Urteil des OVG Saarland vom 20.03.2008
OVG Saarlouis: bundesamt für migration, politische verfolgung, aufenthaltserlaubnis, körperliche unversehrtheit, ambulante behandlung, psychiatrische untersuchung, medikamentöse behandlung, ausländer
OVG Saarlouis Beschluß vom 20.3.2008, 2 A 33/08
Zuständigkeit bei Geltendmachung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse
Leitsätze
Es ist nicht Aufgabe des Oberverwaltungsgerichts, anstelle des Antragstellers
beziehungsweise seines Prozessbevollmächtigten aus einem Gemenge von Darlegungen,
die ohne Bezug zu einem der Tatbestände des § 124 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der
Berufung vorgebracht werden, mit Überlegungs- und Auslegungsaufwand zu ermitteln,
welcher Teilaspekt des Vorbringens sich welchem Zulassungsgrund
– zutreffend – zuordnen lässt.
Asylbewerber können zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse (§ 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG) ebenso wie eine drohende politische Verfolgung im Heimatland (Art. 16a Abs. 1
GG, § 60 Abs. 1 AufenthG) mit Blick auf die dem § 42 AsylVfG zu entnehmende
Bindungswirkung der diesbezüglich negativen Entscheidung des Bundesamtes generell nicht
mit Erfolg gegenüber der Ausländerbehörde geltend machen. Diese darf in diesen Fällen
den Einwand zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG)
nur und erst dann berücksichtigen, wenn das nach § 31 Abs. 3 AsylVfG (1993/2005) zur
Entscheidung auch darüber berufene Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das
Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift festgestellt hat.
Entscheidend hierfür ist nicht allein die formelle Stellung eines Asylantrags durch den
betroffenen Ausländer, sondern ob seinem Vorbringen materiell ein Asylgesuch im
Verständnis des § 13 AsylVfG entnommen werden kann, auch wenn er ausdrücklich von
der Stellung eines förmlichen Asylantrags (§ 14 AsylVfG) Abstand genommen hat.
Das Vorbringen des Ausländers gegenüber den Behörden ist in seiner Gesamtheit zu
würdigen und dabei ist insbesondere auch in von ihm vorgelegten ärztlichen
Stellungnahmen und Berichten enthaltener tatsächlicher „Vortrag“ zu berücksichtigen.
Da der § 13 AsylVfG der Konzentration und der Beschleunigung von Verfahren dient und
letztlich auch Verzögerungen durch etwaige einem ausländerbehördlichen Verfahren
nachgeschaltete förmliche Asylanträge ausschließen soll, kann nicht davon ausgegangen
werden, dass die Ausländerbehörde berechtigt oder sogar verpflichtet wäre, eine potentiell
dem Bereich politischer Verfolgung zuzurechnende Rückkehrgefährdung bei Ausländern, die
aus anderen Gründen die Stellung eines förmlichen Asylantrags ablehnen, gewissermaßen
„aufzuspalten“ und unter „Eliminierung politischer Elemente“ mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz
1 AufenthG einer isolierten Überprüfung und Entscheidung zuzuführen.
Der Anwendungsbereich des § 72 Abs. 2 AufenthG betrifft insbesondere gravierende und
sich zeitnah realisierende krankheitsbedingte Gefährdungen eines Ausländers aufgrund
fehlender oder für den Betroffenen nicht erreichbarer Behandlungsmöglichkeiten in seinem
Heimatland, wenn dieser zuvor nie ein Asylgesuch gestellt hatte, oder – in engen
Ausnahmen – die Fallkonstellationen, in denen die eigenständige ausländerbehördliche
Entscheidungszuständigkeit bei der Geltendmachung so genannter Allgemeingefahren
durch im Wege ausländerbehördlicher Erlassregelungen geschützter Asylbewerber wegen
der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zur Schließung grundrechtlicher
Schutzlücken geboten ist.
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren in zweiter Instanz wird
abgelehnt.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 4. Dezember 2007 - 2 K 461/07 - wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger ist bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger und begehrt vom Beklagten
die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Er reiste erstmals im November 1993 als
Bürgerkriegsflüchtling in die Bundesrepublik Deutschland ein und erhielt eine Duldung.
Nachdem sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt worden war,
(vgl. den Bescheid der Landeshauptstadt München vom 26.3.1997 – KVR II/32
BKFU2/202-GVF –, Blatt 82 der Ausländerakte) kehrte er 1997 nach Bosnien-Herzegowina
zurück.
Am 4.6.2006 reiste er mit einem bis 30.6.2006 befristeten Besuchervisum
(„Kurzaufenthalt“) erneut nach Deutschland ein. Mit Schreiben vom 30.6.2006 beantragte
er bei der damals zuständigen Ausländerbehörde der Landeshauptstadt A-Stadt die
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Zur Begründung verwies er auf eine „schwere
psychische Erkrankung“, die im Heimatland nicht adäquat behandelt werden könne, und
legte ein ärztliches Attest der neuropsychiatrischen Ambulanz des Krankenhauses von
Bosanska Dubica vom Dezember 2005 vor. Im Juli 2006 reichte er eine vom 20.7.2006
datierende Stellungnahme der Organisation „Therapie Interkulturell e.V. – Beratung von
Frauen für Frauen“ zu den Akten.
In einem Bericht des Gesundheitsamts beim damaligen Stadtverband A-Stadt vom
28.9.2006 über eine amtsärztliche und psychiatrische Untersuchung heißt es, bei dem
Kläger liege eine dringend behandlungsbedürftige posttraumatische Belastungsstörung vor.
Hinzu kämen deutliche psychopathologische Auffälligkeiten, die den Verdacht auf eine
paranoide Psychose begründeten. Eine möglichst schnelle nervenärztliche und
medikamentöse Behandlung sei dringend notwendig. Die im Heimatland vorgenommene
ambulante Behandlung sei nicht ausreichend. Aus ärztlicher Sicht könne dem Kläger eine
Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina „unter keinen Umständen zugemutet“ werden.
In einer vom Kläger zu den Akten gereichten Bescheinigung des Arztes für Neurologie,
Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. K. Mutter vom 30.11.2006 heißt es, der Kläger
bedürfe dringend psychiatrischer und psychotherapeutischer Hilfe, die er nicht dort in
Anspruch nehmen könne, wo die posttraumatische Belastungsstörung „entstanden und
später wieder aufgeflammt“ sei. In seiner fachärztlichen Bescheinigung vom 22.1.2007
heißt es ergänzend, eine Rückführung des Klägers nach Bosnien werde nicht nur eine
erfolgreiche Behandlung unmöglich machen, sondern die Beschwerden erheblich verstärken
und zu einer Suizidgefahr führen.
Nachdem eine durch die Ausländerbehörde A-Stadt mehrfach angeforderte und als
Voraussetzung für ihre Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis bezeichnete Stellungnahme des Bundesamts für Migration und
Flüchtlinge zur Frage des Vorliegens eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses
nicht erlangt werden konnte, hat der Kläger im März 2007 eine so genannte „echte“
Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht erhoben, mit der er zunächst die Verpflichtung
zur Entscheidung über seinen Antrag begehrt hat.
Die Stellungnahme des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge datiert vom 13.7.2007.
Darin wird ausgeführt, da der Kläger Repressalien durch die serbische Bevölkerung in seiner
Heimat befürchte und damit Schutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG begehre, handele es sich in
Wahrheit um ein Asylgesuch und nicht um eine Geltendmachung insoweit subsidiärer
Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG, so dass auch kein Fall des
Beteiligungserfordernisses nach § 72 Abs. 2 AufenthG vorliege. Für eine Entscheidung über
„auslandsbezogene Abschiebungsverbote“ sei ausschließlich das Bundesamt zuständig. In
diesen Fällen obliege ihm auch die Entscheidung über zielstaatsbezogene
Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Stelle der Ausländer keinen
Asylantrag, könne er solche Hindernisse nicht gegenüber der Ausländerbehörde geltend
machen.
Mit Bescheid vom 17.10.2007 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers, der zuvor
erklärt hatte, dass er keinen Asylantrag stellen werde, auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis unter Hinweis auf seine Unzuständigkeit für die Prüfung im Sinne des §
60 Abs. 7 AufenthG ab, forderte ihn zur Ausreise binnen vier Wochen auf und drohte ihm
für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung an.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Verneinung der Zuständigkeit durch den Beklagten
nach 18-monatiger Prüfung der Angelegenheit sei nicht nachvollziehbar, und beantragt, die
– damalige – Beklagte als zuständige Ausländerbehörde unter Aufhebung des Bescheides
vom 17.10.2007 zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 4.12.2007 – 2 K 461/07 –
abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde darauf verwiesen, dass die
Ausländerbehörde für die im Rahmen des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
nach dem allein in Betracht kommenden § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG notwendige
Entscheidung über das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen im Zielstaat drohender
Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG nicht zuständig sei. Ungeachtet
der Tatsache, dass der Kläger seinen Antrag ausschließlich mit unzureichenden
Behandlungsmöglichkeiten seiner psychischen Erkrankung begründet habe, sei sein
Begehren „der Sache nach“ zumindest auch auf die Gewährung asylrechtlichen Schutzes
im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylVfG gerichtet. Dem Attest der Beratungsstelle Therapie
Interkulturell e.V. sei zu entnehmen, dass die beim Kläger diagnostizierte posttraumatische
Belastungsstörung beziehungsweise die nach seiner Rückkehr erfolgte Retraumatisierung in
Bedrohungen und Anfeindungen insbesondere durch bosnische Serben begründet liege und
dass er sein Heimatland offensichtlich aus Angst vor diesen Bedrohungen verlassen habe.
Entsprechendes ergebe sich auch aus den weiteren bei den Behördenakten befindlichen
ärztlichen Stellungnahmen und Berichten. Auch in der Stellungnahme des Staatlichen
Gesundheitsamtes vom September 2006 sei dargelegt, dass die Ängste des Klägers durch
„Drohungen seiner Landsleute“ begründet seien, nachdem er im Krieg unfreiwillig auf
Seiten der Kroaten habe kämpfen müssen. Abschließend heiße es dort, dass dem Kläger
im Hinblick auf die „zusätzlich bestehende posttraumatische Belastungsstörung“ mit der
„erlebten fortbestehenden Bedrohung durch serbische Landsleute“ aus amtsärztlicher
Sicht eine Rückkehr nicht zugemutet werden könne. Da sich der Kläger die ärztlichen und
psychologischen Stellungnahmen mit deren Inhalt zu Eigen gemacht habe, könne sein
Vorbringen nur so gedeutet werden, dass er sich auf die Angst vor fortgesetzten
Anfeindungen und Bedrohungen zwar vorrangig im Hinblick auf die Diagnose einer
posttraumatischen Belastungsstörung berufen habe, aber nicht nur, sondern jedenfalls
auch und notwendigerweise zur Begründung seines Anspruchs auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Stehe das geltend gemachte
Abschiebungsverbot aber in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Furcht vor weiteren
Verfolgungsmaßnahmen im Heimatland, so liege seinem Antrag auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis in Wahrheit materiell ein Asylgesuch zugrunde mit der Folge, dass
dem Beklagten die Entscheidungskompetenz fehle und der Kläger zwingend auf das
Asylverfahren zu verweisen sei.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Zulassung der Berufung beantragt.
II.
Die vom Kläger begehrte Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren konnte
wegen von Anfang an fehlender hinreichender Erfolgsaussicht des Rechtsmittels nicht
gewährt werden (§§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO)
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung (§§ 124a Abs. 4, 124 Abs. 1 VwGO)
gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 4.12.2007 – 2 K 461/07 -, mit dem seine
Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgewiesen
wurde, muss erfolglos bleiben. Dem den gerichtlichen Prüfungsumfang mit Blick auf das
Darlegungserfordernis (§ 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO) begrenzenden
Antragsvorbringen kann das Vorliegen eines der in § 124 Abs. 2 VwGO abschließend
aufgeführten Zulassungsgründe nicht entnommen werden.
Dabei mag dahinstehen, ob das keinen der Zulassungstatbestände des § 124 Abs. 2
VwGO benennende Vorbringen des Klägers den Anforderungen dieses Darlegungsgebots
genügt. (vgl. hierzu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 14.2.2007 – 3 Q 163/06 –,
SKZ 2008, 19, Leitsatz Nr. 3, wonach es nicht Aufgabe des Oberverwaltungsgerichts ist,
anstelle des Antragstellers beziehungsweise seines Prozessbevollmächtigten aus einem
Gemenge von Darlegungen, die ohne Bezug zu einem der Zulassungstatbestände des
§ 124 Abs. 2 VwGO vorgebracht werden, mit Überlegungs- und Auslegungsaufwand zu
ermitteln, welcher Teilaspekt des Vorbringens sich welchem Zulassungsgrund – zutreffend
– zuordnen lässt) Interpretiert man den allgemeinen Verweis des Klägers darauf, dass das
Urteil „rechtsfehlerhaft ergangen“ sei, dahingehend, dass damit ernstliche Zweifel an der
Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) (vgl. dazu
allgemein etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 21.6.2002 – 1 Q 55/01 -, SKZ 2002,
289, Leitsatz Nr. 15, wonach die Frage des Vorliegens ernstlicher Zweifel am Maßstab der
Ergebnisfehlerhaftigkeit zu beurteilen ist und eine Prognose dahingehend erfordert, ob das
angestrebte Rechtsmittel voraussichtlich Erfolg haben wird, ständige Rechtsprechung; dazu
auch BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 – 7 AV 4/03 -, DVBl. 2004, 838, wonach die
Vorschrift – ebenso wie der Tatbestand zu Nr. 2 - die Richtigkeit der Entscheidung
gewährleisten soll und „ernstliche Zweifel“ (Nr. 1) auch dann nicht anzunehmen sind, wenn
sich das angegriffene Urteil zwar nicht aus den darin angegebenen Gründen, aber aus
anderen Gründen als offensichtlich richtig erweist) geltend gemacht werden sollten, so
lässt sich der Begründung des Antrags das Vorliegen (auch) dieses Zulassungsgrundes
nicht entnehmen.
Dabei geht es zentral um die Frage, ob für die Beurteilung eines aus einer unzureichenden
Behandelbarkeit der bei dem Kläger nach den bei den Akten befindlichen ärztlichen
Berichten festgestellten psychischen Erkrankungen im Heimatland eventuell abzuleitenden
zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) als eine
Voraussetzung für die Erteilung der von ihm begehrten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs.
3 Satz 1 AufenthG der Beklagte als örtliche Ausländerbehörde nach Beteiligung des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gemäß § 72 Abs. 2 AufenthG oder originär und
ausschließlich dieses Bundesamt im Rahmen eines von dem Kläger zu betreibenden
Asylverfahrens zuständig ist. Die auf die zeitliche Abfolge zielende Kritik des Klägers, dass
die früher zuständige Ausländerbehörde bei der Landeshauptstadt A-Stadt selbst über ein
Jahr nach der Antragstellung durch den Kläger, nämlich bis zum Vorliegen der
„Stellungnahme“ des Bundesamts vom 13.7.2007 im erstgenannten Sinne von seiner
eigenen Zuständigkeit ausgegangen ist, bevor sie sich – nach zwischenzeitlich erhobener
Untätigkeitsklage seinerseits im Gefolge mehrfachen Anmahnens einer Entscheidung über
sein Begehren – im Ablehnungsbescheid vom Oktober 2007 erstmals (selbst) für
unzuständig erklärt hat, ist sicher nachvollziehbar, kann allerdings für die Beantwortung der
Rechtsfrage nach der Zuständigkeit keine entscheidende Bedeutung erlangen.
Auf der Grundlage der in dem erstinstanzlichen Urteil angeführten höchstrichterlichen
Rechtsprechung, (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3.3.2006 – 1 B 126.05 –, NVwZ 2006,
830) die sich auch der Senat zu Eigen gemacht hat, (vgl. etwa OVG des Saarlandes,
Beschluss vom 1.2.2007 – 2 W 37/06 –, SKZ 2008, 52, Leitsatz Nr. 62) unterliegt keinen
ernstlichen Zweifeln, dass das Verwaltungsgericht im konkreten Fall zutreffend von einer
(alleinigen) Zuständigkeit des Bundesamts für die Feststellung eines etwaigen
zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Falle des Klägers ausgegangen ist.
Asylbewerber können zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse (§ 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG, früher § 53 Abs. 6 AuslG) ebenso wie eine drohende politische Verfolgung im
Heimatland (Art. 16a Abs. 1 GG, § 60 Abs. 1 AufenthG) mit Blick auf die dem § 42 AsylVfG
zu entnehmende Bindungswirkung der diesbezüglich negativen Entscheidung des
Bundesamtes generell nicht mit Erfolg gegenüber der Ausländerbehörde geltend machen.
(vgl. zu den Bindungswirkungen der negativen Entscheidungen des Bundesamts für die mit
der Durchführung der Abschiebung betrauten Ausländerbehörden nach § 42 AsylVfG etwa
OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 6.12.2006 – 2 W 31/06 -, vom 26.7.2006 – 2 W
21/06 -, vom 17.5.2006 – 2 W 11/06 -, SKZ 2006, 224, Leitsatz Nr. 65, vom 15.3.2005
– 2 W 5/05 –, SKZ 2005, 299, Leitsatz Nr. 53, vom 16.6.2005 – 2 W 9/05 –, vom
18.10.2005 – 2 W 15/05 –, SKZ 2006, 59, Leitsatz Nr. 71, und vom 8.12.2005 – 2 W
35/05 -, SKZ 2006, 61 Leitsatz Nr. 78) Diese darf in diesen Fällen den Einwand
zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) nur und erst
dann berücksichtigen, wenn das nach § 31 Abs. 3 AsylVfG (1993/2005) zur Entscheidung
auch darüber berufene Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Vorliegen der
tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift festgestellt hat. (vgl. etwa OVG des
Saarlandes, Beschluss vom 15.3.2005 – 2 W 5/05 -, SKZ 2005, 299, Leitsatz Nr. 53,
dazu auch BVerwG, Beschluss vom 3.3.2006 – 1 B 126.05 -, NVwZ 2006, 830)
Entscheidend hierfür ist nicht allein die formelle Stellung eines Asylantrags durch den
betroffenen Ausländer, sondern ob seinem Vorbringen materiell ein Asylgesuch im
Verständnis des § 13 AsylVfG entnommen werden kann. Die Zuständigkeitsverlagerung auf
das Bundesamt erfasst auch die Fälle, in denen die Schutzsuchenden gegenüber der
Ausländerbehörde inhaltlich ein Asylgesuch im Sinne des § 13 AsylVfG geltend gemacht,
indes – wie hier der Kläger im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens – ausdrücklich bisher
von der Stellung eines förmlichen Asylantrags (§ 14 AsylVfG) Abstand genommen haben.
Auch dann bleibt der Ausländerbehörde eine selbständige Entscheidung über die
Gewährung von Abschiebungsschutz aus diesen Gründen verwehrt, wenn die geltend
gemachte zielstaatsbezogene Gefährdung zumindest zum Teil thematisch dem Bereich
politischer Verfolgung zuzuordnen ist und daher gegebenenfalls ein Abschiebungsverbot
nach § 60 Abs. 1 AufenthG begründen würde.
Nach der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Vorbringen des
Ausländers gegenüber den Behörden in seiner Gesamtheit zu würdigen und dabei
insbesondere auch in von ihm vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen und Berichten
enthaltener tatsächlicher „Vortrag“ zu berücksichtigen. Die von dem Kläger ausweislich der
von ihm selbst in das Verfahren eingeführten Stellungnahme der Organisation „Therapie
Interkulturell e.V. – Beratung von Frauen für Frauen“ vom 20.7.2006 als
„retraumatisierend“ geschilderten ständigen und dauerhaften Drangsalierungen nach der
Rückkehr ins Heimatland, die dazu geführt hätten, dass er sich nicht mehr aus dem Haus
getraut habe und die dort als Ursache von „Panikanfällen“ und letztlich auch seiner
Wiederausreise angegebenen Befürchtungen, ebenso wie mehrere andere junge Männer
und „ein guter Bekannter“ von Serben ermordet zu werden, betrifft die Frage politischer
Verfolgung im Sinne der Definition des § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG in Form einer dem
(hier: bosnisch-herzegowinischen) Staat aufgrund fehlender staatlicher Schutzbereitschaft
oder Schutzfähigkeit zurechenbaren Verfolgung durch „nichtstaatliche Akteure“. Die in dem
angegriffenen Urteil aufgeführten weiteren ebenfalls von ihm ins Verfahren eingeführten
Belege für entsprechende Äußerungen des Klägers gegenüber verschiedenen Stellen
brauchen hier nicht wiederholt zu werden. In derartigen Fällen sind die Betroffenen auf das
Verfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und damit auf die Stellung
eines Asylantrags zu verweisen. Die bereits mit dem Asylgesuch begründete
ausschließliche Zuständigkeit des Bundesamts erstreckt sich dann generell auf den Schutz
vor allen Gefährdungen im Heimatstaat. Der Schutz suchende Ausländer ist zwingend auf
das insoweit alle Schutzformen umfassende Asylverfahren vor dem Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge zu verweisen. Ihm steht insoweit insbesondere kein Wahlrecht zu,
welches es ihm gestattete, auf die Einschaltung des Bundesamts zu verzichten und
stattdessen die örtliche Ausländerbehörde mit der Thematik zu befassen. § 13 AsylVfG
dient der Konzentration und der Beschleunigung von Verfahren und soll letztlich auch
Verzögerungen durch etwaige einem ausländerbehördlichen Verfahren nachgeschaltete
förmliche Asylanträge ausschließen. (vgl. auch dazu BVerwG, Beschluss vom 3.3.2006 – 1
B 126.05 -, NVwZ 2006, 830, wonach derjenige Schutzsuchende, der sich materiell auf
Asylgründe beruft, nach § 13 Abs. 1 AsylVfG zwingend auf das alle Schutzersuchen und
Schutzformen umfassende Asylverfahren zu verweisen ist und ein diesbezügliches
Schutzformen umfassende Asylverfahren zu verweisen ist und ein diesbezügliches
Wahlrecht zwischen asylrechtlichem und ausländerrechtlichem Schutz vor Verfolgung im
Heimatland nicht besteht) Mit Blick auf das generelle Anliegen des Gesetzgebers, gerade
im Bereich von Asylsuchenden Doppelprüfungen, das heißt „doppelte“ Zuständigkeiten
hinsichtlich der zu treffenden Entscheidungen, zu vermeiden, kann auch nicht davon
ausgegangen werden, dass die Ausländerbehörde berechtigt oder sogar verpflichtet wäre,
eine potentiell dem Bereich politischer Verfolgung zuzurechnende Rückkehrgefährdung bei
Ausländern, die aus anderen Gründen die Stellung eines förmlichen Asylantrags ablehnen,
gewissermaßen „aufzuspalten“ und unter „Eliminierung politischer Elemente“ mit Blick auf
§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG einer isolierten Überprüfung und Entscheidung zuzuführen.
(anders, allerdings noch zur früheren Rechtslage, insbesondere zu § 53 AuslG VGH
Mannheim, Beschluss vom 14.12.1993 – A 16 S 2005/93 -, VBlBW 1994, 454 unter
Aufgabe abweichender früherer Rechtsprechung, OVG Schleswig, Beschluss vom
8.10.1992 – 4 M 89/92 -, InfAuslR 1993, 18, jeweils unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss
vom 3.4.1992, InfAuslR 1993, 176, wobei in beiden Entscheidungen über die heutige
Rechtslage (§ 42 AsylVfG) hinaus sogar auch die Möglichkeit einer Geltendmachung von
zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen gegenüber der Ausländerbehörde trotz
Vorliegens einer negativen Entscheidung des Bundesamts hierzu bejaht wurde; wie hier
bereits damals: OVG Hamburg, Beschluss vom 17.10.1995 – Bs V 27/95 -, DVBl. 1996,
628, wonach die Ausländerbehörde zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse (nach
§ 53 AuslG) mit „politischem Charakter“ auch dann außer Betracht zu lassen hatte, wenn
der Ausländer die Stellung eines Asylantrags ablehnt; insoweit noch ausdrücklich offen
gelassen in BVerwG, Beschluss vom 3.12.1997 – 1 B 219.97 -, DVBl. 1998, 286) Eine
Veranlassung, den durchgängig vom Kläger geschilderten, seinen Erkrankungen ursächlich
zugrunde liegenden Lebenssachverhalt entsprechend zu „zerlegen“, weil dieser nunmehr
angibt, er verzichte auf eine „Geltendmachung“ einer politischen Verfolgung im Sinne des §
60 Abs. 1 AufenthG beziehungsweise die Ereignisse vor seiner Wiederausreise, speziell die
„Beschimpfungen durch die Serben“, seien nicht „traumaauslösend“ gewesen, können von
daher ebenfalls keine andere Beurteilung rechtfertigen. Würde dem Ausländer eine eigene
„Verwertung“ nur von Teilen seines Schicksals mit entsprechenden Auswirkungen auf die
behördlichen Zuständigkeiten zugebilligt, so liefe das im Ergebnis auf die Einräumung eines
Wahlrechts durch die „Hintertür“ hinaus, das – wie ausgeführt – dem zentralen Anliegen
des Bundesgesetzgebers widerspräche.
Zwar spricht nach gegenwärtigem Erkenntnisstand manches dafür, dass die von dem
Kläger erwähnten dauernden massiven Anfeindungen nach seiner – mit eigenen Worten:
„optimistischen“ – Rückkehr in das Heimatland im Jahre 1997 bis zur Wiederausreise 2006
auch in Ansehung etwaiger mangelnder Schutzbereitschaft durch bosnische Stellen (§ 60
Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG) im Ergebnis nicht die positive Annahme einer politischen
Verfolgung rechtfertigen werden. Von dem Ergebnis dieser materiellen Beurteilung kann
indes die sich hier stellende vorrangige Frage der behördlichen Prüfungszuständigkeit
ebenso wenig abhängig gemacht werden wie von der nach Aktenlage keinen ernstlichen
Zweifeln unterliegenden Tatsache als solcher, dass der Kläger intensiver Hilfe und
Betreuung zur Bewältigung seiner auch amtsärztlich bestätigten massiven psychischen
gesundheitlichen Beeinträchtigungen bedarf.
Das für Asylbegehren vorgesehene Verfahren vor dem Bundesamt hat der Gesetzgeber
mit den mit Blick auf die Grundrechte der Betroffenen erforderlichen verfahrensrechtlichen
Schutzwirkungen versehen, die für die Dauer des Verfahrens regelmäßig einer
Aufenthaltsbeendigung durch die Ausländerbehörde entgegenstehen. Die
Grundrechtsgewährleistungen in Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG hindern den
Gesetzgeber ansonsten nicht, ein bestimmtes und vor allem bei einer bestimmten, mit
spezifischer Sachkunde ausgestatteten Behörde durchzuführendes Verfahren – hier das
Asylverfahren beim Bundesamt - verbindlich vorzuschreiben, in dem dann gegebenenfalls
der Menschenwürde des betroffenen Ausländers oder seinen Grundrechten auf Leben,
Freiheit und körperliche Unversehrtheit angemessen Rechnung getragen wird. (vgl. etwa
OVG des Saarlandes, Beschluss vom 1.2.2007 – 2 W 37/06 –, SKZ 2008, 52, Leitsatz
Nr. 62) Der Prüfungsumfang hinsichtlich etwaiger aus § 60 Abs. 7 AufenthG ableitbarer
Rechte des erkrankten Klägers erfährt weder durch die Zuständigkeitsverlagerung von der
Ausländerbehörde auf das Bundesamt noch – gegebenenfalls – durch eine im Ergebnis
negative Beurteilung des Vorliegens einer politischen Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1
AufenthG inhaltlich Einschränkungen.
Nach Aktenlage handelt es sich bei dem Kläger asylrechtlich ohnehin um einen
Erstantragsteller. In den Genuss einer in § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bereits mit dem
Asylgesuch verknüpften Aufenthaltsgestattung kann auch der Ausländer noch gelangen,
der seinen förmlichen Asylantrag beim Bundesamt erst nach Ablauf der vom Gesetzgeber
dafür eingeräumten Frist von zwei Wochen, nachdem er materiell um Asyl nachgesucht
hat (§ 67 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG), stellt. In diesen Fällen tritt die Aufenthaltsgestattung nach
Maßgabe des § 67 Abs. 2 AsylVfG wieder in Kraft. Das findet seine Berechtigung
insbesondere in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Ausländerbehörde es in
Verkennung der genannten Zuständigkeitsabgrenzung für einen erheblichen Zeitraum
unterlässt, das Asylgesuch entsprechend § 19 AsylVfG weiterzuleiten, wobei im Übrigen im
konkreten Fall auch das nach § 72 Abs. 2 AufenthG wegen der zielstaatsbezogenen
Behandlungsmöglichkeiten eingeschaltete Bundesamt sich über einen geraumen Zeitraum
lediglich als zu beteiligende Behörde angesehen hat.
Auch aus dem § 72 Abs. 2 AufenthG ergibt sich nichts anderes. Die Vorschrift verpflichtet
allgemein die Ausländerbehörde, vor ihrer Entscheidung über das Vorliegen
zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse das Bundesamt zu beteiligen, um dessen
besondere Sachkunde hinsichtlich der Verhältnisse im Herkunftsland des Ausländers
nutzbar zu machen, setzt also grundsätzlich die Möglichkeit einer
Entscheidungszuständigkeit der Ausländerbehörde in dem Bereich voraus. (vgl. dazu etwa
OVG des Saarlandes, Beschluss vom 18.10.2005 – 2 Y 9/05 -, SKZ 2006, 60, Leitsatz Nr.
72 dort zur Situation eines wegen angekündigter Umverlegung nach Karlsruhe von dem
Betroffenen unmittelbar nach Stellung wieder zurückgenommenen Asylantrags) Für diese
eigenen Entscheidungszuständigkeiten der Ausländerbehörde kommen indes nach dem
Gesagten nur zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse in Betracht, die sich nicht aus
einem Sachverhalt ergeben, der von seiner Thematik her dem Bereich politischer
Verfolgung im Verständnis des § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuordnen ist. Der
Anwendungsbereich des § 72 Abs. 2 AufenthG betrifft daher hiervon unabhängige
gravierende und sich zeitnah realisierende krankheitsbedingte Gefährdungen eines
Ausländers aufgrund individuell fehlender oder für den Betroffenen nicht erreichbarer
Behandlungsmöglichkeiten in seinem Heimatland, wenn dieser zuvor nie ein Asylgesuch
gestellt hatte, oder – in engen Ausnahmen – die Fallkonstellationen, in denen die
eigenständige ausländerbehördliche Entscheidungszuständigkeit bei der Geltendmachung
so genannter Allgemeingefahren durch im Wege ausländerbehördlicher Erlassregelungen
geschützter Asylbewerber wegen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zur
Schließung grundrechtlicher Schutzlücken geboten ist. (vgl. dazu etwa OVG des
Saarlandes, Beschluss vom 8.2.2008 – 2 A 16/07 –)
Insgesamt lässt sich dem Antragsvorbringen des Klägers daher die Darlegung eines
Zulassungsgrundes (§ 124 Abs. 2 VwGO) nicht entnehmen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 52, 47 GKG, wobei hier der so genannte
Auffangwert in Ansatz zu bringen ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar.