Urteil des OVG Schleswig-Holstein vom 14.03.2017

OVG Schleswig-Holstein: grundstück, beachtliche gründe, teilung, wirtschaftlicher zweck, missbrauch, beitragspflicht, bahnübergang, eigentümer, gemeinde, entstehung

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
für das Land Schleswig-
Holstein 2. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 LB 81/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 42 AO, § 8 Abs 5 S 1 KAG
SH
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen
Verwaltungsgerichts - Einzelrichterin der 9. Kammer - vom 24. Mai 2004 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird
nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag.
Sie ist Eigentümerin des unbebauten, landwirtschaftlich genutzten Grundstücks
der Gemarkung ..., Flur 3, Flurstück 151, das mit seiner Westseite an einen
Wirtschaftsweg und mit seiner Südseite an das im Eigentum ihres Vaters stehende
Grundstück mit der Flurbezeichnung 152 grenzt. Letzteres liegt unmittelbar am ....
Der . ist ein die Stadt ... mit der Gemeinde ... verbindender Weg.
Im Jahr 2001 ließ die Beklagte im ... Straßenbaumaßnahmen durchführen. Die
vorher zum Teil stark beschädigte Straße wurde mit neuer Linienführung
verbreitert und erhielt erstmals einen abgesetzten zweispurigen Radweg.
Außerdem wurde die Oberflächenentwässerung geregelt und die Beleuchtung
ausgebaut.
Mit Bescheid vom 31. Oktober 2002 zog die Beklagte die Klägerin für ihr
Grundstück mit der Flurstücksbezeichnung 151 zu einem Ausbaubeitrag in Höhe
von 14.891,11 Euro heran.
Den dagegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass ihr
Grundstück nicht zum Kreis der beitragsfähigen Grundstücke gehöre. Es grenze
nicht an die ausgebaute Straße an. Die einheitliche Nutzung mit dem
Nachbargrundstück, Flurstück 152, das am ... anliege, sei irrelevant, weil dieses
nicht in ihrem Eigentum stehe. Es gelte insoweit der bürgerlich-rechtliche
Grundstücksbegriff. Ihr Grundstück sei auch kein sogenanntes
Hinterliegergrundstück, weil von ihm aus nicht in rechtlich zulässiger Weise auf
Dauer Zugang zum ausgebauten Weg genommen werden könne.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08. Mai 2003
als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, das streitbefangene
Grundstück sei durch Teilung aus dem ursprünglichen Grundstück der Flur 3,
Flurstück 15, in der Absicht entstanden, die Beitragsbelastung zu reduzieren.
Beide nach der Teilung vorhandenen Grundstücke mit den Flurbezeichnungen 151
und 152 würden wie vor der Teilung weiterhin als einheitliche landwirtschaftliche
Fläche genutzt. Der Ausbau des ...es sei deshalb auch für das Grundstück der
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Fläche genutzt. Der Ausbau des ...es sei deshalb auch für das Grundstück der
Klägerin vorteilhaft.
Die Klägerin hat am 26. Mai 2003 Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage hat
sie ergänzend ausgeführt: Die Grundstücksteilung stelle keinen Missbrauch von
Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO dar. Bei der Übertragung des Eigentums
handele es sich um ein objektiv nachvollziehbares und unabhängig von den
Motiven rechtmäßiges Rechtsgeschäft. Die Teilung des Grundstücks sei im Hinblick
auf etwaige künftige Entwicklungen der Bebaubarkeit vorgenommen worden. Der
beim ursprünglichen Eigentümer verbliebene Streifen (Flurstück 152) sei
entsprechend der Tiefe von Baugrundstücken geschnitten worden, so dass ihr
Vater, bei einer sich später möglicherweise ergebenden Bebaubarkeit, weiterhin
den Zugriff auf diese Flächen habe. Die Übertragung des Restgrundstücks an sie
sei im Vorgriff auf ihr späteres Erbrecht erfolgt, da insoweit eine anderweitige
Nutzung als die bestehende landwirtschaftliche nicht zu erwarten sei.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beitragsbescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2002 und den
Widerspruchsbescheid vom 08. Mai 2003 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ergänzend vorgetragen: Die Grundstücksteilung sei missbräuchlich
gewesen, weil dafür keine vernünftigen wirtschaftlichen Gründe vorgelegen hätten.
Wenn ein Eigentümer sein Grundstück teile und es einem nahen Angehörigen
unentgeltlich zum Eigentum übertrage und dies nach Ankündigung des Entstehens
einer künftigen Beitragspflicht geschehe, könne der einzige Sinn nur das Sparen
von Beiträgen sein; denn beide Grundstücke würden weiterhin einheitlich genutzt
und die im Eigentum des Vaters verbliebene Restfläche werde im Erbfall ebenfalls
an die Klägerin übertragen, weil es testamentarisch bereits so vorgesehen sei. Die
übrigen Voraussetzungen der Beitragserhebung lägen vor.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 24. Mai 2004 stattgegeben
und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das Grundstück der Klägerin
unterliege nicht der Beitragspflicht, weil dem Grundstück durch den Ausbau des ...
kein Vorteil erwachsen sei. Die Zugänglichkeit des streitbefangenen Grundstücks
werde durch die Straßenbaumaßnahme nicht erleichtert, weil es nicht unmittelbar
am ... anliege und auch nicht als Hinterliegergrundstück zum Kreis der
beitragspflichtigen Grundstücke gehöre. Eigentümer von Hinterlieger- und
Anliegergrundstück (ein solches stelle das am ... anliegende Grundstück des
Vaters der Klägerin dar) seien nicht identisch und die Klägerin sei mangels
dinglicher Sicherung eines Zugangsrechts nicht dauerhaft berechtigt, die
ausgebaute Straße über das Vorderliegergrundstück zu betreten.
Zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht sei die Klägerin
bereits Eigentümerin des Grundstücks gewesen. Ein Missbrauch von rechtlichen
Gestaltungsmöglichkeiten liege nicht vor. Ein solcher sei gegeben, wenn eine
Gestaltung gewählt werde, die überhaupt keinem wirtschaftlichen Zweck diene,
wenn ein vernünftiger wirtschaftlicher Grund überhaupt fehle, wenn sie der
Steuerminderung dienen solle und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche
außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen sei. Die Klägerin habe das
Eigentum am streitbefangenen Grundstück auf der Grundlage eines notariellen
Überlassungsvertrages vom 20. November 2000 von ihrem Vater erworben. Aus
der notariellen Verhandlungsniederschrift ergebe sich, dass der Vater der Klägerin
bereits zuvor testamentarisch verfügt habe, dass sie im Erbfalle das
Gesamtgrundstück erhalten solle und durch den Überlassungsvertrag im Vorwege
die Übertragung einer Teilfläche geregelt werden solle. Auch wenn es sich als
ungewöhnlicher Weg darstellen möge, dass lediglich eine Teilfläche, die wesentlich
größer sei als der verbleibende Rest, vertraglich übertragen werde, sei die
Überlassung nicht missbräuchlich, weil dieser Rechtsgestaltung ein wirtschaftlicher
Zweck beigemessen werden könne. Die Teilung des ursprünglichen Grundstücks
sei im Hinblick auf etwaige zukünftige Entwicklungen der Bebaubarkeit erfolgt.
Dem ursprünglichen Eigentümer sei ein Streifen verblieben, der entsprechend der
Tiefe von Baugrundstücken geschnitten sei, so dass er bei einer sich später noch
möglicherweise ergebenden Bebaubarkeit weiterhin den Zugriff auf diese Flächen
habe. Im Hinblick auf das Grundstück der Klägerin sei auch langfristig eine
anderweitige Nutzung als die bestehende landwirtschaftliche nicht zu erwarten.
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anderweitige Nutzung als die bestehende landwirtschaftliche nicht zu erwarten.
Insoweit sei unerheblich, dass das im Eigentum des Vaters der Klägerin
verbliebene Teilgrundstück derzeit nicht bebaubar sei; denn die unentgeltliche
Übertragung von Eigentum habe für sich gesehen einen wirtschaftlichen - nicht zu
missbilligenden - Zweck, der im Vermögenszuwachs zu Gunsten der Klägerin liege.
Das Urteil ist der Beklagten am 26. Mai 2004 zugestellt worden.
Die Beklagte hat am 24. Juni 2004 den Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt
und am 21. Juli 2004 begründet. Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom
15. November 2004 zugelassen. Die Berufungsbegründung ist am 14. Dezember
2004 bei Gericht eingegangen.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren bisherigen Vortrag. Sie macht geltend,
die zukünftige Bebaubarkeit auch des beim Vater der Klägerin verbliebenen
Grundstücksteils sei auszuschließen. Das Grundstück sei im Flächennutzungsplan
als landwirtschaftliche Fläche ausgewiesen. Gründe des Naturschutzes und der
Landschaftspflege stünden zudem einer Bebaubarkeit entgegen. Einziger Grund
der Grundstücksteilung sei es gewesen, eine höhere Abgabenbelastung zu
vermeiden. Dies ergebe sich auch aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen
Grundstücksteilung und der anstehenden Beitragsveranlagung, die Gegenstand
eines informatorischen Gesprächs mit den Eltern der Klägerin im März 2000
gewesen sei. Der Beitrag sei auch zu Recht gegenüber der Klägerin festgesetzt
worden, weil zwar die abgabenrechtlichen Wirkungen des Umgehungsgeschäfts
gemäß § 42 AO neutralisiert würden, die zivilrechtliche Wirksamkeit der
Grundstücksüberlassung hiervon aber unberührt bleibe.
Auch das Abrechnungsgebiet sei rechtmäßig gebildet worden. Der Bahnübergang
bilde eine deutliche Zäsur. Er begrenze die Einrichtung ... und stelle zugleich die
Grenze zwischen Innen- und Außenbereich dar. An dieser Stelle ändere sich auch
die Verkehrsfunktion der Straße. Durch die Fahrbahnverbreiterung habe sich der
Charakter der Straße nicht verändert. Sie sei auch schon vor Durchführung der
Maßnahme eine Gemeindeverbindungsstraße gewesen. Der Ausbauzustand habe
diesen Anforderungen allerdings nicht entsprochen. Zudem sei die Fahrbahn
erneuerungsbedürftig gewesen. Auch mit dem Ausbau einer
Gemeindeverbindungsstraße seien Anliegervorteile verbunden. Der Anliegervorteil
von 25 % sei der geringste der Satzung und liege in dem von der Rechtsprechung
entwickelten Rahmen.
Sie beantragt,
das angefochtene Urteil vom 24. Mai 2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass ein Missbrauch der
Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 Satz 2 AO nicht vorliege. Die
Grundstücksteilung habe nicht zur Folge, dass überhaupt keine Beitragspflicht für
den ... mehr bestehe, lediglich die Größe der beitragspflichtigen Fläche werde
vermindert. Die beim früheren Grundstückseigentümer verbliebene Fläche sei
auch nicht derart schmal, dass sie jedweder Nutzung entzogen sei. Es habe sehr
wohl die Erwartung bestanden, dass im Hinblick auf den jetzt vorgenommenen
Ausbau der Straße die an die Straße angrenzenden Flächen in absehbarer Zeit
Bauland werden würden. Diese Fläche habe sich der Grundstückseigentümer
erhalten wollen, während er die dahinter liegenden Flächen im Wege der
vorweggenommenen Erbfolge schon an die Klägerin, seine Tochter, übertragen
habe.
Die Klägerin sei auch dann nicht beitragspflichtig, wenn die Voraussetzungen des §
42 Satz 2 AO vorlägen. Bei einer missbräuchlichen Umgehung des
Abgabentatbestandes werde der Abgabenschuldner grundsätzlich so behandelt,
als habe der Umgehungstatbestand nicht stattgefunden; es werde gewissermaßen
gesetzlich die Sachlage fingiert, die vor der Vornahme der Umgehung bestanden
habe. Werde die Übertragung des hinteren Grundstücks auf die Klägerin als nicht
eingetreten fingiert, so könne dies nur zur Folge haben, dass der Vater der
Klägerin für das gesamte Grundstück den Beitrag zu zahlen habe.
Das Abrechnungsgebiet sei falsch gebildet worden. Nach der Rechtsprechung des
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Das Abrechnungsgebiet sei falsch gebildet worden. Nach der Rechtsprechung des
OVG Lüneburg komme einem Bahnübergang keine Trennfunktion zu. Dies möge
im Einzelfall unterschiedlich zu beurteilen sein, eine Ortsbesichtigung würde jedoch
zeigen, dass überzeugend nur eine Abschnittsbildung beim Übergang der Straße
vom Innenbereich in den Außenbereich zu finden sei, so dass die Flurstücke 113
und 158 in die Abrechnung mit einbezogen werden müssten.
Schließlich biete die Ausbaumaßnahme keine Anliegervorteile. Die Straße habe
mit dem Ausbau ihren Charakter als Anliegerstraße für die angrenzenden
landwirtschaftlichen Flächen völlig eingebüßt. Von einer bestimmten Breite der
Straße an führe eine zusätzliche Verbreiterung nicht mehr zu positiven
verkehrlichen Auswirkungen für die Anlieger. Nach dem Erläuterungsbericht der
Beklagten hätten kein Gründe vorgelegen, die irgendeinen Bezug zu den an dem
... gelegenen landwirtschaftlich genutzten Flächen hätten. Diese Flächen hätte
ohne Einschränkungen hinreichend durch die vorhandene Straße in ihrem
ursprünglichen Zustand erreicht werden können.
Insgesamt werde für die ursprünglich ungeteilte Fläche in einer Größe von 17.410
m² ein Beitrag von 23.172,-- Euro geltend gemacht. Das sei mehr als die
landwirtschaftliche Fläche überhaupt wert sei.
Auf jeden Fall sei der Gemeindeanteil zu niedrig angesetzt worden. Der
Anliegeranteil müsse deutlich unter 5 % liegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens
der Beteiligen wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die
Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zugelassene Berufung ist begründet.
Der Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2002 ist
rechtmäßig.
Die Straßenbaumaßnahme, die die Beklagte im Jahr 2001 im ... hat durchführen
lassen, ist eine beitragsfähige Maßnahme i.S.d. § 8 Abs. 1 KAG. Die Hinzufügung
einer neuen Teileinrichtung (hier Radweg) ist ein Ausbau im Sinne einer
Vervollständigung der Einrichtung. Die neue Linienführung der Straße, die
Verbreiterung der Fahrbahn, die Regelung der Oberflächenentwässerung und die
Erweiterung der Straßenbeleuchtung sind ein verbessernder Ausbau. Soweit die
Klägerin meint, die Fahrbahnverbreiterung diene nicht den Anliegern, sondern
allein der Allgemeinheit, ist dem nicht zu folgen. Eine Fahrbahnverbreiterung ist
regelmäßig auch für den Anliegerverkehr vorteilhaft, weil dadurch die
Zugänglichkeit zu den Anliegergrundstücken ebenfalls verbessert wird. Nur wenn
der Ausbau allein zum Zwecke der Funktionsänderung der Einrichtung erfolgt, d.h.
eine bisherige (reine) Anliegerstraße als Innerorts- oder gar als Durchgangsstraße
ausgebaut wird und deshalb Gebrauchsvorteile für die Anlieger schlechthin nicht
erkennbar sind, ist eine Maßnahme, obwohl die technischen Voraussetzungen
eines Ausbaus i.S.d. § 8 Abs. 1 KAG erfüllt sind, beitragsfrei, weil der Beitrag ein
Vorteilsentgelt ist. In sonstigen Fällen, in denen eine Straße ihrer
Funktionsbestimmung gemäß ausgebaut wird, ist ein erweiternder und
ergänzender Straßenausbau regelmäßig sowohl für die Anlieger als auch für die
Allgemeinheit vorteilhaft. So liegt der Fall hier. Der ... hatte schon vor dem Ausbau
die Funktion einer Gemeindeverbindungsstraße. Er wurde dieser Funktion aufgrund
seiner Ausbaubreite von lediglich 4,50 m und seiner Linienführung allerdings nur
unzureichend gerecht. Die Straßenverbreiterung und die Anlage eines Radwegs
erleichtern den Begegnungsverkehr und tragen auch dazu bei, die
landwirtschaftlich genutzten Anliegergrundstücke besser erreichen zu können.
Dem Umstand, dass der Ausbau im wesentlichen der Verbesserung des Verkehrs
zwischen der Stadt ... und der Gemeinde ... dient, wird pauschal dadurch Rechnung
getragen, dass der Anliegeranteil nicht wie bei einer Anliegerstraße mit 75 %,
sondern nur mit 25 % bemessen wird (vgl. § 4 Abs. 1 Ziffer 1.3 der
Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten - ABS -).
Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass der Ausbauaufwand, gemessen an
der Funktion der Straße nicht erforderlich war. Der Senat brauchte daher dem
nicht weiter nachzugehen.
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Ein Anliegeranteil von 25 % am beitragsfähigen Aufwand bei Straßen mit
Gemeindeverbindungsfunktion ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Soweit
wegen Besonderheiten des Einzelfalls (hoher erforderlicher Aufwandgeringe
Verteilungsfläche) Beitragsbelastungen der Eigentümer der anliegenden
Grundstücke außergewöhnlich hoch sind, begründet dies keine Verpflichtung der
Gemeinde, abweichend von ihrer Satzung, für eine bestimmte Maßnahme einen
geringeren Anliegeranteil der Bemessung des umlagefähigen Aufwandes zugrunde
zu legen. Abgabenüberlastungen ist vielmehr durch Billigkeitserlass im Einzelfall
(ggf. auch in zahlreichen Einzelfällen) zu begegnen.
Die Beklagte hat auch das Abrechnungsgebiet rechtsfehlerfrei gebildet. Die
Einrichtung „...“ beginnt östlich des Bahnübergangs.
Wie im Erschließungsbeitragsrecht ist auch für die Feststellung der räumlichen
Ausdehnung einer Einrichtung im Straßenausbaubeitragsrecht, ausgehend von
einer natürlichen Betrachtungsweise und ungeachtet einer wechselnden
Straßenbezeichnung, auf das Erscheinungsbild eines Straßenzuges (z.B.
Straßenführung, Straßenbreite, Straßenlänge, Straßenausstattung, die Zahl der
„erschlossenen“ Grundstücke) seine Verkehrsfunktion sowie die vorhandenen
Abgrenzungen (Kreuzungen, Einmündungen), die die Verkehrsfläche augenfällig
als ein eigenständiges Element des Straßenzuges erscheinen lassen, abzustellen.
Ob eine Bahnunterführung geeignet ist, einen Straßenzug in zwei Einrichtungen zu
teilen (so OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.06.1989 - 9 M 4690 -), einem
Bahnübergang dagegen eine solche Trennfunktion nicht zukommt (so OVG
Lüneburg, Urt. v. 20.11.1989, KStZ 1990, 173 zum Erschließungsbeitragsrecht),
lässt sich nicht allgemein beantworten. Auch insoweit ist auf das Erscheinungsbild
des Straßenzuges abzustellen. Jedenfalls ist auch ein Bahnübergang ein
Abgrenzungsmerkmal, das im Vergleich zu Kreuzungen und Einmündungen eine
deutlichere Zäsur darstellen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich - wie im
vorliegenden Fall - die Funktion des Straßenzuges dies- und jenseits des
Bahnübergangs sowie die Nutzung der angrenzenden Grundstücke deutlich
unterscheiden. An den Straßenzug „... Straße“, der westlich des Bahnübergangs
gelegen ist, grenzen zunächst beidseitig Dauerkleingärten an, wobei im nördlichen
Bereich der ... Straße die Bebauung fast bis an den Bahnübergang heranreicht.
Die Straßenfront des zwischen der Bebauung und der Bahnlinie gelegenen
Kleingartengeländes (Flurstück 113) beträgt nach dem vorliegenden
Kartenmaterial weniger als 40 m und entspricht in etwa der des daneben
liegenden Baugrundstücks. Das südlich der ... Straße zwischen der Bebauung und
der Bahnlinie gelegene Kleingartengelände (Flurstück 58) hat dagegen eine
Straßenfront von nahezu 300 m. Unmittelbar vor dem Bahnübergang befindet sich
auf der Südseite der ... Straße eine Buskehre. Ungeachtet der baurechtlich zu
beurteilenden Frage, ob die Flächen der Kleingärten bereits dem Außenbereich
zuzuordnen sind, dient die ... Straße im Wesentlichen der Erschließung der
Anliegergrundstücke, während der Straßenzug ... östlich des Bahnübergangs eine
davon deutlich zu unterscheidende andere, die Gemeinden ... und ... verbindende
Funktion hat. Die an den ... angrenzenden Grundstücke werden landwirtschaftlich
(im Wesentlichen ohne Bebauung) genutzt. Erst in einer Entfernung von über 400
m von dem Bahnübergang (außerhalb des Gemeindegebietes) befindet sich ein
vereinzeltes Gebäude auf der Südseite des ...es. Bei dieser Sachlage ist die
Bahntrasse eine deutliche Zäsur, die die Straßenzüge ... Straße und ... als
eigenständige Elemente des Straßennetzes der Beklagten erscheinen lassen. Die
bereits aus den Katasterkarten ersichtliche Trennungswirkung der Bahntrasse wird
durch das vorliegende Luftbild verdeutlicht, so dass für den Senat keine Zweifel an
der Trennfunktion der Bahntrasse bestehen und eine Ortsbesichtigung sich
erübrigt. Im Übrigen verfügt das Gericht über Ortskenntnis.
Die Beklagte hat auch das Grundstück der Klägerin zu Recht in den Kreis der
beitragspflichtigen Grundstücke einbezogen.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, lag das Grundstück der
Klägerin zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht weder am ...
an noch war es ein Hinterliegergrundstück. Die Einbeziehung des Grundstücks der
Klägerin in das Abrechnungsgebiet ist gleichwohl rechtmäßig, weil es ein Teilstück
eines ehemaligen Gesamtgrundstücks ist, das am ... gelegen war und die
Übereignung des rückwärtigen Grundstücksteils auf die Klägerin ein Missbrauch
von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S.d. § 11 Satz 2 KAG a.F. (jetzt § 11
Abs. 1 Satz 2 KAG) i.V.m. § 42 AO war, durch den das Abgabenrecht nicht
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Abs. 1 Satz 2 KAG) i.V.m. § 42 AO war, durch den das Abgabenrecht nicht
umgangen werden kann.
Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 19.09.1996 - 2 L 12695 -) ist die
Teilung eines Grundstücks und die Übereignung einer Teilfläche gemäß § 11 Satz 2
KAG a.F. i.V.m. § 42 AO ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts,
wenn sie der Abgabenminderung oder -vermeidung dienen sollen und durch
wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe nicht zu rechtfertigen sind. Diese
Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Für den Senat steht außer
Zweifel, dass die Teilung des ehemaligen Grundstücks des Vaters der Klägerin und
die Übereignung einer Teilfläche auf die Klägerin in unmittelbarem
Zusammenhang mit der Entstehung von Beitragspflichten wegen des Ausbaus
des ...es stand und allein dem Zweck diente, die Abgabenpflicht zu verkürzen.
Dass die Abgabenverkürzung Motiv der Grundstücksteilung war, ist auch von der
Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt worden.
Wirtschaftliche oder sonstige beachtliche Gründe sind nicht ersichtlich. Das
Grundstück war und ist auch nach der Teilung landwirtschaftliche Nutzfläche und
wird auch einheitlich entsprechend genutzt. Soweit die Klägerin geltend macht, die
Absicht ihres Vaters, den Bereich am ... in der Tiefe einer
Einfamilienhausbebauung zu behalten und nur den Rest (17.732 m² von insgesamt
27.593 m²) auf die Klägerin zu übertragen, sei beachtlich, kann nicht
unberücksichtigt bleiben, dass im Hinblick auf die gegenwärtige und absehbare
Nutzbarkeit des Grundstücks die Teilung und Übereignung einer Teilfläche
wirtschaftlich ohne Sinn ist. Der Sinn besteht allein darin, eine höhere
Abgabenbelastung zu vermeiden. Auch die Vorwegnahme der Erbfolge, die nach
der Präambel des Überlassungsvertrages vom 22. November 2000 Grund für die
Grundstücksaufteilung war, gibt keinen anderen Sinn als den der
Abgabenverkürzung. Die Eltern der Klägerin hatten bereits testamentarisch
verfügt, dass ihre Tochter das Gesamtgrundstück zu gegebener Zeit erhalten soll.
Eine tragfähige Begründung, die Erbfolge zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur und
gerade hinsichtlich des rückwärtigen Grundstücksteils vorzunehmen, ist nicht
ersichtlich. Eine Nutzungsänderung war - wie ausgeführt - damit nicht verbunden.
Eine Verwertung des vorderen, beim Vater verbliebenen Grundstücksteils war,
jedenfalls zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung nicht beabsichtigt. Eine
Verwertung als Bauland ist - wenn nicht ausgeschlossen - auf absehbare Zeit nicht
möglich. Auf die Bebaubarkeit ist die Grundstücksteilung ohne Einfluss. Ein Grund
für die Vorwegnahme der Erbfolge unterstellt, hätte es nahe gelegen, für den -
unwahrscheinlichen - Fall der zukünftigen Bebaubarkeit des vorderen
Grundstücksteils vor Eintritt des Erbfalls sich einen möglichen Verwertungserlös
auf andere Weise rechtlich zu sichern, wenn die Eltern der Klägerin nicht gewillt
waren, ihrer Tochter diesen Erlös zu überlassen.
Der Annahme eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten steht nicht
entgegen, dass infolge der Grundstücksteilung der Beitrag nicht für das ehemalige
Gesamtgrundstück überhaupt in Frage gestellt wird. Ausreichend ist vielmehr die
Absicht der Abgabenverkürzung.
Die Klägerin ist auch beitragspflichtig. Gemäß § 8 Abs. 5 Satz 1 KAG ist
beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides
Eigentümer des Grundstücks ist. Dies war die Klägerin.
Nach § 42 Satz 2 AO entsteht bei einem Missbrauch von
Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts der Abgabenanspruch so, wie er bei einer
den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entsteht. Dies
bedeutet - wie bereits ausgeführt - im vorliegenden Fall, dass die sachliche
Beitragspflicht im Hinblick auf die abgetrennte und der Klägerin übereignete
Teilfläche ungeachtet der trennenden Wirkung des (Rest-) Grundstücks des Vaters
der Klägerin entstanden ist (siehe Urt. d. Senats v. 19.09.1996, a.a.O.).Von
Bedeutung ist ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nur in der
sogenannten Verteilungsphase. Wer persönlich beitragspflichtig ist
(Heranziehungsphase), ist dagegen abschließend durch Gesetz gemäß § 8 Abs. 5
Satz 1 KAG geregelt. Danach ist die Klägerin zu Recht als
Grundstückseigentümerin in Anspruch genommen worden. § 42 Satz 2 AO
verhindert den Umgehungserfolg dadurch, dass er die Wirkungen der Umgehung
neutralisiert. Er lässt jedoch die zivilrechtliche Wirksamkeit der unangemessenen
Gestaltung unberührt. Deshalb kann, obwohl in der Übereignung das
Umgehungsgeschäft zu sehen ist, die Übereignung als solche nicht „hinweg
gedacht“ werde (so aber OVG Koblenz, Urt. v. 11.10.1990 - 12 A 1130390 -,
NVwZ-RR 1991, 321 zum Rh.-Pf. KAG), sondern ist der Beitrag gegen die Klägerin
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NVwZ-RR 1991, 321 zum Rh.-Pf. KAG), sondern ist der Beitrag gegen die Klägerin
als Grundstückseigentümerin festzusetzen (so auch Tipke/Kruse, Kommentar zur
AO, § 42 Textziffer 50 und 53 unter Berufung auf BFH, Urt. v. 12.12.1996 - II R 6193
-, BFHE 181, 520 = Bundessteuerblatt III 1997, 299). Soweit unter Hinweis auf den
Beschluss des BFH vom 07. Juni 1989 (- II B 11188 -, BFHE 156, 527 =
Bundessteuerblatt II 1988, 803) Abweichendes vertreten wird (siehe Koch/Scholtz,
Kommentar zur AO, 5. Aufl., § 42 S. 326 und Hübschmann/Hepp/Spitaler,
Kommentar zur AO, § 42 Rdnr. 112), lässt sich dies wegen der Regelung des § 8
Abs. 5 Satz 1 KAG jedenfalls nicht auf das Straßenausbaubeitragsrecht Schleswig-
Holsteins übertragen. Das KAG Schleswig-Holstein unterscheidet im Hinblick auf
den Entstehungszeitpunkt zwischen sachlicher und persönlicher Beitragspflicht. Im
Gegensatz zum Grunderwerbsteuerrecht wäre deshalb im
Straßenausbaubeitragsrecht ein (weiterer) Eigentumswechsel auch noch nach
Entstehung der Abgabenforderung bis zum Erlass des Abgabenbescheides für die
Frage, wer Abgabenschuldner ist, beachtlich.
Der Heranziehungsbescheid vom 31. Oktober 2001 ist schließlich auch nicht
deshalb rechtswidrig, weil - wie die Klägerin meint - auf das ehemalige
Gesamtgrundstück von 17.410 m² (tatsächlich hatte das Gesamtgrundstück eine
Fläche von 27.593 m²) ein Beitrag von 23.172,-- Euro entfällt, der höher als der
Wert der landwirtschaftlichen Fläche sei. Letzteres als richtig unterstellt, ist der
Bescheid gleichwohl nicht zu beanstanden.
Entspricht die Festsetzung des Beitrags - wie im vorliegenden Fall - den
Regelungen des Kommunalabgabengesetzes und der Satzung und stehen diese
Regelungen weiterhin mit höherrangigem Recht in Einklang, ist einer gleichwohl
festzustellenden Abgabenüberlastung durch Gewährung eines Billigkeitserlasses
zu begegnen (siehe BVerwG, Urt. v. 22.05.1992 - 8 C 50.90 -, BVerwG 90, 202).
Ein Billigkeitserlass kann nicht mit der hier allein erhobenen Anfechtungsklage
verfolgt werden, die sich unmittelbar gegen die Abgabenfestsetzung richtet. Die
Abgabenfestsetzung (vgl. § 155 Abs. 1 AO) enthält als solche nicht gleichzeitig die
Ablehnung einer Zulassung abweichender (niedrigeren) Abgabenfestsetzung i.S.d.
§ 163 Abs. 1 AO. Die Entscheidung nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO ist vielmehr ein
gegenüber der Abgabenfestsetzung selbständiger Verwaltungsakt. Das folgt aus
dem Regelungsgehalt dieser Entscheidung, die darin besteht, eine niedrigere
Abgabenfestsetzung zuzulassen, und daraus, dass diese Entscheidung über die
abweichende Festsetzung mit der Abgabenfestsetzung zwar (äußerlich) verbunden
werden kann (§ 163 Abs. 1 Satz 3 AO), nicht aber verbunden werden muss (vgl.
BVerwGE, Urt. v. 04.06.1982 - 8 C 199081 -, NJW 1982, 2682).
Selbst wenn man mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urt. v. 12.09.1984 - 8 C
12482 -, BVerwGE 70, 96) die Auffassung vertritt, dass die Gemeinde offensichtlich
erkennbare Umstände, die dazu führen, dass aus sachlichen Gründen ein
(teilweiser) Billigkeitserlass geboten ist, von Amts wegen bereits im
Heranziehungsverfahren zu berücksichtigen hat, und diese Voraussetzungen als
erfüllt ansieht, führt ein Verstoß gegen diese Berücksichtigungspflicht nicht zur
Rechtswidrigkeit eines gleichwohl (ungekürzt) ergehenden Abgabenbescheides,
weil es sich lediglich um eine verfahrensrechtliche Pflicht handelt (BVerwG, Urt. v.
12.09.1984, a.a.O.).
Nicht nur die Rechtmäßigkeit der Festsetzung, sondern auch die des
Leistungsgebotes bleibt von einem Anspruch auf Billigkeitserlass unberührt. Das
Leistungsgebot gemäß § 11 Satz 2 KAG a.F. i.V.m. § 218 AO dient der Erfüllung
des festgesetzten Anspruchs (Tipke/Kruse, a.a.O., § 218 Rdnr. 2). Es ist Teil des
Erhebungsverfahrens, das Maßnahmen zur Tilgung des festgesetzten
Abgabeanspruchs zum Gegenstand hat (Koch/Scholtz, a.a.O., § 218 Rdnr. 2). Die
Höhe des Leistungsgebotes richtet sich demnach nach der Höhe des
festgesetzten Abgabenanspruchs, soweit dieser nicht bereits getilgt ist. Gemäß §
47 AO erlischt der Abgabenanspruch u.a. erst mit dem Erlass aus Gründen der
Billigkeit. Voraussetzung für ein reduziertes Leistungsgebot aus Billigkeitsgründen
ist mithin, dass ein begünstigender Erlassbescheid bereits ergangen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2
VwGO nicht gegeben sind.