Urteil des SozG Aachen vom 15.05.2007
SozG Aachen: erwerbsfähigkeit, verminderung, eigentumsschutz, drucksache, reform, abschlag, altersrente, koch, unterliegen, gerichtsakte
Sozialgericht Aachen
Urteil vom 15.05.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Aachen S 13 R 20 07
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Sprungrevision wird
zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Erwerbsminderungsrente ab 01.03.2006.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin beantragte am 30.01.2006 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Der
Antrag wurde nach Bestimmung durch die Klägerin als Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung angesehen. Durch
Bescheid vom 23.11.2006 bewilligte die Beklagte - ausgehend von einer seit 16.08.2005 bestehenden
Erwerbsminderung - Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.03.2006, befristet bis 31.12.2007. Die Höhe dieser
Rente bestimmt die Beklagte nach einem verminderten Zugangsfaktor von 0,892.
Dagegen legte die Klägerin am 11.12.2006 Widerspruch ein. Sie hielt den durch den verminderten Zugangsfaktor
bedingten Rentenabschlag für verfassungswidrig und verwies auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom
16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 06.03.2007 zurück mit der Begründung, das
Recht bei der Berechnung der Rente richtig angewandt zu haben.
Dagegen hat die Klägerin am 15.03.2007 Klage erhoben.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23.11.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
06.03.2007 zu verurteilen, ihr ab 01.03.2006 höhere Rente wegen Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines
Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des BSG vom 16.05.2006 für falsch.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden
erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende
Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit
übereinstimmend einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte hat bei der Bewilligung der Erwerbsminderungsrente ab
01.03.2006 das Recht richtig angewandt und zahlt die Rentenleistungen in richtiger Höhe.
Die Beklagte hat sich bei der Berechnung der Rente und bei der Bestimmung des Zugangsfaktors zu Recht auf das
ab 01.01.2001 geltende Rentenrecht in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 - BGBl. I S. 1827 - gestützt. Sie hat den für die Erwerbsminderungsrente
maßgeblichen Zugangsfaktor richtig mit 0,892 bestimmt, indem sie in Anwendung von § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz
2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) den Regel-Zugangsfaktor 1,0 für 36 Monate um je 0,003, insgesamt
also um 0,108 niedriger angesetzt hat.
Zwar entspricht die Rentenberechnung der Beklagten nicht der Auffassung des BSG im Urteil vom 16.05.2006 (B 4
RA 22/05 R). Jedoch hat die 8. Kammer des Sozialgerichts Aachen durch Urteil vom 09.02.2007 (S 8 R 96/06) die
dem BSG nicht folgende Praxis der Rentenversicherungsträger als mit dem Gesetz in Einklang stehend erkannt und
ist der Ansicht des BSG nicht gefolgt. Sie hat dies wie folgt begründet:
"Allerdings entspricht die Entscheidung der Beklagten nicht dem Urteil des BSG vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R -.
Nach dieser Entscheidung unterliegen Erwerbsminderungsrentner, die - wie der Kläger - bei Rentenbeginn das 60.
Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Rentenabschlägen nur, wenn sie Rente über das 60. Lebens-jahr hinaus
beziehen. Das BSG interpretiert die für die Berechnung des Zugangs-faktors maßgebende Vorschrift des § 77 SGB VI
entsprechend: Gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI ist der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage
von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden
Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalen-dermonats der Vollendung des 63. Lebensjahrs in Anspruch
genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0. Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung
des 60. Lebensjahres, ist gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI die Vollen-dung des 60. Lebensjahres für die
Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend. Die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres
des Versicherten gilt gemäß § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnah-me. Nach der
Rechtsprechung des 4. Senates des BSG seien Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres vom Gesetz
gerade nicht als Zeiten eines "vorzeiti-gen Rentenbezuges" bestimmt. Allein eine derartige Interpretation sei
verfassungs-gemäß. Die Verminderung des Zugangsfaktors durchbreche das "Prinzip der Vor-leistungsbezogenheit
der Rente". Dieses Prinzip werde technisch im Gesetz dadurch verwirklicht, dass der Zugangsfaktor grundsätzlich als
Faktor 1,0 anzusetzen und damit rechnerisch ohne Bedeutung für Rentenberechnung sei. Jede Durchbrechung des
Prinzips der Vorleistungsbezogenheit der Rente bedürfe der ausdrücklichen Bestimmung durch ein
verfassungsgemäßes Gesetz. Erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die Erwerbsminderungsrente "vorzeitig" in Anspruch
genommen wird, könne ohne verfassungswidrige Willkür eine Nichtbeachtung der Vorleistung, die der Versicherte für
die Rentenversicherung erbracht hat, in Betracht kommen. Nur eine vorzeitige Inanspruchnahme sei ein Sachgrund für
die "Nichtberücksichtigung eines Teils der Vorleistung". Die am 01. Januar 2001 in Kraft getretene Neufassung des §
63 Abs. 5 SGB VI, wonach Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer durch einen
Zugangsfaktor vermieden werden, beziehe sich nur auf die Zeit ab Vollendung des 60. Lebensjahrs. Erst ab diesem
Zeitpunkt seien Ausweichreaktionen aus der nur bei Inkaufnahme von Abschlägen in Anspruch zu nehmenden
vorzeitigen Altersrente auf die Erwerbsminderungsrente denkbar. Da prägender Leitgedanke für die Einbeziehung der
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in die Regelungen über den Zugangsfaktor gewesen sei, die Höhe der
Erwerbsminderungsrente an die Höhe der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente anzupassen, werde auch
durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Reform der Erwerbsminderungs-renten bestätigt, dass eine
Reduzierung des Zugangsfaktors erst ab Vollendung des 60. Lebensjahrs in Betracht kommt. Etwas anderes ergebe
sich auch nicht daraus, dass ebenfalls ab 01.01.2001 die Zurechnungszeiten für die Versicherten, die bereits vor
Vollendung des 60. Lebensjahrs erwerbsgemindert sind und Rente beziehen, verlängert wurden.
Die Entscheidung des BSG ist zu Recht in der Literatur auf Kritik gestoßen (Plagemann, in: JurisPR-SozR 20/2006;
von Koch/Kolakowski, SGb 2007, 71 f.) und die Rentenversicherungsträger folgen der Entscheidung zu Recht nicht:
Die Entscheidung steht im Widerspruch zur - soweit ersichtlich - unbestrittenen Auffassung in der gesamten
Rentenliteratur (vgl. nur Polster, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 77 SGB VI Rdnr. 21; Silber
in: LPK-SGB VI, § 77 Rdnr. 8; Plagemann a.a.O. mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Die Kammer entnimmt bereits der gesetzlichen Formulierung, dass die auch im angefochtenen Bescheid angewandte
Verwaltungspraxis der Beklagten durch den Gesetzgeber angeordnet ist, so dass bei Annahme einer
Verfassungswidrigkeit eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Artikel 100 Abs. 1 GG geboten
gewesen wäre: Gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI ist die Verminderung des Zugangsfaktors bei Renten wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der
Vollendung des 63. Lebensjahrs in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0. Diese Vorschrift ist für sich
genommen nicht ausreichend, weil sie zur Folge haben könnte - wie auch das BSG in der genannten Entscheidung
darlegt -, dass der Zugangsfaktor auf 0 absinkt und deshalb keine Rente bewilligt würde. Deshalb musste das Gesetz
eine Regelung dazu vorsehen, welcher Abschlag maximal vom Versicherten in Kauf genommen werden muss. Diese
Regelung ist in § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI enthalten: Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor
Vollendung des 60. Lebensjahres, ist die Vollendung des 60. Lebensjahrs für die Bestimmung des Zugangsfaktors
maßgebend. Hieraus ergibt sich, dass die Verminderung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Rente wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahrs auf 36 x 0,003 = 0,108 begrenzt ist. Nur insoweit -
also hinsichtlich der Berechnung der höchstmöglichen Reduzierung des Zugangsfaktors - bestimmt § 77 Abs. 2 Satz
3 SGB VI, dass die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahrs des Versicherten nicht als Zeit
einer vorzeitigen Inanspruchnahme gilt (in diesem Sinne auch: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom
13.12.2006 - L 2 R 466/06 ER -; zur Bedeutung von § 77 Abs. 2 S. 3 SGB VI für § 77 Abs. 3 SGB VI näher von
Koch/Kolakowski a.a.O.).
Diese sich aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebende Interpretation wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt:
Durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. I, 1827) sollte
die Höhe der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit an die der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten
angepasst werden (BT-Drucksache 14/4230 Seite 1, 26). Zwar war Sinn der Neuregelung auch, Ausweichreaktionen
von den Altersrenten, die nur bei Inkaufnahme von Abschlägen vorzeitig in Anspruch genommen werden können, in
die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit entgegen zu wirken (BT-Drucksache 14/4230, Seite 26 zu Nr. 22).
Insofern ist dem BSG dahingehend Recht zu geben, dass eine solche Ausweichreaktion nur bei Personen stattfinden
kann, die das 60. Lebensjahr vollendet haben. Dennoch hat der Gesetzgeber generell zum Ziel gehabt, Vorteile eines
längeren Rentenbezuges durch einen verminderten Zugangsfaktor auszugleichen (BT-Drucksache 14/4230, Seite 26
zu Nr. 16). Der Gesetzesbegründung ist an keiner Stelle zu entnehmen, dass ein solcher verminderter Zugangsfaktor
lediglich für Versicherte gelten soll, die das 60. Lebensjahr vollendet haben. Im Gegenteil geht die
Gesetzesbegründung generell davon aus, dass die Höhe der Erwerbsminderungsrenten an die Höhe der vorzeitig in
Anspruch genommenen Altersrenten in der Weise angeglichen wird, dass die Renten mit einem Abschlag von
höchstens 10,8 % versehen werden (BT-Drucksache 14/4230 Seite 24). Aus dieser Formulierung ist zwar nur indirekt
aber dennoch zwingend zu entnehmen, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die Verringerung des
Zugangsfaktors auch Erwerbsminderungsrenten erfasst, die vor Vollendung des 60. Lebensjahrs in Anspruch
genommen werden. Denn eine Begrenzung des "Abschlags" auf höchstens 10,8 % braucht nur dann ausdrücklich
erwähnt zu werden, wenn sich ohne eine ausdrückliche entsprechende Formulierung ein höherer Abschlag errechnen
könnte. Dies ist bei isolierter Betrachtung von § 77 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI - wie dargestellt - der Fall. Schließlich ist das
Ergebnis der Rechtsprechung des BSG nicht mit der ebenfalls durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit eingeführten, ab 01.01.2001 geltenden Verlängerung der Zurechnungszeit - von der
auch der Kläger profitiert - zu vereinbaren. Bis zum 31.12.2000 endete gemäß § 59 Abs. 3 SGB VI a. F. die
Zurechnungszeit mit dem Zeitpunkt, der sich ergibt, wenn die Zeit bis zum vollendeten 55. Lebensjahr in vollem
Umfang, die darüber hinausgehende Zeit bis zum vollendeten 60. Lebensjahr zu einem Drittel hinzugerechnet wird.
Seit dem 01.01.2001 endet die Zurechnungszeit gemäß § 59 Abs. 2 Satz 2 SGB VI erst mit Vollendung des 60.
Lebensjahrs. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (BT-Drucksache 14/4230 Seite 24, 26) sollten die
Auswirkungen der Verminderung des Zugangsfaktors dadurch abgemindert werden, dass die Zeit zwischen dem
vollendeten 55. und 60. Lebensjahr künftig voll als Zurechnungszeit angerech-net wird. Die Kammer hält es nicht für
angängig, entgegen dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers bei einem Regelungskomplex - hier dem
Zusammenspiel der Verlängerung der Zurechnungszeit mit der Verminderung des Zugangsfaktors - einen Teil des
Regelungskomplexes für verfassungswidrig zu erklären, den anderen – begünstigenden - Teil hingegen unangetastet
zu lassen (ebenso Plagemann a.a.O.). Dann nämlich würde - vollständig entgegen der Intention des Gesetzgebers -
anstelle einer Verminderung der vorzeitigen in Anspruch genommenen Erwerbsmin-derungsrenten deren Erhöhung die
Folge sein.
Wegen der Verlängerung der Zurechnungszeit hält die Kammer schließlich den verfassungsrechtlichen
Ausgangspunkt der Argumentation des BSG nicht für stichhaltig (ebenso von Koch/Kolakowski a.a.O.): Das BSG hält
den Zugangsfaktor von 1,0 wohl aufgrund des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz
1 GG für verfassungsrechtlich geboten. Voraussetzung für einen Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher
Positionen nach Art. 14 Abs. 1 GG ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines
Ausschließlichkeitsrechtes dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist. Diese genießt den Schutz der
Eigentumsgarantie dann, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht (zum Schutz
sozialversicherungsrechtliche Ansprüche durch Art. 14 Abs. 1 GG vgl. BVerfG, Urteil vom 16.07.1985 - 1 BvL 5/80 =
BVerfGE 69, 272 (300 f.); Lenze, NRW 2003, 1427; Neumann, NZS 1998, 401). Das BVerfG hat hierbei einen
abgestuften Eigentumsschutz entwickelt: In dem durch Beitragsäquivalenz geprägten Leistungsbereich ist der
Eigentumsschutz intensiver, als im sonstigen Bereich der Bewilligung von Leistungsanteilen ohne oder mit nur
geminderter Beitragsleistung, hier verfügt der Gesetzgeber über einen weiteren Gestaltungsspielraum (zu
Ausbildungs-Ausfallzeiten: BVerfG, Beschluss vom 01.07.1981 – 1 BvR 874/77 = BVerfGE 58, 81 = SozR 2200 §
1255a Nr. 7). Das Prinzip der Beitragsbezogenheit des Eigentumsschutzes rentenversicherungsrechtlicher Positionen
wurde jüngst durch das BVerfG in der Entscheidung vom 13.06.2006 (1 BvL 9/00 ) bestätigt. Nach dieser
Entscheidung unterliegen die durch das Fremdrentengesetz begründeten Anwartschaften nicht dem Schutz des Art.
14 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn ihnen ausschließlich Beitrags- und Beschäftigungszeiten zugrunde liegen, die in den
Herkunftsgebieten erbracht oder zurückgelegt wurden. Bei der Anerkennung der Zurechnungszeit und insbesondere
auch deren Verlängerung handelt es sich um dem Kläger zugute kommende rentenrechtliche Zeiten, die nicht auf
Beitrags- und Beschäftigungszeiten beruhen. Wenn auch für einen Versicherungsverlauf, in dem derartige Zeiten
enthalten sind, der ungeminderte Zugangsfaktor von 1,0 verfassungsrechtlich geboten wäre, würden auch diese Zeiten
dem uneingeschränkten Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG unterworfen. Ein derartiges Ergebnis lässt
sich aus der Rechtsprechung des BVerfG zum abgestuften Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher
Positionen nicht ableiten."
Diesen überzeugenden Erwägungen der 8. Kammer schließt sich die erkennende Kammer in vollem Umfang an.
Ergänzend merkt die Kammer zur Auslegung von § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI folgendes an: Dieser Satz ("Die Zeit des
Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten gilt nicht als Zeit einer vorzeitigen
Inanspruchnahme.") bedeutet nicht, dass die vorzeitige Inanspruchnahme vor Vollendung des 60. Lebensjahres eine
Minderung des Zugangsfaktors ausschließt. Vielmehr steht dieser Satz im Kontext mit Absatz 3 des § 77 SGB VI.
Nach dessen Satz 1 bleibt für diejenigen Entgeltpunkte, die bereits Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer
früheren Rente waren, der frühere Zugangsfaktor maßgebend. Ohne die Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 3 SBG VI
würde der bereits für die Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 60. Lebensjahres geminderte Zugangsfaktor
auch im Rahmen einer u.U. erst Jahrzehnte später zu bewilligenden Altersrente Anwendung finden; dies ergibt sich
aus § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI. Um dieses vom Gesetzgeber nicht gewünschte Ergebnis zu vermeiden, ist die
Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI aufgenommen worden (Mey, RVaktuell 2007, S. 44, 46).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Kammer hat die Sprungrevision zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 161
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).