Urteil des SozG Aachen vom 13.08.2010

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Sozialgericht Aachen, S 6 (8) U 86/08
Datum:
13.08.2010
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 6 (8) U 86/08
Sachgebiet:
Unfallversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten um die Entschädigung eines Arbeitsunfalls vom 00.00.2007.
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Der am 00.00.0000 geborene Kläger erlitt am 00.00.2007 einen Arbeitsunfall, als die
Klappe eine LKW während eines Säuberungsvorgangs der Ladefläche gegen seine
rechte Schulter schlug. Der Durchgangsarztbericht vom 00.00.2007 spricht von einem
Verdacht auf Ruptur der Rotatorenmanschette rechts bei Zustand nach
Rotatorenmanschettenläsion links. Die Beklagte holte einen Bericht des medizinischen
Zentrums im Kreis B. (Klinik für Unfallchirurgie) vom 00.00.2007 ein (wo zu Lasten der
Krankenkasse des Klägers am 00.00.2007 eine Operation seiner rechten Schulter
durchgeführt wurde). Darin wird ausgeführt, das Unfallereignis vom 00.00.2007 sei nicht
geeignet gewesen, die Verletzung an der rechten Rotatorenmanschette des Klägers
hervorzurufen. Bereits vor Jahren habe ein gleichartiges Leiden an der linken Schulter
bestanden. Nach Auswertung weiterer Berichte der unfallchirurgischen Klinik des K. Y.
vom 00.00.2007 (Bericht betreffend die Operation der rechten Schulter), 00.00.,
00.00.2007 und 00.00.2008 sowie des Arztes für diagnostische Radiologie Dr. T. vom
16.05.2007 und des Arztes für Pathologie Dr. H. vom 29.05.2007 zog die Beklagte von
der zuständigen Krankenkasse ein Vorerkrankungsverzeichnis bei. Anschließend
lehnte sie eine Entschädigung mit Bescheid vom 26.08.2009 ab. Zur Begründung führte
sie aus, der Arbeitsunfall habe zu einem Distorsions- und Anpralltrauma der
Schulterregion rechts geführt, aus dem keine Minderung der Erwerbsfähigkeit resultiere.
Die beim Kläger vorliegende Rotatorenmanschettenruptur rechts bestehe auf einem
Vorschaden. Der Kläger legte am 00.00.2009 Widerspruch ein und führte aus, er habe
1999 einen Arbeitsunfall erlitten, der zu einer Schädigung der Rotatorenmanschette der
linken Schulter (mit nachfolgender Operation) geführt habe. Die Beklagte wies den
Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2008 (abgesandt am 05.11.2008)
unter Vertiefung ihrer bisherigen Ausführungen zurück.
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Hiergegen richtet sich die am 08.12.2008 erhobene Klage.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.08.2008 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 30.10.2008 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des
Arbeitsunfalles vom 00.00.2007 Verletztenrente nach Maßgabe der gesetzlichen
Vorschriften zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen eine Begutachtung
des Klägers durch den Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie des N. B., Herrn Dr. C.
(sowie ein radiologisches Zusatzgutachten), veranlasst. Dr. C. hat in seinem unter dem
09.07.2009 erstellten Gutachten ausgeführt, beim Kläger habe ein Vorschaden an der
Rotatorenmanschette der rechten Schulter bestanden, der durch den Unfall
symptomatisch geworden sei. Auf Antrag des Klägers ist sodann ein weiteres Gutachten
des Arztes für Orthopädie Dr. T. vom 09.02.2010 eingeholt worden. Dr. T. hat darin
ausgeführt, zum Unfallzeitpunkt habe bereits eine Defektzone an der rechten
Rotatorenmanschette des Klägers vorbestanden. Das zum jetzigen Zeitpunkt schlechte
funktionelle Ausheilungsergebnis sei jedoch möglicherweise durch die schon gut zwei
Wochen später (am 00.00.2007) erfolgte Operation der rechten Schulter mitbewirkt
worden. Dieser Operationszeitpunkt sei deshalb problematisch, weil die
prellungsbedingten Reizungen in diesem kurzen Zeit noch nicht hätten abklingen
können.
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Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der genannten Unterlagen
verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf
die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die
Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen
Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat keinen Anspruch auf Entschädigung
des Unfalls vom 00.00.2007.
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Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche
Unfallversicherung (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines
Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um
wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Die Höhe der Rente richtet sich
nach dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit, § 56 Abs. 3 SGB VII.
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Die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der Gesetzlichen
Unfallversicherung wegen eines Arbeitsunfalls setzt voraus, dass der Zusammenhang
zwischen dem Arbeitsunfall und dem Gesundheitsschaden, dessen Entschädigung
begehrt wird, zwar nicht nachgewiesen, aber hinreichend wahrscheinlich gemacht wird.
Die bloße Möglichkeit eines Zusammenhangs reicht nicht aus. Der Zusammenhang ist
vielmehr unter Berücksichtigung der herrschenden unfallmedizinischen Lehrauffassung,
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die bei der Beurteilung maßgeblich ist (BSG, Urteil vom 12.11.1986, 9 B RU 76/86 =
juris), erst dann gegeben, wenn mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und
ernste Zweifel an einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG, Urteil vom
02.02.1978, 8 RU 66/77 = BSGE 45, 285, 286). Die für den Kausalzusammenhang
sprechenden Umstände müssen die gegenteiligen deutlich überwiegen.
Der Kläger leidet an keinen Erkrankungen, die ursächlich auf den Arbeitsunfall vom
00.00.2007 zurückzuführen sind.
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Das Gericht entnimmt dies dem Gutachten von Dr. C ... Der Sachverständige ist
aufgrund eingehender Untersuchung und sorgfältiger Befunderhebung sowie unter
Berücksichtigung der übrigen vorliegenden medizinischen Unterlagen zu der von ihm
vorgenommenen Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis
und den bei dem Kläger vorliegenden Erkrankungen gelangt. Anhaltspunkte für eine
unvollständige Befunderhebung oder unzutreffende Beurteilung sind nicht ersichtlich.
Die Ausführungen des Sachverständigen sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und
überzeugend begründet. Die Kammer hat daher keine Bedenken, sich seiner
Einschätzung anzuschließen.
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Die Ausführungen von Dr. C. werden im Übrigen auch durch den Sachverständigen Dr.
T. bestätigt. Dieser hat in seinem ebenfalls überzeugenden Gutachten vom 09.02.2010
ausgeführt, die Röntgenbildaufnahmen hätten bereits am Unfalltag klassische Zeichen
einer sog. Panarthrose des rechten Schultereckgelenks mit Beteiligung des
Schultergleitgewebes und einen Oberarmkopfhochstand gezeigt. Überdies spreche das
flächige Anpralltrauma am 00.00.2007 gegen einen Ursachenzusammenhang.
Schliesslich erwähne der Durchgangsarztbericht nicht einmal eine Prellmarke des
Klägers und die Hebung seines rechten Armes sei - wenngleich unter starken
Schmerzen - aktiv möglich gewesen, was gegen eine frisch entstandene Läsion der
(rechten) Rotatorenmanschette spreche. Hinzu kommt, dass Dr. T. ein Videoprotokoll
des Operationsvorgangs vom 24.05.2007 einsehen konnte und ausgeführt hat, diese
Aufnahmen sprächen zweifelsfrei gegen eine frische Rupturschädigung. Schliesslich
wird auch im Bericht des med. Zentrums im L. B. vom 22.05.2007 ausgeführt, dass das
Unfallereignis nicht geeignet war, die Rotatorenmanschetten- verletzung der rechten
Schulter des Klägers hervorzurufen.
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Eine Entschädigung steht dem Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt zu, dass die
bereits zwei Wochen nach dem Unfallereignis durchgeführte Operation seiner rechten
Schulter zu einem schlechten funktionellen Ausheilungsergebnis geführt hat. Denn die
Entschädigung von Komplikationen oder Gesundheitsschäden als mittelbare
Unfallfolgen kommt nur dann in Betracht, wenn die ärztliche Handlungstendenz darauf
gerichtet ist, Unfallfolgen zu behandeln und Diagnosen oder Behandlungen in dem
Sinne fehlerhaft sind, dass der diagnostische oder therapeutische Eingriff ärztlich nicht
indiziert ist und/oder der Gesundheitsschaden auf einen Kunstfehler zurückzuführen ist
(vgl. BSG, Urteil vom 05.08.1993, 2 RU 34/92 = juris, Rdnr. 18). Diese Voraussetzungen
liegen jedoch nicht vor. Es fehlt bereits an der vom BSG geforderten Handlungstendenz.
Denn die Operation der rechten Schulter des Klägers am 24.05.2007 war nicht darauf
gerichtet, Unfallfolgen zu behandeln, sondern die Folgen der "ausgeprägten
degenerativen Veränderung des Schultereckgelenks mit Impingmentsyndrom" zu
kurieren (vgl. nur Bericht der Klinik für Unfallchirurgie des med. Zentrums im L. B. vom
30.05.2007, Bl. 38 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten). Dem entsprechend wurde
die Operation zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt und
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abgerechnet. Überdies steht zur Überzeugung der Kammer keinesfalls fest, dass die
frühe Operation der rechten Schulter des Klägers am 24.05.2007 zu den von Dr. T.
festgestellten Bewegungseinschränkungen geführt hat. Der Sachverständige Dr. T. hat
es lediglich für möglich gehalten, dass die gut zwei Wochen nach dem Unfall erfolgte
Operation das schlechte Ausheilungsergebnis mitbewirkt hat (Seite 28 oben des
Gutachtens, Bl. 92 der Gerichtsakte). Eine Ursächlichkeit im vom BSG geforderten
Sinne zwischen "verfrühter" Operation und den heute bestehenden Beschwerden des
Klägers hat er nicht festzustellen vermocht. Selbst wenn man aber diese Ursächlichkeit
bejahen wollte, so fehlte es an der Fehlerhaftigkeit des Eingriffs. Denn der Eingriff als
solcher war auch nach den Ausführungen von Dr. T. zweifelsfrei indiziert und einen
ärztlichen Kunstfehler hat selbst dieser Sachverständige ausdrücklich nicht zu erkennen
vermocht (Seite 28 unten des Gutachtens, Bl. 92 der Gerichtsakte).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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