Urteil des SozG Aachen vom 08.02.2007

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Sozialgericht Aachen, S 9 (5) KN 133/05
Datum:
08.02.2007
Gericht:
Sozialgericht Aachen
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 9 (5) KN 133/05
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 2 KN 71/07
Sachgebiet:
Unfallversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Streitig sind die Folgen des Unfalls vom 28.04.1976.
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Der Kläger zog sich Platzwunden im Gesicht und eine Prellung am rechten Oberarm zu,
als er am 00.00.0000 unter Tage von einem zurückrollenden Förderwagen eingeklemmt
wurde. Im Erstbericht vom 00.00.0000 teilte Chirurg Dr. H. mit, es bestünden multiple
Hautabschürfungen, starke Schwellungen und Druckschmerzhaftigkeit im Bereich des
rechten Oberarms; die Bewegungen im Schulter- und Ellenbogengelenk seien stark
schmerzhaft eingeschränkt. Er diagnostizierte eine Schürfung und Quetschung des
rechten Oberarms sowie Platzwunden an der linken Augenbraue und rechten
Schläfenseite. Der Kläger wurde u.a. mit einer Oberarmschiene versorgt.
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Am 00.00.0000 erreichte die Beklagte ein Nachschaubericht von Chirurg Dr. T. über
eine Nachuntersuchung vom 00.00.0000. Hiernach bestünden "weiterhin" Schmerzen in
der rechten Schulter und des Ellenbogens, die Beweglichkeit des letzteren sei
hinsichtlich der Streckung um 20° und der Beugung um 30 - 40° reduziert. Zumindest
die Funktionseinschränkung des rechten Ellenbogens sei durchaus auf den Unfall von
0000 zurückzuführen, auch wenn nur eine Weichteilverletzung vorgelegen habe.
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Die Beklagte bemühte sich um ältere medizinische Unterlagen. Ein am 00.00.0000
durch-geführtes CT des rechten Ellenbogengelenkes zeigte einen 8 x 4 mm großen
freien Ge-lenkkörper, jedoch keine Anzeichen für frische oder ältere traumatische
knöcherne Beschädigung. PD Dr. X. diagnostizierte unter dem 00.00.0000 eine
Ellenbogengelenksarthrose mit freiem Gelenkkörper im Olecranongraben rechts. Eine
Röntgenaufnahme am 00.00.0000 (Klinik B.) zeigte eine deutliche Arthrose des rechten
Ellenbogengelenkes, am 00.00.0000 (Orthopäde Dr. M.) eine massive Arthrose mit
starken Randausziehungen. Eine derartige Arthrose des Ellenbogengelenkes sei ohne
Trauma einseitig kaum zu erklären, weshalb Dr. M. einen Zusammenhang mit dem ihm
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vom Kläger erst im September 0000 mitgeteilten Unfall 0000 annahm.
Beratungsarzt Dr. L (Stellungnahme vom 00.00.0000) war anderer Ansicht, weil bei dem
Unfall keine Knochenverletzung vorgelegen habe.
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Die Beklagte verneinte einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen
Unfallversicherung (Bescheid vom 00.00.0000, Widerspruchsbescheid vom
00.00.0000).
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Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger trägt vor, er habe aufgrund immer stärkerer
Schmerzen und Beschwerden im rechten Arm viele Ärzte aufsuchen müssen und
bezieht sich auf Dr. T., der 0000 einen Zusammenhang mit dem Unfall 0000
angenommen habe. Der Kläger habe nur an dem Unfallarm Beschwerden. Auch in der
Familie des Klägers gebe es keine vergleichbaren Gelenkprobleme.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid vom 00.00.0000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
00.00.0000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Verletztenrente in
Höhe von mindestens 20 % der Vollrente nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen wegen der Folgen des Unfalles vom 00.00.0000 zu bewilligen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte bezieht sich auf ihren Beratungsarzt Dr. L, der zuletzt mit Stellungnahme
vom 00.00.0000 einen Zusammenhang weiterhin verneint habe.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung von Arztunterlagen zahlreicher
behandelnder Ärzte des Klägers (Dr. Q., Dr. N., Dr. M. und Dr. C.) unter den von Dr. C.
vorgelegten Unterlagen befindet sich ein Arztbrief von Dr. A vom 00.00.0000, wonach
eine Röntgenaufnahme des rechten Ellenbogengelenkes in zwei Ebenen keinen
Hinweis auf eine stattgehabte knöcherne Verletzung, jedoch im Ansatzbereich der
Trizepssehne eine etwa linsengroße Verkalkung ergeben habe. Es bestehe eine
Bewegungseinschränkung im rechen Ellenbogengelenk ohne erinnerliches Trauma.
Unfallverletzungen seien nicht feststellbar.
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Das Gericht hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen
Gutachtens von Dr. S. (vom 00.00.0000) nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG),
sowie nach § 109 SGG von Dr. T. (vom 00.00.0000). Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die vorstehend genannten Arztunterlagen und Gutachten
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig,
denn ein Zusammenhang der beim Kläger bestehenden Ellenbogenbeschwerden mit
dem Unfall vom 00.00.0000 ist möglich, aber nicht wahrscheinlich.
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Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall vom 00.00.0000 und den beim
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Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen (haftungsausfüllende Kausalität) beurteilt
sich nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung.
Danach sind nur die Bedingungen (mit-) ursächlich, die wegen ihrer besonderen
Bedeutung für den Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSGE 12, 242
ff.; 63, 277, 280; LSG NRW, Urteil vom 12.07.2006, L 17 U 244/05). Die
haftungsausfüllende Kausalität muss nicht nur möglich, sondern hinreichend
wahrscheinlich sein (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 38; LSG NRW a.a.O.). Dieser
Zusammenhang ist unter Zugrundelegung der herrschen-den arbeitsmedizinischen
Lehrauffassung, die bei der Kausalitätsbeurteilung maßgebend ist (BSG, Urteil vom
12.11.1986, 9 bRU 76/86) erst dann gegeben, wenn mehr für als gegen den
Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung
ausscheiden (BSGE 43, 110, 113; BSG SozR 3 - 1300 § 48 Nr. 67; LSG NRW a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Voraussetzungen ist es nicht hinreichend
wahr-scheinlich, dass die beim Kläger bestehende Ellenbogengelenksarthrose auf den
Unfall aus 0000 zurückgeht. Bei dem Kläger bestehen eine Beugebehinderung und
Streckhem-mung des rechten Ellenbogengelenkes, ein freier Gelenkkörper beugeseitig,
eine Verkalkung des Trizepssehnenansatzes sowie eine Arthrose der Ellenzwinge. Es
sind Narben am rechten Unterarm vorhanden und es besteht eine Kraftminderung der
rechten Hand. Dies steht für die Kammer aufgrund des überzeugenden und
nachvollziehbar begründeten Gutachtens von Dr. S. fest, dessen Ergebnisse insoweit zu
Recht auch von den Be-teiligten nicht angezweifelt werden.
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Das Gericht folgt Dr. S. auch in dessen Auffassung, dass die
Ellenbogengelenksarthrose sich nicht auf den Unfall von 0000 zurückführen lässt. Denn
die Ellenbogengelenksarthrose ist häufig und betrifft überwiegend den Arbeitsarm. Da
eine Verletzung des Gelenkes nicht belegt ist und Behandlungen erst ab 0000
dokumentiert sind, sieht Dr. S. für die Kammer überzeugend einen
Unfallzusammenhang als nicht belegbar an. Auch der Sachverständige des Vertrauens
des Klägers, Dr. T., räumt ein, dass der Zustand des Gelenkes ohne jede
Unfalleinwirkung entstanden sein kann. Er sieht jedoch den freien Gelenkkörper als
Anzeichen dafür an, dass ein Trauma dem Ellenbogengelenkverschleiß zugrunde liege,
weil die Ausbildung des freien Gelenkkörpers nicht in der für eine degenerative
Entwicklung typischen Form erfolgt sei. Dem vermag die Kammer nicht zu folgen, da
noch 0000 gefertigte Röntgenaufnahmen weder Unfallfolgen, noch einen freien
Gelenkkörper erkennen ließen, so dass der Gelenkverschleiß nach diesem Zeitpunkt
deutlich fortgeschritten sein muss, ohne dass erkennbar würde, warum es in den 21
Jahren zuvor nicht zu nennenswerter Degeneration und zu behandlungsbedürftigen
Beschwerden kam. Zwar legt Dr. T. dar, dass auch eine Weichteilverletzung zu
Arthrosen führen kann und dass ein Zusammenhang mit dem Unfall 0000 deshalb
möglich ist. Es ist jedoch nicht nur ein möglicher, sondern ein hinreichend
wahrscheinlicher Zusammenhang erforderlich. Hieran fehlt es bereits, weil mangels
knöcherner Verletzung dem Gelenk nicht anzusehen ist, wann es geschädigt wurde und
zwischen 1976 und 1997 durchaus auch andere - dem Kläger vielleicht nicht einmal
mehr erinnerliche - traumatische Einwirkungen auf das Ellenbogengelenk stattgefunden
haben können, bei denen es nicht zu einer im Röntgenbild sichtbaren knöchernen
Verletzung kam. Der große zeitliche Abstand zwischen dem Unfall und dem Auftreten
von Beschwerden sowie die von allen Sachverständigen beschriebene Erklärbarkeit der
beim Kläger bestehenden Gesundheits-störungen durch eine nicht traumatische
degenerative Entwicklung stehen damit der An-nahme eines Kausalzusammenhangs im
Sinne des Klageantrages entgegen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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