Urteil des SozG Aachen vom 01.09.2010

SozG Aachen (höhe, kläger, wohnfläche, heizung, wohnung, berechnung, begründung, sgg, erwerbseinkommen, verhandlung)

Sozialgericht Aachen, S 5 AS 394/10
Datum:
01.09.2010
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 5 AS 394/10
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 12.01.2010 in
der Gestalt der Änderungsbescheide vom 17.03.2010 und vom
18.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2010
sowie in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 06.04.2010, vom
30.04.2010, vom 31.05.2010, vom 07.07.2010 und vom 11.08.2010
verurteilt, den Klägern im Zeitraum von Februar bis Juli 2010 Leistungen
nach dem SGB II nach Maßgabe des Gesetzes unter Zugrundelegung
einer angemessenen Nettokaltmiete in Höhe von 344,50 EUR zu
bewilligen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger
dem Grunde nach. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der den Klägern zu bewilligenden monatlichen
Kosten der Unterkunft und Heizung im Zeitraum von Februar bis Juli 2010 umstritten.
2
Die Kläger beziehen (nachdem sie bereits im Jahr 2005 im Leistungsbezug standen)
seit Februar 2009 - mit Ausnahme der Monate Juni und Juli 2009 - Leistungen nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II). Die
Klägerin zu 1) ist erwerbstätig und bezieht ein monatliches Nettoeinkommen zwischen
950,- EUR und 1.250,- EUR. Die Wohnfläche der von den Klägern bewohnten Wohnung
beträgt 64,5 qm. Bis einschließlich Oktober 2009 legte die Beklagte die tatsächliche
monatliche Kaltmiete in Höhe von 395,- EUR - bei gesamten Kosten der Unterkunft in
Höhe von 560,- EUR (70,- EUR Nebenkosten und 95,- EUR Heizkosten) - der
Berechnung der den Klägern zustehenden SGB II-Leistungen zugrunde.
3
Bereits mit Schreiben vom 27.03.2009 und 16.04.2009 wies die Beklagte die Kläger
darauf hin, dass die bestehenden Unterkunftskosten nicht angemessen seien, und
forderte die Kläger auf, die Kosten der Unterkunft zu senken. Mit Schreiben vom
12.08.2009 teilten die Kläger mit, dass ihr Vermieter zu einer Absenkung der Miete nicht
bereit sei. Ein Wohnungswechsel käme nicht in Betracht, da sie die entsprechenden
Kosten nicht tragen könnten. Zudem seien sie erst zum Januar 2009 in die neue
Wohnung gezogen und hätten dabei erhebliche Kosten bei der Herrichtung der
4
Wohnung gehabt. Ab dem 01.11.2009 berücksichtigte die Beklagte im Rahmen der
Leistungsbewilligung nur noch eine Kaltmiete in Höhe von 318,- EUR.
Auf den Fortbewilligungsantrag vom 04.01.2010 bewilligte die Beklagte mit Bescheid
vom 12.01.2010 den Klägern für den Zeitraum vom 01.02.2010 bis 31.07.2010
Leistungen in Höhe von monatlich 366,46 EUR. Dabei legte sie bei der
Leistungsberechnung angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von
483,- EUR (d.h. 318,- EUR für Kaltmiete, 70,- EUR für Nebenkosten und 95,- EUR für
Heizkosten) zugrunde. Zudem setzte sie bei der Klägerin zu 1) ein Netto-
Erwerbseinkommen in Höhe von 1.050,- EUR an.
5
Zur Begründung ihres Widerspruchs vom 11.02.2010 führten die Kläger aus, dass zum
einen bei der Berechnung der angemessenen Kosten der Unterkunft eine Wohnfläche
von 65 qm zugrunde zu legen sei und zum anderen die nicht erfolgte Bewilligung der
Differenz in Höhe von 77,- EUR nicht mit den Zielen des SGB II, hier dem Anreiz zum
Erhalt der Erwerbsfähigkeit, zu vereinbaren sei, da der der Klägerin zu 1) zustehende
Erwerbstätigenfreibetrag faktisch für die Begleichung der nicht gewährten Kosten der
Unterkunft verwendet werde.
6
Mit Änderungsbescheid vom 17.03.2010 passte die Beklagte den Leistungsanspruch
der Kläger für den Monat Februar 2010 an das tatsächliche Erwerbseinkommen der
Klägerin zu 1) an, ohne dass die der Berechnung zugrunde gelegten Kosten der
Unterkunft und Heizung geändert wurden.
7
Mit Änderungsbescheid vom 18.03.2010 erfolgte eine Erhöhung der bewilligten
Kaltmiete auf 328,60 EUR. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch mit
Widerspruchsbescheid vom 22.03.2010 zurück. Bei zwei haushaltsangehörigen
Personen sei mittlerweile eine Wohnfläche von 62 qm als angemessen zu betrachten.
Dieses ergäbe sich aus den anzuwendenden aktuellen
Wohnraumförderungsbestimmungen des Landes Nordrhein-Westfalen. Demnach sei
der SGB II-Leistungsberechnung eine angemessene Kaltmiete in Höhe von 328,60
EUR zugrunde zu legen.
8
Mit Änderungsbescheid vom 06.04.2010 passte die Beklagte den Leistungsanspruch
der Kläger für den Monat März 2010 an das tatsächliche Erwerbseinkommen der
Klägerin zu 1) an, ohne dass die der Berechnung zugrunde gelegten Kosten der
Unterkunft und Heizung geändert wurden.
9
Am 09.04.2010 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, dass
die Beklagte zur Ermittlung der angemessenen Wohnfläche eine Rechtsgrundlage
herangezogen habe, die nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
nicht einschlägig sei. Entgegen der Ansicht der Beklagten seien nicht die
Wohnraumförderungsbestimmungen, sondern die Wohnraumnutzungsbestimmungen
zugrunde zu legen. Da diese bei zwei haushaltsangehörigen Personen eine
Wohnfläche von 65 qm vorsehen, sei diese auch als angemessene Wohnfläche
anzusehen. Darüber hinaus sei zu beachten, dass die Kläger aufgrund des
Erwerbseinkommens der Klägerin zu 1) ihren Bedarf hinsichtlich der Regelleistungen
vollständig und hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung zum Teil decken
können, so dass - ausgehend von dem tatsächlichen Betrag von 395,- EUR für die
Kaltmiete - nur ein Betrag nicht gedeckt werden kann, der unterhalb der angemessenen
Kosten der Unterkunft liegt. Demnach sei die tatsächliche Kaltmiete zu berücksichtigen.
10
Ansonsten müsste der Erwerbstätigenfreibetrag für diese Differenz zwischen
angemessener und tatsächlicher Kaltmiete beansprucht werden, welches nicht vom
Gesetzgeber intendiert sei.
Die Kläger beantragen,
11
die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 12.10.2010 in der Gestalt des
Änderungsbescheides vom 18.03.2010, dieser in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 22.03.2010, aufzuheben und den Klägern Kosten der
Unterkunft für die Gesamtwohnfläche von 64,5 qm in voller Höhe zu bewilligen.
12
Die Beklagte beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen im bisherigen Verfahren,
insbesondere halte sie an der Rechtsauffassung fest, dass eine Wohnfläche von 62 qm
angemessen sei.
15
Mit Änderungsbescheiden vom 30.04.2010, vom 31.05.2010, vom 07.07.2010 und vom
11.08.2010 hat die Beklagte den Leistungsanspruch der Kläger für die Monate April bis
Juli 2010 an das tatsächliche Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1) angepasst, ohne
dass die der Berechnung zugrunde gelegten Kosten der Unterkunft und Heizung
geändert worden sind.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
17
Entscheidungsgründe:
18
Die zulässige Klage ist begründet. Die Kläger sind in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2
Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Der Bescheid vom 12.01.2010 in der Gestalt
des Änderungsbescheides vom 18.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 22.03.2010 ist rechtswidrig. Die Kläger haben im Zeitraum von Februar bis Juli
2010 einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II unter Zugrundelegung einer
angemessenen Nettokaltmiete in Höhe von 344,50 EUR und nicht nur in Höhe von
328,60 EUR.
19
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe
der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Mit der
Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung wird der Verfassungsauftrag der Art.
1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) insoweit umgesetzt, als ein zum
dauerhaften Wohnen geeigneter und bestimmter Wohnraum notwendiger Bestandteil
eines menschenwürdigen Daseins ist (vgl. Lang/Link in Eicher/Spellbrink, Kommentar
zum SGB II, 2. Aufl., § 22, Rdnr. 5). Welche Aufwendungen im Einzelfall angemessen
sind, errechnet sich aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen
Wohnungsgröße und nach dem örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro qm
(sogenannte "Produkttheorie"; vgl. dazu u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom
07.11.2006, B 7b AS 18/06 R und Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R). Dabei ist
nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in drei Schritten vorzugehen.
20
Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln. In einem zweiten Schritt ist
sodann die Angemessenheit des Mietpreises unter Berücksichtigung der örtlichen
Besonderheiten zu ermitteln. Schließlich ist zu prüfen, ob eine bedarfsgerechte und
kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich war (vgl. dazu u.a.
Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R und Urteil vom
18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R).
Zur Bestimmung der angemessenen Wohnfläche war bislang, d.h. bis zum 31.12.2009,
auf die landesrechtlichen Durchführungsvorschriften zu § 10 des Gesetzes über die
soziale Wohnraumförderung (WoFG) abzustellen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom
17.12.2009, B 4 AS 27/09 R). In Nordrhein-Westfalen stellte der Runderlass des
Ministeriums für Städtebau und Wohnen "Verwaltungsvorschriften des Landes
Nordrhein-Westfalen zum WoBindG (VV-WoBindG)" vom 08.03.2002 in der geänderten
Fassung vom 21.09.2006 die maßgebliche landesrechtliche Regelung dar (vgl.
Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R; Landessozialgericht
Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.02.2009, L 19 AS 62/08 und Urteil vom 29.04.2010,
L 9 AS 58/08), die bei einem Zweipersonenhaushalt eine angemessene
Wohnungsgröße von 60 qm (vgl. Nr. 5.7.1. lit. b) der VV-WoBindG) vorsah. Nicht
heranzuziehen war dagegen der Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr
"Wohnraumförderungsbestimmungen (WFB)" vom 03.02.2004 in der geänderten
Fassung vom 26.01.2006 (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS
27/09 R; so auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.04.2010, L 9
AS 58/08), nach dem bei einer Zwei-Zimmer-Wohnung von einer
Wohnflächenobergrenze von 62 qm auszugehen war (vgl. Nr. 1.4.1 der Anlage 1 der
WFB). Infolge der Föderalismusreform wurde das bundesrechtliche WoFG für das Land
Nordrhein-Westfalen durch das Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für
das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG NRW) vom 08.12.2009 außer Kraft gesetzt. Die
VV-WoBindG wurden - weitestgehend und insbesondere hinsichtlich der hier allein
bedeutsamen Nr. 5.7.1. - von dem neuen Runderlass des Ministeriums für Bauen und
Verkehr "Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB)" vom 12.12.2009 abgelöst (vgl. Nr.
19 Satz 2 der WNB). Nach Nr. 8.2 lit. b) dieser WNB sind für einen Haushalt mit zwei
haushaltsangehörigen Personen zwei Wohnräume oder 65 qm Wohnfläche
angemessen im Sinne des § 18 Abs. 2 WFNG NRW.
21
Diese Nachfolgeregelung ist bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche
zugrunde zu legen (vgl. Sozialgericht Aachen, Beschluss vom 25.02.2010, S 6 AS
205/10 ER und Urteil vom 18.08.2010, S 4 AS 577/10; vgl. auch Sozialgericht Duisburg,
Beschluss vom 27.04.2010, S 35 AS 1592/10 ER). Nr. 8.2 der WNB konkretisiert ebenso
wie vorher Nr. 5.7.1. der VV-WoBindG die gesetzliche Vorschrift (§ 18 Abs. 2 WFNG
NRW bzw. § 27 Abs. 4 WoFG), die die im Wohnberechtigungsschein anzugebende
Wohnungsgröße für den Wohnungssuchenden regelt. Es besteht kein sachlicher Grund,
nunmehr die am 28.01.2010 geänderten WFB als Rechtsgrundlage zur Bestimmung der
angemessenen Wohnfläche heranzuziehen. Das Bundessozialgericht hat im seinem
Urteil vom 19.12.2009 (B 4 AS 27/09 R) überzeugend dargelegt, dass diese Vorschrift
bereits deshalb außer Betracht zu lassen ist, da sie die Größe der Wohnung lediglich
mit der Anzahl der Zimmer - und nicht (auch) mit der Anzahl der haushaltsangehörigen
Personen - verknüpft. Diese Begründung ist auf die aktuelle Rechtslage übertragbar.
Gefolgt werden kann aber auch nicht dem neunten Senat des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 29.04.2010, L 9 AS 58/08), nach dem weiterhin auf die
VV-WoBindG abzustellen sein dürfte, so dass im vorliegenden Fall eine Wohnfläche
von 60 qm angemessen wäre. Solange der Verordnungsgeber seine gemäß § 27 SGB II
22
bestehende Möglichkeit der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche speziell für
das SGB II nicht in Anspruch nimmt, hat sich die Rechtsprechung weiterhin an den
geltenden Durchführungsbestimmungen des WoFG oder der entsprechenden neuen
landesrechtlichen Regelungen zu orientieren. Das Gericht hält es indes nicht für
nachvollziehbar, an einer - hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Frage -
abgelösten Vorschrift festzuhalten, obgleich eine Nachfolgeregelung in Kraft getreten ist
(vgl. auch Bundessozialgericht, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 70/08 R zur
Heranziehung der aktuell geltenden Verwaltungsvorschrift). Auch ist gerade nicht
auszuschließen, dass der Gesetzgeber eine dynamische Entwicklung der
Wohnraumgröße für möglich gehalten hat. Vielmehr hat er diese Frage bisher offen
gelassen.
Im Hinblick auf den angemessenen Quadratmeterpreis kann als qualifizierte
Erkenntnisquelle auf den jeweils örtlich einschlägigen Mietspiegel für Wohnungen im
unteren, nicht im untersten Bereich abgestellt werden (vgl. dazu Bundessozialgericht,
Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R und Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06
R; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.02.2009, L 19 AS 62/08).
Unter Berücksichtigung des Mietspiegels von Aachen (gültig vom 01.01.2009 bis
31.12.2010) sind die von der Beklagten zugrunde gelegten 5,30 EUR nicht zu
beanstanden. Der notwendigen Beschränkung auf das untere Marktsegment kann nach
Auffassung der Kammer dadurch Rechnung getragen werden, dass vom einschlägigen
Mietspiegel des Wohnungsortes ein Querschnitt aus dem gesamten Spektrum gezogen
wird. Dabei werden allerdings Wohnungen, die in einer sogenannten "guten Wohnlage",
sowie solche Wohnungen, die unter die Kategorie "besondere Ausstattung" gefasst
werden, nicht berücksichtigt. Man erhält so nicht die durchschnittliche Miete in dem
betreffenden Gebiet, sondern einen nach unten korrigierten Durchschnittswert. Dieser
wird nach Auffassung der Kammer am besten der Notwendigkeit einer Orientierung am
unteren Marktsegment gerecht. Unter Berücksichtigung, dass der Mietspiegel für
Aachen ein entsprechendes Spektrum von 2,10 bis 8,00 EUR und damit einen Wert von
5,05 EUR/qm vorgibt, erscheinen die von der Beklagten berücksichtigten 5,30 EUR pro
qm nicht zu niedrig. Unabhängig davon, dass die Beklagte mittlerweile von einem
abweichenden Quadratmeterpreis für die Stadt Aachen ausgeht, ist sie hinsichtlich des
hier streitgegenständlichen Zeitraums an den genannten Wert - als Teil des zugrunde
gelegten schlüssigen Konzepts (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 18.06.2008,
B 14/7b AS 44/06 R und Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R) - gebunden.
23
Ausgehend von einer angemessenen Wohnfläche von 65 qm und einem
Quadratmeterpreis von 5,30 EUR beträgt die angemessene Nettokaltmiete im Zeitraum
von Februar bis Juli 2010 somit 344,50 EUR und nicht nur 328,60 EUR. Die
Nebenkosten in Höhe von 70,- EUR und die Heizkosten in Höhe von 95,- EUR wurden
von der Beklagten in voller Höhe übernommen, so dass sich eine Prüfung der
Angemessenheit im vorliegenden Fall erübrigt.
24
Eine Beschränkung auf die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung war
demgegenüber gerechtfertigt. Erstens ist es gerichtsbekannt, dass die Anmietung einer
in Bezug auf Größe und Kosten angemessenen Wohnung in Aachen möglich ist.
Derartige Wohnungen sind konkret verfügbar und zugänglich. Dieses wurde von den
Klägern auch nicht bezweifelt. Zweitens hat die Beklagte die Kläger auch zur
Kostensenkung aufgefordert. Zudem ist drittens auch nicht von einer Unzumutbarkeit der
Kostensenkung auszugehen. Der entsprechende von den Klägern im
Verwaltungsverfahren erfolgte Vortrag kann nicht überzeugen. In diesem
25
Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Kosten eines Umzugs unter den
Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 SGB II von der Beklagten zu übernehmen wären.
Zuletzt sei - wie bereits in der mündlichen Verhandlung - angemerkt, dass die
vorgetragene faktische Inanspruchnahme des Erwerbstätigenfreibetrags für die
Begleichung der die angemessene Kaltmiete übersteigenden Kosten der Unterkunft die
gesetzlich beabsichtigte Folge ist, wenn tatsächliche und angemessene
Unterkunftskosten auseinander fallen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Beklagten waren die
außergerichtlichen Kosten der Kläger in voller Höhe aufzuerlegen. Unabhängig von den
Ausführungen in der Begründung der Klage, hat das Gericht den Klageantrag - unter
Berücksichtigung des klärenden Vortrags in der mündlichen Verhandlung -
dahingehend ausgelegt, dass sich das Begehren der Kläger auf eine Übernahme der
angemessenen Kosten der Unterkunft in voller Höhe, d.h. ausgehend von einer
Wohnfläche von bis zu 65 qm und nicht nur bis zu 62 qm, richtet.
26
Der Beschwerdewert gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wird nicht erreicht. Die
Berufung wird indes gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG zugelassen. Zum einen
hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Zum anderen weicht das Urteil von
einer Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. Urteil vom
29.04.2010, L 9 AS 58/08) ab; es beruht zudem auf dieser Abweichung.
27