Urteil des OVG Saarland vom 19.01.2011

OVG Saarlouis: satzung, eingriff, mitgliederversammlung, witwenrente, bemessungsgrundlage, leistungsfähigkeit, konsolidierung, eintritt des versicherungsfalles, hinterbliebenenrente

OVG Saarlouis Urteil vom 19.1.2011, 3 A 418/09
Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines Eingriffs in den Zahlbetrag von
Bestandsrenten hinterbliebener Witwen aufgrund der Satzungsänderung eines
berufsständischen Versorgungswerks.
Leitsätze
1. Die Versorgungsansprüche hinterbliebener Witwen gegen das beklagte berufsständische
Versorgungswerk unterfallen nicht dem eigentumsrechtlichen Schutz des Art. 14 Abs. 1
GG. Denn sie beruhen nicht auf einer dem Versicherten zurechenbaren Eigenleistung. Auch
ist die streitgegenständliche Hinterbliebenenversorgung dem Versicherten nach der
Konzeption des Satzungsgebers nicht als seine Rechtsposition zugeordnet.
2. Die durch die Satzungsänderung 2007 bewirkte Umgestaltung der Hinterbliebenenrente
der Klägerin unterfällt jedoch dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG. Dessen Schutzbereich ist
berührt, wenn der Normgeber einerseits durch die Anordnung von Zwangsmitgliedschaft
und Beitragspflichten in einem öffentlich-rechtlichen Verband der Sozialversicherung, sei es
der gesetzlichen Rentenversicherung oder sei es der berufsständischen Versorgung, die
allgemeine Betätigungsfreiheit des Einzelnen durch Einschränkung seiner wirtschaftlichen
Voraussetzungen nicht unerheblich einengt, andererseits aber - wie hier - dem Versicherten
satzungsmäßig zugesagte und beitragsfinanzierte Leistungen wesentlich vermindert.
3. Allerdings ist der Beklagte als Satzungsgeber grundsätzlich befugt, in das
Leistungsgefüge der von ihm zugesagten Versorgungsleistungen, seien sie durch Art. 14
Abs. 1 GG oder durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt, ordnend einzugreifen. Der hier mit Blick
auf die Hinterbliebenenrenten als Prüfungsmaßstab heranzuziehende Art. 2 Abs. 1 GG ist
dabei nicht verletzt, wenn die Eingriffsnormen formell und materiell verfassungsgemäß
sind, insbesondere einem wichtigen öffentlichen Interesse dienen und dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit sowie den rechtsstaatlichen Anforderungen des
Vertrauensschutzprinzips entsprechen.
4. Die zu Lasten der Witwenrenten, die zum Zeitpunkt der Satzungsänderung 2007 bereits
entstanden waren (Witwen-Bestandsrenten) erfolgten Neuregelungen, die unter Verzicht
auf eine nennenswerte Übergangsregelung eine Kürzung des Zahlbetrages um mehr als
17% herbeigeführt haben, sind in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht mit den
Anforderungen des Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar.
Zwar spricht einiges dafür, dass mit der maßgeblichen Satzungsänderung ein Zweck des
Gemeinwohls verfolgt wurde, nämlich die Konsolidierung der finanziellen Grundlagen des
Versorgungssystems. Jedoch genügen sie nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
5. Die Eignung der in der Satzungsänderung 2007 getroffenen Regelungen als Beitrag zur
nachhaltigen Konsolidierung der finanziellen Grundlagen des Versorgungssystems des
Beklagten ist allenfalls eingeschränkt gegeben, da sie lediglich zu einer kurz- bzw.
mittelfristigen Entlastung des Gesamtvolumens der Deckungsrückstellungen führen, nicht
aber die maßgeblichen Einflussfaktoren der künftig zu erwartenden negativen Entwicklung
(strukturelles Problem des Leistungsprimats) beeinflussen.
6. Auch bei unterstelltem Ausreichen einer nur eingeschränkten Eignung kann die im
Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu stellende Frage der Erforderlichkeit des
streitigen Eingriffs in die Witwen-Bestandsrenten nicht bejaht werden.
Der Beklagte hat bei der Bemessung des auf die Bestandsrentner entfallenden Eingriffs -
weder im Vorhinein noch im Nachhinein - nachvollziehbar überprüft und dargelegt, ob eine
Zurückführung der Deckungslücke gerade auf den gewählten Stand erforderlich gewesen
ist. Auch ist nicht belegt, dass die Zurückführung der Deckungslücke auf diesen Stand im
Jahre 2007 übergangslos erforderlich war.
7. Der Eingriff in die Ansprüche der Witwen-Bestandsrenten erweist sich auch nicht als
verhältnismäßig im engeren Sinne. Der nahezu übergangslosen Kürzung des Zahlbetrages
um mehr als 17% steht eine nur teilweise Geeignetheit und eine nicht belegte
Erforderlichkeit gegenüber. Er steht auch nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem
damit erreichbaren Ziel einer im Wesentlichen nur temporär wirksamen Entlastung der
Finanzgrundlagen des beklagten Versorgungswerks. Dies gilt für die Witwen-
Bestandsrenten in besonderem Maße. Denn je niedriger das Versorgungsniveau insgesamt
angesiedelt ist, umso stärker wirkt sich eine Kürzung aus. Hier wurde eine nahezu doppelte
prozentuale Kürzung im Verhältnis zu den Bestandsrenten der (selbst) Versicherten
vorgenommen. Dies überschreitet - jedenfalls bei den streitgegenständlichen
Bestandsrenten der hinterbliebenen Witwen - die Grenze des Zumutbaren. Ob und in
welcher zeitlichen Abfolge dies auch für künftige Witwenrenten gelten kann, bedurfte hier
keiner Entscheidung.
8. Zudem widerspricht der durch die Satzungsänderung 2007 erfolgte Eingriff zu Lasten
der Witwen-Bestandsrenten dem insoweit in Art. 2 Abs.1 GG und dem Rechtsstaatsgebot
verfassungs-rechtlich verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Zwar sind bei Eingriffen in zugesagte Hinterbliebenenrenten grundsätzlich weitergehende
Einschnitte zulässig als bei den durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Versichertenrenten.
Jedoch ist auch insoweit eine unterschiedliche Ausprägung des Vertrauensschutzes im
Verhältnis zwischen den Inhabern von Versorgungszusagen und den Inhabern bereits
entstandener Versorgungsansprüche vom Normgeber zu beachten. Bei Missachtung der
erhöhten Schutzbedürftigkeit der Bestandsrentner überschreitet der Normgeber die
Grenzen seines - grundsätzlich weiten - normgeberischen Gestaltungsermessens.
9. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Erschütterung der Finanzierungsgrundlagen
des beklagten Versorgungssystems so nachhaltig war, dass die Kürzung des Zahlbetrages
der Witwen-Bestandsrenten um regelmäßig 17,20% mit dem verfassungsrechtlich
geschützten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar ist. Ob Vergleichbares auch für
künftige Generationen von Witwen gelten kann, ist nicht Streitgegenstand und bedurfte
keiner Entscheidung.
10. Auch der Verzicht auf eine nennenswerte Übergangsregelung bezüglich des Eingriffs in
die Bestandsrenten der hinterbliebenen Witwen stellt eine Verletzung des
verfassungsrechtlich verankerten Grundsatzes des Vertrauensschutzes dar.
Die Ausgestaltung einer solchen Übergangsregelung im Einzelnen steht im Ermessen des
Normgebers, jedoch haben die Schutzwürdigkeit der betroffenen eigentumsrechtlichen
Position und das Gewicht der entgegenstehenden Interessen des Normgebers
wesentlichen Einfluss auf die zulässigen Grenzen des normgeberischen Ermessens. Diese
Grenzen hat der Beklagte hier überschritten. Eine Übergangszeit muss zumindest so
bemessen sein, dass die Berechtigten in der Lage sind, ihre Lebensführung darauf
einzustellen, dass ihnen auf Dauer eine deutlich niedrigere Rente zusteht. Dies ist hier nicht
der Fall, obwohl im Hinblick auf die intensive Kürzung der betroffenen Witwen-
Bestandsrenten eine besondere Behutsamkeit erforderlich gewesen wäre.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom
05. Juni 2009 – 1 K 1881/07 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der zum 1.8.2007 vorgenommenen
Kürzung der Witwenrente der Klägerin.
Die Klägerin ist die Witwe des am 9.10.2003 verstorbenen Notars Dr. R.C.. Dieser war
vom 1.11.1975 bis 31.7.2003 Mitglied des Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgängers.
Der Beklagte ist das durch Landesgesetz Nr. 1276 über das A. vom 5.6.1991, Amtsbl. des
Saarlandes S. 866 (nachfolgend: NKVersWG) für die Versorgung der im Saarland bestellten
Notare und Notarinnen sowie der im Dienstverhältnis zum Saarland stehenden
Notarassessoren und Notarassessorinnen zum 1.1.1992 errichtete, rechtlich selbständige
Versorgungswerk.
Der verstorbene Ehemann der Klägerin leistete als Pflichtmitglied des Beklagten bzw.
dessen Rechtsvorgängers während seiner aktiven Tätigkeit als Notar vom 1.11.1975 bis
31.7.2003 Beiträge zu seiner Altersversorgung. Die von ihm aus eigenen Mitteln
geleisteten Beiträge berechneten sich in der Zeit von 1975 bis 1991 nach der
Bezugsgröße der Besoldungsgruppe A 14 BBesG, was während dieser Zeitspanne zugleich
der Bemessungsgrundlage der zu gewährenden Leistungen entsprach. Ab 1992 leistete er
Beiträge orientiert an der Bemessungsgrundlage des § 27 der Satzung des
Versorgungswerks vom 28.9.1991 (Amtsbl. des Saarlandes S. 1275, nachfolgend:
Satzung 1992), d. h. an der Besoldungsgruppe A 13 BBesG.
Bemessungsgrundlage für die vom Versorgungswerk gewährten Leistungen (Altersrente
wie Hinterbliebenenrente) war nach § 27 Satzung 1992 das höchste Ruhegehalt eines
Berechtigten der Besoldungsgruppe A 13 nach dem BBesG. Gemäß § 29 der Satzung
1992 betrug für Notare, die bereits vor dem 1.1.1972 zu Notaren bestellt waren oder im
Anwärterdienst für das Amt des Notars standen, die Altersrente einheitlich 100% der
Bemessungsgrundlage. Für Notare und Notare a.D., die am 31.3.1990 bereits die
Altersgrenze überschritten hatten, betrug die Bemessungsgrundlage ihrer Altersrente
abweichend von § 27 der Satzung 1992 75% des Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe
A 14 und des Ortszuschlages der Tarifklasse 1 b Stufe 2 BBesG (§ 29 Abs. 1 Satz 2 der
Satzung 1992).
Das vom Beklagten zur Berechnung der Deckungsrückstellung zum Stichtag 31.12.2004 in
Auftrag gegebene versicherungsmathematische Gutachten vom 11.8.2005 wies zum
Stichtag einen versicherungstechnischen Ausgleichsbetrag (Deckungslücke) in Höhe von
4.620.292,68 Euro aus. In dem Gutachten ist ausgeführt, die gesamten
Deckungsrückstellungen wiesen lediglich eine Bedeckung von 67,34% auf. Zudem habe
sich der zum 31.12.2004 bestehende Fehlbetrag in Höhe von 4,62 Millionen Euro
gegenüber dem Fehlbetrag zum 31.12.1999 in Höhe von 4,48 Millionen DM verdoppelt
und weise damit eine dramatische Verschlechterung der finanziellen Lage des
Versorgungswerkes aus. Die sehr niedrigen Bedeckungsgrade erforderten, dass
Maßnahmen ergriffen würden, die die langfristige Finanzierbarkeit der
Versorgungsleistungen wieder herstellten.
Zur Berechnung der Deckungsrückstellung zum Stand 31.12.2005 wurde ein weiteres
versicherungsmathematisches Gutachten in Auftrag gegeben und unter dem 4.12.2006
erstellt. Es wies zum Stichtag einen versicherungstechnischen Ausgleichsbetrag
(Deckungslücke) in Höhe von 4.104.836,36 Euro aus. Die zugleich beauftragte
versicherungsmathematische Beurteilung der vom Versorgungswerk geplanten
Änderungen der aktuellen Satzung (Anhebung der Beitragssätze, Absenkung der
Bemessungsgrundlage, entsprechende Verringerung der Altersrenten und Verringerung der
Hinterbliebenenrenten) kam zu dem Ergebnis, dass die geplanten Satzungsänderungen die
Finanzierbarkeit des Versorgungswerkes verbessern würden, da durch die Absenkung der
Bemessungsgrundlagen für die Leistungen und die Absenkung des Prozentsatzes für die
Witwenrente sowie die Anhebung der Beitragssätze die Deckungsrückstellung entlastet
werde. Ein entscheidender Nachteil des verwendeten versicherungsmathematischen
Systems bleibe aber bestehen, nämlich die vom Versorgungswerk nicht zu beeinflussende
identische Dynamisierung der Bemessungsgrundlagen für die Leistungen und für die
Beiträge.
Im Januar 2007 informierte der Beklagte die von den geplanten Satzungsänderungen
betroffenen Rentenbezieher darüber, dass wegen der finanziellen Lage des
Versorgungswerks beabsichtigt sei, u.a. die Bemessungsgrundlage der Altersrenten und
der Hinterbliebenenrenten von Besoldungsgruppe A 14 auf A 13 bzw. von A 13 auf A 12
abzusenken. Die Witwenrente solle darüber hinaus nach Ablauf einer Übergangsfrist von 6
Monaten von 60% auf 55% gekürzt werden.
Unter dem Betreff „Änderung der Satzung des Versorgungswerks der Saarländischen
Notarkammer“ wandte sich der Beklagte im April 2007 erneut an „alle Rentenbezieher des
Versorgungswerks der Saarländischen Notarkammer“ und teilte ihnen mit, der
Verwaltungsrat habe nunmehr in Abstimmung mit der eingesetzten Kommission die zur
Umsetzung der weitreichenden Satzungsänderungen erforderliche Beschlussvorlage
ausgearbeitet. Es sei beabsichtigt, die geplanten Beschlüsse der im Mai stattfindenden
Mitgliederversammlung zur Abstimmung vorzulegen. Sofern sich die Betroffenen zu den
Änderungsvorschlägen äußern wollten, solle dies umgehend erfolgen, damit eine Befassung
hiermit vor der Mitgliederversammlung noch möglich sei.
In der Mitgliederversammlung vom 29.5.2007 wurde die im vorliegenden Rechtsstreit
umstrittene Satzungsänderung mit satzungsändernder Mehrheit von dreiviertel der
Stimmen beschlossen. Dabei wurden die Regelungen des § 41 Abs. 2 und 3 Satzung 2005
durch folgende Absätze ersetzt:
„Absatz 2
Die Herabsetzung von Versorgungsleistungen gemäß Absatz 1 erfolgt
durch Beschluss der Mitgliederversammlung, und zwar mit einfacher
Mehrheit.
Absatz 3
Das Recht der Mitgliederversammlung, eine dauerhafte
Herabsetzung der Versorgungsleistungen mit satzungsändernder
Mehrheit im Sinne des § 13 Abs. 4 zu beschließen, bleibt unberührt.
Absatz 4
Den Versorgungsberechtigten ist vier Wochen vor der
Mitgliederversammlung Gelegenheit zur Äußerung zu geben“.
Dieser Teil der Satzungsänderung wurde im Amtsblatt des Saarlandes vom 19.7.2007, S.
1446, bekannt gemacht mit der Maßgabe, dass die Satzungsänderungen mit der
Bekanntmachung im Amtsblatt des Saarlandes in Kraft treten.
Ebenfalls in der Mitgliederversammlung am 29.5.2007 wurden die weiteren beabsichtigten
Satzungsänderungen, insbesondere diejenigen zur Absenkung der Bemessungsgrundlage
der Leistungen des Versorgungswerks (§ 27 Satzung 2007), der Absenkung der
Altersrente (§§ 27, 29 Satzung 2007), der Erhöhung der Beitragsleistungen an das
Versorgungswerk (§ 18 Satzung 2007) und der Absenkung der Hinterbliebenenrente von
Ehegatten (§ 35 Abs.1 Satzung 2007), beschlossen. Nach §§ 27, 29 Satzung 2007 ist ab
1.8.2007 Bemessungsgrundlage für Rentenleistungen grundsätzlich die Besoldungsgruppe
A 12, bzw. für Notare, die am 31.3.1990 bereits die Altersgrenze überschritten hatten
(tatsächlich handelt es sich um einen Bestandsrentner), die Besoldungsgruppe A 13. Der
vom Hundertsatz für die Beitragserhebung wurde aufgrund des gemäß § 18 Abs. 1
Satzung 2007 erhöhten Beitragsrahmens ab 1.8.2007 in der Altersgruppe bis zu 39 Jahren
von 40,24 auf 46,90 (zulässiger Höchstsatz: 55 statt 45) und in der Altersgruppe über 39
Jahre von 46,92 auf 54,68 (zulässiger Höchstsatz: 65 statt 52,5) angehoben.
Die diesbezüglichen Satzungsänderungen 2007 wurden im Amtsblatt des Saarlandes vom
26. Juli 2007, S. 1527, bekannt gemacht. Die Änderungen der Bemessungsgrundlage und
der Höhe der Altersrente (§§ 27, 29 Satzung 2007) traten nach Nr. 21 des Beschlusses
über die Satzungsänderung mit Ablauf des Monats der Bekanntmachung im Amtsblatt des
Saarlandes in Kraft, jedoch nicht vor dem 1. Juli 2007. Sämtliche von der
Mitgliederversammlung am 29.5.2007 beschlossenen Satzungsänderungen waren gemäß
§ 11 Abs. 2 NKVersWK mit Urkunde des Ministeriums für Justiz, Gesundheit und Soziales
vom 18.6.2008 genehmigt worden.
Durch den im vorliegenden Berufungsverfahren streitgegenständlichen Bescheid vom
26.7.2007 wurde die Witwenrente der Klägerin, die bis dahin einen Zahlbetrag von
1457,65 Euro hatte, unter Hinweis auf die geänderte Satzung nicht mehr auf der Basis
von 75% des höchsten Ruhegehalts eines Berechtigten der Besoldungsgruppe A 13
(3.920,58 Euro), sondern auf der Basis von 75% der Besoldungsgruppe A 12 (3.522,25
Euro), zuzüglich eines Familienzuschlags Stufe 2 (195,33 Euro) berechnet. Für die Zeit
vom 1.8.2007 bis zum 31.12.2007 wurde die Witwenrente der Klägerin - nach
Verminderung um die dritte Anpassung nach § 69 e Beamtenversorgungsgesetz (x
0,98375), Reduzierung auf 80% dieses Wertes und nochmaliger Reduzierung auf 60%
hiervon (Bemessungssatz Witwenrente bis 1.1.2008) - auf 1316,58 Euro neu festgesetzt.
Für die Zeit ab 1.1.2008 wurde die Witwenrente der Klägerin unter Anwendung des
Bemessungssatzes für die Witwenrente ab 1.1.2008 von 55% auf 1206,87 Euro neu
festgesetzt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 27.7.2007 und gegen die
Änderung des § 41 der Satzung 2005 mit Schreiben vom 17.8.2007 Widerspruch. Sie
führte im Wesentlichen aus, durch die vorgenommenen Änderungen würden der Grundsatz
des Vertrauensschutzes und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Die Kürzung
ihrer Witwenrente belaufe sich ab 1.1.2008 auf einen Betrag von 250,78 Euro. Dies sei
eine Reduzierung um 17,2% gegenüber den bis zum 31.7.2007 erbrachten
Versorgungsleistungen. Demgegenüber hätten die Notare im Amt nur geringe
Beitragserhöhungen in einer Größenordnung von 60 bis 70 Euro zu tragen. Ergänzend
bezog sie sich auf die in einem Schreiben des Notars a.D. E. vom 18.7.2007 an den
Beklagten dargelegten Gründe gegen die Satzungsänderung und die Herabsetzung der
Versorgungsleistungen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 1.10.2007 wurde der Widerspruch der Klägerin
zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, der angegriffene
Bescheid und die Satzungsänderungen, die ihm zugrunde lägen, seien formell und materiell
rechtmäßig. Die Mitgliederversammlung habe die Beschlüsse vom 29.5.2007 mit der
gemäß § 13 Abs. 4 der Satzung erforderlichen satzungsändernden Dreiviertel-Mehrheit
gefasst. Die Versorgungsberechtigten seien rechtzeitig angehört worden, die
Satzungsänderung vom zuständigen Ministerium genehmigt und gemäß § 45 der Satzung
im Amtsblatt des Saarlandes verkündet worden. Die Satzungsänderungen seien auch
materiell rechtmäßig. § 41 Abs. 2 Satzung 2005 stehe der Satzungsänderung nicht
entgegen, denn die entsprechende Vorschrift sei mit satzungsändernder Mehrheit durch
die Mitgliederversammlung vom 29.5.2007 aufgehoben worden.
Die Satzungsänderung sei auch geboten gewesen. Das versicherungsmathematische
Gutachten zum Stand 31.12.2004 habe bestätigt, dass sich die finanzielle Lage des
Versorgungswerks dramatisch verschlechtert habe. In der Zeit von 1980 bis 2005 hätten
sich die Versorgungsleistungen von rund 235.000 Euro auf rund 864.000 Euro mehr als
verdreifacht. Das Verhältnis der Erträge zu den Versorgungsleistungen sei zwischen 1997
und 2005 von rund 62% auf rund 47% gesunken. Die Zahl der Versorgungsempfänger sei
zwischen 1980 und 2007 von 18 auf 29 gestiegen; zudem sei die Dauer des
Rentenbezuges gestiegen. Um die damit verbundenen Probleme zu lösen, seien zeitlich
befristete Absenkungen untauglich. Das eigentliche Ziel bestehe darin, dass jedes Mitglied
mit seinen Beiträgen möglichst so viel zum Aufbau des Vermögens des Versorgungswerks
beitrage, dass später die diesem Mitglied gebührenden Versorgungsleistungen durch die
Erträge des mithilfe seiner Beiträge gestiegenen Vermögens gedeckt seien.
Einer Herabsetzung der Versorgungsleistungen zu Lasten derjenigen
Versorgungsempfänger, die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Satzungsänderung
bereits versorgungsberechtigt gewesen seien, stehe auch nicht der Rechtsgedanke des
Vertrauensschutzes entgegen, denn die Versorgungsleistungen stünden immer unter dem
Vorbehalt der Leistungsfähigkeit. Eine Besitzstandswahrung der Bestandsrentner und ihrer
Hinterbliebenen bis zur vollständigen Verwendung des Reinertrages des
Rücklagevermögens lasse außer Betracht, dass das Rücklagevermögen nicht nur von den
Bestandsrentnern, sondern zu einem großen Teil auch von den derzeitigen Beitragszahlern
erbracht worden sei und demnach den Bestandsrentnern überhaupt nur anteilig zustehe,
was damit auch für die Erträge gelte. Diese seien bis zur Satzungsänderung
überverhältnismäßig den Bestandsrentnern und deren Hinterbliebenen über die
Versorgungsleistungen ausgeschüttet worden.
Zudem unterliege die Hinterbliebenenversorgung nicht dem verfassungsrechtlichen
Eigentumsschutz des Art. 14 GG, da ein hinreichender personaler Bezug zwischen der
Beitragsleistung der Versicherten und den Versorgungsleistungen zugunsten der
Hinterbliebenen fehle. Die Absenkung des Bemessungssatzes der Witwenrente von 60%
auf 55% verstoße deshalb auch nicht gegen Art. 3 GG. Die Ungleichbehandlung der Witwen
gegenüber den Rentnern sei durch diesen sachlichen Unterschied gerechtfertigt.
Auch der Einwand, die Beiträge der aktiven Mitglieder des Beklagten seien lediglich um
5,01% erhöht worden, stelle die Rechtmäßigkeit der Satzungsänderung nicht in Frage. Die
insoweit beschlossene Änderung habe zur Folge, dass die derzeitigen Mitglieder des
Versorgungswerks höhere Beiträge zahlten und hierfür später eine niedrigere Rente im
Vergleich zu der bisherigen Rechtslage erhielten, was eine zusätzliche Belastung der
derzeitigen Beitragszahler bedeute. Zudem würden die künftigen Beitragszahler auch durch
die Änderung des Verlaufs der Anwartschaften und die künftig zu ernennenden Notarinnen
und Notare durch die Erhöhung des Eintrittsbeitrages belastet. Es würden somit alle
Gruppen bei der Konsolidierung des Versorgungswerks einbezogen.
Mit Bescheid vom 24.10.2007 wurden verschiedene Zahlenangaben aus dem Text der
Begründung des Widerspruchsbescheides wegen offensichtlicher Schreib- und Rechenfehler
berichtigt.
Mit Eingang vom 29.10.2007 hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben.
Zu deren Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, der streitige Bescheid sei
schon deshalb fehlerhaft, weil er am 26.7.2007 und damit zu einem Zeitpunkt erlassen
worden sei, zu dem die Änderungen der Satzung hinsichtlich Bemessungsgrundlage und
Bemessungssatz, die am 1.8.2007 in Kraft getreten seien, noch nicht gegolten hätten.
Zudem habe in einer Mitgliederversammlung zuerst § 41 Abs. 2 und 3 der Satzung 2005
geändert werden müssen, bevor die Änderungen der §§ 27, 29 Satzung 2005 zu
Bemessungsgrundlage und Bemessungssatz hätten beschlossen werden können. Diese
Änderungen hätten nach Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bekannt gemacht
werden müssen. Erst dann seien der Satzungsbeschluss zur weiteren Änderung, dessen
Genehmigung und die Bekanntmachung rechtlich zulässig gewesen. Die
Mitgliederversammlung habe am 29.5.2007 keinen derartigen Vorratsbeschluss fassen
können.
Die Satzungsänderungen verstießen auch gegen Art. 14 GG, weil satzungsmäßige
Neuregelungen, die in Positionen eingreifen, die in der Vergangenheit begründet worden
sind, nur zulässig seien, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter
Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt seien. Soweit der
Beklagte zur Begründung darauf hingewiesen habe, dass sich die finanzielle Lage des
Versorgungswerks in den vergangenen Jahren erheblich verschlechtert habe, könne dem
nicht gefolgt werden. Im Gegensatz zu der Behauptung des Beklagten sei die
Vermögensentwicklung des Versorgungswerks seit dessen Anfängen ununterbrochen stets
positiv verlaufen. Abgesehen davon, dass hiernach überhaupt keine Rentenkürzung habe
vorgenommen werden dürfen, habe erst recht keine Kürzung der Witwenrente in diesem
Umfang (ca. 10% zum 1.8.2007 und im Ergebnis nahezu 20% zum 1.1.2008) und ohne
Übergangsregelung erfolgen dürfen. Dies komme bei dem ohnehin niedrigeren
Versorgungsniveau der Witwen einer Existenzvernichtung nahe.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 26.7.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 1.10.2007, in der Fassung der
Berichtigung vom 24.10.2007, aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, das vom Beklagten in der Mitgliederversammlung angewandte
Verfahren eines „Vorratsbeschlusses“ sei unbedenklich.
Die Rentenkürzung verstoße nicht gegen Verfassungsrecht. Der vorliegende Eingriff sei,
was die betroffenen Rentner anbelange, von der Inhalts- und Schrankenbestimmung des
Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gedeckt. Bei deren Ausgestaltung komme dem Normgeber mit
Blick auf rentenversicherungsrechtliche Positionen grundsätzlich eine weite
Gestaltungsfreiheit zu. Dies gelte im Besonderen für Regelungen, die dazu dienten, die
Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems im Interesse aller zu erhalten. Darin
bestehe eindeutig der mit der vorliegenden Rentenkürzung beabsichtigte Zweck. Das Mittel
sei auch zur Förderung dieses gewünschten Erfolges geeignet, wie das
versicherungsmathematische Gutachten zum Stichtag 31.12.2004 bestätige.
Ein zur dauerhaften Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Beklagten ebenso wirksames,
aber milderes Mittel habe vorliegend nicht zur Verfügung gestanden. Auch die Frage der
Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Zumutbarkeit des Eingriffs für die Betroffenen) sei
zu bejahen. Des Weiteren habe der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht zur
Notwendigkeit einer Übergangsregelung geführt. Die Einschränkung der Höhe der Rente sei
von Beginn an ihrer Gewährung systemimmanent gewesen. Dies gelte umso mehr für die
Hinterbliebenenversorgung.
Es liege auch kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor, da alle betroffenen Gruppen bei der
Konsolidierung des Versorgungswerks mit einbezogen worden seien.
Durch Urteil vom 5.6.2009 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den
Bescheid des Beklagten vom 26.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
1.10.2007, in der Fassung der Berichtigung vom 24.10.2007 aufgehoben.
Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei
rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Zwar entspreche die dem streitigen
Bescheid zugrunde liegende Reduzierung der Witwenrente als Folge der Absenkung der
Bemessungsgrundlage und des Bemessungssatzes dem ab 1.8.2007 geltenden
Satzungsrecht des Beklagten. Der Beklagte habe bei der Ausgestaltung dieser
Versorgungsleistung jedoch die ihm vorgegebenen Grenzen des Art. 3 GG überschritten.
Dadurch, dass die Änderung der Bemessungsgrundlage gegenüber den Rentnern
unverhältnismäßig sei, entfalle auch die sachliche Rechtfertigung für eine entsprechende
Kürzung der Hinterbliebenenversorgung. Deshalb verbleibe, was die Leistungen an die
vorhandenen Leistungsempfänger (Bestandsrentner) anbelange, ohne sachlichen Grund
allein eine Belastung der Hinterbliebenen. Für dieses Sonderopfer gebe es keine
Rechtfertigung.
Gegenüber den Rentnern sei die Absenkung der Bemessungsgrundlage unverhältnismäßig,
da keine Tatsachen vorlägen, anhand derer festgestellt werden könne, inwieweit die
Versorgungsleistungen aller Rentenbezieher zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit des
Versorgungswerkes eine sofortige, d.h. ohne Übergangsregelung zugunsten der
Bestandsrentner erfolgende, systemgerechte Reduzierung hätten erfahren müssen.
Die den Bestandsrentnern vor der Änderung der Satzung gewährte Versorgung unterliege
als vermögenswerte Rechtsposition dem eigentumsrechtlichen Schutz des Art. 14 Abs. 1
Satz 1 GG. Zwar umfasse Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Befugnis, Rentenansprüche und
Anwartschaften zwecks Erhalts der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der
Rentenversicherung zu beschränken. Diese Befugnis sei jedoch von der weiteren
Voraussetzung abhängig, dass dies einem Zweck des Gemeinwohls diene und dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche. Es sei dem Beklagten indes nicht gelungen,
die Notwendigkeit einer systemgerechten Reduzierung der Versorgungsleistungen der
Rentenbezieher - im konkreten Fall zudem ohne Übergangsregelung zugunsten der
Bestandsrentner - zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Versorgungswerks
nachvollziehbar darzulegen.
Bei dem Finanzierungssystem des Beklagten handele es sich um ein offenes
Deckungsplanverfahren. Dem individuellen, dem Beklagten vorgegebenen (teil-
)kapitalgedeckten System sei es immanent, dass nicht alle Ansprüche durch vorhandenes
Kapital gedeckt werden könnten und die zukünftige Entwicklung mit in die Bewertung
eingehe. Der kontinuierliche Neuzugang von aktiven Berufsangehörigen als Ersatz für
ausscheidende Beitragszahler und die unmittelbare Verwendung deren Beitrags als Umlage
für die laufenden Renten sei Grundlage der Leistungsfähigkeit des Systems des Beklagten.
Die vom Beklagten zur Darstellung seiner Leistungsfähigkeit in Auftrag gegebenen
versicherungsmathematischen Gutachten zu den Stichtagen 31.12.2004 und 31.12.2005
seien demgegenüber nach dem kapitalgedeckten System erstellt. Eine Berücksichtigung
des künftigen Neuzugangs finde nicht statt. Deshalb müssten die
versicherungsmathematischen Gutachten zum 31.12.2004 und zum 31.12.2005 mit
einem Fehlbetrag, dem versicherungstechnischen Ausgleichsbetrag abschließen. Sie
beruhten auf der Annahme eines kapitalgedeckten Systems und sagten mithin nichts über
die Leistungsfähigkeit des beklagten Versorgungswerks aus.
Auch im Übrigen sei der Vortrag des Beklagten nicht geeignet, die Notwendigkeit einer
systemgerechten Reduzierung der Versorgungsleistungen der Rentenbezieher zur
Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Versorgungswerks bei gleichzeitigem Absehen von
einer Übergangsregelung zugunsten der Bestandsrentner nachvollziehbar zu machen. Um
die Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Rentenkürzung beurteilen zu können, bedürfe es
der schlüssigen Dokumentation, aufgrund welcher Tatsachen die Leistungsfähigkeit des
Versorgungswerks bei einer schrittweisen Absenkung mittels Übergangsregelung für
Bestandsrentner, etwa nach dem Vorbild des § 69 e BeamtVG nicht dauerhaft
gewährleistet sei. Daran mangele es. Ein versicherungsmathematisches Gutachten, das
zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses ein Absehen von jedweder Übergangsregelung
zugunsten der Bestandsrentner als verhältnismäßig rechtfertigen könne, liege nicht vor.
Zudem lasse sich derzeit nicht ermessen, welche Bedeutung der beamtenähnlichen
Leistungszusage mit Dynamisierungspflicht für die dauerhafte Leistungsfähigkeit des
Versorgungswerks zukomme und ob die streitige Satzungsänderung überhaupt geeignet
sei, vor diesem Hintergrund die Leistungsfähigkeit dauerhaft zu begründen. Ob eine
ausreichende Kapitaldeckung für die Zukunft bei der in der Satzung verankerten
Dynamisierung von Beiträgen und Leistungen erreicht sei, lasse sich aus den vom
Beklagten vorgelegten Zahlen der Vergangenheit nicht ablesen.
Das Urteil, in dem die Berufung zugelassen wurde, ist dem Beklagten am 13.7.2009
zugestellt worden.
In seiner am 29.7.2009 eingelegten und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
am 30.9.2009 begründeten Berufung macht der Beklagte geltend, das angefochtene Urteil
verstoße gegen das Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), da das Gericht sein
Ermessen an die Stelle des Ermessens des Beklagten gesetzt habe. Mache der Beklagte
von der Satzungsermächtigung in §§ 1, 5 und 10 NKVersWG Gebrauch, so stehe ihm nach
der Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts als auch des
Bundesverwaltungsgerichts ein weites Gestaltungsermessen zu. Auf der Grundlage der
ihm vorliegenden versicherungsmathematischen Gutachten zum 31.12.2004 und zum
31.12.2005 habe sich der Beklagte zur Beseitigung der dramatischen Verschlechterung
der finanziellen Lage an den vom Gutachter vorgeschlagenen Maßnahmen orientiert. Die
Ausübung des satzungsgemäßen Gestaltungsermessens unterliege einer nur
eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Der Beklagte habe den ihm durch das Gesetz
eingeräumten Beurteilungsspielraum eingehalten.
Die in dem angefochtenen Urteil getroffene Annahme, die Beklagte sei auf das offene
Deckungsplanverfahren festgelegt, entbehre der gesetzlichen Grundlage. Weder das
Gesetz noch die Satzung schrieben ein bestimmtes Verfahren vor. Das angefochtene Urteil
gehe auch zu Unrecht davon aus, dem Finanzierungssystem der Beklagten läge das offene
Deckungsplanverfahren zugrunde. Dem Wesen nach handele es sich bei dem vom
Beklagten angewandten Verfahren vielmehr um ein Kapitaldeckungsverfahren, allerdings
mit der Maßgabe, dass zum einen nicht 100% der Leistungen kapitalgedeckt seien,
sondern der nicht gedeckte Teil als Fehlbetrag in der Bilanz ausgewiesen werde, und es
sich zum anderen um ein kollektives Finanzierungsverfahren handele, bei dem Beiträge und
Leistungen nicht individuell festgelegt würden.
Soweit der Beklagte missverständlich behauptet habe, er folge hinsichtlich der Finanzierung
seiner Leistungen nicht dem Umlage-, sondern dem offenen Deckungsplanverfahren, habe
er dies wiederholt und ausdrücklich vor Ergehen des angefochtenen Urteils widerrufen. Seit
Beginn des Versorgungswerkes hätten sich Verwaltungsrat und Mitgliederversammlung für
das Anwartschaftsdeckungsverfahren entschieden. Dies sei insbesondere aus historischen
Gründen erfolgt, da sich gleich zu Beginn des Versorgungswerks eine erhebliche alte Last in
der Form der zu finanzierenden Versorgungsanwartschaften und der
Versorgungsansprüche bereits vorhandener Rentner ergeben hätten. Diese Entscheidung
sei rechtlich nicht zu beanstanden. Ob für die Erfüllung der Aufgaben eines
berufsständischen Versorgungswerks durch Neuzugänge eintretende künftige Gewinne in
die Berechnung der Bilanzdeckungsrückstellung einbezogen werden müssten, sei eine
Frage des Satzungsermessens. Gesetzlich sei die Berücksichtigung eines
Neuzugangsgewinns nicht vorgeschrieben.
Da schon die Feststellung des angefochtenen Urteils, der Beklagte wende das offene
Deckungsplanverfahren an, unzutreffend sei, seien auch sämtliche darauf aufbauende
Schlussfolgerungen fehlerhaft. Verfehlt sei auch die Schlussfolgerung des angefochtenen
Urteils, die Satzungsänderung könne deshalb nicht sachgemäß sein, weil sie nach den zu
ihrer Plausibilisierung angestellten Berechnungen offensichtlich ungeeignet sei, die
angestrebte 100%-ige Bedeckung zu erreichen. Es sei nie Ziel des Beklagten gewesen,
eine solche Bedeckung zu erreichen, vielmehr sei es stets darum gegangen, die in der
Bilanz angewiesene versicherungsmathematische Deckungslücke zu reduzieren.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat der Beklagte zu seinem Finanzierungssystem
ausgeführt, es handele sich nicht um ein offenes Deckungsplanverfahren, sondern um ein
Anwartschaftsdeckungsverfahren mit Deckungslücke. Im Übrigen sei es für die
Rechtmäßigkeit des Satzungsbeschlusses vom 29.5.2007 auch völlig irrelevant, wie das
Finanzierungsverfahren, das Grundlage der Versorgungsansprüche der Klägerin sei, in der
streitigen Mitgliederversammlung vom 29.5.2007 bezeichnet worden sei.
Dem angefochtenen Urteil sei auch insoweit nicht zu folgen, als es eine Verletzung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen des Art. 14 GG bejahe, weil es an einer
Übergangsregelung fehle. Schon im Ansatz überzeuge nicht, warum der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Übergangsregelung zugunsten der Bestandsrentner
erfordern solle. Es obliege dem Gestaltungsermessen des Beklagten, ob er eine
Übergangsregelung einführe. Auch der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes führe nicht
zur Notwendigkeit einer Übergangsregelung. Die Satzung sehe ein spezifisches Verfahren
der Anhörung vor. Dieses sei eingehalten worden. Der Gewährung der Rente sei die
Einschränkung ihrer Höhe seit Beginn systemimmanent gewesen.
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung seien im Übrigen auch die zahlreichen
weiteren Eingriffe zu sehen, die der Beklagte auch und insbesondere zu Lasten der aktiven
Mitglieder beschlossen habe. Ein Vorrangverhältnis der Bestandsrentner gegenüber den
eigentumsrechtlich geschützten Anwartschaften der Mitglieder des Beklagten gebe es
nicht. Zudem werde eine weitere Schwächung des Versorgungswerks dadurch eintreten,
dass künftig nur noch 37 Notare die Leistungen und Anwartschaften der
Versorgungsempfänger finanzierten, deren Anzahl gestiegen sei.
Im Falle der Klägerin komme noch hinzu, dass die Rechtsposition der Hinterbliebenen nicht
in vergleichbarem Maße wie die der Rentner unter dem Schutz von Art. 3 und Art. 14 Abs.
1 GG stehe.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom
5.6.2009 – 1 K 1881/07 - die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin macht erneut die Fehlerhaftigkeit des Zustandekommens der
Satzungsänderung in den Beschlüssen der Mitgliederversammlung vom 29.5.2007 geltend
und führt ergänzend aus, selbst wenn man derartige sogenannte Vorratsbeschlüsse für
zulässig erachte, sei es erforderlich, dass die Mitglieder des Versorgungswerks in einem
solchen Fall erkennbar zur Verabschiedung zweier Beschlüsse geladen würden.
Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihre Auffassung, die dem angefochtenen
Bescheid zugrundeliegende Satzungsänderung verstoße gegen Art.14 Abs.1 GG.
Soweit der Beklagte sich auf seine weite Gestaltungsfreiheit bei der Satzungsänderung
berufe, und sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
insbesondere das Urteil vom 21.9.2005 (BVerwG, Urteil vom 21.9.2005 – 6 C 3/05 -, NJW
2006, 711 ff.) beziehe, trage diese Parallele nicht. Im dortigen Fall sei es um den
Beschluss gegangen, Versorgungsleistungen nicht zu erhöhen, hier gehe es demgegenüber
um die Absenkung einer Bestandsrente.
Der Senat hat im Rahmen eines Erörterungstermins am 28.9.2010 den vom Beklagten
beauftragten und an der Erstellung der versicherungsmathematischen Gutachten zu den
Stichtagen 31.12.2004 und 31.12.2005 beteiligten Sachverständigen Dr. K. zu dem beim
Beklagten bestehenden Versorgungssystem und zu der Ausgangssituation dieses
Versorgungssystems bei Erlass der streitigen Satzungsänderung 2007 befragt. Wegen des
Ergebnisses der Befragung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.9.2010 Bezug
genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und
der beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen. Der Inhalt der Akten war Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist gemäß § 124 a Abs.2 und 3 VwGO zulässig.
Sie hat indes in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat durch das
angefochtene Urteil vom 5.6.2009 – 1 K 1881/07 - den angefochtenen Rentenbescheid
des Beklagten vom 26.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
1.10.2007, in der Fassung der Berichtigung vom 24.10.2007 zu Recht aufgehoben. Dieser
ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs.1 S.1 VwGO).
Zwar steht der angefochtene Bescheid, durch den die Witwenrente der Klägerin mit
Wirkung ab 1.8.2007 unter Eingriff in den bisherigen Zahlbetrag von 1457,65 Euro im
Umfang von insgesamt 250,78 Euro - zum 1.8.2007 auf zunächst 1316,58 Euro und
nachfolgend - auf 1206,87 Euro zum 1.1.2008 neu festgesetzt wurde, in Einklang mit den
Bestimmungen der im Jahre 2007 geänderten Satzung des Beklagten. Er ist jedoch nicht
mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar. Er verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
und das Vertrauensschutzprinzip.
Die maßgeblichen Regelungen der Satzungsänderung 2007 stellen keine
verfassungsrechtlich zulässige Umgestaltung der der Klägerin zustehenden
satzungsrechtlichen Rechtsposition dar.
Ob dabei der Auffassung der Klägerin zu folgen ist, dies habe schon deshalb zu gelten, weil
die Satzungsänderung 2007 aus formalen Gründen, insbesondere unter dem Aspekt der
Vorratsbeschlussfassung
zum Problemkreis vgl. BVerfG, Entscheidung vom 26.7.1972 – 2 BvF
1/71 –, zitiert nach juris
nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sei, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die
im Jahr 2007 vorgenommene Satzungsänderung steht – bezogen auf die hier
streitgegenständliche Rechtsposition der Klägerin – jedenfalls aus materiellrechtlichen
Gründen im Widerspruch zu Art. 2 Abs.1 GG.
Zwar unterfällt die Rechtsposition der Klägerin nicht dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG.
Ebenso wie die Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung über die
Hinterbliebenenversorgung
BVerfG, Beschluss vom 18.2.1998 – 1 BvR 1318/86 u.a. –, BVerfGE
97, 271 ff., hier zitiert nach juris
begründen auch die Vorschriften der Satzung des Beklagten über die
Hinterbliebenenversorgung - vor wie nach der Satzungsänderung 2007 - keine
Rechtsposition, die dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz unterliegt.
Wenn auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt ist, dass
Rentenansprüche und Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die
wesentlich durch eigene Beitragsleistungen erworben wurden, unter den Schutz der
Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fallen
BVerfG, Urteil vom 28.2.1980 – 1 BvR 17/77 u.a. -, BVerfGE 53,
257 ff., Urteil vom 28.4.1999 – 1 BvR 32/95 und 1 BvR 2105/95 -,
BVerfGE 100, 1ff., Beschluss vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97 u.a. –
BVerfGE 112, 368 m.w.N und Beschluss vom 11.11.2008 – 1 BvL
3/05 u.a. – BVerfGE 122, 151 ff., hier zitiert nach juris.
und Gleiches für den eigentumsrechtlichen Schutz von Ansprüchen aus dem Bereich des
berufsständischen Versorgungsrechts gilt, trifft dies auf die Hinterbliebenenrente der
Klägerin nicht zu. Denn diese beruht nicht auf einer dem Versicherten zurechenbaren
Eigenleistung. Auch wenn die Hinterbliebenenrente aus Beiträgen der Versicherten
mitfinanziert wird, so fehlt es dennoch an einem hinreichenden personalen Bezug zwischen
der Beitragsleistung des Versicherten und der später an seine Hinterbliebenen geleisteten
Rente, weil der verheiratete Versicherte - trotz der erhöhten Wahrscheinlichkeit, dass seine
Hinterbliebenen Rente erhalten – keinen an diesem Risiko ausgerichteten Beitrag leisten
muss
BVerfG, Beschluss vom 18.2.1998 – 1 BvR 1318/86 u.a. –, BVerfGE
97, 271ff., hier zitiert nach juris, zur Hinterbliebenenrente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung.
Auch ist die hier streitgegenständliche Hinterbliebenenversorgung dem Versicherten nach
der Konzeption des Satzungsgebers nicht als seine Rechtsposition zugeordnet. Neben
anderen Voraussetzungen steht sie unter dem Vorbehalt, dass der Versicherte zu diesem
Zeitpunkt in gültiger Ehe lebt
BVerfG, Beschluss vom 18.2.1998 – 1 BvR 1318/86 u.a. –, BVerfGE
97, 271ff., hier zitiert nach juris, zur Hinterbliebenenrente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Hinterbliebenenrente im Versorgungssystem des Beklagten stellt ebenso wie diejenige
im System der gesetzlichen Rentenversicherung vielmehr eine vorwiegend fürsorgerisch
motivierte Leistung dar. Sie dient der Sicherung der Familienangehörigen im Rahmen des
Gedankens des sozialen Ausgleichs
BVerfG, Beschluss vom 18.2.1998 – 1 BvR 1318/86 u.a. –, BVerfGE
97, 271 ff., hier zitiert nach juris.
Die durch die Satzungsänderung 2007 bewirkte Umgestaltung der Hinterbliebenenrente
der Klägerin unterfällt jedoch dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG. Dessen Schutzbereich ist
berührt, wenn der Normgeber einerseits durch die Anordnung von Zwangsmitgliedschaft
und Beitragspflichten in einem öffentlich-rechtlichen Verband der Sozialversicherung, sei es
der gesetzlichen Rentenversicherung oder sei es der berufsständischen Versorgung, die
allgemeine Betätigungsfreiheit des Einzelnen durch Einschränkung seiner wirtschaftlichen
Voraussetzungen nicht unerheblich einengt, andererseits aber - wie hier - dem Versicherten
satzungsmäßig zugesagte und beitragsfinanzierte Leistungen wesentlich vermindert
BVerfG, Beschluss vom 18.2.1998 – 1 BvR 1318/86 u.a. –, BVerfGE
97, 271ff., hier zitiert nach juris, zur Hinterbliebenenrente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung.
Allerdings ist der Beklagte als Satzungsgeber grundsätzlich befugt, in das Leistungsgefüge
der von ihm zugesagten Versorgungsleistungen, seien sie durch Art. 14 Abs. 1 GG oder
durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt, ordnend einzugreifen. Der hier mit Blick auf die
Hinterbliebenenrenten als Prüfungsmaßstab heranzuziehende Art. 2 Abs. 1 GG ist dabei
nicht verletzt, wenn die Eingriffsnormen formell und materiell verfassungsgemäß sind,
insbesondere einem wichtigen öffentlichen Interesse dienen und dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit sowie den rechtsstaatlichen Anforderungen des
Vertrauensschutzprinzips entsprechen
BVerfG, Beschluss vom 18.2.1998 – 1 BvR 1318/86 u.a. –, BVerfGE
97, 271ff., hier zitiert nach juris, zur Hinterbliebenenrente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung.
Diese Voraussetzungen hat der Beklagte bei dem - hier allein streitgegenständlichen -
Eingriff in Hinterbliebenenrenten, die zum Zeitpunkt der Satzungsänderung 2007 bereits
entstanden waren (Hinterbliebenen-Bestandsrenten), indes nicht in dem gebotenen Maße
beachtet.
Allerdings spricht einiges dafür, dass er mit den maßgeblichen Satzungsänderungen ein
wichtiges öffentliches Interesse verfolgt hat.
Der Beklagte hat insoweit geltend gemacht, bei Vornahme der Satzungsänderung 2007
habe eine dramatische Verschlechterung der finanziellen Lage des Versorgungswerkes
vorgelegen. Deshalb sei es erforderlich gewesen, Maßnahmen zu ergreifen, die die
langfristige Finanzierbarkeit der Versorgungsleistungen wieder herstellten. Dies zugrunde
legend hat er das Ziel verfolgt, die finanziellen Grundlagen seines Versorgungssystems zu
konsolidieren.
Die grundsätzliche Legitimität dieses Ziels ist nach der Rechtsprechung sowohl des
Bundesverfassungsgerichts als auch des Bundesverwaltungsgerichts zu bejahen
BVerfG, Urteil vom 28.2.1980 – 1 BvR 17/77 u.a. -, BVerfGE 53,
257 ff.; Urteil vom 28.4.1999 – 1 BvR 32/95 und 1 BvR 2105/95 -,
BVerfGE 100, 1ff., Beschluss vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97 u.a. –
BVerfGE 112, 368 m.w.N und Beschluss vom 11.11.2008 – 1 BvL
3/05 u.a. – BVerfGE 122, 151 ff.; BVerwG, Urteil vom 21.9.2005 – 6
C 3/05 -, NJW 2006, 711 ff., hier jeweils zitiert nach juris,
und zwar auch zur Rechtfertigung eines Eingriffs in Versorgungsanwartschaften und bereits
entstandene Versorgungsansprüche, die dem Schutz von Art. 14 Abs. 1 GG unterfallen.
Dies gilt erst recht für die (nur) dem Schutz des Art. 2 Abs.1 GG unterfallenden
Hinterbliebenenrenten.
In seinen ebenfalls aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19.1.2011 ergangenen Urteilen
betreffend die Anfechtung von Rentenkürzungsbescheiden des Beklagten aufgrund der
Satzungsänderung 2007 zu Lasten derjenigen Bestandsrentner, die selbst versicherte
Mitglieder des Beklagten gewesen sind und deren Rentenansprüche dem Schutzbereich
des Art. 14 Abs. 1 GG unterfallen
OVG des Saarlandes, Urteile vom 19.1.2011 – 3 A 414/09 u.a. -,
ist der Senat davon ausgegangen, dass überwiegende Gründe dafür sprechen, dass die
Finanzierungsgrundlagen des Versorgungssystems des Beklagten zum Zeitpunkt der
streitigen Satzungsänderung 2007 tatsächlich gefährdet waren.
Hierzu ist in den genannten Urteilen im Wesentlichen ausgeführt:
„Der Beklagte hat hierzu dargelegt, eine dramatische
Verschlechterung der finanziellen Lage des Versorgungswerks ergebe
sich aus dem versicherungsmathematischen Gutachten vom
11.8.2005 zum Stichtag 31.12.2004. Dies folge insbesondere aus
der darin ermittelten versicherungs-mathematischen Deckungslücke
und der daraus errechneten mangelhaften (Kapital-)Bedeckung der
Rentenansprüche und Versorgungsanwartschaften sowie aus der
Verdoppelung der versicherungsmathematischen Deckungslücke in
der Zeit vom Stichtag 31.12.1999 bis zum Stichtag 31.12.2004. Die
Situation des Versorgungswerks sei dadurch geprägt, dass sich in der
Zeit von 1980 bis 2005 die Versorgungsleistungen von rund
235.000 Euro auf rund 864.000 Euro mehr als verdreifacht hätten,
während das Verhältnis der Erträge zu den Versorgungsleistungen
zwischen 1997 und 2005 von rund 62% auf rund 47% gesunken und
sowohl die Zahl der Versorgungsempfänger zwischen 1980 und
2007 von 18 auf 29 als auch die Dauer des Rentenbezuges
gestiegen sei. Gleiches ergebe sich aus dem
versicherungsmathematischen Gutachten vom 4.12.2006 zum
Stand 31.12.2005 und aus den versicherungsmathematischen
Stellungnahmen des von ihm beauftragten Sachverständigen Dr. K..
...
Den vorgelegten Gutachten, erläutert durch die Darlegungen des
versicherungsmathematischen Sachverständigen Dr. K., ist eine
negative Entwicklung desselben (Hinweis: des Finanzierungssystems
des Beklagten) sowohl in der Vergangenheit als auch – prognostisch
– für die Zukunft zu entnehmen.
...
Ob dabei das Finanzierungssystem des Beklagten, wie im Rahmen
des Klage- und Berufungsverfahren umstrittenen war, begrifflich
treffender als ein – besonderes - offenes Deckungsplanverfahren oder
als ein – besonderes - Kapitaldeckungsverfahren zu bezeichnen ist,
kann für diese Beurteilung im Ergebnis offen bleiben.
...
Die Haupteinflussfaktoren für die Verdoppelung der Deckungslücke
lagen nach den plausiblen Darlegungen des
versicherungsmathematischen Sachverständigen Dr. K. in der
Vergangenheit darin, dass aufgrund einer zu hohen Gewinnerwartung
der Ansatz eines zu hohen Rechnungszinses erfolgt war, sowie in der
Geltung des Leistungsprimats im Versorgungssystem des Beklagten,
der zu automatisch eintretenden Deckungsverlusten führen musste.
Keiner dieser Einflussfaktoren ist für die Zukunft entfallen. Im
Gegenteil muss für die Zukunft aufgrund der Veränderung der
biometrischen Rahmenbedingungen zusätzlich noch die Anwendung
der neuen Sterbetafeln nach Heubeck 2006 als weitere Ursache
berücksichtigt werden. Der Wirkungsgrad dieser Ursachen ist dabei
unterschiedlich zu bewerten.
Nach den Schätzungen des versicherungsmathematischen
Sachverständigen Dr. K. führt voraussichtlich sowohl eine zu
erwartende weitere Absenkung des Rechnungszinses von 4% auf
3,5% als auch die Anwendung der neuen Sterbetafel nach Heubeck,
Stand 2006, jeweils für sich betrachtet versicherungsmathematisch
zu einer (weiteren) Erhöhung der Deckungsrückstellung für die
Rentner um etwa 10%. Bezogen auf diese Einflussfaktoren ist ein
weiteres Anwachsen der versicherungsmathematischen
Deckungslücke in der Zukunft jedoch nicht mit derselben Dynamik
wie bei der Erhöhung um 100% (Verdoppelung) in der Zeit von 1999
bis 2004 zu erwarten. Zwar machte nach der Schätzungen des
Sachverständigen Dr. K. in diesem Zeitraum allein der
Verursachungsanteil des zu hoch angesetzten Rechnungszinses etwa
zwei Drittel aus. Jedoch ist der Sachverständige nicht davon
ausgegangen, dass eine weitere Absenkung des Rechnungszinses in
Zukunft in vergleichbarer Höhe wie in der Vergangenheit (2%)
unmittelbar bevorsteht. Zudem stellt die Absenkung des
Rechnungszinses einen endlichen Prozess und damit einen endlichen
Einflussfaktor dar.
Anderes gilt für die Dynamik der zu erwartenden negativen
Entwicklung aufgrund der Geltung des Leistungsprimats im
Versorgungssystem des Beklagten.
Wie bereits im Maßnahmevorschlag 2 des
versicherungsmathematischen Gutachten zum Stichtag 31.12.2004
ausgeführt ist und der Sachverständige Dr. K. nochmals verdeutlicht
hat, löst jede beamtenrechtliche Besoldungserhöhung eine
Anwartschafts- und eine Rentenerhöhung um jeweils 1% aus, dem
aber lediglich eine Beitragserhöhung um 1% korrespondiert, die
ihrerseits nur zur Finanzierung einer Anwartschaftserhöhung um
0,5% ausreicht, ohne dabei überhaupt etwas zur Finanzierung der
Rentenerhöhung beitragen zu können. Es liegt deshalb auf der Hand,
dass jede Anhebung bei der Beamtenbesoldung automatisch zu
einem (Deckungs-)Verlust beim Versorgungswerk führen muss.
Die Größenordnung dieses (Deckungs-)Verlustes lässt sich ebenfalls
aufgrund der Darlegungen des versicherungsmathematischen
Sachverständigen Dr. K. ermessen. Dieser hat zum einen erklärt, zur
Finanzierung einer Anwartschafts- und Rentenerhöhung, die den
gleichen Umfang hat wie eine beamtenrechtliche
Besoldungserhöhung, gebe es aus versicherungsmathematischer
Sicht auch die Möglichkeit, dies über eine Beitragserhöhung zu
steuern. Als grobe Abschätzung könne gesagt werden, dass zur
Finanzierung einer Erhöhung nur der Rentenbezüge um 1% eine
Beitragserhöhung von ca. 1,4% erforderlich wäre. Zur Finanzierung
einer Erhöhung sowohl der Anwartschaften als auch der Renten um
jeweils 1% wäre eine Beitragserhöhung um ca. 3% erforderlich. Dies
bedeutet, dass bei dem - vor wie nach der Satzungsänderung 2007 -
geltenden Leistungsprimat jede beamtenrechtliche
Besoldungserhöhung um 1% zu einem (Deckungs-)Verlust im
Finanzierungssystem des Beklagten in Höhe dieser Differenz
(unterlassene Beitragserhöhung um 2%) führt.
Zum anderen hat er auf die Frage, wie die zwei Hauptursachen für
die Verdoppelung der Deckungslücke zwischen 1999 und 2004
quantitativ einzuordnen seien, erklärt, die Dynamisierung im
Zusammenhang mit dem Leistungsprimat habe gegenüber dem
Ansatz des (zu hohen) Rechnungszinses von 6% eine geringere
Bedeutung gehabt. In Zahlen ausgedrückt habe die Dynamisierung
aufgrund des Leistungsprimats schätzungsweise einen Anteil von
einem Drittel bei den Hauptursachen für die Verdoppelung der
Deckungslücke zwischen 1999 und 2004 ausgemacht.
Für die prognostische Betrachtung der Entwicklung des
Finanzierungssystems des Beklagten ist jedoch vor allem zu
beachten, dass die aufgezeigte Dynamisierung der Deckungslücke
aufgrund des Leistungsprimats und die damit verbundenen
(Deckungs-)Verluste bei Festhalten an dieser Art der
Leistungsbemessung auf Dauer einkalkuliert werden müssen,
wohingegen die zu erwartenden (Deckungs-)Verluste aufgrund auch
künftig wahrscheinlich notwendiger Korrekturen des Rechnungszinses
nach unten (auf unter 4%) eine endliche Einflussgröße darstellen.
In der Gesamtbetrachtung ergeben sich danach aus den in der Ver-
gangenheit sichtbar gewordenen und für die Zukunft zu erwartenden
(Deckungs-)Verlusten im Finanzierungssystem des Beklagten
gewichtige Anhaltspunkte für die Bejahung einer deutlich negativen
Entwicklung der finanziellen Lage des Versorgungswerks vor und bei
Erlass der Satzungsänderung 2007.
Es gibt allerdings keine prognostisch ausgerichteten
versicherungsmathematischen Verlaufsberechnungen zur weiteren
Entwicklung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des
Finanzierungssystems des Beklagten. Danach verbleibende letzte
Zweifel an der Notwendigkeit einer Konsolidierung der finanziellen
Lage des Versorgungswerks bei Erlass der Satzungsänderung 2007
hätten insoweit nur durch Einholung eines
versicherungsmathematischen Gutachtens ausgeräumt werden
können. Einer derartigen abschließenden Aufklärung bedurfte es im
vorliegenden Berufungsverfahren jedoch nicht.“
Auch bezogen auf die hier streitgegenständlichen Hinterbliebenenrenten kann die
Ausräumung der verbleibenden Zweifel für die weitere Prüfung zugunsten des Beklagten
unterstellt werden. Denn die hier in Rede stehenden Neuregelungen, die zu Lasten der
Klägerin eine Kürzung des Zahlbetrages ihrer Witwenrente in einem ersten Schritt (ab
1.8.2007) um 9,67% und nachfolgend in einem zweiten Schritt (ab 1.1.2008) um
nochmals 7,53%, d.h. um insgesamt 17,20% herbeiführten, entsprechen – auch bei
Annahme der Notwendigkeit einer Konsolidierung der finanziellen Lage des
Versorgungswerks bei Erlass der Satzungsänderung 2007 aufgrund der oben dargelegten
Anhaltspunkte - in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert auch bei einem Eingriff in bestehende
sozialversicherungsrechtliche oder diesen vergleichbare Rechtspositionen, die nicht dem
Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG unterfallen, sondern an Art. 2 Abs.1 GG zu messen
sind
BVerfG, Beschluss vom 18.2.1998 – 1 BvR 1318/86 u.a. –, BVerfGE
97, 271 ff., hier zitiert nach juris,
dass der Eingriff geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne ist.
Bezogen auf die von der Satzungsänderung 2007 betroffenen Bestandsrentner, deren
Versorgungsansprüche unter dem Schutz von Art. 14 Abs. 1 GG steht, ist der Senat im
Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung davon ausgegangen, dass bereits nachhaltige
Zweifel daran bestehen, ob der vorgenommene Eingriff als geeignetes Mittel zur
Konsolidierung der finanziellen Lage des Versorgungswerks angesehen werden kann.
In den hierzu ergangenen Urteilen des Senats vom 19.1.2011 – 3 A 414/09 u.a. - ist dazu
im Wesentlichen ausgeführt:
„Der Beklagte hat zur Begründung der Eignung geltend gemacht, die
vorgenommene Kürzung sowohl der Anwartschaften als auch der
Bestandsrenten durch Absenkung der Bezugsgröße von A 13 auf A
12 (bzw. in Einzelfällen von A 14 auf A 13) habe eine sofortige
Entlastung der Deckungsrückstellungen herbeigeführt, und zwar in
einem Umfang, der zur Halbierung des Betrages der zum Stichtag
31.12.2004 bestehenden versicherungsmathematischen
Deckungslücke und damit deren Rückführung auf den Stand von
1999 geführt habe und dies innerhalb eines Jahres. Dies trifft zu,
denn durch die Kürzung der Ansprüche und Anwartschaften waren in
der Bilanz des Versorgungswerks auch die hierfür
versicherungsmathematisch in Ansatz zu bringenden
Deckungsrückstellungen entsprechend zu vermindern, was bei einer
Gegenüberstellung der Aktiva (Vermögen und Renditeerwartung) und
der Passiva (Deckungsrückstellungen) zu einem entsprechend
verminderten versicherungsmathematischen Ausgleichsbetrag führen
musste.
Es ist jedoch äußerst zweifelhaft, ob die Anwendung dieses Mittels
tatsächlich geeignet war, eine nachhaltige Konsolidierung der
finanziellen Lage des Versorgungswerks herbeizuführen. Dies gilt
insbesondere vor dem Hintergrund, dass die bestehende
Konstruktion des Leistungsprimats beibehalten blieb, die – wie
dargelegt – mit stetigen weiteren Deckungsverlusten einhergeht,
ohne dass dafür eine Gegenfinanzierung vorgesehen oder ersichtlich
ist.
Wie bereits ausgeführt, gab es in der Vergangenheit – auch nach der
Einschätzung des versicherungsmathematischen Sachverständigen
Dr. K. - zwei Hauptursachen für die angespannte finanzielle Situation
des beklagten Versorgungswerks. Eine dieser Hauptursachen lag
darin, dass in der Vergangenheit mit weit überhöhten
Renditeerwartungen gearbeitet und deshalb ein überhöhter
Rechnungszins in Höhe von 6% angesetzt worden war, der erstmals
in dem versicherungsmathematischen Gutachten zum Stichtag
31.12.2004 auf 4% reduziert wurde. Die zweite Hauptursache lag
darin, dass aufgrund des bestehenden Leistungsprimats mit jeder
beamtenrechtlichen Besoldungserhöhung automatisch
Deckungsverluste verbunden waren.
Die getroffenen Maßnahmen zur Halbierung der Deckungslücke
haben indes keinen Einfluss auf das Fortwirken dieser Ursachen. Sie
wirken im Wesentlichen nur statisch auf das Finanzierungsproblem
des Beklagten ein.
Durch die Halbierung der zum Stichtag 31.12.2004 bestehenden
Deckungslücke wurde der Umlageanteil im Finanzierungssystem des
Beklagten auf den zum 31.12.1999 errechneten Stand
zurückgefahren. Dies mag geeignet gewesen sein, dem
Versorgungssystem des Beklagten eine – mehr oder weniger lange –
Atempause zu verschaffen. Auf mittlere bzw. lange Sicht konnten die
Finanzierungsprobleme des Versorgungssystems des Beklagten
dadurch jedoch nicht gelöst werden. Denn nach wie vor führt der
Leistungsprimat zu stetig fortschreitenden, mit jeder
beamtenrechtlichen Besoldungserhöhung verbundenen
Deckungsverlusten, und zwar unabhängig davon, ob die der
beamtenrechtlichen Besoldung entnommene Bezugsgröße bei A 13
oder bei A 12 liegt.
Dieses strukturelle Problem hat, wie auch bereits in der Bewertung
der vom Beklagten geplanten Maßnahmen in dem
versicherungsmathematischen Gutachten zum Stand 31.12.2005
ausgeführt ist, als solches durch die Satzungsänderung von 2007
keine Lösung erfahren. Da ein Ausgleich dieser stetigen
Deckungsverluste auf andere Art und Weise, etwa durch das
Anwerben zusätzlicher Anwärter, zusätzliche Renditegewinne oder
zusätzliche versicherungsmathematische Sterblichkeitsgewinne, nicht
möglich bzw. nicht zu erwarten ist, ist davon auszugehen, dass sich
die finanzielle Lage des Versorgungssystems des Beklagten auch
unter der Geltung der Satzungsänderung 2007 über kurz oder lang
erneut zuspitzen und erneut Konsolidierungsmaßnahmen erforderlich
sein werden.
...
Dies bedeutet aber, dass die Eignung der in und aufgrund der
Satzungsänderung von 2007 getroffenen Regelungen erheblich
beschränkt ist. Sie führt lediglich zu einer kurz- bzw. mittelfristigen
Entlastung des Gesamtvolumens der Deckungsrückstellungen,
beeinflusst aber nicht wesentliche, für die künftig zu erwartende
negative Entwicklung maßgebliche Einflussfaktoren. Die Eignung als
Beitrag zur nachhaltigen Konsolidierung der finanziellen Grundlagen
des Versorgungssystems des Beklagten ist damit allenfalls sehr
eingeschränkt gegeben, da eine Lösung des strukturellen und stetig
weiter in die Zukunft wirkenden Problems nicht erfolgt ist.
Auch in Ansehung des dem Normgeber zustehenden weiten
Gestaltungsermessens
BVerfG, Urteil vom 28.2.1980 – 1 BvR 17/77 u.a. -,
BVerfGE 53, 257 ff., Urteil vom 28.4.1999 – 1 BvR 32/95
und 1 BvR 2105/95 -, BVerfGE 100, 1ff., Beschluss vom
11.5.2005 - 1 BvR 368/97 u.a. - BVerfGE 112, 368
m.w.N und Beschluss vom 13.6.2006, - 1 BvL 9/00 u.a –
BVerfGE 116, 96 ff.; BVerwG, Urteil vom 21.9.2005 – 6 C
3/05 -, NJW 2006, 711 ff.; BSG, Urteil vom 25.2.2010 - B
10 LW 3/09 R -, hier jeweils zitiert nach juris.
spricht danach alles dafür, dass die im Rahmen der
Satzungsänderung 2007 getroffenen Regelungen und der darauf
beruhende Eingriff in die eigentumsrechtlich geschützte
Bestandsrente des Klägers, die unter Beibehaltung wesentlicher
struktureller Probleme nur temporär zu einer Verbesserung der
finanziellen Grundlagen des Versorgungssystems des Beklagten
führt, nicht als geeignet zu deren nachhaltiger Konsolidierung
beurteilt werden kann.“
Gleiches gilt für die Geeignetheit der vorgenommenen Absenkung der Hinterbliebenen-
Bestandsrenten.
Ob die Annahme einer in diesem Sinne zumindest stark eingeschränkten Eignung für sich
genommen bereits zu einer Verneinung der Verhältnismäßigkeit führen muss, bedarf hier
keiner abschließenden Entscheidung. Denn auch bei unterstelltem Ausreichen einer nur
eingeschränkten Eignung kann jedenfalls die im Rahmen der Verhältnismäßigkeit weiter zu
prüfende Frage der Erforderlichkeit des streitgegenständlichen Eingriffs zu Lasten der
Witwen, deren Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung bereits entstanden war, nicht
bejaht werden.
Bezogen auf die von der Satzungsänderung 2007 betroffenen Bestandsrentner ist zur
Frage der Erforderlichkeit des Eingriffs in deren Rechtsposition in den hierzu ergangenen
Urteilen des Senats vom 19.1.2011 – 3 A 414/09 u.a. - im Wesentlichen ausgeführt:
„Es gibt nämlich keine Anhaltspunkte oder gar Belege dafür, dass der
Eingriff zu Lasten der Bestandsrentner in dieser Höhe (und erst recht
mit Blick auf den völligen Verzicht auf eine Übergangsregelung für die
Bestandsrentner) zum Zwecke der Konsolidierung der
Finanzgrundlagen des Finanzierungssystems des Beklagten
erforderlich gewesen ist. Dies gilt sowohl mit Blick auf die Frage, ob
und warum der Eingriff von seinem Umfang her so bemessen wurde,
dass eine Zurückführung der Deckungslücke gerade auf den
(errechneten) Stand zum 31.12.1999 erreicht wurde, als auch mit
Blick auf die Frage, ob es erforderlich war, die Bestandsrentner durch
die dauerhafte und übergangslose Absenkung ihrer
Versorgungsbezüge in diesem Ausmaß anteilig heranzuziehen. Im
Gegenteil haftet nach den eigenen Darlegungen der Beklagtenseite
der Festlegung des Sanierungsziels auf die sofortige Zurückführung
der Deckungslücke auf den (errechneten) Stand zum 31.12.1999
eine gewisse Zufälligkeit an und hat der Beklagte zu der Frage,
wodurch der Anteil der Heranziehung der Bestandsrentner zur
Erreichung dieses Sanierungsziels bestimmt wurde, selbst zu
erkennen gegeben, dass dies wesentlich (auch) von dem Gedanken
bestimmt war, eine höhere Beitragsgerechtigkeit im Verhältnis der
Anwärter zu den Bestandsrentnern herbeizuführen.
...
Das Erfordernis, die Deckungslücke gerade auf den Stand von 1999
zurückzuführen, hat der versicherungsmathematische
Sachverständige Dr. K. damit begründet, dass er bei der Erstellung
des Gutachtens zum Stichtag 31.12.2004 versucht habe, die
Schwankungen des Deckungsgrades des Versorgungswerks in den
letzten 20 Jahren herauszufinden. Das sei sehr schwierig gewesen
und letztlich nicht gelungen. Deswegen sei es am sichersten
erschienen, auf das letzte vorhandene Gutachten von 1999
abzustellen und auf die damals bestehende Deckungslücke wieder
hinzusteuern. Man habe auch auf einen Wert zwischen 1999 und
2004 schauen können, wenn ein Gutachten vorhanden gewesen
wäre. Jedenfalls habe man die bestehende Deckungslücke dringend
abbauen müssen und der Stand von 1999 sei zudem derjenige vor
der Verdoppelung der Deckungslücke gewesen. Es sei klar gewesen,
dass die zum 31.12.2004 bestehende Deckungslücke durch die
Neuzugänge nicht würde gegenfinanziert werden können. Zudem sei
in diese Betrachtung eingeflossen, dass man das Verhältnis zwischen
Beiträgen und Leistungen in den Blick genommen habe und wohl
davon ausgegangen sei, dass dieses vor der Verdoppelung der
Deckungslücke gerechter gewesen sei als zum Stichtag 31.12.2004.
Diese Ausführungen belegen - ausgehend von der Annahme des oben
bereits erörterten Konsolidierungsbedarfs des Versorgungssystems
des Beklagten und unter Annahme der partiellen Geeignetheit einer
einmaligen Zurückführung der zum 31.12.2004 bestehenden
Deckungslücke auf den Stand der zum 31.12.1999 errechneten
Deckungslücke - zweierlei.
Zum einen hat der Beklagte bei der Bemessung und Ausgestaltung
des auch und gerade auf die Bestandsrentner entfallenden Eingriffs –
weder im Vorhinein noch im Nachhinein – nachvollziehbar überprüft
und dargelegt, ob eine Zurückführung der Deckungslücke gerade auf
den zum 31.12.1999 errechneten Stand erforderlich gewesen ist.
Die Zurückführung auf gerade diesen Stand ist lediglich damit
begründet worden, dass es am sichersten erschienen sei, auf das
letzte vorhandene Gutachten von 1999 abzustellen und auf die
damals bestehende Deckungslücke wieder hinzusteuern, zumal dies
auch der Stand vor der Verdoppelung der Deckungslücke gewesen
sei. Dies vermag indes die Erforderlichkeit der Maßnahme weder im
Hinblick auf deren Gesamtvolumen noch mit Blick auf die interne
Lastenverteilung zwischen Versorgungsanwärtern und
Bestandsrentnern zu belegen. Dies gilt umso mehr, als die
Zurückführung der Deckungslücke – wie dargelegt – zur Erreichung
des Konsolidierungszwecks ohnehin nur eingeschränkt geeignet war.
Zum anderen vermag die Argumentation des Beklagten auch nicht
zu belegen, dass die Zurückführung der Deckungslücke auf den
Stand von 1999 im Jahre 2007 unmittelbar und übergangslos
erforderlich war. Zwar hat der versicherungsmathematische
Sachverständige Dr. K. auch ausgeführt, dass es ohne die
Satzungsänderung bereits im Jahr 2008 zu einem Vermögensverzehr
gekommen wäre. Hieraus ergibt sich aber nicht, dass eine
Satzungsänderung mit geringeren Eingriffen in die Bestandsrenten,
sei es bezogen auf den Umfang oder sei es bezogen auf die zeitliche
Komponente der Reduzierung, ebenfalls bereits im Jahr 2008 zu
einem Vermögensverzehr geführt hätte. Zudem ist davon
auszugehen, dass das Jahr 2008 als das Jahr der Finanzkrise mit
entsprechenden Gewinneinbrüchen hier ohnehin eine Sonderstellung
einnimmt und deshalb nicht ohne weiteres für derartige Vergleiche
herangezogen werden kann.“
Diese Erwägungen gelten in gleichem Maße auch für die hier streitgegenständlichen
Einschnitte in die Bestandsrenten der hinterbliebenen Witwen. Es gibt keine Anhaltspunkte
oder gar Belege dafür, dass der – im Vergleich zu den Bestandsrenten der (selbst)
Versicherten sogar doppelte - Eingriff zu Lasten der Witwen-Bestandsrenten in diesem
Umfang - erst recht verbunden mit einer völlig unzureichenden Übergangsregelung - zum
Zwecke der Konsolidierung der Finanzgrundlagen des Finanzierungssystems des Beklagten
erforderlich gewesen ist.
Der vorgenommene Eingriff in die Bestandsrente der Klägerin erweist sich darüber hinaus
auch nicht als verhältnismäßig im engeren Sinne, da von einer angemessenen Zweck-
Mittel-Relation nicht ausgegangen werden kann. Denn dem erheblichen Eingriff in den
Zahlbetrag der Bestandsrente der Klägerin durch Absenkung desselben von 1457,65 Euro
auf 1206,87 Euro auf der einen Seite steht auf der anderen Seite eine nur teilweise
Geeignetheit und eine nicht belegte Erforderlichkeit der Maßnahme gegenüber. Dieser
massive und zudem nahezu übergangslose Einschnitt steht nicht in einem angemessenen
Verhältnis zu dem damit erreichbaren Ziel einer im Wesentlichen nur temporär wirksamen
Entlastung der Finanzgrundlagen des beklagten Versorgungswerks.
Dies gilt für die betroffenen Bestandsrenten der hinterbliebenen Witwen in noch stärkerem
Maße als für die Bestandsrenten der Versicherten, bezüglich derer der Senat in seinen
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19.1.2011 ergangenen Urteilen
OVG des Saarlandes, Urteile vom 19.1.2011 – 3 A 414/09 u.a. -,
die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ebenfalls verneint hat. Während die im Jahre
2007 vorgenommene Satzungsänderung bei den Bestandsrenten der Versicherten im
Regelfall zu einer Absenkung des Zahlbetrages von 2970,33 Euro um 293,89 Euro auf
2.676,44 Euro führte, was einer prozentualen Kürzung von 9,89% entspricht, führte sie
bei der Bestandsrente der als Witwe hinterbliebenen Klägerin zu einer Absenkung des
Zahlbetrages von 1457,65 Euro um 250,78 Euro auf 1206,87 Euro. Dies entspricht nicht
nur einer wesentlich höheren prozentualen Kürzung von 17,2%, sondern hat zudem
wesentlich gravierendere Auswirkungen für die Betroffenen. Denn je niedriger das
Versorgungsniveau insgesamt angesiedelt ist, umso stärker wirkt sich faktisch sogar eine
prozentual gleiche Kürzung aus. Hier wurde jedoch bei dem ohnehin nur etwa hälftigen
Zahlbetrag der Witwenrente eine nahezu doppelte prozentuale Kürzung vorgenommen.
Dies überschreitet – jedenfalls bei den hier allein streitgegenständlichen Bestandsrenten der
hinterbliebenen Witwen - die Grenze des Zumutbaren. Ob und in welcher zeitlichen Abfolge
dies auch für künftige Witwenrenten gelten kann, bedurfte hier keiner Entscheidung.
Zudem widerspricht der aufgrund der Satzungsänderung 2007 erfolgte Eingriff zu Lasten
der als Witwe bereits versorgungsberechtigten Klägerin dem verfassungsrechtlichen
Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Verändert der Normgeber in einem bestehenden Versicherungsverhältnis begründete
Anwartschaften oder Ansprüche zum Nachteil eines (selbst) Versicherten, so ist ein solcher
Eingriff am rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes zu messen, der in diesem
Fall in Art. 14 Abs.1 GG verankert ist
BVerfG, Urteil vom 28.2.1980 – 1 BvR 17/77 u.a. -, BVerfGE 53,
257 ff., Urteil vom 28.4.1999 – 1 BvR 32/95 und 1 BvR 2105/95 -,
BVerfGE 100, 1ff., Beschluss vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97 u.a. –
BVerfGE 112, 368 m.w.N, Beschluss vom 13.6.2006, - 1 BvL 9/00
u.a – BVerfGE 116, 96 ff. und Beschluss vom 11.11.2008 – 1 BvL
3/05 u.a. – BVerfGE 122, 151 ff.; BVerwG, Urteil vom 21.9.2005 – 6
C 3/05 -, NJW 2006, 711 ff.; BSG, Urteil vom 25.2.2010 - B 10 LW
3/09 R -, hier jeweils zitiert nach juris.
Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gilt allerdings auch für die zugesagte
Rechtsposition der Hinterbliebenen. In diesen Fällen ist der Vertrauensschutz in Art. 2 Abs.
1 GG und dem Rechtsstaatsgebot verankert
BVerfG, Urteil vom 18.2.1998 - 1 BvR 1318/86 und 1 BvR 1484/86
– BVerfGE 97, 271 ff..
Zwar sind bei Eingriffen in zugesagte Hinterbliebenenrenten grundsätzlich weitergehende
Einschnitte zulässig als bei den durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Versichertenrenten.
Jedoch ist auch insoweit eine unterschiedliche Ausprägung des Vertrauensschutzes im
Verhältnis zwischen den Inhabern von Versorgungszusagen und den Inhabern bereits
entstandener Versorgungsansprüche vom Normgeber zu beachten
BVerfG, Beschluss vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97 u.a. - BVerfGE
112, 368 m.w.N; BVerwG, Urteil vom 21.9.2005 – 6 C 3/05 -, NJW
2006, 711 ff., zum Vertrauensschutz bei eigentumsrechtlich
geschützten Versicherten-Bestandsrenten, hier zitiert nach juris.
Denn mit dem Eintritt des Versorgungsfalles ist eine für den Vertrauensschutz bedeutsame
Änderung der Rechtslage verbunden. Zu diesem Zeitpunkt wandelt sich die
Versorgungsanwartschaft in einen Versorgungsanspruch um. Die Höhe dieses Anspruchs
bestimmt sich nach den dann geltenden (verfassungsgemäßen) Satzungsbestimmungen
und der Versorgungsempfänger darf grundsätzlich auf den Fortbestand der ihm
satzungsrechtlich zustehenden Versorgung in diesem Umfang vertrauen
BVerwG, Urteil vom 21.9.2005 – 6 C 3/05 -, NJW 2006, 711 ff., zum
Vertrauensschutz bei eigentumsrechtlich geschützten Versicherten-
Bestandsrenten, hier zitiert nach juris.
Im Falle der Hinterbliebenenrenten wandelt sich die – fürsorgerisch motivierte und bis zum
Eintritt des Versicherungsfalles von verschiedenen Bedingungen abhängige -
Versorgungszusage ebenfalls in einen Versorgungsanspruch, auf dessen Fortbestand der
Hinterbliebene grundsätzlich vertrauen darf.
Der Grund für diese Veränderung liegt in beiden Fällen in der geringeren Belastbarkeit der
Empfänger von Versorgungsleistungen, die daran zu messen ist, dass Zweck der
Versorgungsleistungen ist, den Lebensunterhalt der Versorgungsempfänger zu
gewährleisten und ihren bisherigen Lebensstandard in angemessenem Umfang
aufrechtzuerhalten.
Bei Missachtung dieser erhöhten Schutzbedürftigkeit überschreitet der Normgeber die
Grenzen seines – grundsätzlich weiten - normgeberischen Gestaltungsermessens
BVerfG, Urteil vom 28.2.1980 – 1 BvR 17/77 u.a. -, BVerfGE 53,
257 ff., Urteil vom 28.4.1999 – 1 BvR 32/95 und 1 BvR 2105/95 -,
BVerfGE 100, 1ff., Beschluss vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97 u.a. -
BVerfGE 112,368 m.w.N. und Beschluss vom 13.6.2006, - 1 BvL
9/00 u.a – BVerfGE 116, 96 ff.; BVerwG, Urteil vom 21.9.2005 – 6 C
3/05 -, NJW 2006, 711 ff.; BSG, Urteil vom 25.2.2010 - B 10 LW
3/09 R -, hier jeweils zitiert nach juris.
Die im Jahre 2007 vorgenommene Satzungsänderung des Beklagten führt zu einer
Reduzierung der Witwen-Bestandsrente der Klägerin um insgesamt 17,20% und einer
Absenkung des Zahlbetrages von 1457,65 Euro auf 1206,87 Euro. Dieser Eingriff stellt die
Wahrung des bisherigen Lebensstandards der Klägerin erheblich in Frage.
Bereits bezogen auf die Bestandsrenten der ursprünglich selbst versicherten Mitglieder des
Beklagten konnte nicht festgestellt werden, dass die Erschütterung der
Finanzierungsgrundlagen des beklagten Versorgungssystems so nachhaltig war, dass eine
Beteiligung der Bestandsrentner am Gesamtvolumen des Sanierungsbedarfs durch
Absenkung des Rentenniveaus um regelmäßig 9,89% unausweichlich gewesen ist
OVG des Saarlandes, Urteile vom 19.1.2011 - 3 A 414/09 u.a -.
Erst recht kann nicht festgestellt werden, dass die Erschütterung der
Finanzierungsgrundlagen des beklagten Versorgungssystems so nachhaltig war, dass die
doppelt so hohe Kürzung der Witwen-Bestandsrenten um regelmäßig 17,20% mit dem
verfassungsrechtlich geschützten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar ist. Ob
Vergleichbares auch für künftige Generationen von Witwen gelten kann, ist hier nicht
Streitgegenstand und bedurfte daher keiner Entscheidung.
Letztlich stellt auch der Verzicht auf eine nennenswerte Übergangsregelung bezüglich des
Eingriffs in die Bestandsrenten der hinterbliebenen Witwen eine Verletzung des
verfassungsrechtlich verankerten Grundsatzes des Vertrauensschutzes dar.
Bei gebotener Beachtung desselben wäre der Satzungsgeber zumindest gehalten
gewesen, auf die legitimen Interessen der zum Zeitpunkt der Satzungsänderung
vorhandenen versorgungsberechtigten Witwen durch Erlass einer Übergangsregelung
Rücksicht zu nehmen, die eine sofort wirksame Anwendung der §§ 27, 29 und 35 Abs. 1
der Satzung Stand 2007 zu deren Lasten verhindert hätte. Die Ausgestaltung einer
solchen übergangsrechtlichen Regelung im Einzelnen steht im Ermessen des Normgebers;
jedoch haben die Schutzwürdigkeit der betroffenen Rechtsposition und das Gewicht der
entgegenstehenden Interessen des Normgebers wesentlichen Einfluss auf die zulässigen
Grenzen des normgeberischen Ermessens. Diese Grenzen hat der Beklagte hier
überschritten.
Mit Blick auf die Absenkung bloßer Versorgungsanwartschaften aus dem
Fremdrentengesetz, die – wie hier - nicht durch Art. 14 GG geschützt waren, hat das
Bundesverfassungsgericht ausgeführt, der Gesetzgeber habe eine Regelung treffen
müssen, die es den Betroffenen zumindest ermöglicht hätte, sich auf die neue Rechtslage
in angemessener Zeit einzustellen. Die Übergangszeit habe so bemessen sein müssen,
dass die Berechtigten in der Lage gewesen wären, ihre Lebensführung darauf einzustellen,
dass ihnen auf Dauer deutlich niedrigere Renten zustehen würden. Bei einer schrittweisen
Anwendung der dortigen Abschlagsregelung wäre es beispielsweise möglich gewesen, von
mittel- oder langfristig wirkenden Dispositionen abzusehen oder diese der verringerten
Rente anzupassen
BVerfG, Beschluss vom 13.6.2006, - 1 BvL 9/00 u.a – BVerfGE 116,
96 ff, hier zitiert nach juris, zum Vertrauensschutz rentennaher
Jahrgänge bei Anwartschaften aus dem Fremdrentengesetz.
Zur Frage des Vertrauensschutzes bei Einführung der Anrechnung eigenen
Erwerbseinkommens auf Hinterbliebenenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung,
die ihrerseits ebenfalls nicht dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterfallen, hat das
Bundesverfassungsgericht ausgeführt, der Gesetzgeber habe dem – im dortigen Fall
wegen Absehbarkeit entsprechender Eingriffe bereits verminderten - Vertrauensschutz der
Versicherten durch langfristig angelegte Übergangsregelungen genügt. Die Bestandsrenten
seien von Eingriffen verschont geblieben und die nach dem Inkrafttreten der
Eingriffsregelung entstehenden Renten würden durch die Übergangsregelung schonend in
das neue Recht überführt
BVerfG, Beschluss vom 18.2.1998, - 1 BvR 1318/86 u.a – BVerfGE
97, 271 ff, hier zitiert nach juris.
Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Überführung von Ansprüchen aus Zusatz- und
Sonderversorgungssystemen der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung des
wiedervereinigten Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, die damit
verbundene Absenkung von Bestandsrenten sei im Regelfall verhältnismäßig, weil der
Gesetzgeber durch die im Einigungsvertrag enthaltene Zahlbetragsgarantie das
Überführungskonzept zugunsten der von der Absenkung Betroffenen um eine
Schutzmaßnahme ergänzt habe. Diese Zahlbetragsgarantie besagte u.a., dass bei der
Anpassung der Versorgungsansprüche der maßgebliche Zahlbetrag für Personen, die zum
Beitrittszeitpunkt bereits leistungsberechtigt waren, nicht unterschritten werden durfte
BVerfG, Beschluss vom 28.4.1999, - 1 BvL 32/95 und 1 BvR
2105/95 – BVerfGE 100, 1 ff, hier zitiert nach juris.
Vorliegend fehlt es demgegenüber an einer schrittweise erfolgenden Heranführung an den
durch die Satzungsänderung 2007 herbeigeführten Rechtszustand, obwohl dies im Hinblick
auf die intensive Inanspruchnahme der betroffenen Witwen eine besondere Behutsamkeit
erfordert hätte. Auch dies verstößt gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Satzungsänderung 2007 kann daher
nicht als verfassungsrechtlich zulässige Ausgestaltung der der Klägerin zustehenden
Rechtsposition angesehen werden. Der darauf gestützte Bescheid des Beklagten ist nach
alledem rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG. Er ist
durch das angefochtene Urteil zu Recht aufgehoben worden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708
Nr. 10 ZPO.
Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht
gegeben.