Urteil des SozG Aachen vom 19.03.2008

SozG Aachen: kosten für unterkunft und verpflegung, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, beitragsbemessung, beginn der versicherung, satzung, verfügung, anwendungsbereich, beitragsberechnung

Sozialgericht Aachen, S 2 KR 17/07
Datum:
19.03.2008
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 2 KR 17/07
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 5 KR 73/08
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Bescheid vom 13.07.2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 20.02.2007 wird aufgehoben, soweit die
Beklagte damit Beiträge zur Krankenversicherung und
Pflegeversicherung ab dem 01.01.2006 auf der Grundlage über die
Mindesteinnahmen aus § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V hinausgehender
beitragspflichtiger Einnahmen erhebt. Die Beklagte hat die Kosten des
Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
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Der Kläger wendet sich gegen die Höhe der Festsetzung seiner Beiträge zur freiwilligen
Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.07.2006.
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Der am 00.00.0000 geborene Kläger steht unter Betreuung. Er ist auf Dauer im Rahmen
der Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII zu Lasten des Landschaftsverbandes
Westfalen-Lippe (Beigeladener) im B-Krankenhaus in B. untergebracht. Der Kläger ist
als freiwilliges Mitglied seit dem 01.06.2004 bei der Beklagten versichert. Die Beiträge
für die Krankenversicherung werden vom Beigeladenen gezahlt. Die Beklagte
berechnete den Beitragssatz ab Beginn der Versicherung zunächst aus einem
Einkommen in Höhe des 3,7-fachen des Regelsatzes nach dem
Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bzw. ab dem 01.01.2005 dem Sozialgesetzbuch
Zwölftes Buch (SGB XII). Die Satzung der Beklagten sah bis zum 30.06.2006 vor, dass
für freiwillig versicherte Sozialhilfeempfänger mit den Sozialhilfeträgern
pauschalierende Beitragsbemessungen vereinbart werden konnten (§ 19). Nach einer
Satzungsänderung enthält § 19 der Satzung mit Wirkung ab dem 01.07.2006 die
Bestimmung, dass für Sozialhilfeempfänger, die in Heimen untergebracht sind, als
Beitragsbemessungsgrundlage das 3,7-fache des Eckregelsatzes gilt, sofern mit den
Sozialhilfeträgern keine pauschalierende Beitragsbemessung vereinbart ist. Mit
Bescheid vom 13.07.2006 stellte die Beklagte den Beitrag zur Kranken- und
Pflegeversicherung ab dem 01.07.2006 mit monatlich 188,93 EUR fest. Sie wies den
Kläger auf die Satzungsänderung hin und teilte weiter mit, dass bei freiwillig
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versicherten Sozialhilfeempfängern in stationären Einrichtungen der Beitrag auch
bereits vor dem 01.07.2006 aus dem 3,7-fachen des Eckregelsatzes berechnet worden
sei.
Am 01.09.2006 legte der Kläger gegen alle Beitragsbescheide, mit dem ab dem
01.01.2006 die Höhe seiner Beiträge festgestellt worden ist, Widerspruch ein.
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Im Dezember 2006 berechnete die Beklagte die Beiträge für die Zeit vom 01.06.2004 bis
zum 30.06.2006 neu aus dem Mindesteinkommen gemäß § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V
und erstattete die zuviel geleisteten Beiträge zurück.
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Mit Bescheid vom 20.02.2007 wies die Beklagte den vom Kläger für die Zeit ab dem
01.07.2006 aufrecht erhaltenen Widerspruch zurück. Die Satzungsänderung sei
zulässig. Hieran bestehe schon deswegen kein Zweifel, weil das
Landesversicherungsamt Nordrhein-Westfalen als Aufsichtsbehörde die Satzung
genehmigt habe.
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Zur Begründung seiner am 13.03.2007 erhobenen Klage trägt der Kläger vor, dass im
Anwendungsbereich des BSHG die Problematik bestanden habe, dass der in
Einrichtungen gewährte Lebensunterhalt, insbesondere der Mietanteil, geldlich nur unter
Schwierigkeiten zu bewerten gewesen sei. Hilfsweise hätten daher zwischen
Sozialhilfeträgern und Krankenkassen Vereinbarungen bestanden, in denen der mit
einem Multiplikator bewertete Eckregelsatz zur Beitragsbemessung zugrunde gelegt
worden sei. Durch das Inkrafttreten des SGB XII sei jedoch der in Einrichtungen
gewährte Lebensunterhalt präzisiert worden und könne nunmehr eindeutig wertmäßig
beziffert werden. Er setze sich zusammen aus dem maßgeblichen Regelsatz einer
haushaltsangehörigen Person in Höhe von 276,00 EUR gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 i. V.
m. § 42 Satz 1 Nr. 1 SGB XII, dem Durchschnittsbetrag der angemessenen Warmmiete
eines 1-Personen-Haushaltes im Bereich des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in
Höhe von 266,00 EUR, einem Barbetrag zur persönlichen Verfügung in Höhe von 93,15
EUR (§ 35 Abs. 2 SGB XII), einem Pauschalbetrag in Höhe von 18,00 EUR für
Ersatzbeschaffung von Bekleidung (§ 35 Abs. 2 SGB XII) sowie dem monatlichen
Beitrag zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung, ausgehend von den
Mindesteinnahmen nach § 240 Abs. 4 SGB V in Höhe von 122,50 EUR. Da der Betrag
insoweit mit 775,65 EUR noch unterhalb der beitragspflichtigen Mindesteinnahmen
nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V liege, sei damit zur Beitragsberechnung von den
gesetzlichen Mindesteinnahmen nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V auszugehen. Auf
Grund der Konkretisierung des in der Einrichtung gewährten Lebensunterhaltes durch
das SGB XII sei die Beitragsfestsetzung durch die Beklagte rechtswidrig. Nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
von Personen, die stationäre Sozialhilfeleistungen erhalten, nur an den Leistungen zum
Lebensunterhalt zu bemessen. Diese ließen sich nunmehr jedoch eindeutig berechnen.
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Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
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die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 13.07.2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 20.02.2007 aufzuheben, soweit die Beklagte damit
Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung ab dem 01.01.2006 auf der
Grundlage über die Mindesteinnahmen aus § 240 Abs. 4 SGB V hinausgehender
beitragspflichtiger Einnahmen erhebt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor, dass sich durch die Überführung der Vorschriften des BSHG in das SGB
XII inhaltlich keine Änderungen bezüglich der beitragsrechtlichen Bewertung ergeben
hätte. Zu den beitragspflichtigen Einnahmen gehörten nicht nur die Einnahmen, die der
Hilfeempfänger tatsächlich in Geldwert zur Verfügung habe, sondern auch die Kosten
für die Heimunterbringung, insbesondere auch die Kosten für die Unterkunft und
Verpflegung. Bereits hieraus ergebe sich ein höherer Betrag als der Mindestbeitrag
nach der Beitragsbemessungsgrundlage.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen, die der Kammer vorgelegen
haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Die angefochtenen Bescheide sind
rechtswidrig. Die Beklagte durfte ihre Beitragsberechnungen ab dem 01.07.2006 nicht
auf die Bestimmung in ihrer Satzung stützen, wonach bei Sozialhilfeempfängern, die in
Heimen untergebracht sind, der 3,7-fache Eckregelsatz zugrunde zu legen ist. Die
entsprechende Satzungsbestimmung ist unwirksam, weil sie nicht den in § 240 SGB V
gestellten Anforderungen an die Beitragsbemessung entspricht.
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Gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder
durch die Satzung zu regeln. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die
gesamte wirtschaftlich Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt (§ 240 Abs. 2 Satz
2 SGB V). Die Satzung der Krankenkasse muss mindestens die Einnahmen des
freiwilligen Mitgliedes berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren
versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§
240 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Diese Grundsätze gelten gemäß § 57 Abs. 4 Satz 1
Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) auch für die Beitragsbemessung in der
Pflegeversicherung. Die Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit bedeutet, dass alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum
Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf ihre
steuerliche Behandlung der Beitragsbemessung zugrunde zugrunde zu legen sind.
Auch Sozialhilfeleistungen stellen grundsätzlich Einnahmen zum Lebensunterhalt dar,
die bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen sind (BSG, Urt. v. 23.11.1992, Az.:
12 RK 29/92; BSG, Urt. v. 15.12.1983, Az. 12 RK 70/80). Beitragsrelevant sind aber nur
Hilfen zum Lebensunterhalt, d. h. Leistungen, die der Sicherung des allgemeinen
Lebensunterhalts dienen. Dabei handelt es sich im Anwendungsbereich des BSHG (bis
zum 31.12.2004) um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach den §§ 11
ff. BSHG. Denn auch diese Leistungen erhöhen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
der freiwillig Versicherten im Sinne von § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V und sind damit der
Beitragsbemessung durch Satzung zugrunde zu legen (BSG, Urt. v. 23.11.1992, Az.: 12
RK 29/92).
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Bei Sozialhilfeempfängern, die in Heimen untergebracht sind, bereitet die
Beitragsbemessung im Anwendungsbereich des BSHG Schwierigkeiten, weil hier
überwiegend Sachleistungen gewährt werden, die nur teilweise als Leistungen zu
bewerten sind, die der Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §§ 11 ff BSHG zuzurechnen
sind. Teilweise handelt es sich um Leistungen, die gezielt zur Bewältigung bestimmter
Lebenssituationen gewährt werden und damit um Leistungen, die als Hilfe in
besonderen Lebenslagen gemäß §§ 27 ff BSHG anzusehen sind. Letztere erhöhen die
Leistungsfähigkeit des Versicherten nicht, da sie nur zweckbestimmt besondere Defizite
ausgleichen. Sie sind bei der Beitragsbemessung nicht zu berücksichtigen (BSG,
a.a.O). Der Anteil der Sozialhilfeleistungen, der der Hilfe zum allgemeinen
Lebensunterhalt dient, lässt sich zahlenmäßig jedoch nicht oder nur schwer bestimmen
(BSG a.a.O.). Auf Grund dieser Schwierigkeiten sind für diesen Personenkreis im
Anwendungsbereich des BSHG nach Auffassung des BSG die allgemeinen
Bestimmungen über die Beitragsbemessung für freiwillig Versicherte in einer Satzung
nicht ausreichend, sondern es sind Sonderregelungen erforderlich. Insbesondere sind in
der Satzung pauschalierende Regelungen zulässig, bei denen ein Mehrfaches des
Regelsatzes zur Grundlage für die Beitragsbemessung gemacht werden kann.
Allerdings darf eine solche Pauschalierung durch Ansetzen des Mehrfachen des
Regelsatzes nur dann zur Grundlage für die Beitragsbemessung gemacht werden, wenn
"eine - im Benehmen mit dem im Zuständigkeitsbereich der Beklagten vorhandenen
Sozialhilfeträgern durchzuführende -" Berechnung der Durchschnittshöhe der Anteile an
Sozialhilfe, die bei in Heimen untergebrachten Sozialhilfeempfängern anzusetzen sind,
in etwa zum gleichen Ergebnis kommt (BSG a.a.O.).
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Im SGB XII ist nun im Vergleich zu den entsprechenden Regelungen im BSHG
hinsichtlich der Leistungen, die in Einrichtungen erbracht werden, eine wesentliche
Änderung eingetreten. Danach zählt die in Einrichtungen zu leistende Hilfe
grundsätzlich nicht mehr zu den Hilfen in besonderen Lebenslagen, sondern zu den
Leistungen des 3. Kapitels (Hilfe zum Lebensunterhalt). § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII
bestimmt, dass der notwendige Lebensunterhalt den darin erbrachten sowie in
stationären Einrichtungen zusätzlich den weiteren notwendigen Lebensunterhalt
umfasst. Dabei entspricht der notwendige Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen
dem Umfang der Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII (§
35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Der weitere notwendige Lebensunterhalt umfasst
insbesondere Kleidung und einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen
Verfügung (§ 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII).
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Diese vom Gesetzgeber in § 35 SGB XII getroffene Festlegung der Höhe der Hilfe zum
Lebensunterhalt für Sozialhilfeempfänger in Einrichtungen, muss auch bei der
Beitragsberechnung nach § 240 SGB V zur Bestimmung des Anteils der Sozialhilfe
herangezogen werden, der der Hilfe zum Lebensunterhalt zuzurechnen ist und damit
nach der Rechtsprechung des BSG bei der Beitragsberechnung berücksichtigt werden
muss. Dabei übersieht die Kammer nicht, dass die Neuregelung in § 35 SGB XII
insoweit als problematisch anzusehen ist, als sie einem gewissen Spannungsverhältnis
zu §§ 75 und 76 SGB XII (Hilfe in Einrichtungen) steht (vgl. Grube-Wahrendorf, SGB XII,
2 Aufl., § 35 Rn. 3; Münder, SGB XII, 8. Aufl., § 35, Rn. 5). So ist es etwa vorstellbar,
dass die zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer zu vereinbarende
Grundpauschale, die gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB XII Leistungen für Unterkunft und
Verpflegung umfasst, höher sein kann, als die nach § 35 Abs. 1, Abs. 2 SGB XII
pauschaliert berechneten Leistungen. In einem solchen Fall stellte sich die Frage, wer
die Differenzkosten zu tragen hat. Dies wird unter Berücksichtigung des
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Bedarfsdeckungsgrundsatzes, der trotz § 35 SGB XII auch weiterhin gilt, der
Sozialhilfeträger sein. Allerdings können entsprechende Leistungen dann nur den Hilfen
nach dem Fünften bis Neunten Kapitel und nicht der Hilfe zum Lebensunterhalt
zugeordnet werden (Münder, SGB XII, 8. Aufl., § 35, Rn. 5). Trotz dieses
Wertungswiderspruches zwischen § 35 SGB XII einerseits und §§ 75 und 76 SGB XII
andererseits, ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber § 35 SGB XII gerade zur
Vermeidung von Schwierigkeiten bei der Berechnung des Lebensunterhaltes in
stationären Einrichtungen geschaffen hat und es Hintergrund der Neuregelung war,
Probleme der praktischen Umsetzung bei der Berechnung und Feststellung der
einzelnen Leistungen auszuschließen (vgl. BT-Drucks. 15/3673 S. 3). Ziel der Regelung
war es auch, die Bestandteile der Komplexleistung im stationären Bereich
herauszulösen (Münder, SGB XII, 8. Aufl. § 35 Rn. 1) und eine Berechnung des Anteils
der Pflegeleistungen zu erleichtern um einen Vergleich von ambulanten und stationären
Pflegeleistungen zu ermöglichen. Auch wenn es diese in § 35 SGB XII getroffene
Regelung nach Auffassung der Kammer nicht ausschließt, einen im Einzelfall konkret
nachzuweisenden höheren Bedarf der Beitragsberechnung zu Grunde zu legen, hat der
Gesetzgeber mit § 35 SGB XII doch zumindest eine Rechengröße zur Bestimmung des
notwendigen Bedarfs in Einrichtungen geschaffen (Grube-Wahrendorf, SGB XII, 2 Aufl.,
§ 35 Rn. 3), an der sich eine pauschalierende Satzungsregelung messen lassen muss.
Die entsprechende Satzungsbestimmung der Beklagten genügt den genannten
Vorgaben in § 240 SGB V i. V. m. § 35 SGB XII jedoch nicht und ist damit unwirksam.
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Ausgehend von den Vorgaben in § 35 Abs. 1, Abs. 2 SGB XII errechnet sich ein Bedarf
zur Hilfe zum Lebensunterhalt, der noch unter dem Mindesteinkommen nach § 240 Abs.
4 Abs. 1 SGB V und damit deutlich unter dem von der Beklagten in ihrer Satzung
festgelegten 3,7-fachen Regelsatz liegt. Der zu berücksichtigende Bedarf liegt bei
765,65 EUR und setzt sich zusammen aus dem maßgeblichen Regelsatz einer
haushaltsangehörigen Person in Höhe von 276,00 EUR gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 i. V.
m. § 42 Satz 1 Nr. 1 SGB XII, dem Durchschnittsbetrag der angemessenen Warmmiete
eines 1-Personen-Haushaltes im Bereich des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in
Höhe von 266,00 EUR, einem Barbetrag zur persönlichen Verfügung in Höhe von 93,15
EUR (§ 35 Abs. 2 SGB XII), einem Pauschalbetrag in Höhe von 18,00 EUR für
Ersatzbeschaffung von Bekleidung (§ 35 Abs. 2 SGB XII) sowie dem monatlichen
Beitrag zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung, ausgehend von den
Mindesteinnahmen nach § 240 Abs. 4 SGB V in Höhe von 122,50 EUR. Selbst wenn
man einen höheren Betrag zur persönlichen Verfügung ansetzen würde, ergäbe sich ein
Gesamtbetrag, der allenfalls die Mindestbemessungsgrenze (816,66 EUR) von § 240
Abs. 4 Satz 1 erreichen würde. Demgegenüber ergibt der von der Beklagten in der
Satzung zu Grunde gelegte 3,7-fache Regelsatz eines Haushaltsvorstandes einen
Betrag von 1283,90 EUR.
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Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch dann nicht, wenn man mit der Beklagten eine von
den Vorgaben des § 35 SGB XII abweichende pauschalierende Satzungsregelung
grundsätzlich weiterhin für zulässig erachtet und z. B. auch die Berücksichtigung eines
möglicherweise vorhandenen höheren Bedarf etwa im Bereich der Grundpauschale (§
76 Abs. 2 SGB XII) bei der Beitragsberechnung für möglich hält. Auch in diesem Fall
genügt die Satzungsregelung der Beklagten nicht den Voraussetzungen, die das BSG
für eine pauschalierende Satzungsregelung getroffen hat. Das BSG hat es - wie
dargelegt - im Anwendungsbereich des BSHG zwar grundsätzlich für zulässig erachtet,
eine pauschalierende Satzungsregelung dahingehend vorzunehmen, dass ein
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Mehrfaches des Regelsatzes als Grundlage für die Beitragsbemessung festgelegt wird
(BSG, Urt. v. 23.11.1992, Az.: 12 RK 29/92). Jedoch hat es für eine entsprechende
Pauschalierung erforderlich gehalten, dass zuvor eine im Benehmen mit den im
Zuständigkeitsbereich der Krankenkasse vorhandenen Sozialhilfeträgern
vorzunehmende Berechnung der Durchschnittshöhe der Anteile an Sozialhilfe, die bei
in Heimen untergebrachten Sozialhilfeempfängern anzusetzen sind, in etwa zum
gleichen Ergebnis kommt. Vorliegend fehlt an einer entsprechenden Berechnung. Es ist
weder ersichtlich, noch wird es von der Beklagten vorgetragen, dass entsprechende
Berechnungen durchgeführt worden sind. Die Beklagte hat im Verfahren lediglich
Aufstellungen vorgelegt, aus denen die durchschnittliche Höhe der Kosten für Unterkunft
und Verpflegung in Pflege- und Behinderteneinrichtungen im Zuständigkeitsgebiet der
Beklagten hervorgehen soll. Ob und inwieweit es sich hier tatsächlich nur um die
Grundpauschale handelt ist dabei nicht festzustellen. Überdies ist es auch keinesfalls
angemessen, die gesamte Investionspauschale dem notwendigen Lebensunterhalt
zuzurechnen. Schon insoweit handelt es sich nicht um eine ausreichende Berechnung
ungeachtet der Frage, dass es sich auch nicht um eine im Benehmen mit den
betroffenen Sozialhilfeträgern durchgeführte Berechnung handelt.
Soweit sich die Beklagte zusätzlich auf eine zwischen ihm und dem
Landschaftsverband Rheinland bestehende Vereinbarung berufen hat, in der eine
entsprechende Pauschalierung in Höhe des 3,7-fachen Regelsatzes vereinbart worden
ist, genügt dies ebenfalls nicht Vorgaben des BSG. Zunächst ist auch hier nicht
ersichtlich, welche konkreten Zahlen der damaligen Vereinbarung zugrunde lagen und
ob entsprechende Berechnungen damals überhaupt durchgeführt wurden. Eben
sowenig ist erkennbar, ob es sich um ein im Benehmen mit den Sozialhilfeträgern
vorgenommene Berechnung handelt. Schließlich ist bei einer entsprechenden
pauschalierten Regelung auch zu beachten, dass hier durchaus auch höhere Kosten,
als die tatsächlich anfallenden Kosten zugrunde gelegt werden können, weil es hier
auch zu einer Einsparung von Verwaltungsaufwand auf Seiten des Sozialhilfeträgers
bei der Ermittlung der Aufwendungen kommen kann, die in Form eines höheren
Pauschalbetrages berücksichtigt werden können. Daher kann eine entsprechende
Vereinbarung auch höherer Beträge enthalten als dies den durchschnittlich tatsächlich
angefallenen Kosten entspricht. Ob dies auch bei der von der Beklagten angeführten
Vereinbarung der Fall war, ist ebenfalls nicht festzustellen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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