Urteil des OVG Saarland vom 13.03.2009

OVG Saarlouis: wiederholungsgefahr, sexuelle nötigung, vorladung, stadt, verfügung, behandlung, kreis, identifizierung, auflage, rechtsschutz

OVG Saarlouis Beschluß vom 13.3.2009, 3 B 34/09
Zur erkennungsdienstlichen Behandlung bei Sexualstraftaten
Tenor
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gegen
den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9. Februar 2009 – 6 L 46/09
- wird zurückgewiesen.
Gründe
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird, wie
sich aus nachstehendem ergibt, mangels hinreichender Erfolgsaussichten zurückgewiesen
(§§ 166 VwGO, 114 ZPO).
Für die Beurteilung der Frage, ob eine beabsichtigte Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg im Verständnis der letztgenannten
Bestimmung bietet, ist in Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts
hierzu etwa Beschlüsse vom 29.9.2004 – 1 BvR 1281/04
– und vom 14.10.2003 – 1 BvR 901/03 -, jeweils zitiert
nach Juris,
der der Senat folgt,
siehe etwa Beschlüsse vom 26.1.2009 – 3 D 359/08 – und vom
11.1.2008 – 3 D 489/07 -
davon auszugehen, dass mit dem Institut der Prozesskostenhilfe dem aus den Art. 3 GG
und 20 GG abzuleitenden Gebot einer weitgehenden Angleichung der Situation von
Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung von Rechtsschutz Rechnung
getragen werden soll. Da der Unbemittelte nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu
werden braucht, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das
Kostenrisiko berücksichtigt, ist es zum einen im Ansatz unbedenklich, die Gewährung von
Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung
oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig
erscheint. Auf der anderen Seite dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht
überzogen werden. Denn dadurch würde der Zweck der Prozesskostenhilfe verfehlt,
Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen. Da das
Ziel der Prozesskostenhilfe danach darin zu sehen ist, Unbemittelten den Zugang zu
gerichtlichem Rechtsschutz zu eröffnen, und nicht darin, diesen Rechtsschutz
vorwegzunehmen, darf die Prüfung der Erfolgsaussichten nicht dazu führen, die
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Bewilligungsverfahren vorzuverlagern und
bereits auf dieser Ebene schwierige Tat- und Rechtsfragen zu beantworten. Hiernach setzt
hinreichende Erfolgsaussicht zwar einerseits nicht voraus, dass der Prozesserfolg nach dem
Ergebnis einer überschlägigen Prüfung im Prozesskostenhilfeverfahren schon gewiss ist;
andererseits darf Prozesskostenhilfe verweigert werden, wenn der Erfolg des Begehrens im
Hauptsacheverfahren nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine
entfernte ist.
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist bei der im Prozesskostenhilfeverfahren
vorzunehmenden überschlägigen Würdigung der Sach- und Rechtslage unter Einbeziehung
des im Prozesskostenhilfebegehren in Bezug genommenen Beschwerdevorbringens des
Antragstellers, und zwar ohne dass es hierzu der Beantwortung schwieriger Tat- und/oder
Rechtsfragen bedurfte, davon auszugehen, dass die Beschwerde des Antragstellers keine
Aussicht auf Erfolg bietet.
Durch den angefochtenen Beschluss wurden der Antrag auf Wiederherstellung
beziehungsweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die mit
Verfügung der Antragsgegnerin vom 12.1.2009 für sofort vollziehbar erklärte Anordnung
des Antragsgegners von erkennungsdienstlichen Maßnahmen und einer entsprechender
Vorladung zur Durchführung der Maßnahmen einschließlich des auf dieses Verfahren
bezogenen Prozesskostenhilfegesuchs zurückgewiesen.
Das Vorbringen des Antragstellers rechtfertigt bei der hier allein gebotenen summarischen
Betrachtung im Ergebnis keine von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende
Bewertung seines Aussetzungsbegehrens.
Die Vollzugsanordnung des Antragsgegners entspricht – entgegen der Auffassung des
Antragstellers – jedenfalls den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO. Der
Antragsgegner hat nicht eine nur formelhafte Begründung gegeben, sondern das
besondere öffentliche Interesse an der umgehenden Durchführung der
erkennungsdienstlichen Maßnahmen ausdrücklich mit der aus seiner Sicht im Hinblick auf
eine Verurteilung durch das Amtsgericht A-Stadt wegen einer Sexualstraftat gegebenen
konkreten Wiederholungsgefahr und der damit einhergehenden Eilbedürftigkeit der
verfügten Maßnahme begründet.
Der Senat führt keine Ermessenkontrolle der Vollzugsanordnung durch. Er hält an der
bisher praktizierten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes fest,
wonach das Gericht in Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bei Vorliegen einer den formalen
Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechenden Begründung der Vollzugsanordnung
keine inhaltliche, gegebenenfalls am Maßstab von § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO oder von § 114
VwGO ausgerichtete Rechtmäßigkeitsprüfung der Vollzugsanordnung, sondern eine
eigenständige an dem Ergebnis einer summarischen Vorausbeurteilung der Hauptsache
orientierte Abwägung der widerstreitenden Interessen (als originäre
Ermessensentscheidung) vorzunehmen hat,
hierzu OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 2.9.2005 – 3 W 15/05
– und vom 22.8.2001 – 2 W 1/01 - und vom 14.11.2001 – 3 V
34/01 und 3 W 12/01 –; ebenso Bader, VwGO, 4. Auflage 2005, §
80 Rdnrn. 42 und 84; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Auflage
2004, § 80 Rdnr. 52; zur abweichenden Meinung Kopp/Schenke, 15.
Auflage 2007, § 80 Rdnrn. 149
bei der zwischen dem Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung des
Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines
Rechtsbehelfs abzuwägen ist.
Maßgebend für die Abwägung des Gerichts sind die Verhältnisse im Zeitpunkt seiner
Entscheidung
hierzu Redeker/von Oertzen, VwGO, a.a.O., § 80 Rdnr. 53;
Die hiernach gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem privaten
Interesse des Betroffenen, von der sofortigen Vollziehung bis zum Abschluss des
Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an der
raschen Durchsetzung der Anordnung einer Vorladung Folge zu leisten und
erkennungsdienstliche Maßnahmen zu dulden, fällt bei überschlägiger Betrachtung
voraussichtlich zu Lasten des Antragstellers aus.
Die angefochtene Verfügung leidet nicht an offensichtlichen Rechtsfehlern, die das
öffentliche Interesse an ihrem sofortigen Vollzug von vornherein ausschließen würden. Es
spricht vielmehr hier bei der allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung alles
dafür, dass die Anordnung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen und die Vorladung
hierzu voraussichtlich im Hauptsacheverfahren Bestand haben werden.
Die Verfügung des Antragsgegners findet ihre Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG,
der ergänzend zu § 81 b 2. Alt. StPO insbesondere dann eingreift, wenn der Betroffene
nicht (mehr) Beschuldigter i.S.d. StPO ist, sondern wie hier der Antragsteller bereits
rechtskräftig verurteilt wurde
hierzu VGH München, Beschluss vom 17.11.2008 – 10 C 08.2872 -;
zitiert nach Juris; OVG Koblenz, Beschluss vom 17.11.2000 – 11 B
11859/00 -, NVwZ-RR 2001, 212, OVG Münster, Beschluss vom
13.1.1999 – 5 B 2562/98 -, NJW 1999, 2689.
Nach den genannten Bestimmungen kann die Polizei – ohne unmittelbaren Bezug zu einem
konkreten Strafverfahren - erkennungsdienstliche Maßnahmen vornehmen, wenn dies im
Bereich der Strafverfolgungsvorsorge zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten
erforderlich ist. Die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 10 Abs. 1 SPolG und § 81 b
2. Alt. StPO soll mithin vorsorgend sächliche Hilfsmittel für die Erforschung und Aufklärung
von Straftaten bereitstellen. Dementsprechend bemisst sich die Notwendigkeit der
Durchführung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen danach, ob der anlässlich des
gegen den Betroffenen gerichteten Straf- beziehungsweise Ermittlungsverfahrens
festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des
Einzelfalles, insbesondere angesichts der Art, Schwere und der Begehungsweise der dem
Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, angesichts seiner Persönlichkeit sowie unter
Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht mehr in
Erscheinung getreten ist, Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene
künftig oder gegenwärtig mit guten Gründen in den Kreis Verdächtiger einer noch
aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die
erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten,
indem sie den Betroffenen überführen oder entlasten
hierzu vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 – 6 C 2/05 -, NJW 2006,
1225; Beschluss vom 6.7.1988, Buchholz 306, § 81 b StPO Nr. 1
m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 19.10.1982 – 1 C 29/79 –, BVerwGE
66, 192 ff..
Der unbestimmte Rechtsbegriff der Erforderlichkeit unterliegt hierbei der vollen Überprüfung
durch die Verwaltungsgerichte, lediglich das der polizeilichen Prognose zugrunde liegende
Wahrscheinlichkeitsurteil einer weiteren Einbeziehung in den Kreis potenziell Tatbeteiligter
bei einer noch aufzuklärenden Straftat ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich; diese
erstreckt sich lediglich darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht
und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen
Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist
hierzu VGH Mannheim, Urteile vom 29.5.2008 – 1 S 1503/07 -,
zitiert nach Juris und vom 18.12.2003 – 1 S 2211/02 -, DÖV 2004,
440.
Die Erforderlichkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung entscheidet sich danach, ob
die erkennungsdienstlichen Unterlagen für die Aufklärung solcher oder vergleichbarer
Straftaten geeignet und notwendig sind, für die eine Wiederholungsgefahr prognostiziert
werden kann. Die Anforderungen, die an die Wiederholungsgefahr, d.h. an die
Wahrscheinlichkeit eines erneuten Schadenseintritts gestellt werden müssen, sind dabei –
wie erstinstanzlich zutreffend festgestellt - umso geringer, je höherwertiger das gefährdete
Rechtsgut ist
hierzu VGH München, Beschluss vom 17.11.2008 – 10 C 08.2872 -;
VG Augsburg, Beschluss vom 23.12.2004 – Au 8 S 04.1820 –,
jeweils bei Juris.
Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG),
der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der präventive Charakter der
erkennungsdienstlichen Maßnahmen verlangen allerdings ferner eine Abwägung zwischen
dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Verhinderung und Aufklärung von Straftaten
und dem Interesse des Betroffenen, entsprechend dem Menschenbild des Grundgesetzes
nicht nur deshalb als potenzieller (erneuter) Rechtsbrecher behandelt zu werden, weil er
sich verdächtig gemacht hat oder angezeigt worden ist
hierzu etwa OVG Münster, Beschlüsse vom 13.1.1999, a.a.O. und
vom 14.6.1994 – 5 B 2693/93 –, zitiert nach Juris.
Derartiges gilt – prinzipiell - auch für rechtskräftig Verurteilte. Lediglich vage
Verdachtsmomente oder geringfügige Straftaten scheiden daher als Grundlage einer
derartigen in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen eingreifenden und diese
beschneidenden Maßnahme aus.
Da mithin in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erkennungsdienstliche
Maßnahmen stets auf das notwendige Maß zu begrenzen sind, darf im konkreten Einzelfall
die Schwere des mit der konkreten erkennungsdienstlichen Maßnahme verbundenen
Grundrechtseingriffs nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des mit der Maßnahme
verfolgten öffentlichen Interesses namentlich an der Aufklärung künftiger Straftaten stehen
hierzu etwa OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.11.2008 – 11 ME
297/08 – und Urteil vom 28.6.2007 – 11 LC 372/06 -, zitiert nach
Juris; VGH Mannheim Urteil vom 18.12.2003, a.a.O.
Gemessen an diesen Grundsätzen spricht nach der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage
alles für die Richtigkeit der Einschätzung der Antragsgegnerin, dass nach sachgerechter
und vertretbarer kriminalistischer Erfahrung tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme
bestehen, dass der Antragsteller als wegen einer Sexualstraftat und anderer Delikte
Verurteilter mit Blick auf eine zu befürchtende Wiederholungsgefahr künftig in den Kreis
möglicher Tatverdächtiger an einer aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen
werden könnte und dass die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen dann
ermittlungsfördernd sein könnte.
Der in den Vordergrund seiner Ausführungen gestellten Ansicht des Antragstellers, die aus
seiner Sicht floskelhafte Begründung der Antragsgegnerin lasse keine Ermessens- und
Prognoseerwägungen erkennen, weshalb ein Ermessensausfall vorliege, kann nicht gefolgt
werden. Ungeachtet des Umstandes, dass der Senat im Falle einer den formalen
Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO entsprechenden Begründung – wie eingangs
dargelegt – eine eigene originäre Ermessensentscheidung zu treffen hat, bestehen für die
Annahme eines solchen Ermessenausfalls mit Blick darauf, dass die Antragsgegnerin – im
Unterschied etwa zu der von dem Antragsteller angeführten Entscheidung des Bay.VGH
vom 17.11.2008, a.a.O. - die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG unter Verwendung
des Wortes „kann“ in ihrem Bescheid zitiert und einzelfallbezogen auf die Verurteilung des
Antragstellers wegen einer Sexualstraftat durch Urteil des Amtsgericht A-Stadt vom
22.10.2007 – 9 LS 306/07 - sowie weiterer Straftaten sowie auf eine daraus resultierende
Wiederholungsgefahr verwiesen hat, keine greifbaren Anhaltspunkte.
Die Antragsgegnerin hat ferner im vorliegenden Verfahren konkretisierend auch zutreffend
auf das aus den Tatumständen der sexuellen Nötigung ersichtliche triebhafte Verhalten des
Antragstellers (spontaner Entschluss, eine als Werberin der Firma A. tätige, ihm nicht
bekannte Frau bei sich bietender günstiger Gelegenheit in seiner Wohnung sexuell zu
nötigen) hingewiesen, das in dem dem Antragsteller bekannten Urteil des AG A-Stadt
festgestellt worden war. Einer ausdrücklichen Wiederholung dieser Feststellungen bedurfte
es insoweit nicht. Es entspricht auch kriminalistischen Erfahrungen und Erkenntnissen, dass
derartiges geeignet ist, eine Wiederholungsgefahr zu begründen. Sexualdelikte sind
regelmäßig von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters geprägt
vgl. etwa neben den erstinstanzlich angeführten Entscheidungen
OVG Münster, Beschluss vom 23.2.2007 – 5 B 1284/07 -; VG
Lüneburg, Beschluss vom 12.3.2002 – 3 B 14/02 -; VG Köln, Urteil
vom 29.11.2007 – 20 K 3331/06 -, VG Dresden Beschluss vom
11.11.2004 – 14 K 2060/04 -; VG Minden, Urteil vom 12.4.2007 –
11 K 103/07 -.
Taten mit sexuellem Hintergrund bergen – ebenso wie etwa Betäubungsmitteldelikte -
statistisch eine signifikant erhebliche Rückfallgefahr, so dass auch eine erstmalige
Begehung beziehungsweise Verurteilung wegen einer solchen Tat die Annahme einer
Wiederholungsgefahr zu begründen vermag,
hierzu etwa auch Urteil des VG Minden vom 6.4.2005 – 11 K
2085/04 -, zitiert nach Juris,
wenn nicht die Tatumstände einschließlich aller weiteren bedeutsamen Faktoren auf eine
zu erwartende „Einmaligkeit“ der Tat hindeuten.
Soweit die Antragsgegnerin in ihrem angefochtenen Bescheid auf eine „herrschende
Rechtsprechung“ hingewiesen hat, untermauert dies die von ihr im vorliegenden Fall
angenommenen kriminalistischen Erfahrungswerte. Dies ist entsprechend der vorzitierten
Rechtsprechung auch sachgerecht und vertretbar, zumal die Antragsgegnerin auch aus der
mit der hier angegriffenen Verfügung zeitgleich an den Antragsteller versandten Vorladung
zu einer durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 17.12.2008 – 7 GS 4420/08 - auf
Grundlage des §§ 81 a und g StPO angeordneten DNA-Identifizierung entnehmen konnte,
dass angesichts der Natur der im Urteil des Amtsgerichts vom 22.10.2007 festgestellten
Straftat, der Rücksichtslosigkeit der Tatbegehung und mangels Anhaltspunkten für eine auf
besondere Umstände zurückzuführende einmalige Entgleisung eine (hohe)
Wiederholungsgefahr zu befürchten sei.
Angesichts der dargestellten Umstände (insbesondere spontaner Tatentschluss,
überfallartiges Sexualdelikt an einem Zufallsopfer) der von dem Antragsteller begangenen
Sexualstraftat besteht auch aus Sicht des Senats die Gefahr, dass der Antragsteller
künftig erneut als Verdächtiger in den Kreis potenzieller Beteiligter an einer noch
aufzuklärenden strafbaren Handlung dieser oder ähnlicher Art einbezogen werden könnte
und ist anzunehmen, dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen dann ermittlungsfördernd
sein könnten. Die im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts A-Stadt festgestellte sexuelle
Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung und das Strafmaß einer – auf 4 Jahre zur
Bewährung ausgesetzten – Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten belegen, dass es sich
bei der vom Antragsteller begangenen Tat keineswegs um ein Bagatelldelikt gehandelt hat.
Die konkreten, auf eine Triebtat hinweisenden Umstände geben keinen Grund zu der
Annahme, dass es künftig nicht mehr zu derartigen Verfehlungen kommen wird. Dies stellt
- wie dargelegt – auch der vorerwähnte Beschluss des Amtsgerichts vom 17.12.2008,
a.a.O, in der Begründung seiner Anordnung einer DNA – Identifizierung fest. Hinzu kommt,
dass nach Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts A-Stadt gegen den Antragsteller, der
im vorliegenden Verfahren die im Jahr 2006 begangene Tat nicht abstreitet, bereits im Jahr
2004 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vergewaltigung anhängig war.
Auch wenn dieses Ermittlungsverfahren offenbar eingestellt wurde, kann der dort erhobene
Tatverdacht prinzipiell bei der Prognose, ob eine Wiederholungsgefahr vorliegt oder ob von
einer einmaligen Verfehlung auszugehen ist, berücksichtigt werden
hierzu OVG Lüneburg, Beschluss vom 18.8.2008 – 5 B 597/08 -,
zitiert nach Juris.
Die zugunsten des Betroffenen geltende Unschuldsvermutung spricht nicht dagegen, die
Feststellung eines Tatverdachts ist substantiell etwas anderes als eine Schuldfeststellung
hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 16.5.2002 – 1 BvR 2257/01 -,
NJW 2002, 3231
sodass, wie gerade die Anknüpfung an die Beschuldigteneigenschaft in § 81 b 2. Alt. StPO
zeigt, eine Einbeziehung im Bereich der Strafverfolgungsvorsorge – jedenfalls prinzipiell –
erfolgen kann. Dem im Urteil des AG A-Stadt vom 22.10.2007 festgestellten
Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen Verdachts der Vergewaltigung
kommt daher zumindest Indizwirkung dahingehend zu, dass der Antragsteller bereits zuvor
wegen einer vergleichbaren Tat in das Blickfeld der Strafverfolgungsbehörden geraten war.
Die dort zugunsten des Antragstellers ausgesprochene Strafaussetzung zur Bewährung
mit der darin vorausgesetzten günstigen Sozialprognose steht der Prognose einer
Wiederholungsgefahr nicht entgegen, da die anzulegenden Maßstäbe jeweils
unterschiedlich sind,
hierzu BVerwG, Urteil vom 19.10.1982 – 1 C 29.79 -; VGH
Mannheim, Urteil vom 29.5.2008 – 1 S 1503/07 – m.w.N., zitiert
nach Juris
Eine abweichende Beurteilung gebietet auch nicht der Umstand, dass über den
Antragsteller seit Begehung der Tat im November 2006 nichts Negatives bekannt
geworden ist, denn dieser Zeitraum ist nicht so erheblich, dass angesichts der aktuell noch
bestehenden Bewährungszeit von insgesamt 4 Jahren und einem damit erforderlichen
Wohlverhalten auf eine ernsthafte und dauerhafte Besserung des Antragstellers
geschlossen werden könnte. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang – auch –
bemängelt, bereits das lange Zuwarten des Antraggegners zeige, dass Gründe für eine
einen Sofortvollzug rechtfertigende Prognose nicht vorlägen, kann dem nicht gefolgt
werden. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin von dem
Antragsteller betriebene Rechtsmittelverfahren, aus denen sich Anhaltspunkte für eine
Prognose der Wiederholungsgefahr hätten ergeben können, abgewartet hat und die
erkennungsdienstlichen Maßnahmen nach den ihr zustehenden Befugnissen erst
angeordnet hat, nachdem die in der Zuständigkeit der Gerichte stehende Anordnung einer
DNA-Identifizierung gemäß den §§ 81 a und g StPO durch entsprechenden Beschluss des
Amtsgerichts A-Stadt vom 17.12.2008 erfolgt war.
Im Übrigen bestehen auch keine Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der von der
Antragsgegnerin angeordneten erkennungsdienstlichen Behandlung, die nach Art und
Umfang bei dem hier in Rede stehenden Deliktsbereich auch offenkundig für künftig zu
führende Ermittlungen geeignet wäre.
Besteht nach dem Ergebnis der hier allein gebotenen summarischen Beurteilung kein
Anlass zu der Annahme, die angefochtene Anordnung der Antragsgegnerin könnte sich als
rechtswidrig erweisen, fällt auch eine Interessenabwägung voraussichtlich zu Lasten des
Antragstellers aus. Angesichts des erheblichen Gewichts, das der Verhütung und
Verfolgung von Sexualstraftaten und damit in Zusammenhang stehenden Nötigungen
beizumessen ist und der aus den konkreten Tatumständen zu befürchtenden
Wiederholungsgefahr, die von dem Antragsteller nach dem Gesagten ausgeht, überwiegt
hier das öffentliche Interesse an der mit dem Sofortvollzug verbundenen umgehenden
Bereithaltung von Mitteln für die eventuelle spätere Aufklärung vergleichbarer Straftaten
und ist der damit einhergehende Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Antragstellers gerechtfertigt. Insbesondere ist auch nicht fernliegend, dass die
anzufertigenden erkennungsdienstlichen Unterlagen bereits während der Dauer eines
möglicherweise langwierigen Hauptsacheverfahrens zu Ermittlungszwecken benötigt
werden.
Da der Antragsteller nicht bereit ist, sich freiwillig den angeordneten erkennungsdienstlichen
Maßnahmen zu unterziehen, war auch seine Vorladung gemäß § 11 Abs. 2 SPolG und die
Androhung entsprechender Zwangsmittel im Falle der Nichtbefolgung erforderlich. Beide
sind voraussichtlich rechtmäßig erfolgt.
Durch Verstreichen des in der Vorladung bestimmten Termins infolge der
Rechtsmitteleinlegung seitens des Antragstellers am Vortag der Vorladung ist auch keine
Erledigung eingetreten. Die Erledigung eines Verwaltungsakts setzt voraus, dass die mit
ihm verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer weggefallen ist. Dies ist hier nicht der
Fall, denn aus der Sicht des Antragstellers stellte der Umstand, dass in der Vorladung ein
genauer bestimmter Zeitpunkt festgelegt wurde, keine zeitliche Beschränkung des Gebots
dar, dieser Folge zu leisten. Die Verfügung ist daher dem Antragsteller erkennbar so
auszulegen, dass sein Erscheinen bei fortdauernder Weigerung – wie angedroht – durch
Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden kann und der festgelegte Zeitpunkt ihm nur die
Möglichkeit eröffnen soll, durch sein freiwilliges Erscheinen die Anwendung von
Zwangsmitteln zu verhindern
hierzu etwa OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.9.2007 – 2 O
218/07 -, zitiert nach Juris.
Derartiges hat daher nach dem noch von der Antragsgegnerin – neu – zu bestimmenden
Termin zu erfolgen.
Termin zu erfolgen.
Nach allem wird die von dem Antragsteller eingelegte Beschwerde keinen Erfolg haben und
ist auch die für dieses Verfahren beantragte Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht
gerechtfertigt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.