Urteil des SozG Aachen vom 10.11.2009

SozG Aachen (wirtschaftliche leistungsfähigkeit, beitrag, beitragssatz, ausgleichszahlung, kläger, aufstockung, arbeitgeber, zuschuss, beitragspflicht, beitragsbemessung)

Sozialgericht Aachen, S 13 KR 95/08
Datum:
10.11.2009
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 13 KR 95/08
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 5 KR 161/09
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt 1/6 der notwendigen
außergerichtlichen Kosten des Klägers. Im Übrigen haben die
Beteiligten einander Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten über die Höhe der freiwilligen Krankenversicherung (KV) und
sozialen Pflegeversicherung (PV) vom 01.03. bis 31.12.2008, insbesondere, ob der vom
Arbeitgeber des Klägers gezahlte Zuschuss zur KV und PV und der
Rentenversicherungs-(RV-)Beitrag (Arbeitgeberanteil für Ausgleichszahlung und
Aufstockung für zur Beitragsbemessung heranzuziehen sind und ob die
beitragspflichtigen Einkommensbestandteile in der KV nach dem allgemeinen
Beitragssatz (anstelle des ermäßigten Beitragssatzes) zu bemessen sind.
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Der am 00.00.0000 geborene Kläger war bis 31.08.2004 versicherungspflichtiges und
ist seit 01.09.2004 freiwilliges Mitglied der Beklagten. Er ist im Vorruhestand und erhält
von der Wehrbereichsverwaltung West monatlich eine Ausgleichszahlung nach § 11
des "Tarifvertrages über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit
der Umgestaltung der Bundeswehr" (TVUmBw) vom 18.07.2001, dazu
vermögenswirksame Leistungen, RV-Beiträge, Leistungen zur Zusatzversorgung und
Zuschüsse zu den KV-/PV-Beiträgen. Darüber hinaus erhält er pro Jahr einmalig eine
weitere Ausgleichszahlung. Ausweislich der Arbeitgeberentgeltbescheinigungen vom
17.07.2008 wurden folgende Arbeitgeberleistungen gewährt:
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Ab 01.01.2008
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Art der Leistung Bezüge lfd. Monat Einmalige Einnahmen Ausgleichszahlung 2.260,04
EUR 2.034,04 EUR Vermögenswirksame Leistung 6,65 EUR
5
RV-Beitrag-Arbeitgeberanteil (Ausgleichszahlung) 232,62 EUR 201,63 EUR RV-Beitrag
(Aufstockung) 186,18 EUR
6
Zusatzversorgung/VBLArbeitgeberanteil
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davon werden pauschal versteuert 92,03 EUR
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davon werden individuell versteuert 69,82 EUR 193,37 EUR Zuschuss zum
Krankenversicherungsbeitrag 202,38 EUR 169,50 EUR Zuschuss zum
Pflegeversicherungsbeitrag 26,46 EUR 22,17 EUR
9
3.076,18 EUR 2.620,72 EUR: 12 = 218,39 EUR
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Ab 01.07.2008
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Art der Leistung Bezüge lfd. Monat Einmalige Einnahmen Ausgleichszahlung 2.260,04
EUR 2.034,04 EUR Vermögenswirksame Leistung 6,65 EUR
12
RV-Beitrag-Arbeitgeberanteil ( Ausgleichszahlung) 232,62 EUR 201,63 EUR RV-
Beitrag (Aufstockung) 186,18 EUR
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Zusatzversorgung/VBL-Arbeitgeberanteil
14
davon werden pauschal versteuert 92,03 EUR
15
davon werden individuell versteuert 69,82 EUR 193,37 EUR Zuschuss zum
Krankenversicherungsbeitrag 202,61 EUR 169,50 EUR Zuschuss zum
Pflegeversicherungsbeitrag 30,39 EUR 22,17 EUR
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3.080,34 EUR 2.620,71 EUR: 12 = 218,39 EUR
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Bis Dezember 2007 legte die Beklagte der Bemessung der monatlichen KV- und PV-
Beiträge lediglich die monatliche sowie 1/12 der zusätzlich einmalig gewährten
Ausgleichszahlung und die vermögenswirksamen Leistungen, speziell in der KV den
ermäßigten Beitragssatz zuzüglich des Zusatzbeitrages zugrunde. Dies führte zu einem
Gesamtbeitrag zuletzt ab 01.01.2007 in Höhe von monatlich 368,27 EUR
(Beitragsbescheid vom 09.01.2007).
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Erstmals ab 01.01.2008 zog die Beklagte darüber hinaus auch alle anderen
Arbeitgeberleistungen in die Beitragsbemessung mit ein. Auf der Grundlage der
zunächst vom Arbeitgeber vorgelegten Entgeltbescheinigung vom 23.01.2008 erließ sie
am 22.02.2008 - zugleich im Namen der Pflegekasse - einen Bescheid, durch den sie
den Monatsbeitrag in der KV auf 446,89 EUR, in der PV 54,66 EUR, insgesamt 501,55
EUR festsetzte. Den KV-Beitrag errechnete sie nach wie vor nach dem ermäßigten
Beitragssatz (2008: 13 %) zuzüglich des Zusatzbeitrages (0,9 %). Zugleich hob die
Beklagte den letzten - noch auf der bis dahin gehandhabten Bemessungsgrundlage
ergangenen - Bescheid vom 09.01.2007 auf. (Soweit im Bescheid vom 22.02.2008 ein
"Beitragsbescheid vom 14.12.2007" aufgehoben worden ist, hat die Beklagte dies im
Verlauf des Klageverfahrens als Datumsfehler bezeichnet und das richtige Datum des
aufgehobenen Beitragsbescheides auf "09.01.2007" korrigiert).
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Dagegen legte der Kläger am 06.03.2008 Widerspruch ein. Er erklärte, er sei mit der
Ermittlung des Beitrags unter Hinzuziehung aller Zuschüsse nicht einverstanden und
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zahle ab sofort den Beitrag nur unter Vorbehalt. Die Beklagte wies den Widerspruch
durch Widerspruchsbescheid vom 03.06.2008 - zugleich im Namen der Pflegekasse -
als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger am 03.07.2008 Klage erhoben (S 13 KR 95/08).
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Nach Erhalt der korrigierten Entgeltbescheinigung des Arbeitgebers vom 17.07.2008
erging am 23./25.07.2008 - zugleich im Namen der Pflegekasse - ein
Änderungsbescheid, durch den die Beklagte die monatlichen Beiträge zur KV und PV
ab 01.01. bzw. 01.07.2008 neu festsetzte. Danach betrug ab Januar 2008 der Beitrag
zur KV 457,95 EUR, zur PV 56,00 EUR, insgesamt 513,95 EUR, ab Juli 2008 der
Beitrag zur KV 458,53 EUR, zur PV 64,32 EUR, insgesamt 522,85 EUR; für die Zeit vom
01.01. bis 30.06.2008 erhob die Beklagte als Differenz zu der Beitragsfestsetzung vom
22.02.2008 einen Betrag von 74,40 EUR nach. Desweiteren bemaß die Beklagte
erstmals ab August 2008 den Beitrag zur KV nach dem allgemeinen Beitragssatz; zur
Begründung führte sie aus, bei den Leistungen nach § 11 TVUmBw handele es sich um
Versorgungsbezüge, für die der allgemeine Beitragssatz gelte; in Abkehr von der
bisherigen Bemessung werde deshalb ab 01.08.2008 der KV-Beitrag nach dem
allgemeinen Beitragssatz (14,3 %) zuzüglich des Zusatzbeitrages (0,9 %) neu
bemessen. Daraus ergab sich ab 01.08.2008 ein monatlicher Beitrag zur KV i.H.v.
501,41 EUR, zur PV i.H.v. 64,33 EUR, insgesamt 565,74 EUR.
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Den dagegen am 25.07.2008 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte - zugleich im
Namen der Pflegekasse - durch Widerspruchsbescheid vom 03.02.2009 zurück.
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Dagegen hat der Kläger am 02.03.2009 Klage erhoben (S 13 KR 29/09).
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Durch Beschluss vom 25.05.2009 hat das Gericht die beiden Klageverfahren unter dem
Aktenzeichen S 13 KR 95/08 verbunden.
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In der mündlichen Verhandlung am 10.11.2009 hat die Beklagte die Beitragsbescheide
vom 22.02. und 23./25.07.2008 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom
03.06.2008 und 03.02.2009 aufgehoben, soweit dadurch für Januar und Februar 2008
höhere Beiträge als durch Bescheid vom 09.01.2007 festgesetzt und geltend gemacht
worden sind. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen. Der Kläger ist der
Auffassung, nicht alle Leistungen nach § 11 TVUmBw unterlägen der Beitragspflicht zur
freiwilligen KV und PV. Bei dem Arbeitgeberzuschuss zum KV- und PV-Beitrag sowie
bei dem RV-Beitrag (Arbeitgeberanteil für Ausgleichszahlung und Aufstockung) handele
es sich um keine beitragspflichtigen Einnahmen, da dies keine Geldmittel seien, die er
verbrauche oder verbrauchen könne; es handele sich um zweckgebundene Zuflüsse.
Dies sei auch die Auffassung des Bundesministeriums der Verteidigung (BMV). Soweit
der Beitragsbemessung ab 01.08.2008 der allgemeine Beitragssatz zugrunde gelegt
werde, stehe dem entgegen, dass sein Krankenversicherungsschutz keinen Anspruch
auf Krankengeld beinhalte und die Leistungen nach § 11 TVUmBw keine
Versorgungsbezüge seien. Es sei daher der ermäßigte Beitragssatz anzuwenden. Auch
dies sei die Auffassung des BMV.
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Der Kläger beantragt,
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die Beitragsbescheide der Beklagten vom 22.02.2008 und 23./25.07.2008 in der
Fassung der Widerspruchsbescheide vom 03.06.2008 und 03.02.2009 sowie des
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Teilanerkenntnisses vom 10.11.2009 insoweit aufzuheben, als dadurch auch die gem. §
11 TVUmBw arbeitergeberseits gezahlten Zuschüsse zu den Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträgen und Beiträge zur Rentenversicherung (Arbeitgeberanteil
für Ausgleichszahlung und Aufstockung) als beitragspflichtige Einnahmen der Be-
messung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.03. bis
31.12.2008 zugrunde gelegt worden sind, und die Beklagte zu verpflichten, die Beiträge
zur Krankenversicherung für die verbleibenden beitragspflichtigen Leistungen nach § 11
TVUmBw auch ab 01.08.2008 weiter nach dem ermäßigten Beitragssatz zu bemessen.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, nicht nur die Ausgleichszahlungen selbst, die
vermögenswirksamen Leistungen und die VBL-Umlage gemäß § 11 TVUmBw, sondern
auch die Arbeitgeberbeitragszuschüsse zur KV, PV und RV seien beitragspflichtig, und
zwar als Versorgungs- bezüge nach dem allgemeinen Beitragssatz. Dies sei auch die
Auffassung der Krankenkassenspitzenverbände - wie des AOK Bundesverbandes, des
VdEK und des Beigeladenen - sowie des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG).
Entsprechende ergebe sich auch aus der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts
(BSG). In den Erläuterungen zu § 11 TVUmBw würde alle Zuschüsse des Arbeitgebers
zu den Sozialversicherungsbeiträgen als der Steuerpflicht unterliegende "geldwerte
Vorteile" definiert.
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Der Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt. Auch er hält die
Arbeitgeberzuschüsse zu den KV- und PV-Beiträgen und die Beiträge zur RV für
beitragspflichtige Einnahmen, weil sie vermögenswerte Vorteile beim Kläger bewirkten.
Für die KV- und PV-Beitragszuschüsse habe das BSG dies bereits mehrfach
entschieden und klargestellt, dass es sich hierbei zwar um zweckbestimmte Leistungen
handele, die aber gleichwohl Teile des Einkommens seien. Gleiches gelte für die
Beiträge zur RV, durch die der Kläger sogar eine grundgesetzlich geschützte
Eigenposition erlange. Da die Leistungen nach § 11 TVUmBw während eines ruhenden
Arbeitsverhältnisses gleichsam als vorgezogene Alterssicherung mit rentenähnlichem
Charakter gezahlt würden, könnten sie als Versorgungsbezüge im Sinne von § 229
SGB V qualifiziert werden.
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Auf Anfrage des Gerichts hat das BMV mit Schreiben vom 25.02.2009 erklärt, es teile
die Auffassung der Krankenkassenspitzenverbände und des BMG nicht. Bei den
Zuschüssen zur freiwilligen KV, RV und PV handele es sich nicht um Einnahmen, die
zum Lebensunterhalt verwendet werden könnten. Vielmehr handele es sich um
zweckgebundene Zuflüsse, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers
nicht erhöhten. Die entsprechenden Beiträge würden, soweit es die RV betreffe direkt
vom Arbeitgeber abgeführt; die Beiträge zur KV und PV seien vom Arbeitnehmer zu
entrichten, da bei der Beitragsbemessung ggf. weitere Einnahmen zu berücksichtigen
seien. Das Abführen der Beiträge könne nicht mit dem nach § 240 SGB V geforderten
"Verbrauch zum Lebensunterhalt" gleichgesetzt werden. Das BMV sieht sich durch ein
Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 09.10.2008 (S 1 KR 73/07) in seiner Auffassung
bestätigt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der
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Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der
Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
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Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide in der Fassung des
Teilanerkenntnisses vom 10.11.2009 nicht (mehr) beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG). Auch die im Rahmen der Leistungen gem. § 11 TVUmBw
arbeitgeberseits gezahlten Zuschüsse zu den KV- und PV-Beiträgen und die Beiträge
zur RV (Arbeitgeberanteil zur Ausgleichszahlung und Aufstockung) unterliegen der
Beitragspflicht zur KV und PV und sind deshalb zur Bemessung der freiwilligen Beiträge
mit dem allgemeinen Beitragssatz heranzuziehen.
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Gemäß § 240 SGB V in der hier maßgeblichen bis 31.12.2008 geltenden Fassung wird
die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse
geregelt (Abs. 1 Satz 1). Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die
gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (Abs.
1 Satz 2). Die Satzung der Kasse muss mindestens die Einnahmen des freiwilligen
Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig
Beschäftigten zugrunde zu legen sind (Abs. 2 Satz 1). In Ausführung dieser gesetzlichen
Vorgaben ist in § 19 Abs. 1 der Satzung der Beklagten und in § 8 Abs. 2 der Satzung der
Pflegekasse bestimmt, dass die Beiträge der freiwilligen Mitglieder nach ihren
beitragspflichtigen Einnahmen bemessen werden (Satz 1). Hierzu gehören das
Arbeitsentgelt sowie alle anderen Einnahmen, die für den Lebensunterhalt verbraucht
werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche
Behandlung (Satz 2).
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Auf der Grundlage dieser Bestimmungen des SGB V und der Satzungen hat die
Beklagte - zugleich im Namen der Pflegekasse (vgl. § 46 Abs. 2 Satz 4 und 5 SGB XI) -
die beitragspflichtigen Einnahmen, die im Rahmen der Zahlungen gemäß § 11
TVUmBw zugunsten des Klägers erfolgt sind, für die streitbefangene Zeit vom 01.03. bis
31.12.2008 richtig ermittelt. Insbesondere gehören zu den beitragspflichtigen
Einnahmen auch die Arbeitgeberzuschüsse zu den KV- und PV-Beiträgen und die RV-
Beiträge (Arbeitgeberanteil für Ausgleichszahlung und Aufstockung). Es handelt sich
dabei um Leistungen, die dem freiwilligen Mitglied für seine Versicherungen gewährt
werden. Es sind geldwerte Vorteile, die auch der Steuerpflicht unterliegen. Sie erhöhen
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds, indem sie seine Kosten für den KV-
und PV-Schutz mindern und im Bereich der RV eine vermögenswerte Anwartschaft
begründen.
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Solche Einnahmen unterliegen der Beitragspflicht gemäß § 240 SGB V. Dies hat das
BSG für die Zuschüsse zu den KV- und PV-Beiträgen bereits mehrfach entschieden
(BSG, Urteil vom 09.12.1981 - 12 RK 29/79 = SozR 2200 § 180 Nr. 8; Urteil vom
22.09.1988 - 12 RK 12/86 = BSGE 64,100 = SozR 2200 § 180 Nr. 44; Urteil vom
19.12.2000 - B 12 KR 1/00 R = BSGE 87,228 = SozR 3-2500 § 240 Nr. 34; Urteil vom
19.12.2000 - B 12 KR 36/00 R). Die dort aufgestellten Grundsätze gelten auch für die
Beiträge zur RV, die der Arbeitgeber zahlt.
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Der Beitragspflicht steht nicht entgegen, dass die Zuwendungen des Arbeitgebers zu
den KV- und PV-Beiträgen und zur RV zweckbestimmte Leistungen sind. Denn sie
dienen gerade der Deckung des Beitrags zu den drei Sozialversicherungen (vgl. BSG,
Urteil vom 09.12.1981, a.a.O.). Soweit die 1. Kammer des Sozialgerichts Landshut im
Urteil vom 09.10.2008 (S 1 KR 73/07) ausgeführt hat, ihr seien "keine sonstigen
Fallkonstellationen bekannt, in denen die Beiträge zur Sozialversicherung ihrerseits
verbeitragt werden", verkennt sie, dass es nicht um die Beitragspflicht der Beiträge zur
KV, PV und RV insgesamt geht, sondern nur um die Beitragsanteile, die der Arbeitgeber
dem freiwilligen Mitglied als Zuschuss gewährt. Allein diese Arbeitgeberleistung stellt
den geldwerten Vorteil des Mitglieds dar, die er für seinen Lebensunterhalt - den
Versicherungsschutz in dem jeweiligen Sozialversicherungsbereich - verbrauchen kann
und verbraucht. Unerheblich ist, dass der RV-Beitrag nicht an den Arbeitnehmer,
sondern direkt an den Rentenversicherungsträger gezahlt wird. Im Verhältnis des
freiwillig Versicherten zu seiner Krankenkasse oder dem Rentenversicherungsträger
stellt die Übernahme eines Beitragsanteils durch den Arbeitgeber keine
versicherungsrechtliche Freistellung des Versicherten von seiner Beitragsschuld,
sondern eine geldwerte Zuwendung eines Dritten an den Versicherten dar, die als
Einnahme zum Lebensunterhalt beitragspflichtig ist (so für den KV-Beitrag ausdrücklich:
BSG, Urteil vom 22.09.1988, a.a.O.).
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Für die Bemessung der KV-Beiträge aus den nach § 11 TVUmBw gewährten
Leistungen hat die Beklagte auch, ab 01.08.2008) zutreffend den allgemeinen
Beitragssatz zugrunde gelegt. Dies ergibt sich aus § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB V (in der bis
31.12.2008 geltenden Fassung) i.V.m. § 248 SGB V. Denn bei den in Rede stehenden
Leistungen handelt es sich um Versorgungsbezüge im Sinne von § 229 SGB V. Die
Ausgleichszahlungen der Bundeswehr und die damit verbundenen Zuschüsse werden
Personen gewährt, die das 55. Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von
mindestens 20 Jahren zurückgelegt haben (§ 11 Abs. 1 TVUmBw). Die Mitarbeiter der
Bundeswehr scheiden während des Bezugs der Leistungen zwar formal nicht aus dem
Dienstverhältnis aus; theoretisch besteht sogar die Möglichkeit der Reaktivierung (§ 11
Abs. 9 i.V.m. § 3 Abs. 4 TVUmBw). Die Ausgleichsleistungen nach § 11 TVUmBw sind
jedoch darauf ausgelegt, nicht nur übergangsweise für einen kurzen Zeitraum (z.B. für
ein paar Monate), sondern über mehrere Jahre bis zum Einsetzen der regulären
Betriebs-/Altersrente gezahlt zu werden. Der Kläger erhält die Ausgleichsleistungen
bereits seit 2004. Unter diesen Umständen sind die Leistungen nach § 11 TVUmBw als
der Rente vergleichbare Einnahmen, d.h. als Versorgungsbezüge (vgl. §§ 226 Abs. 1
Satz 1 Nr. 3, 229 SGB V) anzusehen. Aus solchen Einnahmen werden, auch wenn kein
Anspruch auf Krankengeld besteht (vgl. § 243 Abs. 1 SGB V), bei freiwilligen Mitgliedern
gem. § 240 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 248 SGB V (in der bis 31.12.2008 geltenden Fassung)
die Beiträge aus dem allgemeinen Beitragssatz bemessen. Dieser betrug gem. § 241
Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 18 der Satzung der Beklagten (jeweils in der bis
31.12.2008 geltenden Fassung) für den hier streitbefangenen Zeitraum 14,3 %; dazu
kam der zusätzliche Beitragssatz von 0,9 % (§ 241a SGB V).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Beklagte die in den
angefochtenen Bescheiden vorgenommene höhere Festsetzung der KV- und PV-
Beiträge für das Jahr 2008 durch Teilanerkenntnis vom 10.11.2009 für zwei Monate
aufgehoben hat, ist es angemessen, dass sie 1/6 der notwendigen außergerichtlichen
Kosten des Klägers trägt.
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