Urteil des OVG Saarland vom 24.03.2010

OVG Saarlouis: staatsangehörigkeit, erwerb, verwaltungsgebühr, ausreise, zusammenleben, rechtsgrundlage, trennung, wiederverheiratung

OVG Saarlouis Beschluß vom 24.3.2010, 1 D 43/10
Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit; nichtdeutscher Ehegatte eines Spätaussiedlers;
Ehedauer
Leitsätze
Ein vor dem 1.1.2005 eingereister nichtdeutscher Ehegatte eines Spätaussiedlers kann die
deutsche Staatsangehörigkeit nach § 100 b Abs. 1 BVFG auf der Grundlage der
bestehenden Ehe nur erwerben, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Verlassens der
Aussiedlungsgebiete mindestens drei Jahre bestanden hat.
Tenor
Die Beschwerde gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss
des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 27. Januar 2010 - 2 K 496/09 - wird
zurückgewiesen.
Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller;
außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Prozesskostenhilfebeschluss des
Verwaltungsgerichts ist zulässig, aber unbegründet.
Nach §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wer nach
seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht
oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht
mutwillig erscheint.
Bei der Prüfung, ob eine beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne
des § 114 Satz 1 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, ist unter Zugrundelegung
der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon auszugehen, dass
das Institut der Prozesskostenhilfe der Verwirklichung des aus den Artikeln 3 und 20 GG
abzuleitenden Gebots einer weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und
Unbemittelten dient und ein Unbemittelter daher nur mit einem solchen Bemittelten
gleichzustellen ist, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das
Kostenrisiko berücksichtigt. Dabei dürfen die Anforderungen an das Vorhandensein
hinreichender Erfolgsaussichten nicht überspannt werden, insbesondere darf die Prüfung
der Erfolgsaussichten nicht dazu führen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in
das Prozesskostenhilfeverfahren vorzuverlagern und bereits in diesem schwierige Tat- und
Rechtsfragen zu klären. (BVerfG, Beschlüsse vom 13.3.1990 - 2 BvR 94/98 - BVerfGE 81,
347 ff., vom 4.2.1997 - 1 BvR 391/93 - , NJW 1997, 2102 f., vom 29.5.2006 - 1 BvR
430/03 -, juris, und vom 29.12.2009 - 1 BvR 1781/09 -, juris)
Gemessen hieran bietet die vom Antragsteller beabsichtigte Klage keine hinreichenden
Erfolgsaussichten.
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen, die Gewährung von Prozesskostenhilfe
versagenden Beschluss vom 27.1.2010 aufgezeigt, dass sich die Rechtsgrundlage der
durch Bescheid vom 29.4.2009 festgesetzten Verwaltungsgebühr in § 38 Abs. 1 StAG in
Verbindung mit § 3 a Nr. 2 Staatsangehörigkeits-Gebührenverordnung findet, die Höhe der
Gebühr in Anwendung der §§ 38 Abs. 2 StAG, 15 Abs. 2 1. Halbsatz 2. Alt. VwKostG
zutreffend auf 191,-- EUR festgesetzt wurde und die Rechtmäßigkeit der
Gebührenerhebung durch die Einwände des Antragstellers nicht in Frage gestellt wird, sich
insbesondere aus § 100 b Satz 1 BVFG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG in der
maßgeblichen bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung vom 2.1.1993 - BVFG a. F. - ergibt,
dass, um dem Antragsteller die deutsche Staatsangehörigkeit zu vermitteln, seine Ehe mit
der Spätaussiedlerin, in deren Aufnahmebescheid er einbezogen worden ist, zum Zeitpunkt
des Verlasses der Aussiedlungsgebiete - also im Oktober 1994 - drei Jahre hätte bestehen
müssen, was nicht der Fall war. Auf diese Ausführungen wird vollumfänglich Bezug
genommen.
Zur Begründung seiner Beschwerde behauptet der Antragsteller unter Vorlage
russischsprachiger Schriftstücke, das Erfordernis einer dreijährigen Ehezeit sei in seinem
Fall erfüllt, da er seine Ehefrau an dem bislang aktenkundigen Tag der Eheschließung, dem
16.4.1992, bereits zum zweiten Mal geheiratet habe, wobei die erste Ehezeit vom
7.9.1991 bis zum 13.12.1991 sowie die nach nur kurzzeitiger Trennung liegende Zeit
erneuten Zusammenlebens ab dem 23.12.1991 bis zur Wiederverheiratung am
16.4.1992 in die Ehezeit einzurechnen seien. Dem kann - wie das Verwaltungsgericht in
seinem Nichtabhilfebeschluss vom 19.2.2010 zutreffend ausgeführt hat - nicht gefolgt
werden.
§ 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG a. F. setzt seinem eindeutigen Wortlaut nach voraus, dass die Ehe
zum Zeitpunkt des Verlassens der Aussiedlungsgebiete mindestens drei Jahre bestanden
hat. Unterstellt man die Richtigkeit der Behauptung, die Eheleute seien bereits vor der
bislang aktenkundigen Eheschließung am 16.4.1992, nämlich zwischen dem 7.9.1991 und
dem 13.12.1991 ein erstes Mal verheiratet gewesen, und erachtet man eine Addition der
einzelnen Ehezeiten überhaupt für zulässig, so ändert dies nichts daran, dass die sich
hieraus ergebende Gesamtehezeit die notwendige Dauer von drei Jahren nicht erreicht.
Dass die Eheleute zwischen den beiden Ehen fast durchgehend zusammengelebt haben
mögen, begründet keine zusätzliche Ehezeit im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG a. F..
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang in seinem
Nichtabhilfebeschluss vom 19.2.2010 hervorgehoben, dass diese Vorschrift darauf abstellt,
ob die Ehe im maßgeblichen Zeitpunkt drei Jahre bestanden hat. Für die Frage, wie lange
eine Ehe besteht, ist allein entscheidend, welcher Zeitraum seit der Eheschließung
verstrichen ist. Ob die Eheleute bereits vor der Eheschließung zusammengelebt haben und
ihr Zusammenleben durch Heirat legalisieren wollten, spielt bei der Berechnung der
Ehedauer keine Rolle. Das Gesetz knüpft an den Bestand der Ehe an, weswegen auch
Zeiten, in denen ehemalige Eheleute vor einer Wiederheirat ohne Trauschein
zusammengelebt haben, nicht in die Berechnung der Ehedauer einfließen können. Dies
ergibt sich ohne Weiteres aus Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift, die einem
nichtdeutschen Ehegatten den Erwerb des Status, Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1
GG zu sein, nur ermöglichen will, wenn die Ehe als verfassungsrechtlich geschütztes
Rechtsinstitut zur Zeit der Ausreise über die vorgesehene Mindestzeit von drei Jahren hin
wirksam bestanden hat. Damit ergibt sich aus den einschlägigen Vorschriften der §§ 4 Abs.
3 Satz 2 BVFG a. F. und 100 b BVFG ohne Weiteres, dass der Antragsteller den Status,
Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG zu sein, bisher nicht erworben hat, so dass
seine Einwände gegen die Erhebung der festgesetzten Verwaltungsgebühr der Grundlage
entbehren und die von ihm beabsichtigte Klage daher keine hinreichende Aussicht auf Erfolg
hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 166 VwGO, 127 Abs. 4 ZPO, Nr. 5502
KostV der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.