Urteil des OVG Saarland vom 09.09.2009

OVG Saarlouis: aufschiebende wirkung, bisherige nutzung, grundstück, lärm, gaststätte, hauptsache, gemeinde, vorrang, stadt, gerichtsakte

OVG Saarlouis Beschluß vom 9.9.2009, 2 B 398/09
Vorläufiger Nachbarrechtschutz gegen Außengastronomie (Biergarten)
Leitsätze
1. Lassen sich die Erfolgsaussichten im Aussetzungsverfahren aufgrund der
verfahrensformbedingt eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten nicht abschließend positiv
beurteilen, so ist für eine Anordnung der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 80 II
1 Nr. 3 VwGO, 212a I BauGB) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung eines
Nachbarrechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung nur Raum, wenn die überschlägige
Rechtskontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit
der angefochtenen Genehmigung ergibt, weil der Bundesgesetzgeber in den erwähnten
Vorschriften der von einem Nachbarrechtsbehelf ungehinderten Vollziehung einer
Baugenehmigung den Vorrang vor den Nachbarinteressen eingeräumt hat.
2. Nach der Rechtsprechung des Senats ist für baunachbarliche Eilrechtsschutzverfahren,
und zwar sowohl für Anträge auf Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörden zum sofortigen
Einschreiten (§§ 80a I Nr. 2, III,123 I VwGO) als auch für die im Falle des Vorliegens einer
die Nutzung legitimierenden bauaufsichtsbehördlichen Genehmigungsentscheidung im
Einzelfall notwendig "vorgeschalteten" Aussetzungsanträge von Nachbarn ein
überwiegendes Nachbarinteresse an der in beiden Fällen intendierten sofortigen
Unterbindung von Beeinträchtigungen, die durch die Nutzung einer bereits vorhandenen
baulichen Anlage verursacht werden, mir dann anzuerkennen, wenn die Einwirkungen auf
den Nachbarn ganz wesentlich über das im Sinne von § 5 I Nr. 1 BImSchG Er-hebliche
hinausgehen, so dass ihm die Hinnahme nicht einmal vorübergehend bis zu einer
Entscheidung in der Hauptsache in zumutbarer Weise angesonnen werden kann.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des
Saarlandes vom 24. Juni 2009 – 5 L 350/09 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen tragen die Antragsteller.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind die (Mit-)Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Anwesens S
Straße … (Flur 8, Parzelle Nr. 219/4) im Ortsteil B der Gemeinde A-Stadt. Auf dem
angrenzenden Grundstück S Straße … (Flur 8, Parzelle Nr. 219/5) betreiben die
Beigeladenen eine Gaststätte, für deren Neubau der Antragsgegner unter dem 1.9.2006
eine - in Bestandskraft erwachsene - Baugenehmigung gemäß § 64 LBO 2004 erteilte.
Nachdem der Antragsgegner auf den Hinweis der Antragsteller festgestellt hatte, dass die
Beigeladenen das Gaststättengebäude im hinteren Bereich um einen seitlichen Anbau zu
erweitern begonnen hatten, erließ er unter dem 15.7.2008 gegenüber den Beigeladenen
eine Einstellungsverfügung und forderte sie zur Vorlage von Bauunterlagen auf, um eine
eventuelle Legalisierung der Baumaßnahme prüfen zu können. Ein auf Verpflichtung des
Antragsgegners zur Baueinstellung insgesamt gerichteter Antrag der Antragsteller wurde
mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13.8.2008 – 5 L 695/08 - zurückgewiesen.
Mit dem vorliegenden Eilverfahren wenden sich die Antragsteller gegen die den
Beigeladenen mit Bauschein vom 27.3.2009 durch den Antragsgegner genehmigte
Anlegung von Flächen für einen Außenausschank auf deren o.g. Grundstück.
Das Verwaltungsgericht hat durch Beschluss vom 24.6.2009 die Anträge der Antragsteller
abgelehnt,
1. die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die den
Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung einer
Außenschankfläche zum Zwecke einer Außenbewirtschaftung auf
dem Grundstück A-Stadt-B, S Straße ... bis zur bestandskräftigen
Entscheidung über den Widerspruch der Antragsteller anzuordnen,
2. dem Antragsgegner aufzugeben, die Bauarbeiten zur Errichtung
der vorgenannten Außenschankfläche bis zur bestandskräftigen
Entscheidung über den Widerspruch der Antragsteller stillzulegen,
hilfsweise dem Antragsgegner zu untersagen, den Beigeladenen eine
Genehmigung über die Nutzung der Außenfläche als
Außenschankfläche zu erteilen, und zwar bis zur bestandskräftigen
Entscheidung über den Widerspruch der Antragsteller.
II.
Die zulässige Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss des Verwaltungsgerichts ist
unbegründet. Die Beschwerdebegründung, die gemäß § 146 IV 6 VwGO den Umfang der
Prüfung im Beschwerdeverfahren bestimmt, gebietet keine von der erstinstanzlichen
Entscheidung abweichende Beurteilung der Eilrechtsschutzbegehren der Antragsteller nach
§§ 80a, 80 V 1, 123 I VwGO.
Die Antragsteller sind der Ansicht, das Verwaltungsgericht habe die Bedeutung der
wesentlichen Rechtsgrundlagen seiner Entscheidung und insbesondere des
Rücksichtnahmegebots verkannt. Was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem
Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten sei, beurteile sich nach der
jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke. Der Ausgleich der beiderseitigen
Verpflichtungen sei unzutreffend gewürdigt worden. Dem berechtigten Interesse der
Beigeladenen an einer Erhöhung des Umsatzes der Gaststätte durch die
Außengastronomie stünde das schutzwürdige Interesse der Antragsteller gegenüber, durch
deren Lärm nicht noch weitergehender in ihrer Wohnruhe gestört zu werden. Zu
berücksichtigen sei, dass schon von der Gaststätte selbst, von geöffneten Fenstern, von
an- und abfahrenden Fahrzeugen und von weiteren Lärmquellen Lärm ausgehe. Auf der
Grundlage der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln vom 25.4.2007, in der es um
10 Außensitzplätze gegangen sei, dürfe nicht einfach von Dezibelzahlen ausgegangen
werden, sondern es müssten vielmehr die weitergehenden Störungen durch eine
Außengastronomie gesehen werden. Insbesondere hänge die Belastbarkeit von Menschen
durch Lärm von zahlreichen weiteren Faktoren ab, die nur unvollkommen in einem
einheitlichen Messwert zusammengefasst werden könnten. Dies gelte vor allem dann,
wenn die in die Beurteilung einzustellenden Geräusche vornehmlich durch menschliches
Verhalten verursacht würden und vom Naturell und der jeweiligen Stimmung der einzelnen
Gaststättenbesucher abhingen und daher weder gesteuert noch hochgerechnet werden
könnten. Dabei sei bedeutsam, dass sich die Außengastronomie unmittelbar an der Grenze
zum Grundstück der Antragsteller abspiele. Einen Abstand zum Beginn der Wohnbebauung
auf dem Grundstück der Antragsteller bestehe weitgehend nicht. Hinzu komme, dass
dieses so angelegt sei, dass im hinteren Bereich die Ruheräume, die Schlafräume und die
Terrassenräumlichkeiten lägen. Die Belastung durch die Außengastronomie finde gerade an
schönen Tagen, im Sommer und auch zu späterer Zeit statt. Die Öffnungszeiten zeigten,
dass die Gaststätte und die Außengastronomie gerade dann geöffnet seien, wenn man im
Garten sitzen wolle und der Erholung bedürfe. Zu diesen Zeiten, die wegen ihrer typischen
Erholungsfunktion als besonders sensibel anzusehen seien, nehme naturgemäß mit
fortschreitender Stunde und steigendem Ruhebedürfnis der Antragsteller - unter anderem
bedingt durch den Alkoholkonsum in dem Gastronomiebetrieb - auch die Lautstärke zu.
Eine Gebietsvorbelastung gebe es nicht. Das Verwaltungsgericht Köln gehe auch davon
aus, dass die Messung von Lärmemissionen keine Rolle spiele, wenn in einem Gebiet die
Außengastronomie unmittelbar an die Wohnbebauung angrenze, da dann das Gebot der
Rücksichtnahme regelmäßig verletzt sei. Unerheblich sei auch, dass das Landesamt für
Umwelt und Arbeitsschutz keine Bedenken gegen die Baumaßnahme gehabt habe; es
beurteile Anlagen der Außengastronomie nur nach Dezibelgraden, die aber, da die TA Lärm
keine Anwendung finde, regelmäßig nicht herangezogen werden dürften. Dies orientiere
sich auch nur schematisch an den Vorgaben der VDI Richtlinie. Es fehle vorliegend an
Sachverhaltsaufklärung. So wäre es gerade für das Gericht einfach gewesen, durch
Heranziehung eines Luftbildes festzustellen, inwieweit es sich bei den umliegenden
Gebäuden um Wohnbebauung handele. Vorliegend gehe es um die Beurteilung von
Lautäußerungen von Gaststättenbesuchern, die von dem Gaststättenbetreiber nicht
beeinflusst werden könnten, die wegen der Art und Weise, in der sie „dargebracht“
würden, aber besonders lästig erschienen. Wegen dieser Lästigkeit sei die
Außengastronomie mit einer umgebenden oder nahen Wohnbebauung unvereinbar. Dies
bestritten auch die Beigeladenen nicht. Aus den Katasterplänen und den eidesstattlichen
Versicherungen der Antragsteller ergebe sich, dass die Umgebung nur mit Wohngebäuden
bebaut sei.
Der Aussetzungsantrag ist unbegründet. Das Interesse der Antragsteller an der begehrten
Anordnung des Suspensiveffekts (§ 80 I VwGO) ihres Widerspruchs ist nachrangig
gegenüber dem Interesse der Beigeladenen an der vorläufigen Ausnutzung der
Baugenehmigung. Vorab kann auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts
Bezug genommen werden.
Grundsätzlich ist in derartigen Aussetzungsverfahren nach den §§ 80a I Nr. 2 und III, 80 V 1
VwGO – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat –maßgebliches
Entscheidungskriterium für die Verwaltungsgerichte die mit den Erkenntnismöglichkeiten
des Eilverfahrens zu prognostizierende Erfolgsaussicht des jeweils in der Hauptsache
eingelegten Nachbarrechtsbehelfs. Entscheidend ist daher die Frage des Vorliegens einer
für den Erfolg des Nachbarwiderspruchs oder gegebenenfalls einer anschließenden
Anfechtungsklage der Antragsteller unabdingbaren Verletzung ihrem Schutz dienender
Vorschriften des öffentlichen Rechts (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 28.8.1998
– 2 V 15/98 -, SKZ 1999, 120, Leitsatz Nr. 52, wonach der Umstand, dass eine
Baugenehmigung lediglich gegen im öffentlichen Interesse erlassene Vorschriften verstößt
und sich insoweit als erkennbar rechtswidrig erweist, im Einzelfall keinen Grund darstellt,
dem Nachbarinteresse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit den Vorrang
einzuräumen; ebenso etwa Beschluss vom 26.1.2007 – 2 W 27/06 –, SKZ 2007, 135
(Palmölblockheizkraftwerk), st. Rspr.) durch die Baugenehmigung (§ 113 I 1 VwGO). Dabei
ist die vom Gesetzgeber für das vereinfachte Genehmigungsverfahren vorgenommene
Einschränkung des materiellrechtlichen Prüfungsprogramms zu beachten, so dass hierbei
im Wesentlichen nur die Vorschriften des Bauplanungsrechts in den Blick zu nehmen sind (§
64 II 1 Nr. 1 LBO 2004). (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 26.1.2007 – 2 W
27/06 – a.a.O., m.w.N.) Lassen sich die Erfolgsaussichten im Aussetzungsverfahren
aufgrund der verfahrensformbedingt eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten nicht
abschließend positiv beurteilen, so ist für eine Anordnung der kraft ausdrücklicher
gesetzlicher Regelung (§§ 80 II 1 Nr. 3 VwGO, 212a I BauGB) ausgeschlossenen
aufschiebenden Wirkung eines Nachbarrechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung nur
Raum, wenn die überschlägige Rechtskontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der
nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit der angefochtenen Genehmigung ergibt, (vgl. hierzu
im Einzelnen etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 15.1.2009 – 2 B 376/08 -
, 27.10.2003 – 1 W 34/03 und 1 W 35/03 -, SKZ 2004, 85, Leitsatz Nr. 40, st. Rspr.)
weil der Bundesgesetzgeber in den erwähnten Vorschriften der von einem
Nachbarrechtsbehelf ungehinderten Vollziehung einer Baugenehmigung den Vorrang vor
den Nachbarinteressen eingeräumt hat. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Zu Unrecht rügen die Antragsteller zunächst eine mangelnde Sachverhaltsaufklärung durch
das Verwaltungsgericht, etwa weil es die ihm zur Verfügung stehenden
Erkenntnismöglichkeiten zur Gebietsqualität (Luftbilder) nicht ausgeschöpft habe. Unstreitig
ist insoweit, dass das genehmigte Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich des Ortsteils
B der Gemeinde A-Stadt ausgeführt wird und sich seine planungsrechtliche Zulässigkeit
somit nach § 34 BauGB richtet. Hierfür ist die bauplanungsrechtliche Zuordnung der
Eigenart der näheren Umgebung des Bauvorhabens von Bedeutung, wie das
Verwaltungsgericht bereits eingehend ausgeführt hat. Wie weit der Bereich der für eine
Beurteilung maßgeblichen näheren Umgebung zu ziehen ist, richtet sich nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Vgl. etwa BVerwGE 55, 369; BVerwGE
62, 151; BVerwGE 84, 322) jeweils nach dem Einwirkungsbereich des Vorhabens auf seine
Umgebung. Er reicht weiter als die unmittelbare Nachbarschaft, umfasst aber weniger als
den im Zusammenhang bebauten Ortsteil, von dem die nähere Umgebung in der Regel ein
Teil ist. (BVerwG, BRS 39 Nr. 57) Dieser Einwirkungsbereich lässt sich entgegen der
Annahme der Antragsteller weder anhand von Luftbildern noch mit Hilfe von
Katasterauszügen feststellen, sondern nur durch eine Bewertung aufgrund einer
Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit, die jedoch die Erkenntnismöglichkeiten eines
Eilverfahrens übersteigt und daher dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten ist. Dort wird
im Rahmen einer solchen Ortsbesichtigung zu beurteilen sein, ob und ggf. inwiefern die sich
unstreitig – neben Wohnhäusern - in der Nähe des Bauvorhabens befindlichen weiteren
Anlagen - Gewerbebetrieb und Parkplatz von „P“ sowie eine weitere, im Bürgerhaus
angesiedelte Gaststätte (Vgl. Schriftsatz der Antragsteller vom 15.6.2009, Bl. 86
Gerichtsakte) - für den Gebietscharakter prägend sind.
Solange der Gebietscharakter aber noch nicht feststeht, kann aus der Umgebung der
Baumaßnahme mit Blick auf die Regelungen der BauNVO keine Unzulässigkeit hergeleitet
werden. Wie das Verwaltungsgericht zudem unter Würdigung des Gebotes der
Rücksichtnahme im Baurecht eingehend dargelegt hat, lässt sich auch eine nachbarliche
Unverträglichkeit der geplanten Außengastronomie, die die Antragsteller trotz der
Lärmschutzauflagen betreffenden Hinweise der Gemeinde in ihrem Schreiben vom
9.6.2009 wegen unzumutbarer Lärmbelästigungen befürchten, ohne weitere
Sachaufklärung nicht feststellen. Für die Frage der Rechtmäßigkeit der erteilten
Baugenehmigung, deren konkreter Inhalt sich aus den Genehmigungsunterlagen,
insbesondere dem Antrag auf Erteilung der Genehmigung ergibt und die allein Gegenstand
der Anfechtung durch die Antragsteller im Widerspruchsverfahren ist, wäre es im Übrigen
ohne Bedeutung, wenn der „Biergarten“ nicht im Einklang mit der erteilten Genehmigung
betrieben würde; dies könnte den Antragstellern allenfalls einen Einschreitensanspruch
gegen den Antragsgegner geben.
Das erstinstanzliche Gericht hat zu Recht auf der Grundlage einer an § 212a BauGB
orientierten Interessenabwägung gegen eine Aussetzung des Sofortvollzugs der
Baugenehmigung entschieden.
Nach der Rechtsprechung des Senats (Vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom
26.1.2007 – 2 W 27/06 – und vom 15.1.2009 – 2 B 376/08 -, jeweils m.w.N.) ist für
baunachbarliche Eilrechtsschutzverfahren, und zwar sowohl für Anträge auf Verpflichtung
der Bauaufsichtsbehörden zum sofortigen Einschreiten (§§ 80a I Nr. 2, III, 123 I VwGO) als
auch für die im Falle des Vorliegens einer die Nutzung legitimierenden
bauaufsichtsbehördlichen Genehmigungsentscheidung im Einzelfall notwendig
„vorgeschalteten“ Aussetzungsanträge von Nachbarn ein überwiegendes Nachbarinteresse
an der in beiden Fällen intendierten sofortigen Unterbindung von Beeinträchtigungen, die
durch die Nutzung einer bereits vorhandenen baulichen Anlage verursacht werden, nur
dann anzuerkennen, wenn die Einwirkungen auf den Nachbarn ganz wesentlich über das im
Sinne von § 5 I Nr. 1 BImSchG Erhebliche hinausgehen, so dass ihm die Hinnahme nicht
einmal vorübergehend bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache in zumutbarer Weise
angesonnen werden kann. In diesen Fällen droht keine Schaffung „vollendeter Tatsachen“
wie etwa bei der Errichtung von Gebäuden.
Nach Aktenlage ist indes nicht davon auszugehen, dass die Antragsteller bis zur
Entscheidung in der Hauptsache Belastungen ausgesetzt sein werden, die selbst für diesen
Zeitraum unzumutbar wären. Die Außengastronomie soll nach dem bauaufsichtlich
genehmigten Plan (Bl. 76 Gerichtsakte) auf den Flächen 1, 2, 3 und 4 stattfinden, wobei
die Fläche 1 unmittelbar dem (Haupt-)Eingang (mit Windfang) der Gaststätte vorgelagert
ist, westlich und nördlich an deren Außenmauern angrenzt und südlich und östlich in Höhe
von deren Außenwänden abschließt, daher gewissermaßen durch das Haus „abgeschottet“
an der dem Antragsteller-Anwesen abgewandten Hausseite liegt. Die Fläche 4 befindet sich
auf der Freifläche zwischen der Gaststätte und dem Haus S Straße …, das an diese Straße
angrenzt. Diese Freifläche geht auf das Grundstück der Antragsteller hin. Die Flächen 2 und
3 liegen links bzw. rechts von dem zum Eingang mit Fläche 1 führenden Gehweg. Am
nächsten zum Anwesen der Antragsteller liegt somit Fläche 4, deren „Nutzung z.Z. noch
nicht konkret beabsichtigt“ ist, wie die Beigeladenen mit Schriftsatz vom 29.5.2009 (Bl. 71
Gerichtsakte) erklärt haben. Für die nur für 24 Personen zugelassene Bestuhlung sind die
Flächen 1 und 3, für einen eventuellen Grill Fläche 2 vorgesehen. Von der
„abgeschotteten“ Fläche 1 ausgehender Lärm wird das Grundstück der Antragsteller
zweifellos nur stark gedämpft erreichen. Lärmpegel von Fläche 3 treffen auf der vom
Antragsteller-Anwesen abgewandten Seite nicht auf Widerstände und werden in der
entgegengesetzten Richtung – zu den Antragstellern hin - sicherlich durch die beiden
Häuser gesenkt, jedenfalls aber auf dem Weg zur mindestens 25 m entfernten
Grundstücksgrenze erheblich reduziert. Sollte entgegen der bisherigen Pläne die Fläche 4 –
im Rahmen der maximal zulässigen Bestuhlung – gleichwohl ebenfalls für den Biergarten-
Betrieb genutzt werden, so würde der von den dort befindlichen Gästen erzeugte Lärm die
Antragsteller zwar stärker belasten, wobei allerdings nicht nachvollziehbar ist, warum er
sich – wie die Antragsteller annehmen – nur auf ihr Grundstück und nicht auch in Richtung
Gaststättenparkplätze erstrecken sollte. In jedem Fall dürfte der Lärm aber auch an dem
am stärksten betroffenen Immissionsort während der genehmigten Öffnungszeiten der
Außenbewirtung, also bis maximal 22.00 Uhr, die Immissionsrichtwerte von 55 dB(A) nicht
übersteigen. Dass es bei dieser Sachlage zu selbst bis zur Entscheidung in der Hauptsache
nicht hinnehmbaren Belästigungen durch die Außengastronomie kommen wird, ist daher
nicht anzunehmen. Im Übrigen geht aus dem Vortrag der Antragsteller selbst nicht hervor,
dass es, nachdem von der Gemeinde in ihrem Schreiben vom 9.6.2009 für den Fall, dass
sich die Beigeladenen auch künftig nicht an die der Baugenehmigung beigefügten
Lärmschutzauflagen hielten, weitergehende Maßnahmen angekündigt wurden, bei dem
bereits seit dem 14.4.2009 betriebenen Außenausschank zu weiteren schwerwiegenden
Störungen gekommen ist.
Auch der weiter gestellte Antrag, den Antragsgegner sinngemäß im Wege einer
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Bauarbeiten zur Errichtung der
Außenschankfläche stillzulegen, kann keinen Erfolg haben. Der Antrag dürfte bereits
unzulässig sein, da der Außenausschank bereits seit dem 14.4.2009 betrieben wird und –
trotz der erstinstanzlich aufgeworfenen Frage nach dem Rechtschutzbedürfnis für die
begehrte Stilllegung von Baumaßnahmen, die nicht mehr „zeitgerecht“ gestoppt werden
könnten - die Antragsteller in ihrer Beschwerde nicht dargelegt haben, welche Bauarbeiten
überhaupt noch ausstehen. Jedenfalls liegen aber die Voraussetzungen für die beantragte
Anordnung nicht vor, da kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist. Die Einstellung
von Arbeiten kann gemäß § 81 I LBO nur dann angeordnet werden, wenn Anlagen im
Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt
werden. Ein solcher Widerspruch ist vorliegend – jedenfalls noch - nicht festzustellen,
nachdem die Arbeiten auf der Grundlage einer vollziehbaren Baugenehmigung
vorgenommen wurden bzw. werden, deren – hier allein maßgebliche – nachbarrechtliche
Rechtmäßigkeit als offen anzusehen ist.
Auch der Hilfsantrag der Antragsteller bleibt ohne Erfolg. Nach seinem auch in der
Beschwerde unveränderten Wortlaut ist er darauf gerichtet, die Erteilung einer
Nutzungsgenehmigung für eine Außengastronomie zu verhindern. Dabei übersehen die
Antragsteller jedoch, dass mit der erteilten Baugenehmigung die Durchführung der
Baumaßnahme zu dem in den Genehmigungsunterlagen angegebenen Zweck genehmigt
wurde und eine Nutzung nur dann gesondert genehmigt werden muss, wenn allein die
bisherige Nutzung geändert werden soll. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Sofern der Hilfsantrag – wie vom Verwaltungsgericht angenommen - jedoch dahingehend
auszulegen wäre, dass die Antragsteller eine Nutzungsuntersagung begehren, obwohl sie
ihren Beschwerdeantrag nicht entsprechend angepasst haben, wäre er jedenfalls
unbegründet. Zwar kann die Nutzung gemäß § 82 II LBO untersagt werden, wenn die in
Abs. 1 genannten Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt
werden. Der Nutzungsuntersagung steht vorliegend aber jedenfalls die vollziehbare
Baugenehmigung entgegen.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 154 II VwGO zurückzuweisen, wobei
der Kostenausspruch zugunsten der Beigeladenen, die einen Antrag gestellt haben und
damit eine Kostenrisiko eingegangen sind (vgl. § 154 III VwGO), aus § 162 III VwGO folgt.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 II, 47, 53 III, 52 II GKG, wobei für Aussetzungs-
und Anordnungsantrag jeweils eine Halbierung des Hauptsachestreitwertes von 7.500,-
EUR (vgl. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 7./
8.7.2004) der Senatsrechtsprechung entspricht.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar.