vom 09.01.2007

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Sozialgericht Aachen, S 11 AS 96/06
Datum:
09.01.2007
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 11 AS 96/06
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Der Beklagte hat die Kosten des Klägers zu
1/3 zu erstatten.
Tatbestand:
1
Der Kläger begehrt eine einmaligen Beihilfe für die Anschaffung eines Schreibtisches
für seinen schulpflichtigen Sohn.
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Der Kläger steht im laufenden Leistungsbezug. Er ist Vater zweier Söhne, die
ursprünglich bei deren Mutter lebten. Am 22.03.2005 beantragte er Leistungen, um den
Söhnen in seiner Wohnung ein Zimmer einrichten zu können, da diese 8-10 Tage pro
Monat bei ihm lebten, und konkretisierte den Antrag am 24.02.2006 dahingehend, dass
er zwei Kinderbetten, einen Kleiderschrank, einen Arbeits- und Schreibtisch, einen
Schrank oder eine Kommode für Spielsachen sowie eine Kindersitzgruppe benötige.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28.04.2006 mit der Begründung ab,
im Haushalt der Mutter sei bereits ein Kinderzimmer vorhanden, und bot dem Kläger
lediglich ein entsprechendes Darlehen an. Den am 26.05.2006 erhobenen Widerspruch
wies sie mit Bescheid vom 19.07.2006 zurück.
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Hiergegen richtet sich die am 31.07.2006 erhobene Klage.
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Die Beklagte hat angesichts des dauerhaften Einzugs beider Söhne beim Kläger eine
Beihilfe zur Anschaffung von zwei Kinderbetten und zwei 2-türigen Kleiderschränken
erbracht.
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Der Kläger begehrt zusätzlich eine Beihilfe zur Anschaffung eines kindgerechten
Schreibtisches für seinen schulpflichtigen Sohn.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.04.2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheids vom 19.07.2006 zu verurteilen, dem Kläger eine einmalige
Beihilfe zur Anschaffung eines kindgerechten Schreibtisches zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie führt aus, ein eigener Schreibtisch für schulpflichtige Kinder sei kein existentiell
notwendigen Bedarf, für den eine Beihilfe zur Erstausstattung gewährt werden könne.
Es könne Kindern zugemutet werden, die Hausaufgaben am Esstisch zu erledigen. Des
Weiteren könne der Kläger - ggfs. unter Inanspruchnahme des angebotenen Darlehens -
auch gebrauchte Möbel erwerben. Hierfür stünde ihm auch die in der Regelleistung
enthaltene Ansparpauschale zur Verfügung. Auch gebe es in Zeitschriften regelmäßig
Angebote, wonach Einrichtungsgegenstände zu verschenken seien. Schließlich sei
anlässlich eines im Oktober 2006 durchgeführten Hausbesuchs festgestellt worden,
dass das von den beiden Kindern bewohnte Zimmer u.a. bereits mit einem gebrauchten
Schreibtisch nebst Schreibtischstuhl ausgestattet sei und der Kläger außerdem noch
über zwei weitere Tische (einen Esstisch und einen eigenen Schreibtisch) verfüge.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die beigezogene
Verwaltungsakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten
sind nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der
Kläger hat keinen Anspruch eine einmalige Beihilfe zur Anschaffung eines
Schreibtisches.
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Als Anspruchsgrundlage kommt vorliegend nur § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in
Betracht. Nach dieser Vorschrift haben Hilfebedürftige Anspruch auf eine einmalige
Beihilfe zur Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten.
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Die Anschaffung eines eigenen Schreibtisches für ein schulpflichtiges Kind ist keine
Erstausstattung i.S.d. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Zur Erstausstattung gehören
sämtliche Gegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung und ein
menschenwürdiges Wohnen erforderlich sind (SG Dresden, Beschluss vom 29.05.2006,
S 23 AS 802/06 ER; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.07.2005, L 3 ER 45/05 AS,
Lang in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 23 Rn. 101; Rothkegel in: Gagel, SGB III, §
23 SGB II, Rn. 64). Zu beachten ist hierbei auch das sog. Abstandsgebot gegenüber den
Lebensverhältnissen der Bezieher niedriger Erwerbseinkommen (zu dessen Geltung im
SGB II etwa LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.05.2006, L 10 AS 1093/05). Da der
Kläger sowohl über einen Esstisch als auch über einen eigenen Schreibtisch verfügt, ist
ein hilferechtlicher Bedarf für einen weiteren Schreibtisch nicht erkennbar. Nach
Auffassung der Kammer ist es auch in Haushalten niedriger Einkommensgruppen nicht
unüblich, dass Kinder ihre Hausaufgaben am Esstisch erledigen und keinen
gesonderten Schreibtisch in ihrem Kinderzimmer haben. Dass ein Kind unter diesen
Umständen die Hausaufgaben möglicherweise nur dann erledigen kann, wenn es im
Wohnzimmer hinreichend ruhig ist, ändert hieran nichts, denn es steht in der Macht der
Eltern, auf die erforderliche Ruhe hinzuwirken; im Übrigen ist das Kind auch im
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Kinderzimmer (dass der schulpflichtige Sohn zusammen mit seinem jüngeren Bruder
bewohnt) auch nicht zwingend ungestört. All dies gilt auch angesichts der Tatsache,
dass es sich im vorliegenden Fall nicht um "kindgerechte" (d.h. der Körpergröße von
Kindern angepasste) Schreibtische handelt. Hier kann im Einzelfall lediglich die
Beschaffung eines entsprechenden Stuhles geboten sein, was indes nicht Gegenstand
der Klage ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass Veranlassung
zur Klageerhebung nur hinsichtlich Bett und Schrank für den älteren Sohn bestanden
hat.
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