Urteil des OVG Saarland vom 22.06.2007
OVG Saarlouis: sozialhilfe, werkstatt, treu und glauben, anrechenbares einkommen, kostenbeitrag, einkünfte, begriff, alter, verfügung, ersparnis
OVG Saarlouis Urteil vom 22.6.2007, 3 A 187/07
Zur Frage der Anrechnung des in einer Werkstätte für behinderte Menschen zur Verfügung
gestellten kostenfreien Mittagessens im Rahmen der Grundsicherung (GSiG) alten Rechts
Leitsätze
Im Rahmen der Grundsicherung alten Rechts (GSiG) ist das in einer Werkstätte für
behinderte Menschen zur Verfügung gestellte kostenfreie Mittagessen weder bei der
Bemessung der Regelsätze noch als einzusetzendes Einkommen zu berücksichtigen.
Tenor
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 16. Dezember
2005 - 3 K 136/05 - wird der Beklagte verpflichtet, die Bescheide vom 31.7.2003 und vom
25.5.2004 aufzuheben und dem Kläger Grundsicherungsleistungen zu gewähren, ohne
diese um den Wert des in der Werkstatt für Behinderte angebotenen Mittagessens zu
mindern.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der am ... 1968 geborene Kläger, der zu 100 % schwerbehindert und tagsüber in einer
Werkstatt für Behinderte tätig ist, beantragte im Dezember 2002 durch seinen Vater und
Betreuer beim Beklagten Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG), die ihm ab
dem 1.1.2003 auch bewilligt wurden.
Mit Bescheid vom 31.7.2003 rechnete der Beklagte für die Zeit ab dem 1.9.2003
erstmals ein Werkstatteinkommen des Klägers in Form von Sachbezügen in Höhe von
monatlich 47,40 Euro (bedarfsmindernd) an. Die Anrechnung erfolgte mit Rücksicht auf
den Umstand, dass der Kläger in der Behindertenwerkstatt mit Mittagessen versorgt
wurde.
Hiergegen legte der Kläger laut Vermerk vom 5.8.2003 Widerspruch ein und machte
hierzu geltend, bei der Gewährung laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG
habe das in der Werkstatt kostenfrei eingenommene Mittagessen nach der
Rechtsprechung bedarfsmindernd berücksichtigt werden dürfen, weil sich der Regelsatz der
Sozialhilfe am tatsächlichen Bedarf orientiere und für das Mittagessen im Regelsatz ein
Bedarfsanteil von 20 % enthalten sei. Die Minderung des Regelsatzes sei von der
Rechtsprechung als zulässig angesehen worden, da eine anderweitige Bedarfsdeckung
vorliege. Die Grundsicherung sei demgegenüber eine Pauschalleistung, die nicht wie die
Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bedarfdeckungsgrundsatz berechnet werde. Es könne
daher nur Einkommen im Sinne des § 76 BSHG bedarfsmindernd angerechnet werden. Bei
dem Mittagessen handele es sich aber nicht um Einkünfte in Geld oder Geldeswert,
sondern vielmehr um einen integralen Bestandteil der nach § 40 BSHG gewährten
Eingliederungshilfe und einen Teil der Vergütung, welche die Werkstatt von dem
zuständigen Rehabilitationsträger erhalte. Diese sei eine Sozialleistung, die nach § 77 BSHG
nicht angerechnet werden dürfe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.5.2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur
Begründung ist ausgeführt, der vom Kläger innerhalb der Widerspruchsfrist zunächst nur
telefonisch erhobene Widerspruch wäre grundsätzlich als verfristet und damit unzulässig
zurückzuweisen. Da aber davon auszugehen sei, dass der Beklagte auf das Erfordernis
eines schriftlichen Widerspruchs nicht erneut hingewiesen habe bzw. selbst von der
Wirksamkeit der telefonischen Widerspruchseinlegung ausgegangen sei, werde der
Widerspruch Treu und Glauben entsprechend als zulässig angesehen. Der Widerspruch sei
jedoch nicht begründet. Nach § 3 Abs. 2 GSiG seien für den Einsatz von Einkommen und
Vermögen die §§ 76 bis 88 BSHG entsprechend anzuwenden. Nach § 76 BSHG gehörten
Vermögen die §§ 76 bis 88 BSHG entsprechend anzuwenden. Nach § 76 BSHG gehörten
zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Einkünfte in Geldeswert seien
insbesondere Sachbezüge, also Dienst- und Naturalleistungen. Nach Nr. 76.03.6 der
Sozialhilferichtlinien sei ein Sachbezug mit dem dafür im Regelsatz vorgesehenen Anteil
anzusetzen. Da für das Mittagessen im Regelsatz ein Anteil von 20 % vorgesehen sei, habe
vorliegend ein entsprechender Betrag als geldwertes Einkommen berücksichtigt werden
müssen. Nach § 77 BSHG würden indes Leistungen aufgrund öffentlich-rechtlicher
Vorschriften mit einer ausdrücklichen Zweckbestimmung als Einkommen nur insoweit
berücksichtigt, als die Sozialhilfe und dementsprechend die Grundsicherung im Einzelfall
demselben Zweck diene. Das wegen der Zuschüsse des überörtlichen Sozialhilfeträgers
kostenfreie Mittagessen diene aber demselben Zweck wie die Grundsicherung, nämlich der
Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts.
Am 28.6.2004 hat der Kläger Klage im Wesentlichen unter Hinweis auf die im
Widerspruchsverfahren vorgetragenen Gründe erhoben.
Ergänzend trug er vor, die Sachbezugsverordnung dürfe keine Anwendung finden, da das in
der Behindertenwerkstatt ausgegebene kostenfreie Mittagessen Bestandteil der
Rehabilitationsleistung nach § 41 SGB IX i.V.m. § 93 a Abs. 2 BSHG sei. Im Rahmen des
Wunsch- und Wahlrechts nach § 9 SGB IX stehe es den Werkstattbeschäftigen frei, das
Mittagessen in Anspruch zu nehmen oder nicht. Wer sich vom Mittagessen abmelde,
brauche keinen Kostenbeitrag dafür zu leisten. Der zuständige Rehabilitationsträger sei
berechtigt, in diesem Fall die Vergütung nach § 93 a BSHG um den Verpflegungssatz für
das Mittagessen anteilig zu kürzen. Einen Anspruch auf Auszahlung des Wertes für ein
Mittagessen außerhalb der Werkstatt habe der Behinderte nicht. Die Grundsicherung sei
eine eigenständige Sozialleistung, deren Zweck es sei, den grundlegenden Lebensbedarf
alter und voll erwerbsgeminderter Personen zu sichern. In Konsequenz dieser Zielsetzung
habe der Gesetzgeber die Vorschriften des BSHG nicht generell für ergänzend anwendbar
erklärt, sondern lediglich auf bestimmte Vorschriften des BSHG verwiesen. Aus dem
Umstand, dass nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 GSiG auf den für den Antragsberechtigten
maßgebenden Regelsatz verwiesen werde, könne nicht gefolgert werden, dass auch eine
Absenkung des Regelsatzes ebenso wie nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG möglich wäre. Im
Übrigen sei für die Beteiligung an den Kosten des Mittagessens die Regelung des § 43 Abs.
2 Nr. 7 BSHG durch das SGB IX F. 2001 dahingehend neu gefasst worden, dass nur
diejenigen, die ein Einkommen über dem zweifachen Regelsatz eines Haushaltsvorstandes
bezögen, einen Kostenbeitrag leisten müssten. Daraus sei eine Wertentscheidung des
Gesetzgebers zu entnehmen, dass Personen mit geringerem Einkommen aufgrund der
Inanspruchnahme des Mittagessens keine finanziellen Nachteile erleiden dürften. Des
Weiteren entspreche es nicht der Praxis der Grundsicherungsämter, bei alten Menschen,
die Grundsicherungsleistungen bezögen, nachzuprüfen, ob diese von Dritten, etwa von
Verwandten oder Altentagesstätten, ein kostenfreies Mittagessen bekämen, und
dementsprechend die Leistungen zu kürzen. Somit spreche auch der
Gleichbehandlungsgrundsatz dafür, bei Werkstattbeschäftigten den gleichen Maßstab
anzulegen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 31.7.2003 sowie den aufgrund
mündlicher Verhandlung vom 25.5.2004 ergangenen, am 28.5.2004
ausgefertigten Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses
beim Landkreis B-Stadt aufzuheben und den Beklagten zu
verpflichten, ihm Grundsicherungsleistungen zu gewähren, ohne
diese um den Wert des in der Behindertenwerkstatt angebotenen
Mittagessens zu mindern.
Der Beklagte hat im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die in den angefochtenen
Bescheiden dargelegten Gründe beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend trug er vor, bei der Bemessung des Sachbezuges sei davon ausgegangen
worden, dass der Kläger an 210 Tagen im Jahr sein Mittagessen in der
Behindertenwerkstatt einnehme. Sofern der Kläger den Nachweis erbringe, dass er nicht
an 210 Tagen an dem Mittagessen teilnehme, könne dies korrigiert werden. Dem Grunde
nach müsse es aber bei der Anrechnung eines Sachbezugs verbleiben.
Mit Urteil vom 16.12.2005 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen (3 K
136/05). Zur Begründung ist ausgeführt, der Zulässigkeit der fristgerecht erhobenen Klage
stehe auch nicht eine eventuelle Verfristung des vom Kläger erhobenen Widerspruchs
entgegen, da über den Widerspruch in der Sache entschieden und jedenfalls hierdurch der
Weg für eine gerichtliche Überprüfung der Sach- und Rechtslage eröffnet worden sei. Die
Klage sei jedoch unbegründet.
Zunächst sei festzustellen, dass sich vorliegend die gerichtliche Nachprüfung auf den
Zeitraum bis zur letzten behördlichen Entscheidung in Form des Widerspruchsbescheides
beschränke und das Gericht nicht verpflichtet sei, dem Hilfefall über diesen Zeitpunkt
hinaus „nachzugehen“.
Der Kläger habe - bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum bis zum Erlass des
angefochtenen Widerspruchsbescheides - keinen Anspruch darauf, dass ihm
Grundsicherungsleistungen gewährt würden, ohne diese um den Wert des in der
Behindertenwerkstatt angebotenen Mittagessens zu mindern. Hierzu werde zunächst auf
die zutreffenden Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides Bezug genommen.
Zutreffend gehe der Beklagte davon aus, dass die Leistungen der Grundsicherung eng an
die Bedarf- und Einkommensvoraussetzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt gekoppelt
seien. Dies habe gemäß § 3 GSiG bereits für die Leistungen nach dem GSiG im Verhältnis
zu denjenigen nach dem BSHG gegolten und gelte seit dem 1.1.2005 um so mehr, als der
Gesetzgeber beide Leistungsarten als Leistungen der Sozialhilfe in ein Sozialgesetzbuch,
das SGB XII, integriert habe.
Bereits § 3 GSiG verweise sowohl hinsichtlich des nach Regelsätzen bemessenen Bedarfs
(§ 3 Abs. 1 GSiG) als auch bezüglich des anrechenbaren Einkommens und Vermögens (§ 3
Abs. 2 GSiG) auf die Vorschriften des BSHG. Dabei beinhalte die Bezugnahme in § 3 Abs. 1
GSiG auf die Regelsätze der Sozialhilfe auch die Möglichkeit, den Regelsatz entsprechend §
22 Abs. 1 Satz 2 BSHG (nach oben oder nach unten) abweichend zu bemessen, soweit
dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten sei. Die Vorschrift setze den Bedarf
nämlich gerade nicht pauschal auf die Höhe eines Regelsatzes fest, sondern verweise
konkret auf den für den jeweiligen Antragsteller maßgebenden Regelsatz der Sozialhilfe, der
im jeweiligen Einzelfall aufgrund besonderer Umstände nach Maßgabe des konkreten
Bedarfs nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG höher oder niedriger als im Regelfall zu bemessen
sei.
Demgemäß wäre der Beklagte (sogar) berechtigt gewesen, mit Blick darauf, dass ein
wesentlicher Teil dessen im Regelsatz berücksichtigten Bedarfs regelmäßig bereits durch
die Verpflegung in der Behindertenwerkstatt gewährleistet werde, eine Kürzung des
Regelbedarfs vorzunehmen. Der Beklagte habe sich hingegen dafür entschieden, die
Bedarfsseite unverändert zu lassen und stattdessen die Verpflegung des Klägers mit
Mittagessen als Einkommen im Sinne des nach § 3 Abs. 2 GSiG anzuwendenden § 76 Abs.
1 BSHG anzurechnen.
Dies sei ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden, da hierdurch sich verändernden
tatsächlichen Verhältnissen, etwa einer wechselnden Häufigkeit der Inanspruchnahme der
angebotenen Mahlzeiten, besser Rechnung getragen werden könne als mit einer
pauschalen Absenkung des Regelsatzes. § 3 Abs. 2 GSiG verweise hinsichtlich des
anrechenbaren Einkommens auf § 76 BSHG sowie die zu dieser Vorschrift ergangene
Verordnung. In § 2 Abs. 1 dieser Verordnung werde als geldwertes Einkommen
ausdrücklich der Begriff der „Kost“ genannt, weshalb der Beklagte das vom Kläger in der
Behindertenwerkstatt in Anspruch genommene kostenlose Mittagessen als Einkommen im
Sinne des § 76 BSHG habe berücksichtigen dürfen.
Dem stehe nicht entgegen, dass die Versorgung mit Mittagessen Teil der dem Kläger
gewährten Eingliederungshilfe nach den §§ 39 ff. BSHG sei und hierfür ein Kostenbeitrag
nur eingeschränkt gefordert werden könne. Zwar bestimme § 76 Abs. 1 BSHG, dass zum
Einkommen im Sinne dieses Gesetzes alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert „mit
Ausnahme der Leistungen nach diesem Gesetz“ gehörten. Diese gesetzlich normierte
Ausnahme bedeute indes nicht, dass der Hilfeempfänger einen Anspruch auf
Doppelversorgung in dem Sinne hätte, dass er die Gewährung von demselben Zweck
dienenden Leistungen nach verschiedenen Vorschriften des BSHG zweimal fordern dürfe.
Dies wäre aber der Fall, wenn man dem Kläger sowohl die kostenlose Versorgung mit
Mittagessen als auch den hierfür im Regelsatz vorgesehenen Betrag zugestehen würde.
Eine solche Doppelleistung habe der Gesetzgeber nicht gewollt.
Gegen das ihm am 9.1.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8.2.2006 im
wesentlichen unter Hinweis auf ein Urteil des Sozialgerichts Dortmund - S 31 SO 10/05 -
einen Berufungszulassungsantrag gestellt (3 Q 77/06), dem der Senat durch Beschluss
vom 25.4.2007 - zugestellt am 30.4.2007 - entsprochen hat (3 A 187/07). Mit am
10.5.2006 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger unter erneutem Hinweis auf die o.g.
Entscheidung des Sozialgerichts Dortmund ausgeführt, dass es für eine individuelle
Bedarfsfeststellung mit Herabsetzung des Regelsatzes zu Ungunsten des Berechtigten
keine Rechtsgrundlage gebe. Der Wert des Mittagessens könne auch nicht als Einkommen
i.S. einer Sachleistung angesehen werden, weil keine häusliche Ersparnis vorliege, wenn
Angehörige sonst kostenlos ein warmes Mittagessen zur Verfügung stellten. Deren
Ersparnis sei kein anrechenbares Einkommen des Werkstattbeschäftigten. Der Regelsatz
nach § 28 SGB XII setze sich aus der Summe der Verbrauchsausgaben zusammen, zu der
auch die Ernährung gehöre (§ 2 Abs. 2 der Regelsatzverordnung). Die Bedarfsposition
Ernährung lasse sich aber nicht aus dem Regelsatz herauslösen, weil sie mit den
einmaligen Leistungen zu einer Pauschale verrechnet würde.
Zu gewichten sei ferner die Regelung in § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII, die die Anrechnung des
Kostenbeitrags für das Mittagessen in der Werkstatt Personen vorbehalte, deren
Einkommen den doppelten Regelsatz überschreite. Bezug genommen werde dabei
ausdrücklich nicht auf die häusliche Ersparnis, die eine Verrechnung mit dem Bedarf der
Grundsicherung nahe gelegt hätte, sondern auf die Kosten des Lebensunterhalts in der
Einrichtung. Dieser sei Teil des Rechtsanspruchs auf Teilhabe im Arbeitsleben nach § 41
SGB IX. Mit der Verabschiedung des SGB IX sei diese Rechtsvorschrift mit der Absicht
geändert worden, nur von den Personen mit eigenem Einkommen über dem Bedarf der
Grundsicherung eine Kostenbeteiligung zu verlangen. Diese Entscheidung des
Gesetzgebers dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass zwar kein Kostenbeitrag
gefordert, aber der Bedarf der Grundsicherungsleistung gekürzt werde. Zu einer
fehlerfreien Ermessensentscheidung gehöre die Berücksichtigung dieser Motive des
Gesetzgebers. Da Grundsicherungsbezieher über kein Einkommen in solcher Höhe
verfügten, dürften sie nicht durch Kürzung ihres Regelsatzes schlechter gestellt werden als
dieser Personenkreis.
In der im Zulassungsbeschluss zitierten Entscheidung des OVG Münster (21 A 1565/05)
werde festgestellt, eine individuelle Ermittlung des jeweiligen Bedarfs sei weder mit dem
Wortlaut noch mit dem Zweck des Grundsicherungsgesetzes vereinbar. Das Gesetz sehe
lediglich pauschalierte Leistungen vor. Das Mittagessen werde im Rahmen der
Eingliederungshilfe für Behinderte angeboten und sei folglich eine Sozialleistung nach dem
Bundessozialgesetz. Derartige Sozialleistungen zählten jedoch nicht zum Einkommen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des
Saarlandes vom 16.12.2005 - 3 K 136/05 - den Bescheid des
Beklagten vom 31.7.2003 sowie den aufgrund mündlicher
Verhandlung vom 25.5.2004 ergangenen, am 28.5.2004
ausgefertigten Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses
beim Landkreis B-Stadt aufzuheben und den Beklagten zu
verpflichten, ihm Grundsicherungsleistungen zu gewähren, ohne
diese um den Wert des in der Werkstatt für Behinderte angebotenen
Mittagessens zu mindern.
Der Beklagte beantragt im Wesentlichen unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
die Berufung zurückzuweisen.
Er betont, dass der abgerechnete Betrag nicht als Einkommen in Form eines Sachbezugs
berücksichtigt worden sei, sondern auf der Basis einer häuslichen Ersparnis mit dem
Regelsatzanteil für das Mittagessen. Diese Verfahrensweise komme einer
Regelsatzkürzung, wie sie von verschiedenen Gerichten für zulässig erachtet werde, gleich.
In keinem Fall könne angesichts der Regelung des § 76 BSHG (a.F.) eine doppelte
Leistungsgewährung verschiedener Sozialleistungsträger erfolgen.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im
schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung.
Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 31.7.2003 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.5.2004 ist rechtswidrig und verletzt den
Kläger in seinen Rechten, soweit in diesen Bescheiden die Leistungen nach dem
Grundsicherungsgesetz für den Kläger um monatlich 47,40 Euro gekürzt wurden. In
Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung hat er einen Anspruch auf die Verpflichtung
des Beklagten, ihm im hier streitgegenständlichen Zeitraum bis zum Erlass des
Widerspruchsbescheids vom 25.5.2004 (ausgefertigt am 28.5.2004)
Grundsicherungsleistungen zu gewähren, ohne diese um den Wert des in der Werkstatt für
Behinderte angebotenen Mittagessens zu mindern.
Der Kläger gehört unstreitig zu den Personen, die nach § 1 Nr. 2 des Gesetzes über eine
bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung -GSiG - auf Antrag
Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz beanspruchen können. Das ihm in der
Werkstatt für behinderte Menschen kostenfrei angebotene Mittagessen führt weder zu
einer Bedarfsminderung auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 Nr. 1 GSiG, noch ist es als
Einkommen i.S.d. § 3 Abs. 2 GSiG einzusetzen.
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 GSiG umfasst die bedarfsorientierte Grundsicherung u.a. den für den
Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatz zuzüglich 15 vom Hundert des Regelsatzes
eines Haushaltsvorstandes nach dem Zweiten Abschnitt des Bundessozialhilfegesetzes.
Eine Abänderung des dort geregelten Regelsatzes ist nach Wortlaut, systematischer
Stellung des Grundsicherungsgesetzes, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der
Vorschrift ausgeschlossen.
Dies ergibt sich aus folgendem: Das GSiG enthält selbst keine dem § 22 Abs. 1 S. 2 BSHG
a.F. entsprechende Vorschrift, wonach eine abweichende Festsetzung von den
Regelsätzen nach den Besonderheiten des Einzelfalles erfolgen kann, verweist auch nicht
ausdrücklich auf diese und nimmt darüber hinaus in § 2 Abs. 1 Nr. 1 GSiG nicht auf den 2.
Abschnitt des BSHG allgemein und vollständig Bezug.
Das Tatbestandsmerkmal „für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatz“ in § 3
Abs. 1 Nr. 1 GSiG nimmt seinem Wortlaut nach ausschließlich auf § 22 Abs. 1 Satz 1
BSHG a.F. Bezug. § 22 Abs. 1 S. 1 BSHG a.F. bestimmt, dass laufende Leistungen zum
Lebensunterhalt außerhalb von Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen nach
Regelsätzen gewährt werden. Gemäß Satz 2 der Vorschrift sind sie – wie dargelegt -
abweichend von den Regelsätzen zu bemessen, soweit dies nach der Besonderheit des
Einzelfalles geboten ist. Das Gesetz stellt mithin maßgeblich auf die laufenden Leistungen
zum Lebensunterhalt ab. Diese laufenden Leistungen können durch Regelsätze
gewährleistet werden oder durch von den Regelsätzen abweichende laufende Leistungen
zum Lebensunterhalt. Die von den Regelsätzen abweichenden laufenden Leistungen zum
Lebensunterhalt können nach dem Sprachgebrauch des Bundessozialhilfegesetzes nicht
ihrerseits wieder Regelsätze darstellen. Der Begriff des Regelsatzes besagt mithin, dass es
sich um einen Betrag handelt, der unabhängig von individuellen Bedürfnissen mit dem Ziel
der Bedarfsdeckung nach typisierenden Merkmalen zu bestimmen ist. Die diesen
Merkmalen nicht entsprechenden „untypischen“ Bedürfnisse können im Rahmen des
Sozialhilferechts durch Zu- und Abschläge berücksichtigt werden. Eine Individualisierung des
Bedarfs wird - allein - in § 22 Abs. 1 S. 2 BSHG a.F. („abweichend von den Regelsätzen“)
geregelt und als Abweichung von den Regelsätzen gekennzeichnet. Es handelt sich daher
bei der so festgesetzten abweichenden Pauschale gerade nicht um einen Regelsatz,
sondern um die Regelung der Umstände, die die Anwendung des Regelsatzes ausschließen
sollen. § 3 Abs. 1 GSiG (heute: § 42 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII) enthält indes nur den (auf § 2
der damaligen Regelsatzverordnung bezugnehmenden) „Regelsatzbegriff“, nicht aber den
von diesen „abweichenden“ Begriff
vgl. hierzu OVG Münster, Urteil vom 29.11.2006 - 21 A 1565/05 -,
RdLH 2007, 30, VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24.2.2005 - 2 K
5172/03 -, zitiert nach juris; Schulte-Loh, Anrechnung von
Eingliederungshilfe - Leistungen auf die Grundsicherung nach GSiG
und SGB XII, ZfF 2006, 80 ff..
Demnach bezieht sich aus Sicht des Senats der Begriff „Regelsatz“ in § 3 GSiG nur auf den
Begriff des Regelsatzes in § 22 Abs. 1 S. 1 BSHG a.F.. Eine Anwendung des Satzes 2 von §
22 Abs. 1 BSHG, der eine abweichende Festsetzung des Regelsatzes im Rahmen der
Grundsicherungsleistungen vorsieht, kommt nicht in Betracht.
Auch mit Blick auf seine systematische Stellung ist das Grundsicherungsgesetz (GSiG alten
Rechts) in unterschiedlicher Weise zum Sozialhilferecht geregelt. So hat der Gesetzgeber
im Unterschied zu § 28 SGB I a.F. (Leistungen der Sozialhilfe) eine eigenständige Regelung
für die Leistungen der Grundsicherung in § 28a SGB I a.F. gewählt und nicht eine in § 28
SGB I mitnormierte Leistung.
Nach der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber mit der Grundsicherung eine
eigenständige soziale Leistung bereitstellen, die den grundlegenden Bedarf für den
Lebensunterhalt gewährleistet und ortsnah, zu (großen) Teilen pauschaliert und möglichst
unbürokratisch abgewickelt wird. Ein ergänzender Bedarf an Sozialhilfe sollte möglichst
nicht entstehen. Deshalb sollte unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung
eine nur beschränkt individuelle Bedarfsermittlung erfolgen; der laufende und einmalige
Bedarf wird an den Regelsätzen des BSHG orientiert, der einmalige Bedarf wird durch eine
laufend ausgezahlte Pauschale erfasst, die als Bruchteil des Eckregelsatzes bemessen ist.
vgl. BT-Drucksache 14/5150, S. 49.
Dies bedeutet - wie schon der Titel des Gesetzes besagt - eine (reine) Bedarfsorientierung,
nicht aber eine Bedarfsdeckung durch die gewährten Leistungen. Weder kommt daher der
dem BSHG a.F. immanente Individualisierungsgrundsatz des § 1 Abs. 1 BSHG noch der
wesentliche Grundsatz der anderweitigen Bedarfsdeckung kommt zum Tragen. Im
Rahmen der eigentlichen Grundsicherung kommt es – ungeachtet eines eventuellen
ergänzenden (Sozialhilfe)-Bedarfs - bei der Leistungsgewährung weder zu Gunsten noch zu
Lasten des Antragsberechtigten auf individuelle Umstände des Einzelfalls an.
Die vorstehende Auslegung entspricht mithin Sinn und Zweck der Grundsicherung.
Die Gesetzesbegründung
vgl. BT-Drs. 14/5150, S. 48
betont den Unterschied zur Sozialhilfe. So heißt es: „Alter und dauerhaft volle
Erwerbsminderung stellen Umstände dar, in denen Bürgerinnen und Bürger, die keine
ausreichenden Rentenansprüche erworben haben und über keine weiteren Mittel verfügen,
nicht in der Lage sind, sich selbst zu helfen. Der bisherige Weg, diese Menschen auf die
Sozialhilfe zu verweisen, stellt keine adäquate Lösung dar. Aufgabe der Sozialhilfe ist es, in
Einzelfällen bei vorübergehender Notlage nachrangig den notwendigen Lebensunterhalt
sicherzustellen und Hilfen zur Überwindung zu gewähren. Außerdem hält beispielsweise die
Furcht vor dem Unterhaltsrückgriff auf die Kinder vor allem ältere Menschen oftmals vom
Gang zum Sozialamt ab. Eine dem sozialen Gedanken verpflichtete Lösung muss hier einen
gesamtgesellschaftlichen Ansatz wählen, der eine würdige und unabhängige Existenz
sichert.“
Bei den vom GSiG umfassten besonderen Gruppen der Älteren und Erwerbsunfähigen
werden der Regelsatz sowie die Mehrbedarfe zur Deckung der alters- und
behinderungsbedingten Bedarfe daher im Unterschied zum früheren Recht der Sozialhilfe
nach BSHG a.F. eher wie eine rentenähnliche Leistung zur Bewältigung der nicht mehr
umkehrbaren Umstände als Lebensunterhaltsleistungen gewährt. Diesem entspricht die
vom Gesetzgeber beabsichtigte Dauersicherung des dadurch begünstigten
Personenkreises; der als voraussichtlich endgültig angenommene Ausschluss dieser
Personengruppen vom Erwerbsleben und von den Möglichkeiten des eigenen Bestreitens
des Lebensunterhaltes, der im Alter für unmöglich oder für „unwahrscheinlich“ bei
Erwerbsminderung gehalten wird (§ 1 GSiG, § 41 Abs. 1 Ziff. 2 SGB XII), führt zu einem
Dauerbedarf und einer rentenähnlichen Dauerleistung. Voraussetzung dafür ist, dass die
Sicherung des Lebensunterhaltes durch die Pauschalen des § 3 GSiG (bzw. nunmehr § 42
SGB XII) gewährleistet erscheint. Durch diese Zweckrichtung sind sie der individuellen
Festlegung der Grundsicherungsbehörden entzogen, weil das Grundsicherungsgesetz die
Bedarfsorientiertheit auf der Seite der Leistungen auf gesetzliche Pauschalen stützt.
Bei der Einführung des GSiG ging es um die Zurückdrängung des sozialhilferechtlichen
Bedarfsdeckungsprinzips durch weitgehende Pauschalierung von Leistungen
vgl. hierzu etwa VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24.2.2005, a.a.O.;
Linhart/Adolph, SGB XII, Stand April 2005, § 41 Rnrn. 2 ff; Schoch,
Unterhaltspflicht und Grundsicherung, ZfF 2003, 1,14 und zur
Umsetzung des Grundsicherungsgesetzes, info also 2002, 157, 160
f
Eine anderweitige Bedarfsdeckung führt deshalb nicht zu einer individuellen Änderung des
Regelsatzes im Rahmen des Grundsicherungsgesetzes, das – wie dargelegt - nach seinem
Sinn und Zweck nicht vom Maßstab der bloßen Bedarfsdeckung, sondern vom Grundsatz
der Bedarfsorientierung geprägt ist. Somit ist eine individualisierende Korrektur des
Regelsatzes durch eine eventuelle (im Einzelfall erkannte) anderweitige Bedarfsdeckung,
wie sie das BSHG a.F. unter dem Aspekt des Bedarfsdeckungs- und
Individualisierungsgrundsatzes vorsah, für den Grundsicherungsberechtigten
ausgeschlossen und kann der Grundsicherungsträger das in einer Werkstatt zur Verfügung
gestellte Essen nicht bedarfsdeckend auf den maßgebenden Regelsatz des
Grundsicherungsberechtigten anrechnen.
vgl. zu Vorstehendem Schulte-Loh, Anrechung von
Eingliederungshilfe-Leistungen auf die Grundsicherung von GSiG und
SGB XII, ZfS 2006, 80 ff.; Renn, Grundsicherung und Sozialhilfe, info
also 2002, 151, 154; 156; OVG Münster, Urteil vom 29.11.2006,
a.a.O.; SG Dortmund, Urteil vom 18.10.2005 - S 31 SO 10/05 -,
NDV-RD 2006, 40; a.A. VG Augsburg, Urteil vom 29.4.2004 - Au 3 K
03.1033 -; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.7.2006 - L 8
SO 45/06 ER - zitiert nach juris, zu dem seit dem 1. 1. 2005
geltenden Recht.
Auch eine Anrechnung des in der Behindertenwerkstatt kostenfrei angebotenen
Mittagessens als Einkommen kommt vorliegend nicht in Betracht. Zwar kann nach § 3 Abs.
2 GSiG (heute § 41 Abs. 2 SGB XII) eine Individualisierung im Rahmen der Anrechnung von
Einkommen und Vermögen erfolgen. § 3 Abs. 2 GSiG verweist insoweit auf die §§ 76 ff.
BSHG a.F.. Das hier umstrittene Mittagessen ist aber dennoch nicht als Einkommen im
Sinne der genannten Vorschriften zu berücksichtigen.
Dies ergibt sich aus folgendem: Nach § 3 Abs. 2 GSiG gelten für den Einsatz von
Einkommen und Vermögen die §§ 76 bis 88 BSHG und die dazu erlassenen
Rechtsverordnungen entsprechend. Nach § 76 Abs. 1 BSHG gehören zum Einkommen im
Sinne dieses Gesetzes alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme u.a. der
Leistungen „nach diesem Gesetz“. Dies ist so zu verstehen, dass auch für den Bereich der
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung alle Leistungen nach dem
Bundessozialhilfegesetz nicht zum Einkommen zählen. Der Bezug einer Sozialleistung (nach
diesem Gesetz) stellt daher nach der Einkommensdefinition des § 76 Abs. 1 a.F. im
sozialrechtlichen Sinne kein Einkommen dar.
Es trifft zwar zu, dass im Rahmen der Grundsicherung die § 76 ff. BSHG nur entsprechend
anwendbar sind und dass Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (alten Rechts)
eigenständige soziale Leistungen sind, die nicht mit der laufenden Hilfe zum
Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz gleichgesetzt werden können. Wegen
der gleichen Zielsetzung dieser Leistungen, den Lebensunterhalt von Bedürftigen
sicherzustellen, ist aber davon auszugehen, dass alle Einkünfte, die sozialhilferechtlich nicht
zu berücksichtigen sind, auch im Rahmen der Grundsicherung nicht dazu herangezogen
werden dürfen, den Lebensunterhalt zu decken
vgl. OVG Münster, Urteil vom 29.11.2006, a.a.O.;
Es besteht kein durchgreifender Anlass für die Annahme, dass der Gesetzgeber die
Empfänger von Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz bei der Anrechnung von
Einkommen schlechter stellen wollte, als Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach
dem Bundessozialhilfegesetz.
Wenn demnach alle Leistungen, die ihre Rechtsgrundlage unmittelbar im
Bundessozialhilfegesetz a.F. haben, nicht als Einkommen gelten, so darf auch der Wert des
in der Werkstatt für behinderte Menschen angebotenen Mittagessens nicht als Einkommen
Berücksichtigung finden. Denn dieses Mittagessen wird im Rahmen der Eingliederungshilfe
für behinderte Menschen nach §§ 27 Abs. 1 Nr. 3, 39, 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BSHG a.F.
angeboten. Wie sich § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BSHG herleiten lässt, sind Leistungen, die -
wie das Mittagessen - auch dem Lebensunterhalt des Betroffenen dienen, Teil der
Eingliederungshilfe und nicht etwa ein zusätzlicher Bestandteil des Lohnes. Sinn und Zweck
der Übernahme der Verpflegungskosten (durch den überörtlichen Träger) in Werkstätten
für behinderte Menschen beschränken sich nicht auf den bloßen Nährwert des Essens,
sondern umfassen das integrative Moment der gemeinsamen Mahlzeit als eigenständige
Eingliederungsleistung,
vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.12.2006 – L
15 B 221/06 SO; SG Neubrandenburg – S 6 SO 35/05 jeweils zitiert
nach juris; siehe auch § 41 Abs. 2 SGB IX.
Gegen die Anrechnung des Mittagessens auf die Leistungen der Grundsicherung nach GSiG
spricht maßgeblich schließlich auch die Regelung in § 43 Abs. 2 , Satz 3 BSHG (heute: § 92
Abs. 2 SGB XII). Danach ist bei Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte
Menschen ein Beitrag für die Kosten des Lebensunterhalts aus dem Einkommen nicht
zumutbar, wenn das Einkommen des behinderten Menschen insgesamt einen Betrag in
Höhe des zweifachen Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes nicht übersteigt. Somit ist
normiert, unter welchen Voraussetzungen ein behinderter Mensch einen Kostenbeitrag zu
den ihm im Rahmen der Eingliederungshilfe gewährten Leistungen (für den
Lebensunterhalt) in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen leisten muss.
Diesem widerspräche es, wenn der behinderte Mensch über eine Anrechung als
Einkommen i.S.v. § 76 Abs. 1 BSHG doch die Kosten für einen Teil der Leistungen in der
Werkstatt für behinderte Menschen aufbringen müsste, obwohl er nicht ein Einkommen
von mehr als dem zweifachen Regelsatz eines Haushaltsvorstandes hat
vgl. hierzu OVG Münster, Urteil vom 29.11.2006, a.a.O..
Letztlich entspricht diese Einschätzung auch der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zum Kostenbeitrag (wegen häuslicher Ersparnis) eines
Behinderten zu den Kosten der Betreuung in einer Behindertenwerkstatt. Dieses hat, wenn
der Behinderte - wie nach der Überzeugung des Senats hier der Kläger - das Mittagessen
kostenfrei von dem mit ihm in Haushaltsgemeinschaft lebenden Eltern erhalten würde, die
Einforderung eines Kostenbeitrags verneint
vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8.5.1996 - 5 B 13/96 und 17/96 -,
Urteil vom 19.3.1992 - 5 C 20/87 – zu § 85 BSHG.
Aufwendungen wären nämlich insoweit nicht bei dem Grundsicherungsberechtigten erspart
worden, sondern allenfalls bei seinen Eltern. Auch dies verbietet eine Anrechnung des
Wertes des Mittagessens als Einkommen bei dem Kläger (vgl. insoweit auch § 43 Abs. 2
Satz 2 BSHG).
Nach dem Gesagten greift auch der von dem Beklagten in den Vordergrund gestellte
Gesichtspunkt der „Doppelversorgung“ nicht. Eine Zweckidentität der Leistungen der
Sozialträger besteht wie dargelegt insbesondere mit Blick auf die – auch – integrative
Zweckrichtung des kostenfrei in ein einer Werkstätte für Behinderte zur Verfügung
gestellten Mittagessens nicht. Maßgeblich ist die Wertentscheidung in den §§ 76 ff. BSHG
a.F.. Mit den insbesondere in den §§ 76, 77 BSHG bestimmten Negativdefinitionen von
Einkommen will der Gesetzgeber verhindern, dass der eine Sozialträger dem
Hilfeempfänger das entzieht, was der andere zu gewähren hat. Durch die Übernahme des
sozialhilferechtlichen Einkommensbegriffs in das GSiG sichert der Gesetzgeber, dass der
Leistungsberechtigte (mindestens) die nach den §§ 76 ff. BSHG a.F. genannten
anrechnungsfreien Sozialleistungen neben den Leistungen des GSiG ungeschmälert
beziehen und verbrauchen kann. Dieser Grundsatz würde verletzt, wenn der Träger der
Grundsicherung Mittel für die Kosten des Mittagessens in der Werkstatt, die der
überörtliche Träger der Sozialhilfe trägt, auf seine von ihm zu erbringenden Leistungen
nach dem GSiG oder dem SGB XII anrechnete,
vgl. hierzu Schulte – Loh a.a.O..
Abschließend betont der Senat, dass vorliegend (allein) eine Entscheidung über die
Gewährung von Leistungen nach GSiG zu treffen war, bevor diese zum 1.1.2005 in das
SGB XII einbezogen wurden und nunmehr der Beurteilung durch die Sozialgerichtsbarkeit
unterliegen. Die zu neuem Recht (u.a. unter Berücksichtung des ausdrücklichen Verweises
des § 42 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII insgesamt auf § 28 SGB XII und dessen Regelsatzbegriff)
ergangenen Entscheidungen der Sozialgerichtsbarkeit, die zum Teil divergierend sind,
vgl. hierzu etwa LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom
28.7.2006 - L 8 SO 45/06 - ER, SG Köln, Urteil vom 20.9.2006 - S
10 SO 63/06 – für eine Anrechnung einerseits, LSG Brandenburg,
Beschluss vom 13.12.2006 - L 15 B 221/06 SO -, SG Dortmund,
Urteil vom 18.10.2005 - S 31 SO 10/05 - andererseits
überzeugen, soweit sie eine Anrechnungsmöglichkeit positiv feststellen, aus den
dargelegten Gründen im Rahmen einer Leistungsgewährung nach dem GSiG (alten Rechts)
nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 a.F. VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 Abs. 1 VwGO,
708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht
vorliegen.