Urteil des OVG Saarland vom 10.11.2006

OVG Saarlouis: genehmigung, inzidente normenkontrolle, auflage, vorläufiger rechtsschutz, rechtliches gehör, umweltverträglichkeitsprüfung, stadt, betreiber, anwohner, inbetriebnahme

OVG Saarlouis Beschluß vom 10.11.2006, 3 W 6/06
Vorläufiger Rechtsschutz gegen Lärmimmissionen von Windkraftanlagen.
Leitsätze
a) Es ist kein Grund erkennbar, Antragstellern, die sich gegen eine im Jahre 2004 im
vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG erteilte Genehmigung zum Bau von
Windkraftanlagen wenden, deshalb einen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung
zuzubilligen, weil der Antragsgegner den im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung für die
Bestimmung des Genehmigungsverfahrens maßgeblichen Begriff der Windfarm (Anhang
zur 4. BImSchV Nr. 1 G, Spalten 1 und 2 in der bis zum 30.6.2005 maßgeblichen Fassung)
unzutreffend ausgelegt und kein Verfahren nach § 10 BImSchG durchgeführt hat, wenn
über einen nach Aufhebung der Genehmigung zu erwartenden neuen Genehmigungsantrag
aufgrund der zum 1.7.2005 wirksam gewordenen Rechtsänderung erneut im Verfahren
nach § 19 BImSchG zu entscheiden wäre.
b) In den nur auf die summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ausgerichteten
Antrags-verfahren nach den §§ 80, 80 a und 123 VwGO ist in aller Regel kein Raum für
eine inzidente Normenkontrolle (hier eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes, der die
planungsrechtliche Grundlage für die umstrittenen Windkraftanlagen bildet).
c) Lässt ein Bebauungsplan, der ein Sondergebiet für Windkraftanlagen ausweist, auf der
Grundlage einer entsprechenden planerischen Abwägung an genau festgelegten
Standorten Windkraftanlagen in den von den Anlagenbetreibern realisierten Dimensionen
durch entsprechende detaillierte Festsetzungen ausdrücklich zu, so kann gegenüber der
Genehmigung solcher plankonformen Anlagen nicht mit Erfolg vorgebracht werden, sie
seien unvereinbar mit § 15 BauVNO.
d) Zur Frage, welche Bedeutung der Festlegung von Teilimmissionspegeln in den
immissions-schutzrechtlichen Genehmigungen für Windkraftanlagen zukommt, die in einem
Windpark von verschiedenen Betreibern errichtet werden sollen.
e) Rechtfertigt es der Status eines Sachverständigen als "bekannt gegebene Stelle" im
Verständnis von § 26 BImSchG zumindest prinzipiell, von seiner hierfür erforderlichen
Objektivität und Unabhängigkeit auszugehen, so kann seine sachverständige Äußerung
nicht allein deshalb als "Gefälligkeitsgutachten" abgetan werden, weil er im Auftrag des
Anlagenbetreibers tätig geworden ist.
f) Das Interesse des Anlagenbetreibers daran, von ihm vor Einlegung von
Nachbarrechtsbehelfen errichtete Windkraftanlagen bis zur Klärung der Frage
unzumutbarer Lärmimmissionen im Haupt-sacheverfahren vorläufig weiterbetreiben zu
dürfen, ist vorrangig, wenn die Nachbarn, obwohl für sie nach eigenem Vorbringen auf der
Hand lag, dass es aufgrund der örtlichen Gegebenheiten zu besonderen Immissionen
kommen müsse, sowohl während des Verfahrens zur Aufstellung des der Zulassung der
Anlagen zugrunde liegenden Bebauungsplanes als auch während der Errichtung der
Anlagen keinerlei Einwände erhoben haben und nicht im Raum steht, dass die in Rede
stehenden Einwirkungen ganz wesentlich über das im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BImSchG Erhebliche hinausgehen und ein solches Ausmaß erreichen, dass den betroffenen
Nachbarn ihre Hinnahme nicht einmal vorübergehend angesonnen werden kann.
g) Jedenfalls vorübergehend hinnehmbar sind Beurteilungspegel, die den
Immissionsrichtwerten der TA-Lärm für Kern-, Dorf- und Mischgebiete entsprechen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des
Saarlandes vom 26. Mai 2006 – 1 F 17/05 – wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,-- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Durch Bescheid vom 15.12.2003 erteilte der Antragsgegner der Rechtsvorgängerin der
Beigeladenen im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG die Genehmigung zur
Errichtung von 4 Windkraftanlagen des Typs „Südwind S 77“ mit je 1,5 MW Nennleistung
auf den Grundstücken Gemarkung Wahlen, Flur 12, Parzelle Nr. 67/1, Flur 17, Parzellen
Nr. 136/1 und 166/1.
Die genehmigten Anlagenstandorte liegen im Geltungsbereich des am 17.7.2003 als
Satzung beschlossenen und offenbar am 24.9.2003 abschließend bekannt gemachten
vorhabenbezogenen Bebauungsplanes „Windpark Wahlener Platte“ der Gemeinde C-Stadt.
Dieser Bebauungsplan weist ein Sondergebiet „Wind“ mit Standorten für insgesamt 7
Windkraftanlagen aus, begrenzt die Gesamthöhe der Anlagen auf maximal 125 Meter, ihre
Nabenhöhe auf maximal 85 Meter und ihren Rotorradius auf maximal 40 Meter. Die der
Rechtsvorgängerin der Beigeladenen genehmigten Windkraftanlagen werden unter den
Nummern 5, 6 und 7 geführt. An den vier weiteren Standorten war einem anderen
Betreiber mit Bescheid vom 14.1.2004 die Genehmigung für vier gleich starke
Windkraftanlagen erteilt worden.
In dem Genehmigungsbescheid vom 15.12.2003 ist unter Kapitel II B Nr. 4 bestimmt:
„Durch den Betrieb der Windenergieanlagen darf vor den Fenstern
von schutzbedürftigen Räumen im 1. OG die nachstehenden
Teilimmissionspegel an folgenden maßgeblichen Immissionsorten
nicht überschritten werden
Ortsbereich Wahlen 37 dB(A)
Ortsbereich Rissenthal 37 dB(A)
Grundlage für die Ermittlung der Beurteilungspegel ist die TA-Lärm
vom 20.8.1998, GMBl. S. 503.“
Unter Kapitel II B Nr. 5 heißt es:
„Spätestens 6 Monate nach Inbetriebnahme der Windfarm ist durch
Messungen einer nach §§ 26, 28 BImSchG bekannt gegebenen
Messstelle der Nachweis zu führen, dass die o.a. Lärm-Immissions-
Richtwerte bezogen auf die schalltechnisch ungünstigste Betriebsart
(Windgeschwindigkeit 10 m/s in 10 m Höhe) an allen Aufpunkten
eingehalten wird. Der Messbericht ist unmittelbar nach Erhalt der
Genehmigungsbehörde unaufgefordert vorzulegen.“
Unter dem 15.1.2004 zeigte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen an, dass sie statt
der genehmigten Anlagen des Typs „Südwind S77“ solche des Typs „GE Wind Energy, 1,5
sL“ ausführen werde, die hinsichtlich Nennleistung und Anlagendimensionen identisch mit
den genehmigten Anlagen seien.
Mit Bescheid vom 2.2.2004 stellte der Antragsgegner diese Änderung von der
Genehmigung frei.
Mit Schreiben vom 28.12.2004 zeigte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die
Inbetriebnahme der Anlagen in der 52. Kalenderwoche des Jahres 2004 an. Der andere
Betreiber zeigte die Inbetriebnahme der von ihm ausgeführten Anlagen unter dem
21.1.2005 an.
Nach Betriebsaufnahme beschwerten sich Anwohner aus den Losheimer Ortsteilen Wahlen
und Rissenthal über den von den Windkraftanlagen ausgehenden Lärm. In der Folgezeit
vorgenommene Untersuchungen zur Abklärung der Lärmursachen führten zum Austausch
der Getriebe der Anlagen 1, 2 und 3 und wohl auch der Anlagen 5 und 7.
Am 18.4.2005 erhoben die Antragsteller, Eigentümer des Wohnanwesens C-Straße in
Wahlen, das östlich beziehungsweise nordöstlich der Windkraftanlagen liegt, Widerspruch
gegen die Genehmigungsbescheide vom 15.12.2003 und vom 14.1.2004. Am 4.5.2005
legten die Antragsteller der Verfahren 3 W 7/06 und 3 W 8/06, Eigentümer des
Wohnanwesens A. in Rissenthal, das grob betrachtet westlich der Windkraftanlagen liegt,
ebenfalls Widerspruch gegen die vorgenannten Genehmigungsbescheide ein.
Die Widersprüche wurden durch Bescheide vom 28.7.2005 zurückgewiesen. Außerdem
wurde auf entsprechende Anträge der Betreiber der Windkraftanlagen die sofortige
Vollziehbarkeit der Genehmigungsbescheide angeordnet und – wegen der noch nicht
abgeschlossenen Arbeiten zum Getriebeaustausch – die Frist zur Beibringung der gemäß
Kapitel II B Nr. 5 der Genehmigungsbescheide geforderten Nachweise bis zum 30.9.2005
verlängert. Ferner ist auf den Antrag der Antragsteller auf Anordnung von
Sicherungsmaßnahmen hin für den Betrieb zur Nachtzeit folgende Regelung getroffen:
„a) Bis zum Abschluss der Reparaturarbeiten an den Getrieben der
WKA ist der Nachtbetrieb untersagt. Der Abschluss ist dem LUA
anzuzeigen und durch Bestätigung der Reparaturfirma
beziehungsweise der Herstellerfirma nachzuweisen.
b) Nach Abschluss der Reparaturarbeiten ist der Nachtbetrieb zu
Messzwecken zulässig. Ein der Genehmigung entsprechender
Nachtbetrieb ist erst nach Vorlage des Nachweises über die
Einhaltung der Lärmpegel zulässig.“
Die Widerspruchsbescheide wurden am 10.8.2005 zugestellt. Am 7.9.2005 haben die
Antragsteller Klage sowohl gegen den Genehmigungsbescheid vom 15.12.2003 als auch
gegen den Genehmigungsbescheid vom 14.1.2004 erhoben.
Am 28.9.2005 haben sie außerdem beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz
nachgesucht.
Während des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Anlagenbetreiber ein in ihrem Auftrag
unter dem 15.12.2005 erstelltes Gutachten des TÜV-Süddeutschland betreffend die
Messung von Geräuschimmissionen des „Windparks C-Stadt-Wahlener Platte“ bei Nordost-
Windlage an zwei Immissionsorten in Rissenthal, einer davon in der Nähe des Anwesens
der Antragsteller der Verfahren 3 W 7/06 und 3 W 8/06, die die Erlaubnis für Messungen
auf ihrem Grundstück verweigert hatten, zur Nachtzeit vorgelegt. Dieses Gutachten
gelangt zusammenfassend zu dem Ergebnis, für den Gesamtwindpark ergebe sich in der
lautesten vollen Nachtstunde bei einer durchgehenden Last von 95 % der Nennlast am IP
12 (Wohnhaus A. im 1. OG) ein Beurteilungspegel von 40 dB(A) und am IP 13 (Wohnhaus
A., EG) ein solcher von 39 dB(A).
Der Antragsgegner hat dieses Gutachten zum Anlass genommen, mit Schreiben vom
8.3.2006 den Nachtbetrieb der Anlagen 2, 4, 5, 6 und 7 zuzulassen. Hinsichtlich der
Anlagen 1 und 3 durfte ein Nachtbetrieb weiterhin nach vorheriger Absprache mit ihm nur
zu Messzwecken erfolgen.
Durch Beschlüsse vom 26.5.2006 hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, den
Antragstellern Eilrechtsschutz gegen den Betrieb der umstrittenen Windkraftanlagen zu
gewähren. Die Beschlüsse sind am 6.6.2006 zugestellt worden.
Am 19.6.2006 haben die Antragsteller Beschwerde erhoben und diese am 4.7.2006
begründet.
Während des Rechtsmittelverfahrens haben die Anlagenbetreiber den unter dem
23.8.2006 vom TÜV-Süd erstellten zweiten Teil des Gutachtens betreffend
Geräuschimmissionen im Einwirkungsbereich des „Windparks C-Stadt-Wahlener Platte“
vorgelegt, der Geräuschimmissionsmessungen bei Südwest-Windlage am Immissionsort IP
5 (Wohnanwesen I.) in Wahlen zur Nachtzeit zum Gegenstand hat. Das Gutachten
ermittelte für den Betrieb des Gesamtwindparks für die lauteste Nachtstunde bei einer
Last von durchgehend 95 % der Nennlast Beurteilungspegel von – gerundet – maximal 38
dB(A), obwohl die Messung vor geschlossenem statt vor geöffnetem Schlafzimmerfenster
durchgeführt wurde, und auf einen Abschlag zur Korrektur der Auswirkungen von
Schallreflexionen an der Gebäudefront verzichtet wurde. Bei Zugrundelegung eines
Teilbetriebs der Anlagen 1 bis 4 betrug der Pegel ebenfalls gerundet 38 dB(A), während bei
einem Teilbetrieb der Anlagen 5 bis 7 Geräuschimmissionen nicht messbar waren, da die
betreffenden Messreihen unterhalb oder im Niveau des Fremdgeräuschpegels lagen. Der
Antragsgegner verfügte daraufhin, dass nunmehr auch die Anlagen 1 und 3 zur Nachtzeit
betrieben werden dürfen.
Das Gericht hat den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller unter dem 16.10.2006
eine Kopie des Gutachtens vom 23.8.2006 übersandt und ihnen Gelegenheit zur Äußerung
bis zum 2.11.2006 eingeräumt.
II.
Der gemäß § 146 Abs. 4 VwGO statthaften und auch sonst zulässigen Beschwerde kann
nicht entsprochen werden.
Das Verwaltungsgericht hat es mit dem angefochtenen Beschluss zu Recht abgelehnt, den
Antragstellern vorläufigen Rechtschutz gegen die der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen
erteilte Genehmigung vom 15.12.2003 zu gewähren.
Das Beschwerdevorbringen der Antragsteller, das gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den
Umfang der gerichtlichen Nachprüfung in dem vorliegenden Rechtsmittelverfahren
begrenzt, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Für die Beurteilung ist zunächst davon
auszugehen, dass mit den Regelungen des § 146 Abs. 4 Sätze 1, 3 und 6 VwGO, die dem
Beschwerdeführer eine Frist von einem Monat zur Einreichung einer
Beschwerdebegründung setzen, ferner verlangen, dass die Beschwerdebegründung die
Gründe darlegt, aus denen die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern oder aufzuheben
ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt, und die die
beschwerdegerichtliche Nachprüfung auf die (fristgerecht) vorgetragenen
Beschwerdegründe begrenzen, das gesetzgeberische Ziel verfolgt, im Interesse einer
beschleunigten Abwicklung von Eilrechtschutzverfahren den Streitstoff im
Rechtsmittelverfahren betreffend Beschwerden gegen Beschlüsse nach den §§ 80, 80 a
VwGO sowie § 123 VwGO zu beschränken. Diese Einschränkung hindert den
Beschwerdeführer zwar nicht daran, auch Änderungen der Sach- und Rechtslage geltend
zu machen, die nach Ergehen der erstinstanzlichen Entscheidung und vor Ablauf der
Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingetreten sind. Änderungen
der Sach- und Rechtslage nach Fristablauf können seinem Rechtsmittel hingegen nicht
mehr zum Erfolg verhelfen. Ihre Berücksichtigung liefe den Regelungen des § 146 Abs. 4
Sätze 1, 3 und 6 VwGO und der damit verfolgten gesetzgeberischen Zielsetzung zuwider
vgl. zum Beispiel Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 146 Rdnr.
36; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Auflage 2004, § 146 Rdnr. 22;
Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO,
§ 146 Rdnr. 15; VGH Mannheim, Beschluss vom 8.11.2004 – 9 S
1536/04; im Übrigen auch BVerwG, Beschluss vom 12.11.2002 – 7
AV 4/02 – NVwZ 2003, 496 zu § 124 a Abs. 4 Satz 3 VwGO;
anderer Ansicht unter Hinweis auf die Prozessökonomie Happ in
Eyermann, VwGO, 12. Auflage 2006, § 146 Rdnr. 26;
Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 146 Rdnr. 32.
In derartigen Fällen bleibt dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, gemäß § 80 Abs. 7
VwGO einen Abänderungsantrag oder in Fallgestaltungen, in denen ein Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wurde, einen neuen Antrag zu stellen. Von daher
ist es für die im Beschwerdeverfahren zu treffende Entscheidung ohne Belang, dass der
Antragsgegner nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist nunmehr den Nachtbetrieb
auch der Anlagen 1 und 3 zugelassen hat.
Mit ihrem innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist bei Gericht eingegangenem
Vorbringen wenden die Antragsteller zunächst ein, das Verwaltungsgericht habe zu
Unrecht angenommen, die im Widerspruchsbescheid enthaltene Begründung der
Vollzugsanordnung genüge den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO, und hierbei
unberücksichtigt gelassen, dass die Anlagenbetreiber ihre Anträge auf Anordnung der
sofortigen Vollziehbarkeit nur mit der Notwendigkeit der Durchführung von Messungen
begründet hätten, die getroffene Regelung indes darüber hinaus gehe, indem sie einen
Dauerbetrieb erlaube. Im Übrigen erfülle die Begründung der Vollzugsanordnung nicht
einmal die Mindestanforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. So würden beispielsweise ohne
irgendwelche Beträge in den Raum zu stellen, die wirtschaftlichen Nachteile einer
Betriebseinstellung als durchgreifend bewertet. Diese Rügen greifen nicht durch. Zunächst
trifft es nicht zu, dass die Anlagenbetreiber ihre Anträge auf Anordnung der sofortigen
Vollziehbarkeit der ihnen erteilten Genehmigungen nur mit der Notwendigkeit von
Messungen begründet hätten. In der Antragsbegründung vom 12.7.2005 (Bl. 288 der
Verw.-Akten I) wird nämlich geltend gemacht, die erteilte Genehmigung sei rechtmäßig, die
Anlagen seien bereits errichtet, mehrere Monate in Betrieb und müssten die Zinsen für die
Finanzierung des Windparks erwirtschaften. Von einem Nachtbetrieb zu Messzwecken ist
nicht die Rede. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss
(Seiten 16 und 17) die ausführliche Begründung der Vollzugsanordnung wiedergegeben
und zutreffend ausgeführt, diese Begründung erschöpfe sich nicht in einer bloßen
Wiedergabe des Gesetzestextes oder in einer Bezugnahme auf den Ausgangsbescheid; sie
lasse vielmehr erkennen, dass die Anordnung nach sorgfältiger Abwägung der
widerstreitenden Interessen getroffen und nach dem Ergebnis der Abwägung den
Betreiberinteressen der Vorrang eingeräumt worden sei. Es hat weiter darauf abgestellt,
dass es für die Erfüllung der Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO ohne Bedeutung sei, ob
die Begründung der Vollzugsanordnung inhaltlich zutreffe, da das Gericht im Rahmen des §
80 Abs. 5 VwGO eine originäre Ermessensentscheidung treffe und keine Inhaltskontrolle
der Begründung des Sofortvollzuges vornehme. Diese Würdigung steht im Einklang mit der
Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes
vgl. zum Beispiel OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 1.3.1995 – 2
W 63/04 -, vom 6.11.2002 – 2 U 9/02 -, und vom 22.8.2001 – 2 W
1/01 -.
Danach sind die Anforderungen, die § 80 Abs. 3 VwGO an die Begründung einer
Vollzugsanordnung stellt, eher formaler Natur. Ihnen ist in aller Regel – und auch hier –
Rechnung getragen, wenn sich die Behörde über ihre bloße und mit Blick auf das
Rechtsstaatsprinzip des § 20 Abs. 3 GG selbstverständliche Überzeugung, der von ihr
erlassene Verwaltungsakt sei rechtmäßig, hinaus mit den gegenläufigen, von der sofortigen
Vollziehbarkeit betroffenen Interessen auseinandersetzt, auf dieser Grundlage ihre
Entscheidung trifft und so zum Ausdruck bringt, dass sie sich der Abweichung vom Regelfall
des § 80 Abs. 1 VwGO bewusst ist. Diesen Anforderungen entspricht die hier umstrittene
Vollzugsanordnung, wobei bei dieser Würdigung zu berücksichtigen ist, dass hier die
Vollzugs- und die „Sicherungsanordnung“, die erstere einschränkt, als Einheit gesehen
werden müssen, da sich beide als Ergebnis der vorgenommenen Abwägung darstellen.
Danach hat die Widerspruchsbehörde zum einen darauf abgestellt, dass die
Windkraftanlagen zur Vornahme der geforderten Schallimmissionsmessungen in Betrieb
sein müssen. Außerdem ist sie davon ausgegangen, dass die im Genehmigungsbescheid
festgelegten Schallimmissionswerte während der Tageszeit eingehalten werden, und hat
deshalb keinen Grund gesehen, den Betrieb der Anlagen tagsüber zu untersagen. Ferner
hat sie es „im Hinblick auf die seitens der Antragsteller bereits getätigten Investitionen und
die laufenden Betriebskosten“ für unverhältnismäßig erachtet, den Betrieb „zum jetzigen
Zeitpunkt“ vollständig einzustellen. Dass sie in diesem Zusammenhang keine Beträge
angeführt hat, ist unschädlich, da auf der Hand liegt, dass die Errichtung von drei
beziehungsweise insgesamt sieben Windkraftanlagen mit jeweils 1,5 MW Leistung
beträchtliche Investitionen erfordert hat und dem Betreiber erhebliche wirtschaftliche
Nachteile entstehen, wenn die Anlagen bis zum rechtskräftigen Abschluss der eingeleiteten
Rechtsbehelfsverfahren nicht betrieben und keine Einnahmen zur Kostendeckung erzielt
werden können. Auf der anderen Seite hat die Widerspruchsbehörde auch die
Nachbarinteressen nicht aus dem Blick verloren, indem sie den Nachtbetrieb der Anlagen
bis zum Abschluss der Reparaturarbeiten an den Getrieben untersagt, nach Abschluss
dieser Arbeiten einen Nachtbetrieb zunächst nur zu Messzwecken erlaubt und die
endgültige Zulassung des Nachtbetriebes erst für den Fall der Vorlage des Nachweises
über die Einhaltung der Lärmpegel in Aussicht gestellt hat. Diese Erwägungen genügen
jedenfalls den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Ob sie die Anordnung der sofortigen
Vollziehbarkeit des angefochtenen Genehmigungsbescheides auch inhaltlich rechtfertigen
ist – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – für die Erfüllung dieser
Anforderungen ohne Belang.
Dem Verwaltungsgericht ist im Weiteren darin zu folgen, dass der Ausgang der
Klageverfahren derzeit noch offen ist. Einigkeit dürfte zwischen den Beteiligten darüber
bestehen, dass die Klage der Antragsteller gegen den Genehmigungsbescheid nur dann
Erfolg haben kann, wenn die angefochtene Genehmigung gegen auch ihren Schutz
bezweckende Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt. Nicht in diesem Sinne
drittschützend wirken Vorschriften, die ausschließlich öffentlichen Belangen Rechnung
tragen. Dazu gehören – worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat –
Vorschriften, die Belange der Raumordnung, des Natur- und des Landschaftsschutzes
beziehungsweise des Artenschutzes regeln und die eine Verunstaltung der Landschaft
verbieten.
Zugunsten der Antragsteller als offen ist zunächst die Beantwortung der Frage anzusehen,
ob den Antragstellern unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten ein Anspruch auf
Aufhebung der angefochtenen Genehmigung zusteht. Voraussetzung hierfür wäre hier
nicht nur, dass über den Genehmigungsantrag nach dem im Zeitpunkt der
Genehmigungserteilung maßgeblichen Recht nicht im vereinfachten Verfahren nach § 19
BImSchG, sondern im förmlichen Verfahren nach § 10 BImSchG mit
Öffentlichkeitsbeteiligung zu entscheiden war, sondern auch, dass Dritte – gegebenenfalls
nach einer gemeinschaftsrechtliche Vorgaben berücksichtigenden Auslegung – einen
Anspruch auf Durchführung des zutreffenden Genehmigungsverfahrens einschließlich
Öffentlichkeitsbeteiligung haben. Das Verwaltungsgericht hat indes zu Recht darauf
hingewiesen, dass aufgrund der zum 1.7.2005 in Kraft getretenen Änderung der Nr. 1.6
des Anhangs zur 4. BImSchV durch die Verordnung zur Änderung der Verordnung über
genehmigungsbedürftige Anlagen und zur Änderung der Anlage 1 des Gesetzes über die
Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20.6.2005 (BGBl. I S. 1687) nunmehr über die
Genehmigung von Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern im
Verfahren nach § 19 BImSchG – ohne Öffentlichkeitsbeteiligung – zu entscheiden ist, es sei
denn, nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung ist ein Verfahren mit
Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c der 4. BImSchV).
Entgegen der Ansicht der Antragsteller spricht allenfalls wenig dafür, dass diese zum
1.7.2005 wirksam gewordene Rechtsänderung vorliegend außer Betracht zu bleiben hat
und auf das im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltende Verfahrensrecht abzustellen
ist. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedenfalls für das öffentliche
Baurecht anerkannt, dass nachträgliche Rechtsänderungen zu Gunsten des Bauherrn
beachtlich sind
vgl. zum Beispiel BVerwG, Beschluss vom 23.4.1998, Baurecht
1998, 995,
und auch in der vorliegenden Konstellation leuchtet nicht ein, den Antragstellern deshalb
einen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung zuzubilligen, weil der Antragsgegner den
im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung für die Bestimmung des
Genehmigungsverfahrens maßgeblichen Begriff der Windfarm (Anhang zur 4. BImSchV Nr.
1.6, Spalten 1 und 2 in der bis zum 30.6.2005 maßgeblichen Fassung) unzutreffend
ausgelegt und kein Verfahren nach § 10 BImSchG durchgeführt hat, wenn über einen nach
Aufhebung der Genehmigung zu erwartenden neuen Genehmigungsantrag aufgrund der
zum 1.7.2005 wirksam gewordenen Rechtsänderung erneut im Verfahren nach § 19
BImSchG zu entscheiden wäre.
Eine andere Frage ist, ob für die Genehmigung der Anlagen nach dem Gesetz über die
Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen und
deshalb über den Genehmigungsantrag im förmlichen Verfahren nach § 10 BImSchG zu
entscheiden war (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c, aa der 4. BImSchV a.F.) und ist (§ 2 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 c der 4. BImSchV n.F.). Nach Nr. 1.6.2 der Anlage 1 zum Gesetz über die
Umweltverträglichkeitsprüfung in der bis zum 30.6.2005 geltenden Fassung bedurfte die
Errichtung von 6 bis weniger als 20 Windkraftanlagen einer allgemeinen Vorprüfung des
Einzelfalls gemäß § 3 c Abs. 1 Satz 1 UVPG. Die ab 1.7.2005 maßgebliche Neufassung
dieser Anlage 1 stellt in Nr. 1.6 nunmehr auf die Errichtung und den Betrieb einer Windfarm
mit Anlagen mit einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 Metern ab. Ansonsten hat sich
nichts geändert. Es bleibt damit beim Erfordernis einer allgemeinen Vorprüfung nach § 3 c
Abs. 1 Satz 1 UVPG. Eine solche allgemeine Vorprüfung hat vorliegend stattgefunden. Sie
hat zu dem Ergebnis geführt, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorliegend nicht
durchzuführen ist. Von daher hätte die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung
allenfalls dann bestanden, wenn der Antragsgegner rechtsfehlerhaft nach den Kriterien des
§ 3 c Abs. 1 Satz 1 UVPG das Erfordernis einer solchen Prüfung verneint hätte. Da nach
der betreffenden Bestimmung die „Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund
überschlägiger Prüfung“ maßgeblich ist, also auch Raum für „Ungenauigkeiten“ besteht
vgl. Peter/Balla, UVPG, 3. Auflage 2006, § 3 c Rdnr. 4,
spricht derzeit allenfalls wenig dafür, dass dem Antragsgegner insoweit ein
entscheidungserheblicher Rechtsfehler unterlaufen ist. Jedenfalls bedürfte es zu einer
dahingehenden Feststellung einer eingehenden Auseinandersetzung mit der
durchgeführten allgemeinen Vorprüfung, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben
muss. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht die Frage, ob den Antragstellern ein
Abwehrrecht aufgrund eines Verstoßes gegen drittschützende Vorschriften des
Genehmigungsverfahrens zusteht, zu Recht als offen angesehen.
Nichts anderes gilt hinsichtlich der Frage, ob die angefochtene Genehmigung in materiell-
rechtlicher Hinsicht gegen auch den Schutz der Antragsteller bezweckende Vorschriften
verstößt.
Soweit die Antragsteller, offenbar unter Berufung auf das von ihnen im erstinstanzlichen
Verfahren geltend gemacht baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme vorbringen, die
Drehbewegungen der Rotoren der Windkraftanlage hätten als Blickfang nicht außer
Betracht bleiben, sondern in der Abwägung berücksichtigt werden müssen, ist zu
bemerken: Die umstrittenen Windkraftanlagen sind im Geltungsbereich des
vorhabenbezogenen Bebauungsplanes „Windpark Wahlener Platte“ der Gemeinde C-Stadt
errichtet worden. Von der Gültigkeit dieses Bebauungsplanes ist für das vorliegende
Verfahren auszugehen, da in den nur auf die summarische Überprüfung der Sach- und
Rechtslage ausgerichteten Antragsverfahren nach den §§ 80, 80 a und 123 VwGO in aller
Regel kein Raum für eine inzidente Normenkontrolle ist. Vielmehr ist im Grundsatz von der
Verbindlichkeit der als Rechtsnorm (Satzung) erlassenen planerischen Festsetzungen
auszugehen
vgl. zum Beispiel OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 13.4.1993 –
2 W 5/93 – BRS 55 Nr. 189, und vom 31.7.2006 – 2 W 3/06 -.
Etwas anderes mag allenfalls dann gelten, wenn die betreffenden Satzungsregelungen
bereits nach dem Ergebnis einer überschlägigen Prüfung mit Sicherheit oder aller
Voraussicht nach unwirksam sind. Für einen solchen Sonderfall ist indes hier nichts
dargetan. Mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes, die auf der Grundlage einer
entsprechenden Abwägung und Entscheidung des Gemeinderates von C-Stadt als
demokratisch legitimiertem Beschlussorgan dieser Gemeinde getroffen wurden, stehen die
umstrittenen Windkraftanlagen in Einklang. Das wird offenbar auch von den Antragstellern
nicht in Frage gestellt. Nach den betreffenden Festsetzungen sind die Anlagen an ihren
Standorten, mit den erreichten Naben- und Gesamthöhen und mit den realisierten
Rotordurchmessern danach planungsrechtlich zulässig und die von ihnen ausgehenden
optischen Einwirkungen grundsätzlich hinzunehmen. Hiervon musste auch der
Antragsgegner als Genehmigungsbehörde ausgehen, den diese planerischen
Festsetzungen ebenfalls binden. Zwar bestimmt § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, dass die in
den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen Anlagen im Geltungsbereich eines
Bebauungsplanes unzulässig sind, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen
können, die nach der Eigenart des Baugebiets in dem Baugebiet selbst oder in dessen
Umgebung unzumutbar sind. Es ist jedoch anerkannt, dass gestützt auf diese Regelung,
die insoweit eine Ausprägung des Gebotes der Rücksichtnahme darstellt, die
Festsetzungen eines Bebauungsplanes nur ergänzt, nicht aber korrigiert werden können
BVerwG, Beschluss vom 6.3.1989 – 4 NB 8.89 – Baurecht 1989,
306.
Das bedeutet, lässt wie hier ein Bebauungsplan, der ein Sondergebiet für Windkraftanlagen
ausweist, auf der Grundlage einer entsprechenden planerischen Abwägung an genau
festgelegten Standorten Windkraftanlagen in den von den Anlagenbetreibern realisierten
Dimensionen durch entsprechende detaillierte Festsetzungen ausdrücklich zu, so kann
gegenüber der Genehmigung solcher plankonformer Anlagen nicht mit Erfolg vorgebracht
werden, sie verursachten mit ihrer Dimensionierung an den planerisch zugelassenen
Standorten unzumutbare Einwirkungen (zum Beispiel im Sinne einer erdrückenden
Wirkung) im Verständnis von § 15 BauNVO. In einem solchen Falle würde nämlich die
gemeindliche Planung über § 15 BauNVO in unzulässiger Weise ausgehebelt. Eine andere
Frage ist freilich, ob die planerische Entscheidung, an den betreffenden Standorten
Windkraftanlagen in der hier in Rede stehenden Dimensionierung zuzulassen, auf einer
rechtmäßigen Abwägung beruht und der betreffende Plan gültig ist. Ihr ist indes – wie
dargelegt – in Verfahren der vorliegenden Art nicht im Einzelnen nachzugehen.
Was die von den Windkraftanlagen verursachten Lärmeinwirkungen auf das Wohnanwesen
der Antragsteller anbelangt, so hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf einschlägige
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zutreffend ausgeführt, dass das in
bauplanungsrechtlichen Vorschriften verankerte Rücksichtnahmegebot keinen
weitergehenden Schutz vor Lärmimmissionen gewährt als § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BImSchG. Die letztgenannte Bestimmung hat es dann entgegen der Darstellung der
Antragsteller durchaus als drittschützend wirkende Norm geprüft (vgl. Seiten 22 und 23
des Beschlussabdruckes) und sich in diesem Zusammenhang unter anderem mit dem der
Genehmigung zugrunde liegenden schalltechnischen Prognosegutachten des Ingenieur- und
Beratungsbüros Kohnen vom 25.2.2003 und mit den rechtlichen Wirkungen der
Nebenbestimmungen in Kapitel II B Nr. 4 der Genehmigung auseinandergesetzt, mit der
unter anderem für die Ortsbereiche Wahlen und Rissenthal Teilimmissionspegel von jeweils
37 dB(A) festgesetzt werden (vgl. Seiten 24 und 25 des Beschlussabdrucks). Dass das
Verwaltungsgericht nach dieser – in Verfahren der vorliegenden Art nur überschlägigen –
Prüfung zu dem Ergebnis gelangt ist, die Klärung der Frage einer unzumutbaren
Betroffenheit der Antragsteller durch von den umstrittenen Windkraftanlagen verursachte
Lärmimmissionen müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben mit der Folge,
dass auch insoweit von einer offenen Rechtslage auszugehen sei, ist rechtlich nicht zu
beanstanden. Näher klärungsbedürftig ist bereits im Ansatz, ob und gegebenenfalls auf
welche Weise in den den Anlagenbetreibern erteilten Genehmigungen der Schutz der
Anwohner vor unzumutbaren Lärmbelästigungen sicherzustellen ist und welches
Schutzniveau die Antragsteller einfordern können. Der Antragsgegner hat unter Kapitel II B
Nr. 4 der Genehmigungsbescheide unter anderem für die Ortsbereiche von Wahlen und
Rissenthal Teilimmissionspegel von jeweils 37 dB(A) festgelegt, „die vor den Fenstern von
schutzbedürftigen Räumen im 1. OG“ nicht überschritten werden dürfen. Das
Verwaltungsgericht hat diese Festlegungen trotz ihres auf eine Schutzauflage
hinweisenden Wortlauts nicht als drittschützend angesehen (S. 24 des
Beschlussabdruckes)
vgl. zur Festlegung von Lärmwerten in einer Nebenbestimmung zu
einer Baugenehmigung zum Beispiel BVerwG, Urteil vom 29.10.1998
– 4 C 9/97 – zitiert nach Juris,
sondern offenbar ausgehend von der Lage des Anwesens der Antragsteller in einem durch
Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohngebiet auf den Immissionsrichtwert für
Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in allgemeinen Wohngebieten von 40 dB(A)
gemäß Nr. 6.1 d der technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA-Lärm – vom
26.8.1998 (GMBl. 1998, 503) abgestellt. Ob diese Sicht dem Umstand hinreichend
Rechnung trägt, dass es sich bei dem Richtwert von 40 dB(A) vorliegend um einen
Summenpegel handelt, der von den Immissionen von insgesamt sieben, mit zwei
Genehmigungen zugelassenen Windkraftanlagen nicht überschritten werden darf, und sich
von daher die Frage stellt, ob der Antragsgegner mit der Festschreibung der
Teilimmissionspegel wirklich ein verglichen mit den einschlägigen Richtwerten der TA-Lärm
höheres Schutzniveau fordern wollte, oder ob es ihm lediglich um die Aufteilung des als
Richtwert maßgeblichen Beurteilungspegels von 40 dB(A) auf die beiden (damaligen)
Genehmigungsinhaber ging, bedarf indes im vorliegenden Beschwerdeverfahren ebenso
wenig der näheren Klärung wie die Frage, in welchem Umfang und auf welche Weise
Lärmschutz in Fallgestaltungen zu gewährleisten ist, in denen Lärmimmissionen durch
mehrere Anlagen verschiedener Betreiber verursacht werden. Denn die Antragsteller haben
diesen rechtlichen Ansatz mit ihrer Beschwerdebegründung nicht, jedenfalls nicht
substantiiert in Frage gestellt.
Ausgehend davon, dass der Immissionsrichtwert von 40 dB(A) zur Nachtzeit gemäß Nr.
6.1 d der TA-Lärm das Schutzniveau beschreibt, dessen Einhaltung die Antragsteller
gegenüber den vom Betrieb sämtlicher sieben Windkraftanlagen verursachten
Geräuschimmissionen beanspruchen können, dürfte es entscheidend darauf ankommen,
ob dieser Richtwert vorliegend überschritten wird. Das ist nach dem Ergebnis der
summarischen Überprüfung im vorliegenden Eilverfahren noch offen, insbesondere kann
nach dem derzeitigen Erkenntnisstand keine Rede davon sein, dass die unzumutbare
Beeinträchtigung der Wohnnutzung auf dem Anwesen der Antragsteller durch von den
Windkraftanlagen verursachten Lärm offenkundig ist. In der während des
Genehmigungsverfahrens vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Ingenieur- und
Beratungsbüros K. vom 25.2.2003 wird die Einhaltung der Lärmrichtwerte prognostiziert.
Dass diese Prognose offenkundig fehlerhaft erstellt wäre, kann nicht angenommen werden.
Bei dem Ingenieurbüro K. handelt es sich ausweislich des Widerspruchsbescheides vom
28.7.2005 (S. 19) um eine gemäß § 26 BImSchG benannte Stelle, so dass von der
erforderlichen Sachkunde für die Erstellung von Lärmimmissionsprognosen im Grundsatz
ausgegangen werden kann.
Entgegen der Ansicht der Antragsteller hat diese sachverständige Stellungnahme nicht
schon deshalb außer Betracht zu bleiben, weil sie im Auftrag der Anlagenbetreiber gefertigt
wurde. Zum einen ist es grundsätzlich Sache der Anlagenbetreiber, die
Genehmigungsunterlagen vorzulegen, und wenn hierzu eine Immissionsprognose gehört,
liegt auf der Hand, dass diese von den Betreibern in Auftrag gegeben wird. Daraus lässt
sich für sich allein noch kein Einwand gegen die Aussagekraft der hier in Rede stehenden
gutachterlichen Stellungnahme herleiten. Zum anderen ist die Vorlage von im
Betreiberauftrag erstellten Immissionsprognosen und –messungen dem Regelungssystem
des BImSchG nicht fremd, das zum Beispiel neben der behördlichen (§ 52 BImSchG) auch
die so genannte betreibereigene Überwachung von Anlagen (vgl. zum Beispiel §§ 26 bis 29
BImSchG) vorsieht. Dem Erfordernis der Gewährleistung der Objektivität von im Auftrag
von Anlagenbetreibern durchgeführten Messungen und Begutachtungen wird unter
anderem dadurch Rechnung getragen, dass die von der Anlage ausgehenden Emissionen
sowie die Immissionen im Einwirkungsbereich der Anlage durch eine von der nach
Landesrecht zuständigen Behörde bekannt gegebenen Stelle zu ermitteln sind. Zu den
Voraussetzungen für eine solche „Bekanntgabe“ gehören nicht nur Anforderungen an die
Fachkunde und das Personal der betreffenden Stelle, sondern auch die Zuverlässigkeit des
Leiters und der Bediensteten sowie ihre Unabhängigkeit. Die erforderliche Zuverlässigkeit
ist unter anderem dann nicht (mehr) gegeben, wenn Ermittlungsergebnisse vorsätzlich
zum Vor- oder Nachteil eines Anlagenbetreibers verändert oder nicht vollständig
wiedergegeben werden
vgl. Richtlinie für die Bekanntgabe sachverständiger Stellen im
Bereich des Immissionsschutzes in der Fassung des LAI-Beschlusses
der 106. Sitzung vom 30.9. bis 2.10.2003, Bl. 199 der
Gerichtsakten.
Rechtfertigt es danach der Status eines Sachverständigen als „bekannt gegebene Stelle“
im Verständnis von § 26 BImSchG zumindest prinzipiell, von seiner hierfür erforderlichen
Objektivität und Unabhängigkeit auszugehen, so kann seine sachverständige Äußerung
nicht allein deshalb als „Gefälligkeitsgutachten“ abgetan werden, weil er im Auftrage des
Anlagenbetreibers tätig geworden ist. Ob die hier von dem Ingenieur- und Beratungsbüro K.
erstellte Lärmprognose fachlich „auf der sicheren Seite“ liegt, bedarf, worauf das
Verwaltungsgericht mit Recht hingewiesen hat (S. 25 des Beschlussabdrucks), noch der
näheren Klärung.
Von einer offensichtlichen Überschreitung des Lärmrichtwertes von 40 dB(A) kann
insbesondere nicht aufgrund der Ergebnisse der privat veranlassten Messungen am
Anwesen A. in Rissenthal ausgegangen werden. Abgesehen von der Frage, ob
Lärmmessungen an diesem Standort überhaupt eine zuverlässige Aussage über die
Lärmbelastung am Anwesen C-Straße in Wahlen erlauben, eine Frage übrigens, die auch
gegenüber der Aussagekraft der Ergebnisse der ebenfalls an zwei Immissionsorten in
Rissenthal durchgeführten Messungen im Gutachten des TÜV-Süddeutschland vom
15.12.2005 für die Verhältnisse am Anwesen der Antragsteller aufzuwerfen ist, bestehen
nämlich ganz erhebliche Bedenken, ob diesen von den Antragstellern vorgelegten privaten
Messungen überhaupt die Bedeutung selbst eines bloßen Anhaltspunktes für eine
Richtwertüberschreitung beigemessen werden kann. Denn es ist weder bekannt, wer diese
Messungen durchgeführt hat, noch über welche Sachkunde er verfügt, noch welche
Messgeräte verwendet wurden, sowie welche meteorologischen Bedingungen bei ihrer
Durchführung herrschten und ob die Ermittlungen der Geräuschimmissionen auch sonst
nach den Vorgaben der Anlage zur TA-Lärm durchgeführt wurden. Mit Gewicht gegen die
Brauchbarkeit dieser Messungen spricht ferner, dass für Montag, den 19.9.2005, in der
Zeit zwischen 1.00 und 2.00 Uhr eine Häufung hoher Lärmpegel mit Spitzen von über 60
dB(A) ausgewiesen wird (Bl. 82 der Gerichtsakten), obwohl die Anlagen an dem
betreffenden Tag von 22.00 Uhr (Anlagen 1 bis 4, siehe Maschinenlogbücher Bl. 209 bis
212 der Behördenakte II) beziehungsweise vor 24.00 Uhr (Anlagen 5 bis 7, siehe
Maschinenlogbücher Bl. 348, 365, 378 der Akte I) ausgeschaltet wurden und auch sonst
keine Erklärung für die gemessenen hohen Pegel gegeben wird.
Ebenfalls nicht mit Gewissheit auf das Auftreten unzumutbarer Lärmbelästigungen kann
aus dem Umstand geschlossen werden, dass es in der Zeit nach Betriebsaufnahme zu
einer ganzen Reihe von Anwohnerbeschwerden über von den Windkraftanlagen
ausgehendem Lärm gekommen ist und die Anlagenbetreiber unerwartete und atypische
Geräuscheinwirkungen auch eingeräumt haben. Denn diese Situation hat sich dadurch
geändert, dass in aus Anlass dieser Anwohnerbeschwerden eingeleiteten Untersuchungen
die Getriebe einiger Anlagen als Ursache der Geräusche ermittelt und in der Folgezeit
ausgetauscht wurden. Von daher kann eine Fortdauer der anfänglichen, von den Betreibern
auch eingeräumten Belästigungen nicht unterstellt werden. Zwar bestreiten die
Antragsteller, dass die ihrer Ansicht nach unzumutbaren Lärmbelästigungen durch den
Austausch der Getriebe beseitigt wurden und legen mit Schriftsatz vom 22.9.2005 im
Beschwerdeverfahren Unterlagen vor, wonach Windkraftanlagen des hier in Rede
stehenden Typs auch an anderer Stelle durch tonartige Geräusche aufgefallen sein sollen.
Das Verwaltungsgericht hat indes auf von den Sachverständigen des TÜV-Süddeutschland
festgehaltene Äußerungen von Anwohnern in Wahlen und Rissenthal verwiesen, wonach
nach dem Austausch der Getriebe nur noch ein rhythmisches Rauschen verblieben sei, das
bei weitem nicht mehr so störe. Diesen Äußerungen kommt entgegen der Ansicht der
Antragsteller zumindest insoweit ein gewisses Gewicht zu, als es sich – wie im Falle der
Bewohnerin des Anwesens I. 15 in Wahlen, Frau S., - um Anwohner handelt, die sich
ursprünglich selbst über Lärmbelästigungen beschwert hatten. Zudem wurden die
Anlagengeräusche von den Sachverständigen des TÜV-Süddeutschland, einer ebenfalls
bekannt gegebenen sachverständigen Stelle im Sinne von § 26 BImSchG, im Gutachten
vom 15.12.2005 anlässlich der Messungen an den IP 12 und IP 13 in Rissenthal zur
Nachtzeit als periodisches Rauschen beschrieben, das weder als impuls- noch als ton- oder
informationshaltig empfunden wurde. Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist diese
sachverständige Beurteilung aus den bereits dargelegten Gründen ebenfalls nicht schon
deshalb außer Betracht zu lassen, weil das betreffende Gutachten in Erfüllung der Auflage
in Kapitel II B Nr. 5 der Genehmigung von den Anlagenbetreibern in Auftrag gegeben
wurde. Von daher besteht vorliegend durchaus die Möglichkeit, dass die ursprüngliche
Tonhaltigkeit der Anlagengeräusche durch den Getriebeaustausch behoben werden konnte.
Nach dem Ergebnis der hier nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und
Rechtslage steht daher keineswegs im Sinne von Offenkundigkeit fest, dass der für das
Anwesen der Antragsteller zugrunde gelegte Immissionsrichtwert von 40 dB(A) in der
Nachtzeit überschritten wird.
Ebenso wenig kann freilich für das vorliegende Beschwerdeverfahren im Sinne von
Offensichtlichkeit angenommen werden, dass er eingehalten wird. Das (Teil-)gutachten des
TÜV-Süddeutschland vom 15.12.2005 betrifft die Lärmimmissionen an den
Immissionspunkten in Rissenthal. Es hat – wie bereits angesprochen – allenfalls
beschränkte Aussagekraft für die Verhältnisse am Anwesen der Antragsteller in Wahlen.
Das während des Beschwerdeverfahrens am 13.10.2006 vorgelegte, am 23.8.2006, das
heißt nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist erstellte Gutachten des TÜV-Süd
betreffend die Messungen der Lärmbelastungen am Immissionsort IP 5 in Wahlen zur
Nachtzeit, das zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, dass an dem maßgeblichen,
offenbar in einer geringeren Entfernung als das Anwesen der Antragsteller gelegenen
Anwesen I.
vgl. Entfernungsangaben im Schriftsatz der Beigeladenen vom
20.10.2005, Bl. 96 der Akten 1 F 17/05
ein Beurteilungspegel von 36 dB(A) bis 38 dB(A) auftritt, wobei auf einen Korrekturabzug
für Reflexionen bei während der Messungen geschlossenem Schlafzimmerfenster
verzichtet wurde, soll hier zu Gunsten der Antragsteller außer Betracht bleiben, obwohl die
Eingangs dargelegte Beschränkung des Streitstoffs im Beschwerdeverfahren nach wohl
überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung nur für Einwände für Beschwerdeführer
gegen die erstinstanzliche Entscheidung, nicht jedoch für Umstände gilt, die sich für die
Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses anführen lassen
vgl. zum Beispiel VGH Mannheim, Beschluss vom 25.11.2004 – 8 S
1870/04 – NVwZ-RR 2006, 75, mit umfangreichen weiteren
Nachweisen; OVG Lüneburg, Beschluss vom 28.3.2006 – 7 ME
159/04 – NVwZ-RR 2006, 682.
Zudem bedarf die Frage der Gewährleistung eines hinreichenden Lärmschutzes auch unter
Berücksichtigung dieses Gutachtens einer näheren Prüfung und einer eingehenden
Würdigung nicht zuletzt mit Blick auf den zwischen den Beteiligten umstrittenen Aspekt der
Ton- oder Informationshaltigkeit der Anlagengeräusche auch nach den durchgeführten
Getriebewechseln, die den Rahmen des vorliegenden Eilrechtschutzverfahrens
überschreiten und dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müssen.
Die demnach noch offene Frage der Einhaltung des Immissionsrichtwertes von 40 dB(A)
zur Nachtzeit brauchte entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht im vorliegenden
Eilrechtschutzverfahren durch Einholung eines vom Gericht in Auftrag gegebenen
Sachverständigengutachtens einer abschließenden Klärung zugeführt werden. Es ist
anerkannt, dass in Eilrechtschutzverfahren der vorliegenden Art, obschon auch in diesen
Verfahren der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, in aller Regel keine umfassende Klärung des
Sachverhalts, insbesondere mittels einer förmlichen Beweisaufnahme zu erfolgen hat.
Anders würde das Eilrechtschutzverfahren zum Hauptsacheverfahren, ohne dass der in
ihm ergehenden Entscheidung eine der Hauptsachentscheidung vergleichbare
Bindungswirkung zukommt. Das entspricht nicht dem Sinn des auf die Gewährung von
vorläufigem Rechtschutz abzielenden Eilrechtschutzverfahrens
vgl. zum Beispiel Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 80 Rdnr. 91
m.w.N.
Nichts anderes gilt vorliegend mit Blick auf die – wie zuzugeben ist – ungewöhnlich lange
Dauer des erstinstanzlichen Verfahren, das am 28.9.2005 eingeleitet und durch Beschluss
vom 26.5.2006 abgeschlossen worden ist. Gesehen werden muss insoweit, dass das
erstinstanzliche Verfahren offenbar infolge der Vorlage des Gutachtens vom 15.12.2005
und der Notwendigkeit, zu dieser Änderung der Sachlage rechtliches Gehör zu gewähren,
erst im April 2006 (Schriftsatz der Antragsteller vom 12.4.2006) „ausgeschrieben“ war
und erst zu diesem Zeitpunkt der vom Verwaltungsgericht zu würdigende Prozessstoff
feststand. Hinzu kommt, dass das Verwaltungsgericht von seinem Ansatz her eine offene
Rechtslage unter zwei Aspekten angenommen hat, und zwar zum einen wegen der Frage
einer Verletzung von eventuell drittschützendem Verfahrensrecht und zum anderen wegen
der Frage unzumutbarer Lärmimmissionen (vgl. S. 27 des Beschlussabdrucks). Damit
stand für das Verwaltungsgericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht fest, ob die
letztere Frage überhaupt entscheidungserheblich sein würde. Abgesehen hiervon ist gerade
bei den vorliegenden Gegebenheiten folgendes zu berücksichtigen: Die Ermittlungen des
Ausmaßes des von den Windkraftanlagen auf das Anwesen der Antragsteller einwirkenden
Lärms bereitet anders als in Fällen, in denen zum Beispiel Lärmimmissionen konstant
arbeitender Maschinen zu ermitteln sind, besondere Schwierigkeiten, da sowohl bestimmte
Windstärken als auch bestimmte Windrichtungen (im Falle der Antragsteller aus West
beziehungsweise Südwest) gegebenenfalls verbunden mit weiteren meteorologischen
Bedingen gegeben sein müssen, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen. Gerade
diese Erfordernisse bringen es mit sich, dass der Zeitbedarf für die Einholung eines
Gutachtens und damit auch für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens kaum verlässlich
kalkulierbar ist, denn Messungen können nur durchgeführt werden, wenn die
entsprechenden Verhältnisse vorliegen und der Sachverständige und das
Bedienungspersonal zu diesem Zeitpunkt auch zur Verfügung stehen. Bei solchen
Gegebenheiten ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens mit dem Charakter
eines Eilrechtschutzverfahrens nicht zu vereinbaren.
Hat danach das Verwaltungsgericht den Ausgang des Hauptsacheverfahrens zu Recht als
offen beurteilt, so ist ihm ferner darin beizupflichten, dass die in diesem Falle
vorzunehmende allgemeine Interessenabwägung zu Lasten der Antragsteller ausfällt.
Abzuwägen ist vorliegend zwischen dem Interesse der Antragsteller, bis zu einer
abschließenden Entscheidung über die gegen die Anlagengenehmigung erhobene
Anfechtungsklage von den nachteiligen Wirkungen des Anlagenbetriebes, insbesondere von
den von ihnen als unzumutbar empfundenen Lärmbeeinträchtigungen während der
Nachtzeit verschont zu bleiben, einerseits, und dem Interesse der beigeladenen
Anlagenbetreiber andererseits, die Anlagen unbehindert von der aufschiebenden Wirkung
der Nachbarklage vorläufig nutzen zu dürfen, um mit der Stromerzeugung Einnahmen zu
erzielen. Dabei ist die Interessenlage der Anlagenbetreiber vorliegend dadurch
gekennzeichnet, dass es für sie nicht wie sonst regelmäßig bei der Nachbaranfechtung von
bau- oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen „nur“ darum geht, ob das
zugelassene Vorhaben umgehend nach Genehmigungserteilung oder verzögert nach
Abschluss des Nachbarstreits realisiert wird, sondern darum, dass die Anlagen in
Ausnutzung der erteilten Genehmigung vor Einlegung von Nachbarrechtsbehelfen bereits
erstellt worden sind und im Falle einer vorläufigen Betriebseinstellung als Folge der
Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit der erteilten Genehmigung keine Einnahmen
erzielen, mit denen die getätigten Investitionen und die weiterlaufenden
Unterhaltungskosten finanziert werden können. Die gegenüber dem Regelfall veränderte
Situation verleiht den Betreiberinteressen zusätzlich Gewicht. Das gilt vorliegend um so
mehr, als die Antragsteller während des Verfahrens zur Aufstellung des Bebauungsplanes
„Windpark Wahlener Platte“, das ihnen aufgrund der öffentlichen Bekanntmachungen nicht
verborgen geblieben sein kann, und auch noch während des Baus der Anlagen, der ihnen in
Anbetracht der behaupteten exponierten Standorte nicht entgangen sein kann, keinerlei
Einwände erhoben haben, obwohl es für sie aufgrund der örtlichen Gegebenheiten „von
Anfang an auf der Hand“ lag, dass es hier „zu besonderen Immissionen kommen müsse“
(vgl. Schriftsatz vom 14.11.2005, S. 5, Bl. 137 der Akten). Unabhängig von der Frage, ob
den Antragstellern aufgrund ihres Zuwartens mit der Genehmigungsanfechtung trotz für
sie von Anfang an auf der Hand liegender Lärmschutzprobleme der Vorwurf treuwidrigen
Verhaltens entgegen gehalten werden kann, müssen sie jedenfalls die nach Bau- und
Inbetriebnahme der Anlagen gestiegene Bedeutung der wirtschaftlichen Interessen der
beigeladenen Anlagenbetreiber gegen sich geltend lassen. Hinzu kommt, dass sich auch ihr
Interesse aufgrund der Fertigstellung der Anlagen vor Einlegung ihres Rechtbehelfs von
seinem Gewicht her von dem typischen Nachbarinteresse bei der Anfechtung von Bau- und
Anlagengenehmigungen unterscheidet. Für sie geht es nämlich nicht (mehr) darum, mittels
einer Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit der Genehmigung die Ausführung der
umstrittenen Anlage(n) und die damit in aller Regel verbundene Herstellung vollendeter
oder zumindest selbst im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache nur schwer wieder
rückgängig zu machender Tatsachen vorläufig zu verhindern, sondern „lediglich“ noch
darum, einstweilen von den nachteiligen Wirkungen der Nutzung der bereits ausgeführten
Anlagen verschont zu bleiben, die im Falle ihres Obsiegens in der Hauptsache relativ
kurzfristig beendet werden kann. Bestehen die nachteiligen Wirkungen des
Anlagenbetriebes wie hier in (Geräusch-)Immissionen, so entspricht es der ständigen
Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes, dass in einer derartigen
Konstellation ein überwiegendes Nachbarinteresse an der vorläufigen Unterbindung der
Nutzung beziehungsweise des Anlagenbetriebes nur dann anzuerkennen ist, wenn im
Raum steht, dass die in Rede stehenden Einwirkungen ganz wesentlich über das im Sinne
von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG Erhebliche hinausgehen und ein solches Ausmaß
erreichen, dass dem betroffenen Nachbarn ihre Hinnahme nicht einmal vorübergehend bis
zu einer Entscheidung in der Hauptsache angesonnen werden kann
vgl. zum Beispiel OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 30.7.1991 –
2 W 18/91 -, vom 4.5.1995 – 2 W 9/95 – und vom 12.9.2003 – 1 W
22/03 -.
Dass die durch den Betrieb der Windkraftanlagen der Beigeladenen verursachten
Lärmimmissionen am Anwesen der Antragsteller ein solches „qualifiziertes“ Ausmaß
erreichen, ist nicht erkennbar. Jedenfalls vorübergehend hinnehmbar sind
Beurteilungspegel, die den Immissionsrichtwerten der TA-Lärm für Kerngebiete,
Dorfgebiete und Mischgebiete von 60 dB(A) am Tag und 45 dB(A) in der Nacht (Nr. 6.1c
TA-Lärm) entsprechen. Denn auch in Dorfgebieten und in Mischgebieten ist Wohnnutzung
regelmäßig zulässig (§§ 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BauNVO). Es ist
daher davon auszugehen, dass die für derartige Gebiete maßgeblichen Lärmrichtwerte der
TA-Lärm ein Wohnen unter zumutbaren Bedingungen sicherstellen, was die
Lärmeinwirkungen anbelangt.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass obschon die maßgeblichen Immissionsorte für die
Ermittlung der Beurteilungspegel nach der TA-Lärm (Nr. 2.3 TA-Lärm) bei bebauten
Flächen 0,5 Meter außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am
stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes nach DIN 4109, Ausgabe 1989, liegen
(TA-Lärm, Anhang B 1), das Ziel des Lärmschutzes – sieht man einmal vom Aufenthalt in
Außenwohnbereichen ab – darin besteht, in den Gebäuden eine ungestörte Kommunikation
am Tage und ein ungestörtes Schlafen in der Nacht zu ermöglichen. Wird weiter
berücksichtigt, dass nach dem Stand der Lärmwirkungsforschung zur ungestörten
Kommunikation ein Innengeräuschpegel von 45 dB(A) gewährleistet sein muss und
Innengeräuschpegel von 30 dB(A) bis 35 dB(A) gemessen am Ohr des Schläfers im
schlafgünstigen Bereich liegen (Ticken einer leisen Uhr: 30 dB(A))
vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 9. Auflage 1998, § 15 Rdnrn. 15.2,
18.3, 18.4, 19.1 und 19.3,
und außerdem in die Betrachtung einbezogen, dass zwischen Innen- und Außengeräusch
bei geöffnetem Fenster die Pegeldifferenz bis 10 dB(A) bei spaltbreit geöffneten (auf Kipp
gestellten) Fenster bis 15 dB(A) und bei geschlossenen Einfachfenstern ca. 20 bis 25 dB(A)
beträgt
vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O., § 15 Rdnrn. 15.1 und 19.3,
so weist nichts darauf hin, dass der vorliegend jedenfalls als vorübergehend zumutbar
anzusehende Beurteilungspegel von 45 dB(A) die Grenze des von Anwohnern
Hinnehmbaren überschreitet.
Dass die durch die Windkraftanlagen verursachten Lärmbelastungen am Anwesen der
Antragsteller diesen Beurteilungspegel merklich übersteigen, kann vorliegend nicht
angenommen werden. Das gilt zunächst für die nach den obigen Ausführungen zum
Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts maßgebliche Sachlage im Zeitpunkt des Ablaufs
der Beschwerdebegründungsfrist, die auch der Beurteilung des Verwaltungsgerichts
zugrunde lag. Diese Situation war dadurch gekennzeichnet, dass die dem Anwesen der
Antragsteller am nächsten stehenden Windkraftanlagen 1 und 3 nachts nicht in Betrieb
waren. Dafür, dass durch den Nachtbetrieb der übrigen 5 Anlagen, die zum Teil (Anlagen
der Beigeladenen) über 1200 Meter (Anlage 5) über 1500 Meter (Anlage 6) und über
2000 Meter (Anlage 7)
siehe die Angaben des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen im
Schriftsatz vom 20.10.2005, Bl. 96 der Akte 1 F 17/05
vom Anwesen der Antragsteller entfernt stehen, selbst ein Beurteilungspegel von 45 dB(A)
nachts merklich überschritten wird, bestehen keinerlei objektive Anhaltspunkte.
Aber auch wenn entgegen der Eingangs vertretenen Ansicht zur Berücksichtigung von
Änderungen der Sachlage nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist der Umstand in die
Beurteilung einbezogen wird, dass nunmehr der Nachtbetrieb sämtlicher 7
Windkraftanlagen zugelassen ist, ergibt sich keine andere Beurteilung. Die
Sachverständigen des TÜV-Süd haben in dem der Zulassung des Nachtbetriebes auch der
Anlagen 1 und 3 zugrunde liegenden Gutachten vom 23.8.2006 für den Betrieb sämtlicher
sieben Anlagen bei Mit-Windverhältnissen und einer Auslastung im Bereich der Nennleistung
für die lauteste Nachtstunde am IP 5, Anwesen I., das etwa 75 Meter näher zu den
Anlagen liegt als dasjenige der Antragsteller
vgl. Schriftsatz der Beigeladenen vom 20.10.2005, Bl. 96 der Akten
1 F 17/05,
einen Beurteilungspegel von 38 dB(A) ermittelt, wobei trotz des während der Messungen
geschlossenen Schlafzimmerfensters auf einen Abzug zur Korrektur der Auswirkungen von
Schallreflexionen an der – geschlossenen – Gebäudeaußenwand verzichtet wurde. Die
Geräusche der von den Beigeladenen betriebenen Anlagen 5, 6 und 7 waren dabei
offenbar im Hintergrundgeräusch nicht isoliert feststellbar. Es spricht nichts dafür, dass
diese Messungen einen Fehler in der Größenordnung von 7 dB(A) aufweisen und in
Wirklichkeit sogar der Nachtrichtwert für Mischgebiete überschritten wird, wobei – um die
Größenordnung des Unterschiedes zu verdeutlichen – anzumerken ist, dass eine
Pegeldifferenz von 3 dB(A) bezogen auf Straßenverkehrslärm einer Veränderung
entspricht, die bei der Verdoppelung oder Halbierung des Verkehrsaufkommens auf einer
Straße auftritt
vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 9. Auflage 1998, § 15 Rdnr. 15 .
Zudem liegt der Richtwert von 45 dB(A) über dem Wert, der sich ergäbe, wenn der
höchstzulässige Zuschlag für Ton- beziehungsweise Informationshaltigkeit von Geräuschen
von 6 dB(A)
vgl. Anhang A zur TA-Lärm Nr. 3.3.5
zu dem ermittelten Beurteilungspegel von 38 dB(A) hinzugerechnet würde. Auf die
Berechtigung eines derart hohen Zuschlages weisen nicht einmal die von den
Antragstellern vorgelegten Berichte über das Auftreten tonhaltiger Geräusche bei
Windkraftanlagen des in Rede stehenden Typs hin.
Hinzu kommt vorliegend folgendes: Die auftretenden Lärmbelästigungen erreichen ihr
Maximum bei – bezogen auf das Anwesen der Antragsteller – Mit-Windbetrieb im Bereich
der Nennleistung. Weil solche meteorologischen Bedingungen nicht ständig herrschen,
treten die maximalen auf das Anwesen der Antragsteller einwirkenden Anlagengeräusche
auch nicht ständig und dauerhaft auf, vergleichbar etwa den Geräuschen, die durch den
kontinuierlichen Betreib einer Maschine verursacht werden. Sie sind bei anderen
Windrichtungen und Windstärken geringer und entfallen in Zeiten von Windstille sogar
vollständig. Für die zumindest vorübergehende Zumutbarkeit der durch den Betrieb der
Windkraftanlagen verursachten Geräusche sprechen schließlich auch, worauf das
Verwaltungsgericht mit Recht hingewiesen hat, die in den Verwaltungsakten
festgehaltenen Angaben von zwei Anwohnern aus Rissenthal und Wahlen, wonach nach
dem Austausch der Getriebe nur noch ein rhythmisches Rauschen verblieben sei, das „bei
weitem nicht mehr so störe“. Die Beachtlichkeit dieser Äußerungen lässt sich vorläufig nicht
von der Hand weisen, da – wie bereits angesprochen – jedenfalls einer dieser Anwohner
zum Kreis der ursprünglichen Beschwerdeführer gehört.
Fällt danach die im Verfahren nach den §§ 80 Abs. 5, 80 a Abs. 1 Nr. 2 VwGO bei noch
offenen Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage vorzunehmende allgemeine
Interessenabwägung zum Nachteil der Antragsteller aus, so muss es bei der
erstinstanzlichen Entscheidung verbleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.