Urteil des OVG Saarland vom 30.09.2005
OVG Saarlouis: soziale wiedereingliederung, sachliche zuständigkeit, gewöhnlicher aufenthalt, pflege, heim, konzept, versorgung, kontrolle, behandlung, wohnung
OVG Saarlouis Beschluß vom 30.9.2005, 3 Q 14/04
Zum Begriff der gleichartigen Einrichtung in § 97 BSHG (Einzelfall)
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Saarlandes vom 20. Februar 2004 – 4 K 162/00 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Antragsverfahrens trägt der Beklagte.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Saarlandes vom 20.2.2004 – 4 K 162/00 -, mit dem der Beklagte verpflichtet wurde, an
den Kläger 43.956,19 Euro (= 85.970,84 DM) zuzüglich 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit
zu zahlen, hat keinen Erfolg.
Die Zulassungsgründe der ernstlichen Richtigkeitszweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und
der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
Der Beklagte wendet unter Darlegung im einzelnen im wesentlichen ein, entgegen der
erstinstanzlichen Auffassung handele es sich bei der von dem Kläger dem Hilfeempfänger
Z. gewährten Hilfe um Hilfe in einer Einrichtung, für die eine Kostenerstattung nach § 107
BSHG ausgeschlossen sei; im übrigen scheitere ein Erstattungsverlangen – etwa nach §
103 BSHG – auch daran, dass für die gewährte Hilfe der überörtliche Träger nach § 100
Abs. 1 Nr. 1 BSHG sachlich zuständig sei. Unterstelle man jedoch eine ambulante Hilfe, sei
nicht geprüft worden, ob diese Hilfe nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden
und eine geeignete stationäre Hilfe zumutbar gewesen sei (§ 3 a S. 2 und 3. BSHG).
Zur Begründung seiner Auffassung stützt sich der Beklagte auf ein Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 24.2.1994 – 5 C 42.91 – und führt aus, sowohl von der
Anknüpfung des Einrichtungsbegriffs an das Räumliche als auch nach Maßgabe des
Konzepts für das Projekt „ R.“ liege eine Hilfe in einer Einrichtung vor. Der D., mit dem der
Hilfeempfänger Z. einen Mietvertrag über seine Unterkunft abgeschlossen habe,
übernehme neben der Koordination der Einzelmaßnahmen die sozialarbeiterische
Begleitung für das Gemeinschaftsleben in der Wohnung, für die Teilnahme am
gesellschaftlichen Leben und bei der Unterstützung bei Problemen und Konflikten; er sorge
für die Einbeziehung der Angehörigen in den Integrationsprozess und trage dafür Sorge,
dass der Bewohner innerhalb eines individuell definierten Zeitraumes in einen weitgehend
selbständig geführten Haushalt entlassen werde. Auch werde die Betreuung von dem
Hilfeempfänger, sowohl was den pflegerischen Bedarf als auch die hauswirtschaftliche Hilfe
angehe, nicht nur einen unbedeutenden Teil des Tages in Anspruch genommen.
Dieses Vorbringen vermag aus Sicht des Senats keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit
der erstinstanzlichen Entscheidung zu erwecken.
Eine Kostenerstattung nach § 107 BSHG setzt einen Umzug von dem Ort des bisherigen
gewöhnlichen Aufenthalts an einen anderen Ort voraus, an dem innerhalb eines Monats
nach Aufenthaltswechsel Sozialhilfe außerhalb von Einrichtungen im Sinne des § 97 Abs. 2
erforderlich wird. Ein Umzug des Hilfeempfängers Z. i. S. d. § 107 BSHG aus dem Bereich
des Beklagten, der nicht durch seinen weniger als 2 Monate währenden Aufenthalt in der
Reha-Med-Klinik H unterbrochen wurde,
hierzu neben der erstinstanzlich zitierten Entscheidung des BVerwG dessen Urteil vom
26.2.2004 - 5 C 39/02 -, FEVS 55, 302 = NVwZ-RR 2004, 662
im erforderlichen zeitlichen Zusammenhang in den Bereich des Klägers liegt vor und dies
wird im Zulassungsvorbringen nicht (mehr) bestritten. Entgegen der Ansicht des Beklagten
ist indessen ein Aufenthalt des Hilfeempfängers Z. in einer Einrichtung der in § 97 Abs. 2
BSHG genannten Art, in der prinzipiell kein gewöhnlicher Aufenthalt i.S.d.
Kostenerstattungsnorm des § 107 BSHG begründet werden kann, durch dessen
Aufenthaltsnahme in der Wohngruppe „ R.“ nicht anzunehmen.
Anstalten, Heime oder gleichartige Einrichtungen sind gemäß § 97 Abs. 4 BSHG alle
Einrichtungen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen im BSHG vorgesehenen
Maßnahmen oder der Erziehung dienen. Es muss sich dabei um Einrichtungen zur
vollstationären Betreuung handeln
hierzu LPK-BSHG, 6. Aufl., § 97 Rdnr. 58 ff.; Fichtner, 2. Aufl., § 97 Rdnr. 41 ff; m.w.N.;
etwa auch OVG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 7.12.1999 – 4 B 59/99 -, FEVS 51, 406,
409; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.1.1989 – 6 S 1401/87 -, FEVS 38, 293,
296
was durch den Umstand bestätigt wird, dass in § 97 Abs. 4 BSHG die teilstationären
Einrichtungen - im Gegensatz zur Vorschrift des § 100 Nr. 1 BSHG über die sachliche
Zuständigkeit – gerade keine Erwähnung finden. Da es sich bei der Wohngruppe „ R.“ – so
zwischen den Partien unstreitig – weder um eine Anstalt noch um ein Heim handelt,
kommt nur eine gleichartige Einrichtung in Frage. Von einer solchen kann sinngemäß nur
dann gesprochen werden, wenn der Aufenthalt wie in einer Anstalt oder einem Heim
gestaltet ist. Ob es sich um eine stationäre oder eine ambulante Einrichtung handelt, hängt
von der Art der jeweiligen Hilfemaßnahme und dem Konzept der in Anspruch genommenen
Einrichtung ab. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
hierzu BVerwG, Urteile vom 24.2.1994 – 5 C 13.91 – und 5 C 42.91 -, FEVS 45, 183 ff
und 52 ff zum Einrichtungsbegriff in § 100 BSHG
ist der in den §§ 3 a, 69, 97, 100 und 103 BSHG gleichermaßen verwandte
Einrichtungsbegriff funktional zu verstehen.
„Einrichtung“ bedeutet danach einen für Hilfen in einer besonderen Organisationsform
unter verantwortlicher Leitung zusammengefassten Bestand an persönlichen und
sächlichen Mitteln, der auf eine gewisse Dauer angelegt ist und für einen größeren,
wechselnden Personenkreis bestimmt ist. Ihre Ausstattung und ihr Betrieb sind bedingt
durch die Intensität oder die Dauer der zweckentsprechenden Pflege- oder
Eingliederungsmaßnahmen. Sie dient der vollständigen Unterbringung und Versorgung
sowie der Kontrolle, Beaufsichtigung oder sonstigen Betreuung der hilfebedürftigen
Personen bei Tag und Nacht bzw. für einen nicht nur unbedeutenden Teil des Tages.
Betreuungspersonal ist ständig anwesend, die Versorgung der Betreuten organisiert.
Für die hier in Rede stehende Hilfe setzt eine stationäre Einrichtung mithin zumindest
voraus, dass der Einrichtungsträger von der Aufnahme des Hilfeempfängers bis zu dessen
Entlassung nach Maßgabe des angewandten Hilfekonzeptes die Gesamtverantwortung für
die tägliche Lebensführung des Hilfeempfängers übernimmt, wozu eine ständige
begleitende Kontrolle sowie eine dem jeweiligen Hilfefall angemessene Beobachtung
gehören
hierzu bereits BVerwG, Urteil vom 22.5.1975 – 5 C 19.74 -, BVerwGE 48, 228, 231 f. =
FEVS 23, 403. ff. sowie Urteile vom 24.2.1994, a.a.O..
Alternative bzw. neuartige Wohn- bzw. Betreuungsformen wie Wohngruppen,
Wohngemeinschaften, Außengruppen oder das sog. betreute Wohnen sind, worauf das
Verwaltungsgericht zutreffend hinweist - konzeptionell und organisatorisch jeweils
unterschiedlich strukturiert, weshalb - ungeachtet der gewählten Bezeichnung - eine
Feststellung im Einzelfall erforderlich ist, ob es sich dabei um eine Einrichtung i. S. d. § 97
Abs. 2 und 4 BSHG handelt.
Das Kriterium der stationären Betreuung dient zur Abgrenzung von der ambulanten
Betreuung und schließt sowohl ein zeitliches Moment als auch die Reichweite des
Verantwortungsbereiches des Trägers ein.
Bei den genannten Wohn- und Betreuungsformen kommt es für die Einordnung als (voll-
)stationäre Einrichtung daher regelmäßig insbesondere darauf an, ob der Träger eine
lediglich stundenweise Betreuung der Behinderten oder aber eine umfassende Hilfeleistung
bei Tag und bei Nacht im Sinne einer Gesamtverantwortung anbietet
hierzu etwa OVG Bremen, Urteil vom 25.11.1986 – B 2 BA 28/86 -, FEVS 36, 338, 340
ff.; VGH Mannheim, Urteil vom 28.1.1989 – 6 S 1401/87 -, FEVS 38, 293, 296 f.; VGH
München, Urteile vom 28.6.2005 – 12 BV 03.965 -, zitiert nach Juris und vom 9.3.1994 –
12 B 92.1155 - FEVS 45, 112, 117 f. zu therapeutischen Wohngemeinschaften; OVG
Frankfurt/Oder, Beschluss vom 7.12.1999, a.a.O..
Das zeitliche und sachliche Ausmaß der an den Hilfeempfänger Z. in der Wohngruppe „ R.“
entsprechend deren Konzeption und auch tatsächlich geleisteten Betreuung rechtfertigt es
nicht, die Wohngemeinschaft den vollstationären Hilfeformen zuzuordnen.
Nach dem vorgelegten Konzept handelt es sich bei dem Projekt „ R.“ um das Angebot
ambulanter weiterführender Rehabilitation vor allem für jüngere Menschen mit Schädigung
des Zentralnervensystems etwa - wie hier - nach einem Schlaganfall. Mit Hilfe eines
koordinierten Therapieangebots in Kooperation dem behandelnden Hausarzt oder Facharzt
statt punktuell durch den niedergelassenen Arzt verordneter Einzelbehandlungen durch
Therapeuten an verschiedenen Orten sowie unter Einbeziehung der Angehörigen sollen die
in der vorangegangenen stationären Rehabilitation (in einer Klinik) wieder erlangten
Fähigkeiten langfristig erhalten und/oder kontinuierlich verbessert und die soziale
Wiedereingliederung erreicht werden. Die ärztliche Versorgung erfolgt im Einzelfall nach
Bedarf von außen durch niedergelassene Ärzte. Die therapeutische Behandlung wird durch
ein interdisziplinäres Team des D durchgeführt, dessen Mitarbeiter sich nur zu bestimmten
Tageszeiten in der Wohngemeinschaft aufhalten. In der übrigen Zeit, insbesondere an den
Wochenenden kann der Bewohner auf den Bereitschaftsdienst zurückgreifen. Grundpflege
und Behandlungspflege werden nach Bedarf über 24 Stunden und ggf. durch
Rufbereitschaft eigener Kräfte gewährleistet. Regelmäßige oder unregelmäßige Kontrollen
durch Aufsichtspersonal zur Tages- oder Nachtzeit werden nicht durchgeführt. Dem
Betreuungsbedürftigen steht es prinzipiell offen, ob und in welchem Umfang er von dem
Leistungsangebot durch Abschluss eines Pflegevertrages Gebrauch machen will. Als Mieter
im Haus der P er laut der Stellungnahme des P W e.V. (Vermieter) vom 9.12.2002 nicht
verpflichtet, die Pflege und Betreuungsleistungen abzunehmen. In der genannten
Stellungnahme wird so ein Fall benannt, in dem ein Mieter nach Wegfall der Pflegestufe
ohne Inanspruchnahme von Betreuungsleistungen in dem von ihm angemieteten Zimmer
verblieb. Der – verlängerbare -Mietvertrag ist mithin rechtlich selbstständig, in Bezug auf
Betreuungsleistungen besteht eine volle, u.U. zeitlich gestufte, tatsächliche und vertragliche
Wahlfreiheit. Die Miete für den Wohnraum, den der Mieter selbst gestalten kann, wird von
dem Mieter aus eigenen finanziellen Mitteln oder ihm zufließenden Sozialhilfeleistungen
entrichtet. Das Konzept sieht eine Verwaltung des Einkommens der Mieter/Betreuten nicht
vor, diese bestimmen vielmehr in Eigenverantwortung über die ihnen zur Verfügung
stehenden Mittel. Entsprechend dem Ziel der Einrichtung, die Bewohner auf eine
selbstständige Lebensführung vorzubereiten, können die Bewohner in der Regel auch
selbstständig über ihren Tagesablauf entscheiden.
Dieses Konzept verdeutlicht, dass sich der D nicht als gesamtverantwortlicher Träger einer
stationären Einrichtung, sondern vor allem als Koordinator sinnvoller Therapiemaßnahmen
eigener interdisziplinärer Kräfte nach einem in Kooperation mit dem behandelnden Arzt
erstellten individuellen Hilfeplan begreift. Wesentlicher Sinn der Wohngruppe ist nicht die
Pflege, Behandlung, Beaufsichtigung oder sonstige Betreuung, sondern die – im
Unterschied zur Unterbringung in einer Anstalt oder in einem Heim – weitestgehend
selbstständige Lebensgestaltung der Bewohner bzw. deren Ermöglichung entsprechend
ihren individuellen Fähigkeiten ggf. unter Einschluss von Hilfestellungen.
Das Kriterium einer Gesamtverantwortung des D für die tägliche Lebensführung des
Hilfeempfängers i. S. d. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist angesichts der
konzeptionellen Weite der individuellen Eigenverantwortlichkeit der Mieter in der
Wohngruppe „ R.“ nicht erfüllt. Es handelt sich vielmehr um ein bloßes Nebeneinander von
Unterbringung und Betreuung, von persönlichen (auch seitens der Angehörigen) sowie
therapeutischen Hilfen und weitgehend selbstständiger Bestimmung des Tagesablaufs
sowie der Verwendung des zufließenden Lebensunterhalts durch die Bewohner.
Diese Einschätzung gilt auch für die dort konkret praktizierte Betreuung des
Hilfeempfängers Z.. Schon die tatsächlich vorhandene Dichte der Betreuung spricht gegen
die Annahme einer (gleichartigen) Einrichtung i.S.d. §§ 97 Abs. 2 und 4 BSHG, deren
typisches Kennzeichen wie dargelegt ein gesteigertes Maß an Betreuung – etwa „rund um
die Uhr“ – ist, insbesondere um in Krisensituationen sofort reagieren und dem Betroffenen
umgehend Hilfe zukommen zu lassen. Nach dem Gutachten des Medizinischen Dienstes
der Pflegekasse (AOK) vom 29.11.1996 wird ausdrücklich von einer ambulanten
Betreuungssituation für den Hilfeempfänger ausgegangen und der durchschnittlich tägliche
Zeitaufwand für die Hilfe bei grundpflegerischen Verrichtungen auf gut zwei Stunden
zusammen mit dem kompletten hauswirtschaftlichen Hilfebedarf von ca. 90 Minuten
geschätzt.
Ein derart bemessener täglicher Pflege- und Versorgungsaufwand sowie das Vorhalten
einer Rufbereitschaft – nicht der steten Sicherstellung sofortiger Hilfe - führt - selbst wenn
man die hier nicht festgestellte und auch nicht von dem Beklagten konkret benannte
Inanspruchnahme von weiteren abrufbaren Therapieangeboten an einzelnen Tagen (nach
dem Gutachten des Medizinischen Dienstes vom 29.11.1996 handelt es sich um 3 X
Krankengymnastik in der Woche) sowie Hilfen bei der Durchführung von Aktivitäten
außerhalb der Wohnung hinzu nimmt - nicht zu einer Gesamtverantwortung für die tägliche
Lebensführung des Hilfeempfängers vom Tage seiner Aufnahme bis zu seiner Entlassung.
Eine ständige begleitende Kontrolle der Lebensführung tagsüber oder auch nachts findet
nicht statt. Dass alle Bewohner und so auch der Hilfeempfänger Z. nur einer
eingeschränkten und eben keiner Gesamtverantwortung des Trägers der
Wohngemeinschaft unterliegen, zeigt sich schließlich auch daran, dass sie grundsätzlich
selbstständig über ihr Einkommen (in der Regel Arbeitslosengeld oder –hilfe, dazu
ergänzende oder aber ausschließliche Hilfe zum Lebensunterhalt) verfügen können, dieses
also nicht aus der Hand und damit auch nicht unter der Kontrolle des D erhalten
zu diesem Kriterium BVerwG, Urteil vom 24.2.1994, a.a.O.
So regelt auch der Hilfeempfänger Z. seine finanziellen Angelegenheiten mit Hilfe seines
amtlich bestellten Betreuers selbst. Auch damit ist eine Gesamtverantwortung des D als
Träger der Wohngruppe ausgeschlossen.
Schließlich kann der Beklagte auch nicht daraus zu seinen Gunsten herleiten, dass für die
Pflege- und Betreuungsleistungen in der Wohngruppe pauschalierte Beträge abgesetzt
werden.
Mögen damit auch Entgelte erhoben werden, ohne dass bei dem betreffenden Bewohner
ein Bedarf besteht oder erfüllt wird, so ist der Hilfeempfänger nach dem Gesagten doch
nicht in der Weise in die Organisation des Wohngruppenträgers eingegliedert, dass dieser
die Gesamtverantwortung für seine tägliche Lebensführung übernimmt. Zu gewichten ist
vielmehr, dass nach den ausdrücklichen Feststellungen im o. g. Gutachten des
Medizinischen Dienstes durch die dem Hilfeempfänger Z. konkret zuteil gewordene Hilfe
gerade eine häusliche Pflege und Versorgung in der von ihm angemieteten Wohnung
sichergestellt ist und er darüber hinaus keine stationäre Pflegehilfe benötigt. Der Aufenthalt
des Hilfeempfängers in der Wohngruppe „ R.“ ist demnach noch durch ein solches Maß an
Selbstbestimmung geprägt, dass der Senat hier das den sozialhilferechtlichen
Einrichtungsbegriff kennzeichnende „stationäre Elemente“ für nicht erfüllt hält. Dem Senat
liegen auch keine gegenteiligen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Hilfeempfänger im
streitgegenständlichen Zeitraum nicht in der Lage gewesen wäre, seine tägliche
Lebensführung trotz teilweiser Unselbstständigkeit (Bl. 3 des Gutachtens) im wesentlichen
eigenständig zu bestimmen.
Ist nach allem nichts durchgreifendes dafür erkennbar, dass die Wohngruppe „ R.“ eine
(gleichartige) Einrichtung i. S. d. § 97 Abs. 2 und 4 BSHG ist, hat der Hilfeempfänger nach
seinem Umzug aus dem Bereich der Beklagten in dieser seinen gewöhnlichen Aufenthalt i.
S. d. § 107 BSHG begründet und nimmt dort ambulant Hilfeleistungen in Anspruch. Mithin
kann auch nicht auf den von dem Beklagten angeführten § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG, der
sich nur auf Anstalten, Heime, gleichartige Einrichtungen oder Einrichtungen zur
teilstationären Betreuung bezieht, zurückgegriffen werden. Die Wohngruppe „ R.“ ist
nämlich nach dem Gesagten, insbesondere was das Maß an Betreuung und
verantworteter sachlicher Hilfe anbelangt, auch nicht als Einrichtung zur teilstationären
Betreuung anzusehen; eine derartige Einrichtung muss alle dargestellten essentiellen
Merkmale einer Einrichtung mit Ausnahme des so genannten Vollaufenthalts erfüllen
hierzu etwa Schellhorn, BSHG, 16. Aufl., § 100 Rdnr. 37.
Soweit der Beklagte hilfsweise einwendet, der Kläger habe – entgegen seiner Auffassung
einmal unterstellt, die Wohngruppe „ R.“ stelle keine Einrichtung i.S.d. BSHG dar - § 3 a
BSHG nicht geprüft, gibt auch dies keine Veranlassung zu ernstlichen Richtigkeitszweifeln
an der erstinstanzlich getroffenen Entscheidung.
§ 3 a BSHG regelt den grundsätzlichen Vorrang der sog. offenen Hilfe vor einer Hilfe in
Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen. Dies gilt nicht, wenn eine geeignete
stationäre Hilfe zumutbar und eine ambulante Hilfe mit unverhältnismäßigen Mehrkosten
verbunden ist. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit sind die persönlichen, familiären und
örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen.
Der Beklagte hat die Voraussetzungen des § 3 a S. 2 BSHG nicht qualifiziert dargelegt. Die
Aufnahme in eine vollstationäre Einrichtung kann nur dann zumutbar erfolgen, wenn eine
Heimbetreuungsbedürftigkeit vorliegt. Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob eine
Heimbetreuungsbedürftigkeit vorliegt, sind die im Zeitpunkt der Prüfung durch den nach §
97 zuständigen Träger vorgefundenen Verhältnisse und die ihm bekannten Tatsachen; erst
später bekannt werdende Tatsachen können seine Entscheidung nicht mit Rückwirkung
beeinflussen
hierzu Schellhorn, a.a.O., § 3 a Rdnr. 11 und § 97 Rdnrn. 54, 56.
Vorliegend hat der Hilfeempfänger Z. gerade auf Empfehlung der ihn behandelnden Ärzte in
der Reha-Klinik H, die offenkundig eine Anstalt oder ein Heim für ihn als weniger geeignet
angesehen haben, seinen Wohnsitz in der Wohngruppe „ R.“ genommen und diese
Empfehlung hat der Kläger bei seiner Hilfegewährung für sich als bindend bzw.
angemessen erachtet. Diese auf die individuellen Verhältnisse des Hilfeempfängers
abstellende Auswahlentscheidung kann der Beklagte daher nachträglich nicht mit – sich
ohnehin im Bereich des Spekulativen haltenden - Argumenten qualifiziert in Frage stellen.
Im übrigen ist mit Blick auf die von ihm behaupteten unverhältnismäßigen Mehrkosten
lediglich ergänzend darauf zu verweisen, dass nach obergerichtlicher Rechtsprechung auch
Kosten ambulanter Betreuung von monatlich 7.000,-- DM bis 8.830,-- DM im Einzelfall noch
als angemessen und nicht unverhältnismäßig angesehen werden
siehe die Rechtsprechungsnachweise in Schellhorn, a.a.O., § 3 a Rdnr. 14.
Schließlich liegt auch die von dem Beklagten geltend gemachte Grundsatzbedeutung nicht
vor. Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich, dass die Frage, wann eine Wohnform
dem Einrichtungsbegriff i.S.d. § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG zuzuordnen ist, je nach
Feststellungen im Einzelfall zu beantworten ist und in der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgericht geklärt ist, an Hand welcher Kriterien diese Frage zu
beantworten ist. Damit verbietet sich die Annahme einer Grundsatzbedeutung.
Nach allem ist der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge aus den §§ 188,
154 Abs. 2 zurückzuweisen, wobei zu berücksichtigen war, dass § 188 S. 2 in der ab
1.1.2002 geltenden Fassung nicht auf so genannte Altverfahren, sondern erst auf ab
diesem Zeitpunkt erstinstanzlich anhängig werdende Verfahren anzuwenden ist,
hierzu Urteile des Senats vom 2.7.2004 – 3 R 6/03 – und 3 R 7/03 -; Kopp/Schenke,
VwGO 12. Aufl. § 194 Rdnr. 8.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.