Urteil des SozG Aachen vom 18.10.2007

SozG Aachen: satzung, unternehmer, beitragsberechnung, unternehmen, vollrente, zahl, geldleistung, berufskrankheit, betrug, behandlungsbedürftigkeit

Sozialgericht Aachen, S 9 U 62/06
Datum:
18.10.2007
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 9 U 62/06
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 15 U 315/07
Sachgebiet:
Unfallversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Streitig ist die Berechnung der Unfallrente.
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Der 1946 geborene Kläger war als Unternehmer bei der Beklagten versichert. Im
Nachweis zur Beitragsberechnung für 2002 machte er in der Rubrik "Unternehmer und
Ehegatten" keine Angaben, kreuzte aber bei seiner Ehefrau das Antwortfeld
"nachgewiesen als Ehegatte mit Arbeitsvertrag" an.
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Im Beitragsbescheid für 2002 (Bescheid vom 03.04.2003) legte die Beklagte neben den
Lohnsummen der Arbeitnehmer eine Unternehmerversicherungssumme von 34.200,-
EUR zu Grunde. Am 26.05.2004 schrieb die Beklagte den Kläger an und teilte ihm mit,
diese Versicherungssumme beinhalte versehentlich auch einen Beitragsanteil der
Ehefrau, obwohl diese als Beschäftigte geführt werde und in der Lohnsumme
berücksichtigt sei. Der Betragsbescheid wurde berichtigt, es wurden 2.200
Unternehmerarbeitsstunden, entsprechend einer Versicherungssumme von nunmehr
20.900,- EUR zu Grunde gelegt (Bescheid vom 28.05.2004). Gegen die Herabsetzung
der Versicherungssumme legte der Kläger unter dem 03.06.2004 Widerspruch ein, da
ein Verfahren zur Feststellung einer Berufskrankheit laufe, für das die
Versicherungssumme von Bedeutung sein könne. Dieser Widerspruch ist bis heute
nicht beschieden.
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Parallel prüfte die Beklagte auf ärztliche Anzeige vom 11.11.2002 hin das Vorliegen
einer Berufskrankheit. Im Klageverfahren S 14 U 55/04 (SG Aachen) wurde die Beklagte
nach zuvor ablehnenden Bescheiden verurteilt, bei dem Kläger eine BK 4301
festzustellen und ab 01.01.2003 ihm eine Rente zu zahlen. Die Beklagte setzte das
Urteil mit Bescheid vom 01.06.2006 um. Dabei legte sie der Berechnung der Rente als
Jahresarbeitsverdienst (JAV) in den 12 Monaten vor dem Versicherungsfall 22.800,-
EUR zu Grunde.
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Der Kläger widersprach der Rentenberechnung hinsichtlich des JAV: gemäß Bescheid
vom 03.04.2003 seien 34.200,- EUR anzusetzen.
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Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 20.09.2006).
Zwischen der Versicherungssumme für die Beitragsberechnung (hier: 20.900,- EUR)
und dem JAV für die Leistungsberechnung (hier: 22.800,- EUR gemäß § 44 Abs. 2 der
Satzung der Beklagten) bestehe kein Zusammenhang, die Beitragshöhe habe berichtigt
werden müssen, weil die Ehefrau des Klägers (auch) als Beschäftigte berücksichtigt
worden sei.
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Hiergegen wendet sich die Klage. Der Kläger hält die Beklagte für verpflichtet, eine
Versicherungssumme von 34.200,- EUR als JAV zu Grunde zu legen. Er habe den
Beitragsnachweis für 2002 ordnungsgemäß ausgefüllt und darin seine Ehefrau als
Arbeitnehmerin bezeichnet. Für eine Änderung der Versicherungssumme zu seinen
Lasten gebe es keine rechtliche Grundlage.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 01.06.2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 zu verurteilen, für die Berechnung der dem
Kläger gewährten Rente eine Versicherungssumme von 34.200,- EUR zu Grunde zu
legen und auf dieser Grundlage eine Neuberechnung der Rente vorzunehmen,
ausgehend von einem Jahresarbeitsverdienst in gleicher Höhe.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor, der Beitragsnachweis für 2002 sei nicht korrekt ausgefüllt gewesen, da
zum Unternehmer keinerlei Angaben gemacht wurden. Die Versicherungssumme für
Unternehmer habe im Jahre 2002 22.800,- EUR betragen. Der Beitragsbescheid vom
03.04.2003 stelle einen rechtswidrigen, nicht begünstigen den Verwaltungsakt dar, da
Beiträge zu Unrecht erhoben wurden und sei deshalb gemäß § 44 SGB X insoweit
zurückzunehmen gewesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
Zutreffend hat die Beklagte der Berechnung der Rente des Klägers einen JAV von
22.800,-EUR zu Grunde gelegt.
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Der JAV bestimmt die Höhe der Rente. Vollrente wird in Höhe von 2/3 des JAV
geleistet, liegt die MdE unter 100 %, wird ein dem Grad der MdE entsprechender
Prozentsatz der Vollrente als Teilrente geleistet (§ 56 Abs. 3 SGB VII). Für kraft Satzung
versicherte Unternehmer wie den Kläger hat die Satzung des Trägers die Höhe des JAV
zu bestimmen (§ 83 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Versicherung bei der Beklagten
erstreckt sich auf Unternehmer und in ihrem Unternehmen mitarbeitende Ehegatten,
soweit sie nicht schon kraft Gesetzes versichert sind (§ 43 Abs. 1 der Satzung der
Beklagten). Die Geldleistungen für die nach § 43 der Satzung versicherten Unternehmer
werden nach der Versicherungssumme, die der Versicherung als JAV zu Grunde zu
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legen ist, berechnet (§ 44 Abs. 1 Satz 1 der Satzung). Die Versicherungssumme beträgt
für jede nach § 43 versicherte Person 80 % der jeweils gültigen Bezugsgröße im Sinne
von § 18 SGB IV; ist der sich hiernach ergebende Betrag nicht durch die Zahl 1200
teilbar, gilt als Versicherungssumme der nächst höhere, durch die Zahl 1200 teilbare
Betrag (§ 44 Abs. 2 der Satzung). Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt
des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der
Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den
Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigten MdE abzustellen (§ 9
Abs. 5 SGB VII). Da die Bezugsgröße beständig gestiegen ist (vgl. die Tabelle bei
Kasseler-Kommentar/Polster, Sozialversicherungswerte, I), ist der letztmögliche
Zeitpunkt der für den Kläger günstigste (weshalb auch § 84 SGB VII außer Betracht
bleiben kann). Maßgeblich für den JAV ist deshalb die Bezugsgröße 2002, die in den
alten Bundesländern jährlich 28.100,- EUR betrug, hiervon 80 % sind 22.512,- EUR, der
nächst höhere durch 1200 teilbare Betrag 22.800,- EUR. Dieser Betrag ist für die
Rentenbemessung maßgebend.
Der höhere im Beitragsbescheid für 2002 genannte Betrag von 34.200,- EUR hat keine
Auswirkung auf die Leistungsberechnung. Insoweit bestand kein Anlass, die
Entscheidung der Beklagten über den Widerspruch vom 03.06.2004 abzuwarten. Die
Entgegennahme des Mehrbetrages durch die Beklagte war nicht geeignet, eine höhere
Versicherung zu bewirken. Dies gilt deshalb, weil eine Beitragsberechnung in Folge
eines pauschalisierten Lohnnachweises ohne Bezeichnung des einzelnen Versicherten
kein Versicherungsverhältnis zu den einzelnen Personen begründet (BSG, Breithaupt
1974, 570; LSG-NRW, Urteil vom 25.03.1998, L 17 U 158/97). Der Beitragsbescheid
vom 03.04.2003 nennt nur Lohnsummen und lässt keinen Rückschluss auf die Höhe der
Versicherung des einzelnen Versicherten zu. Tatsächlich sollte es sich hierbei nach
Angabe der Beklagten ja auch um die Summe der Beitragsbemessungsgrundlage für
den Kläger und seine irrtümlich mit einbezogene Ehefrau handeln.
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Es kommt hinzu, dass die Beklagte im Recht ist, wenn sie darauf hinweist, dass die
Höhe des Beitrages und die Höhe der Leistung nichts mit einander zu tun haben. Denn
die Beitragshöhe variiert nach § 44 Abs. 4 der Satzung je nach dem Umfang der
Tätigkeit des Unternehmers im Unternehmen, die Versicherungssumme für
Geldleistungen orientiert sich allein an der Bemessungsgröße des § 18 Abs. 4 SGB IV,
bleibt demnach unabhängig von der Beitragsversicherungssumme immer gleich. Dies
zeigt sich auch im Falle des Klägers, für den die Beklagte einen Beitrag von 20.900,-
EUR errechnet hat, während sie seine Leistungen nach dem Betrag von 22.800,- EUR
errechnet. Insoweit käme selbst, wenn man eine formale Versicherung durch die höhere
Beitragszahlung annehmen wollte, eine höhere Geldleistung nicht in Betracht, weil die
Höhe der Beitragszahlung bei Unternehmern ohne Einfluss auf die Geldleistung ist.
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Dafür, dass die Beteiligten eine Höherversicherung des Klägers hätten herbei führen
wollen, fehlt es an jedem Anhaltspunkt für die hierfür erforderlichen Willenserklärungen,
insbesondere auch auf Klägerseite.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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