Urteil des SozG Aachen vom 02.07.2004

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Sozialgericht Aachen, S 8 AL 23/04
Datum:
02.07.2004
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 8 AL 23/04
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 19 (9) AL 151/04
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Klagen werden abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des
Verfahrens.
Tatbestand:
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Streitig sind Ansprüche der Klägerin auf Auszahlung von Vermittlungsvergütungen.
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Die Klägerin betreibt Personaldienstleistungen. Sie beantragte die Auszahlung von
Vermittlungsvergütungen für die Vermittlung von Beschäftigungsverhältnissen der
Arbeitnehmer T, H, C1 , C2, N, M und B. Alle Arbeitnehmer hatten von der Beklagten
Vermittlungsgutscheine erhalten. Sie wurden von der Firma K GmbH eingestellt.
Alleingesellschafter und allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin und
der Firma K GmbH ist Herr M. Die Geschäftsadresse beider Firmen ist identisch.
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Die Beklagte lehnte die Zahlung von Vermittlungsvergütung mit Bescheiden vom
16.01.2004 und Widerspruchsbescheid vom 29.01.2004, 26.08.2003 und
Widerspruchsbescheid vom 17.10.2003, 20.01.2004 und Widerspruchsbescheid vom
10.02.2004, 05.02.2004 und Widerspruchsbescheid vom 17.02.2004, 14.08.2003 und
Widerspruchsbescheid vom 08.03.2004, 19.02.2004 und Widerspruchsbescheid vom
15.03.2004 sowie 29.03.2004 und Widerspruchsbescheid vom 14.05.2004 ab. Es liege
keine Vermittlung im Sinne des § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III i.V.m. § 296 Abs. 2 Satz 1
SGB III vor. Vermittlung bedeute, dass ein Dritter als Vermittler zwischen dem
Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer zur Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses
tätig werde. Bei Personenidentität zwischen Vermittler und Arbeitgeber liege damit
keine Vermittlung vor.
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Gegen diese Entscheidungen richten sich die vom Gericht gemäß § 113 Abs. 1 SGG
verbundenen Klagen. Die Klägerin meint, aufgrund der Tatsache, dass es sich bei ihr
und der K GmbH um zwei verschiedene juristische Personen handele, liege
Arbeitsvermittlung im Sinne des § 296 SGB III vor. Sie sei gegenüber der Firma K GmbH
Dritte. Für eine Verweigerung der Zahlung gebe es keine Rechtsgrundlage.
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Die Klägerin beantragt,
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die Bescheide vom 16.01.2004 und Widerspruchsbescheid vom 29.01.2004, 26.08.2003
und Widerspruchsbescheid vom 17.10.2003, 20.01.2004 und Widerspruchsbescheid
vom 10.02.2004, 05.02.2004 und Widerspruchsbescheid vom 17.02.2004, 14.08.2003
und Widerspruchsbescheid vom 08.03.2004, 19.02.2004 und Widerspruchsbescheid
vom 15.03.2004 sowie 29.03.2004 und Widerspruchsbescheid vom 14.05.2004
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die jeweilige Vermittlungsvergütung nach
Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klagen abzuweisen.
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Sie verweist auf die Begründung der angefochtenen Entscheidungen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogenen
Verwaltungsakten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen ist, verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klagen sind zulässig. Insbesondere ist der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit
eröffnet. Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 4 SGG entscheiden die Gerichte der
Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der
Arbeitsförderung. Bei der vorliegenden Streitigkeit handelt es sich um eine öffentlich-
rechtliche Streitigkeit im Sinne dieser Vorschrift. Allerdings wird in der Literatur aufgrund
der Tatsache, dass hinsichtlich des Anspruchs auf Auszahlung eines
Vermittlungsgutscheines eventuell die Grundsätze des Maklerrechts der §§ 652 ff. BGB
anzuwenden sind, bezweifelt, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit
handelt. Es könne sich auch um einen privatrechtlichen Anspruch aus einem
Maklevertrag des Arbeitnehmers mit dem Arbeitsvermittler handeln, den der Vermittler
gegenüber dem Schuldübernehmer Bundesagentur für Arbeit geltend macht (Spellbrink,
SGB 2004, S. 153 ff. (155)). Richtig ist, dass der private Vermittler gegen den
Arbeitslosen einen privatrechtlichen Vergütungsanspruch aus dem Vermittlungsvertrag
hat, der allerdings bei Vorlage eines Vermittlungsgutscheines gemäß § 296 Abs. 4 Satz
2 SGB III bis zur Zahlung der Arbeitsagentur nach Maßgabe des § 421g SGB III
gestundet ist. Darüber hinaus ergibt sich aus § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III eine
unmittelbare Verpflichtung der Arbeitsagentur, den Vergütungsanspruch eines vom
Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers, der den Arbeitnehmer in eine
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15
Stunden wöchentlich vermittelt hat, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu
erfüllen. Bereits der Wortlaut legt daher einen unmittelbaren Anspruch des Vermittlers
gegenüber der Arbeitsagentur nahe. Hierfür sprechen auch Intentionen des
Gesetzgebers und die Regelungssystematik. Denn hiernach muss dem Vermittler die
Durchsetzung seines ihm aus dem Vermittlungsvertrag mit dem Arbeitssuchenden
zustehenden Vergütungsanspruchs gegen die Bundesagentur möglich sein. Zur
Erweiterung der Vermittlungsmöglichkeiten und zur Verbesserung der
Vermittlungserfolge soll der arbeitslose Leistungsbezieher auf Kosten des Arbeitsamtes
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einen privaten Vermittler beauftragen können (so Bundestags-Drucksache 14/8546, S.
10). Die Gesetzesbegründung sieht mithin die Beauftragung eines privaten Vermittlers
"auf Kosten der Bundesagentur" und damit die direkte Inanspruchnahme der
Bundesagentur vor. Auch aus der Regelung des § 296 Abs. 4 Satz 2 SGB III ergibt sich,
dass der Arbeitsvermittler sich zur Durchsetzung seines Vergütungsanspruchs primär an
die Bundesagentur wenden soll. Eine unmittelbare Inanspruchnahme der
Bundesagentur durch den Vermittler entspricht damit den Interessen sowohl des
Vermittlers als auch des Arbeitslosen, ohne dass entgegenstehende Interessen der
Bundesagentur ersichtlich wären. Anders als in der Rechtsprechung teilweise vertreten
(vgl. SG Duisburg, Urteil vom 19.11.2002 - S 12 AL 147/02 -) hat der Vermittler damit
einen unmittelbaren Anspruch gegen die Bundesagentur. Dieser Anspruch resultiert aus
§ 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III, einer öffentlich-rechtlichen Regelung, weshalb es sich
insgesamt um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 51 SGG handelt.
Die Klage ist indes nicht begründet. Der Anspruch aus § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III
steht nur einem "Vermittler" zu. Gemäß § 296 Abs. 2 SGB III ist der Arbeitssuchende zur
Zahlung der Vergütung nach Abs. 3 nur verpflichtet, wenn infolge der Vermittlung des
Vermittlers der Arbeitsvertrag zustande gekommen ist. Diese Regelung entspricht dem
allgemeinen Maklerrecht des § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach der Maklerlohn nur
geschuldet wird, wenn der Vertrag infolge des Nachweises oder infolge der Vermittlung
des Maklers zu Stande kommt. Soweit sich aus den Regeln des SGB III nichts anderes
ergibt bestehen damit keine Bedenken, die Vorschriften der §§ 652 ff. BGB auf die
Arbeitsvermittlung anzuwenden (so auch SG Stralsund, Urteil vom 21.08.2003 - S 4 AL
36/03 - ). Weil es sich bei der Regelung des § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III um eine
ausdrücklich zu dem Vergütungsanspruch gegen den Arbeitssuchenden akzessorische
Regelung handelt, gelten diese Regelungen auch für den Anspruch des
Arbeitsvermittlers gegenüber der Bundesagentur.
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Eine Vermittlungstätigkeit im Sinne des § 296 Abs. 2 SGB III ist entsprechend der
zivilgerichtlichen Rechtsprechung zu § 652 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 12.05.1971 -
IV ZR 82/70 -) dabei nur gegeben, wenn der vom Auftraggeber des Maklers erstrebte
Vertragsabschluss zwischen dem Auftraggeber und einem Dritten zustande kommt. Nur
bei einem Vertragsabschluss mit einem Dritten kann von einer Vermittlung die Rede
sein, nämlich der bewussten Einwirkung des Vermittlers auf die Willensentschließung
des Vertragspartners seines Auftraggebers, um dessen Bereitschaft zum Abschluss des
gewünschten Vertrages zu fördern (so m. w. N. SG Stralsund a. a. O.). Dabei ist in der
Rechtsprechung der Zivilgerichte anerkannt, dass der Makler keinen
Vergütungsanspruch hat, wenn durch seine Tätigkeit ein Hauptvertrag mit einer Person
zustande kommt, mit der er gesellschaftsrechtlich oder auf andere Weise verflochten ist
(BGHZ 138, S. 170 ff. (174)).
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Im vorliegenden Fall sind zwar Vermittler und Arbeitgeber formell gesellschaftsrechtlich
nicht verknüpft, sondern - insoweit ist der Klägerin Recht zu geben - gemäß § 13
GmbHG selbstständige juristische Personen. Indes herrscht zwischen
Alleingesellschafter und allein vertretungsberechtigtem Geschäftsführer
Personenidentität. Naturgemäß beherrscht damit der Gesellschafter und Geschäftsführer
beide Gesellschaften zu 100 %. Es gibt daher keine weitere Person, auf die die Klägerin
dergestalt einwirken könnte, dass eine bisher noch nicht vorhandene Bereitschaft zum
Abschluss eines Vertrages geweckt werden könnte. Vielmehr ist - bei natürlicher
Betrachtungsweise - der Arbeitgeber mit dem angeblichen Vermittler vollkommen
identisch, die Zwischenschaltung eines Personaldienstleisters mag organisatorisch im
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Sinne des Outsourcens von Verwaltungstätigkeiten sinnvoll sein, um Vermittlung von
Verträgen handelt es sich indes nicht.
Allein diese Lösung entspricht auch Sinn und Zweck der Regelungen der §§ 296 ff.,
421g SGB III. Sinn und Zweck dieser Regelungen ist die Förderung des Wettbewerbs
zwischen öffentlicher und privater Arbeitsvermittlung, um somit zu einer schnelleren
Wiedereingliederung der Erwerbslosen beizutragen (vgl. Bundestags-Drucksache
14/8546, S. 4 und 10). Zwar ist die Eingliederung der betroffenen Arbeitnehmer im
vorliegenden Fall erreicht worden. Dies allerdings nicht durch Einschaltung eines
privaten Vermittlers sondern dadurch, dass der Alleingesellschafter und allein
vertretungsberechtigte Geschäftsführer Arbeitnehmer in einer seiner Firmen eingestellt
hat. Die Auszahlung des Vermittlungsgutscheines macht in derartigen Fällen keinen
Sinn, vielmehr führte sie zu einer künstlichen Verteuerung der Eingliederung der
Arbeitnehmer. Der Vermittlungsgutschein dient nicht als Anreiz für Arbeitgeber,
Arbeitnehmer einzustellen sondern nur der Förderung echter Vermittlungstätigkeiten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.
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