Urteil des OVG Saarland vom 14.09.2010

OVG Saarlouis: abschiebung, zerrüttung der ehe, stationäre behandlung, berufliche tätigkeit, körperliche unversehrtheit, aufenthaltserlaubnis, gerichtsakte, aussetzung, gesundheitszustand

OVG Saarlouis Beschluß vom 14.9.2010, 2 B 210/10
Abschiebungsschutz wegen Selbstmordgefahr
Leitsätze
Zu den verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen, welche die Annahme einer rechtlichen
Unmöglichkeit der Abschiebung eines Ausländers gemäß dem § 60a Abs. 2 Satz 1
AufenthG gebieten können, zählt insbesondere das Grundrecht auf Leben und körperliche
Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Ist die Gesundheit des Abzuschiebenden so
angegriffen, dass das ernsthafte Risiko besteht, unmittelbar durch die Abschiebung werde
sein Gesundheitszustand wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, liegt
Reiseunfähigkeit in dem Sinne vor, sofern nicht seitens der Ausländerbehörde effektive
Schutzmaßnahmen getroffen werden können.
Mach die Ausländerbehörde die Entscheidung über die Abschiebung von einer vorherigen
amtsärztlichen Feststellung der Reisefähigkeit des Ausländer abhängig, so ist dieser im
Rahmen seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 82 Abs. 1 AufenthG verpflichtet, für diese
amtsärztliche Begutachtung behandelnde Ärzte unverzüglich von ihrer Schweigepflicht zu
entbinden.
Bei ansonsten gegebener Reisefähigkeit steht eine ärztlich attestierte Suizidalität einer
Abschiebung dann nicht entgegen, wenn die erforderlichen Schutzmaßnahmen von der
Ausländerbehörde, der insoweit eine Garantenstellung zukommt, ergriffen werden.
Erforderlich, aber auch als ausreichend ist eine Überprüfung der Reisefähigkeit des
Ausländers unmittelbar vor der Abschiebung, gegebenenfalls seine ärztliche Begleitung
während der Abschiebung und eine Inempfangnahme des Selbstmordgefährdeten durch
einen Arzt im Heimatland, dem die Entscheidung über die Notwendigkeit weiterer
Maßnahmen und gegebenenfalls deren Veranlassung obliegt.
Sofern die Ausländerbehörde aufenthaltsbeendende Maßnahmen von dem Ergebnis einer
noch ausstehenden ärztlichen Untersuchung des Ausländers – im konkreten Fall
ausdrücklich durch einen Amtsarzt – abhängig gemacht hat, und somit völlig offen ist, ob
dem in Ausländer in absehbarer Zeit eine Abschiebung droht, fehlt es eine auf Gewährung
von Abschiebungsschutz zielende einstweilige Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) an einem
Anordnungsgrund.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des
Saarlandes vom 9. Juni 2010 – 10 L 557/10 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller, türkischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im August
2007 in die Bundesrepublik ein und suchte zunächst erfolglos um die Anerkennung als
Asylberechtigter nach. (vgl. Ablehnungsbescheid des Bundesamts für Migration und
Flüchtlinge vom 27.8.2007 – 5271345-163 –, Blatt 9 der Ausländerakte (AA), mit dem der
Asylantrag und der Antrag auf Anerkennung als Flüchtling jeweils als offensichtlich
unbegründet abgelehnt worden sind, und das die Klage gegen die letztgenannte
Entscheidung abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts vom 5.6.2008 – 6 K 1124/07 –)
Im Dezember 2007 heiratete er eine deutsche Staatsangehörige und beantragte im
gleichen Monat die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Im Mai 2008 wurde zunächst die Abschiebung des Antragstellers, der sich zuvor im Besitz
einer Aufenthaltsgestattung für Asylsuchende befunden hatte, ausgesetzt (Duldung). Im Juli
2008 wurde ihm eine bis September 2008 befristete Aufenthaltserlaubnis zur Wahrung
der ehelichen Lebensgemeinschaft erteilt. Mit Blick auf den gestellten Verlängerungsantrag
wurden ihm seit September 2008 zunächst Fiktionsbescheinigungen ausgestellt.
wurden ihm seit September 2008 zunächst Fiktionsbescheinigungen ausgestellt.
Im November 2008 erklärte die Ehefrau gegenüber dem Antragsgegner, dass sie seit
Oktober 2008 von ihrem Ehemann getrennt lebe.
Von November 2008 bis Anfang Januar 2009 wurde der Antragsteller stationär in einer
Klinik für Psychiatrie – Psychotherapie wegen „paranoid-halluzinatorischer Symptomatik“
behandelt. (vgl. das ärztliche Attest des SHG-Klinikums Merzig, Blatt 182 der AA, wonach
der Antragsteller dort seit dem 18.11.2008 stationär behandelt wurde) Nach seiner
Entlassung aus der Klinik wurde er ambulant wegen einer „schweren depressiven Störung“
und einer posttraumatischen Belastungsstörung sowohl psychopharmakologisch als auch
psychotherapeutisch weiter behandelt. (vgl. das ärztliche Attest des SHG-Klinikums Merzig
vom 6.4.2009, Blatt 253 der AA, wonach die „unglückliche Ehesituation“, die durch die
beantragte Scheidung aufgelöst werden sollte, einen „wesentlichen destabilisierenden
Faktor“ bildete, und das ergänzende Attest vom 3.8.2009, Blatt 319 der AA, wonach eine
„Rückbildung der Symptome“ vorlag, allerdings für den Fall der Rückführung in die Türkei
„mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine drastische Verschlechterung seiner
psychischen Situation … bis hin zur Suizidalität“ befürchtet wurde)
Im Februar 2009 beantragte der Antragsteller beim Amtsgericht Saarlouis die
Ehescheidung aus Härtegründen, da seine Ehefrau ein außereheliches Liebesverhältnis zu
einer anderen Frau unterhalte und ihm den Zutritt zur gemeinsamen Wohnung verweigere.
Außerdem sei er wegen seiner Herkunft ständig von seiner rechtsradikal eingestellten
Schwägerin und deren Ehemann angefeindet worden. Die Ehefrau beantragte ebenfalls die
Scheidung und machte geltend, die vom Antragsteller angegebenen Gründe für die
Zerrüttung der Ehe seien „zum größten Teil nicht korrekt wiedergegeben“. Die Ehe wurde
im Oktober 2009 geschieden. (vgl. AG Saarlouis, Urteil vom 13.10.2009 – 20 F 85/09 S
–, Blatt 376 der AA)
Durch Bescheid vom 13.10.2009 lehnte der Antragsgegner die Verlängerung der
Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers ab, forderte ihn zur Ausreise auf und drohte ihm für
den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung an. In der Begründung wurde insbesondere
das Vorliegen der Härtefallvoraussetzungen für die Erteilung eines eheunabhängigen
Aufenthaltstitels trotz Nichterreichens der Mindestbestandszeit der Ehe verneint. Dass sich
ein Partner einer anderen Liebesbeziehung zuwende, komme in einer Vielzahl von Ehen vor
und begründe keine besondere Situation. Eine ausreichende medizinische Versorgung bei
der Behandlung der psychischen Folgen der Trennung für den Antragsteller sei auch in der
Türkei gewährleistet. Vorbehalte gegen homosexuelle Menschen träfen nicht ihn, da er
nicht zu dieser Personengruppe gehöre. Die angeblich rechtsradikale Gesinnung der
Schwägerin und ihres Ehemannes habe seine Frau nicht gehindert, die Ehe mit ihm
einzugehen.
Im März 2010 wurde ein vom Antragsteller unter Hinweis auf seine gesundheitlichen
Probleme zielstaatsbezogen gestellter Wiederaufgreifensantrag unter Hinweis auf eine
verfristete Geltendmachung und zusätzlich die ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten in
der Türkei abgelehnt. (vgl. Ablehnungsbescheid des Bundesamts für Migration und
Flüchtlinge vom 12.3.2010 – 5404047-163 –, Blatt 387 der AA) Die dagegen erhobene
Klage ist beim Verwaltungsgericht unter der Geschäftsnummer 6 K 277/10 anhängig. Ein
Eilrechtsschutzantrag blieb erfolglos. (vgl. Verwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss
vom 9.6.2010 – 6 L 555/10 -)
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (vgl. Widerspruchsbescheid des Antragsgegners
vom 31.3.2010 – L 28.834 –, Blatt 396 der AA) hat der Antragsteller im Mai 2010 Klage –
10 K 537/10 – auch gegen den Ablehnungsbescheid des Antragsgegners erhoben. Am
9.6.2010 hat er mit Blick auf seine für den 10.6.2010 beabsichtigte Abschiebung beim
Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Das Verwaltungsgericht hat
diesen Antrag durch Beschluss vom 9.6.2010 – 10 L 557/10 – zurückgewiesen. Dagegen
hat der Antragsteller am 23.6.2010 die vorliegende Beschwerde eingelegt.
Die vorgesehene Abschiebung fand nicht statt, da der Antragsteller am 9.6.2010 wegen
einer „schweren depressiven Symptomatik mit fortbestehender Suizidalität“ in das SHG-
Klinikum A-Stadt aufgenommen wurde, wo er bis 27.8.2010 erneut stationär behandelt
wurde. (vgl. die ärztlichen Atteste des SHG-Klinikums Merzig vom 9.6.2010, Blatt 41 der
Gerichtsakte, und vom 21.6.2010, Blatt 44 der Gerichtsakte, wo die voraussichtliche
Behandlungsdauer mit „mindestens 4 bis 6 Wochen“ angegeben wird) Seit seiner
Entlassung wird die Behandlung in der Tagesklinik des Klinikums fortgesetzt. (vgl. ärztliche
Atteste des SHG-Klinikums Merzig vom 27.8.2010, Blatt 139 der Gerichtsakte, und vom
7.9.2010, Blatt 149 der Gerichtsakte)
II.
Mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 9.6.2010 – 10
L 557/10 –, durch den sowohl die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner
Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13.10.2009 (Ablehnung der
Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, Abschiebungsandrohung) als auch die
Gewährung von Abschiebungsschutz abgelehnt wurden, wendet sich der Antragsteller nur
noch gegen die Ablehnung seines auf „Aussetzung der Abschiebung“ gerichteten
Anordnungsbegehrens. Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Im Beschwerdeverfahren beruft sich der Antragsteller auf bei ihm diagnostizierte schwere
psychische Erkrankungen, zu deren Nachweis er mehrere ärztliche Atteste der
behandelnden Ärzte des SHG-Klinikums A-Stadt vorgelegt hat. Er macht sinngemäß
geltend, hieraus ergebe sich ein Anspruch auf Aussetzung seiner Abschiebung im Sinne von
§ 60a II AufenthG.
Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, durch das der Prüfungsumfang
des Senats gemäß § 146 IV 6 VwGO festgelegt wird, hat es bei dem erstinstanzlich
gefundenen Ergebnis zu bleiben. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erlass der
begehrten einstweiligen Anordnung gemäß § 123 I 1 VwGO.
Die Abschiebung eines Ausländers ist gemäß § 60a II 1 AufenthG auszusetzen, solange die
Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Zu den
verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen, die die Annahme einer rechtlichen
Unmöglichkeit in diesem Sinne gebieten können, zählt insbesondere Art. 2 II 1 GG. Ist
folglich die Gesundheit des Abzuschiebenden so angegriffen, dass das ernsthafte Risiko
besteht, unmittelbar durch die Abschiebung werde der Gesundheitszustand des Ausländers
wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, liegt Reiseunfähigkeit vor, es sei denn,
dass effektive Schutzmaßnahmen getroffen werden können.
Davon, dass der Antragsteller reiseunfähig in diesem Sinne ist und damit ein
Abschiebehindernis vorliegt, kann derzeit trotz der vorgelegten ärztlichen Atteste nicht
ausgegangen werden.
Ausweislich des ärztlichen Attestes der behandelnden Klinik vom 24.6.2010, in die der
Antragsteller am 9.6.2010 stationär aufgenommen worden war, leidet dieser an einer
„schweren depressiven Episode mit fortbestehender Selbstmordgefährdung und
Angstsymptomatik vor dem Hintergrund einer reduzierten emotionalen Belastbarkeit im
Rahmen einer posttraumatischen Belastungsstörung während seines Militärdienstes in der
türkischen Offensive“. Der angekündigte Abschiebetermin vom 10.6.2010 habe bei ihm
zur Entwicklung einer permanenten psychomotorischen Unruhe und panischen Angst,
abgeholt und abgeschoben zu werden, geführt. Die Bilder aus seinen Militäreinsätzen in der
Türkei mit Folter sowie Suizid eines seiner Kollegen, der sich beim Militär erhängt habe,
seien retraumatisierend in diesem Zusammenhang gekommen und hätten die
Suizidwünsche im Sinne von Nachahmeffekten verschärft. Die depressiv-ängstliche
Symptomatik mit Stimmungsschwankungen, reduzierter affektiver Schwingungsfähigkeit,
partiellem Verlust der affektiven Steuerungsfähigkeit, Interessenverlust, Denkstörungen mit
Ambivalenz sowie Versagens- und Schuldideen bestehe fort. Es zeigten sich weiterhin
ausgeprägte Krankheitssymptome mit Schlafstörungen sowie auch am Tage auftretenden
flashbacks-Phänomenen und Nachhallerinnerungen in Form von wiederholtem Erleben der
grausamen Szenen aus dem Kurdenkampf. Klinisch trete eine übermäßige
Schreckhaftigkeit mit vegetativer Übererregbarkeit und Schlafstörungen auf. Akute
Selbstgefährdung liege derzeit nicht vor, jedoch weiterhin latente Suizidgedanken. Die
Gefahr der Suizidalität sei weiterhin gegeben – einerseits infolge der schweren depressiven
Symptomatik, andererseits durch die Konfrontation mit potentiell dramatisierenden
Situationen bzw. erneuten traumatisierenden Erlebnissen. Zusammenfassend sei
festzustellen, dass die Behandlung fortgeführt werden müsse, um einer erneuten
depressiven Dekompensation mit akuter Suizidalität vorzubeugen. Die Beendigung der
Therapie zum gegenwärtigen Zeitpunkt würde das bislang Erreichte gefährden und die
Gefahr einer Verschlimmerung beinhalten. Ein durch Abschiebung erzwungener Abbruch
der Behandlung würde nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand und der klinischen
Erfahrung zur Reaktualisierung der Suizidgefährdung führen. Aus fachpsychiatrischer Sicht
sei auf die Sicherstellung des Bleiberechts für den schwer erkrankten Patienten zur
Überwindung der Behandlungsresistenz und zur Vorbeugung einer erneuten
Verschlimmerung mit Selbstmordgefährdung zu drängen.
Im ärztlichen Attest des SHG-Klinikums vom 6.8.2010 ist ausgeführt, dass sich der
psychische Zustand des Antragstellers trotz komplexer Behandlung nicht wesentlich
gebessert habe. Auch der massive Haarausfall des Antragstellers könne nur seiner
aktuellen Belastung zugeschrieben werden. Negativ beeinflusst werde der
Genesungsvorgang dadurch, dass der Antragsteller der „Retraumatisierung durch eine 2-
wöchentliche Verlängerung der Duldung ausgesetzt“ sei. Um einer Chronifizierung der
Erkrankung vorzubeugen, sei eine „längerfristige Entscheidung in der Frage der
Aufenthaltserlaubnis des Patienten von enormer Bedeutung“.
Im ärztlichen Attest des Klinikums vom 27.8.2010 wird die in der ersten Zeit der
stationären Behandlung erstellte Diagnose bestätigt und im Wesentlichen mitgeteilt, dass
der Antragsteller nach Ausdehnung der gestuften Belastungserprobungen auf den
außerklinischen Bereich am 27.8.2010 zur Weiterbehandlung in die Tagesklinik habe
entlassen werden können.
Die vorgelegten Atteste belegen eine schwere psychische Erkrankung des Antragstellers,
die aber, wie das letztgenannte Attest zeigt, durch die rund 11-wöchige stationäre
Behandlung so erheblich gebessert werden konnte, dass seine Behandlung nunmehr in der
Tagesklinik fortgesetzt werden kann. Zu der im vorliegenden Eilverfahren allein
maßgeblichen Frage, ob durch die Abschiebung selbst der Gesundheitszustand des
Antragstellers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert würde, enthält dieses
Attest indes keine Aussage; Gleiches gilt für das – vor dem Hintergrund der nicht
streitgegenständlichen Forderung des Antragsgegners nach einem persönlichen Erscheinen
des Antragstellers zum Zwecke der Verlängerung seiner Duldung vorgelegte - ärztliche
Attest vom 7.9.2010, nach dem der Antragsteller „infolge des akuten und komplexen
komorbiden Krankheitsbildes … aus gesundheitlichen Gründen“ nicht in der Lage ist,
Angelegenheiten der Regelung seiner Aufenthaltsrechte selbständig zu besorgen,
insbesondere die Ausländerbehörde derzeit persönlich aufzusuchen. Es ist daher eine
weitere Klärung der „Reisefähigkeit“ des Antragstellers im vorgenannten Sinne erforderlich,
und zwar angesichts seiner besonderen schwer zu beurteilenden gesundheitlichen Situation
durch seine Begutachtung durch den Amtsarzt. In ständiger Rechtsprechung misst der
Senat der amtsärztlichen Begutachtung, die in der Regel eine Untersuchung des
Betroffenen und je nach den Umständen die Hinzuziehung von Fachärzten umfasst, die
sachangemessen erforderliche institutionelle Fachlichkeit, Objektivität und Unabhängigkeit
zu, die sie regelmäßig zur Heranziehung bei der Entscheidung über derartige
Fragestellungen geeignet macht. (Vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom
8.12.2003 – 2 W 71/03 -) Dass auch der Antragsgegner, der seit der Kenntniserlangung
von der stationären Aufnahme des Antragstellers erkennbar keine weiteren
aufenthaltsbeendenden Maßnahmen mehr betreibt, eine weitere Klärung für erforderlich
hält, geht bereits aus seinem Schriftsatz vom 12.7.2010 hervor, in dem er mitgeteilt hat,
dass er eine Untersuchung des Antragstellers durch einen medizinischen Sachverständigen
veranlassen und bis zum Vorliegen des Ergebnisses der Untersuchung die Abschiebung
vorübergehend aussetzen und – abhängig vom Ergebnis der Untersuchung – über die
weitere Aussetzung der Abschiebung entscheiden werde. Wie der Antragsgegner am
1.9.2010 telefonisch gegenüber dem Senat angekündigt hat und dem Antragsteller durch
Verfügung vom 3.9.2010 mitgeteilt wurde, soll diese Untersuchung durch den Amtsarzt
vorgenommen werden. Der Antragsteller, der eine entsprechende Untersuchung bereits
unter dem 16.12.2009 angeregt hatte, wird daher im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht
gemäß § 82 I AufenthG für die gebotene amtsärztliche Begutachtung seine Ärzte
unverzüglich von ihrer Schweigepflicht zu entbinden haben. Über das Ergebnis der
Untersuchung hat der Antragsgegner den Antragsteller unverzüglich zu unterrichten.
Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass – bei ansonsten gegebener Reisefähigkeit -
eine Suizidalität nach der Rechtsprechung des Senats einer Abschiebung dann nicht
entgegensteht, wenn die erforderlichen Schutzmaßnahmen vom Antragsgegner, dem
insoweit eine Garantenstellung zukommt, (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom
8.12.2003 – 2 W 71/03 -) ergriffen werden. (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse
vom 9.5.2007 – 2 B 191/07- und vom 30.4.2008 – 2 B 214/08 -; vgl. auch Hailbronner,
Ausländerrecht, § 60a AufenthG, Rdnr. 48 f.; Huber, Aufenthaltsgesetz, 2010, § 60a
AufenthG, Rdnr. 8) Die Maßnahmen, die nach Kenntnis des Senats der ständigen Praxis
des Antragsgegners entsprechen und der Senat bisher als erforderlich, aber auch als
ausreichend angesehen hat, bestehen in der Überprüfung der Reisefähigkeit des
Ausländers unmittelbar vor der Abschiebung, ärztliche Begleitung während der Abschiebung
und Inempfangnahme des Selbstmordgefährdeten durch einen Arzt im Heimatland, der
über weitere Maßnahmen entscheidet und sie veranlasst. Diese Maßnahmen hat der
Antragsgegner für den Fall der Abschiebung des Antragstellers, die vom Ergebnis der
amtsärztlichen Untersuchung abhängt, auch im vorliegenden Eilverfahren zugesagt. Die
bisherigen Erfahrungen des Senates mit dem Antragsgegner geben keinerlei Veranlassung,
an dessen diesbezüglicher Zuverlässigkeit zu zweifeln.
Die Bedenken des Antragstellers hinsichtlich des von ihm namentlich genannten Arztes,
dessen Heranziehung im Rahmen der Schutzmaßnahmen er befürchtet, vermag der Senat
schon deshalb nicht zu teilen, weil die wohl negativen Erfahrungen seines
Prozessbevollmächtigten mit dieser Person nicht mitgeteilt werden und auch ansonsten
hier nicht bekannt sind. Soweit der Antragsteller rügt, dass der genannte Arzt in Rheinland-
Pfalz und dem Saarland bei Abschiebungen tätig und lediglich als „freiwilliges Mitglied“ bei
der Ärztekammer des Saarlandes gemeldet sei, tritt eine „Unzuverlässigkeit“ des Arztes
angesichts der Regelungen des SHKG jedenfalls nicht offen zu Tage. Zwar sind
Pflichtmitglieder dieser Ärztekammer nach § 2 I SHKG alle zur Berufsausübung
berechtigten Ärzte, die im Saarland ihren Beruf ausüben. Dies gilt aber offensichtlich nur für
die ausschließlich im Saarland Tätigen. So können bei gelegentlicher oder vorübergehender
Berufsausübung in einem anderen Bundesland gemäß § 2 II SHKG Mitglieder von der
Mitgliedschaft entbunden werden, wenn sie der dort zuständigen Kammer angehören.
Schließlich können Mitglieder, die ihre berufliche Tätigkeit in ein anderes Bundesland
verlegen und dort ihre Hauptwohnung nehmen, gemäß § 2 III SHKG freiwillige Mitglieder
ihrer Kammer bleiben. Es ist dem Antragsteller anheimgestellt, dem Antragsgegner oder
der Ärztekammer unmittelbar konkrete Einzelheiten über Unregelmäßigkeiten im
Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit des genannten Arztes anzuzeigen.
Da der Antragsgegner selbst aufenthaltsbeendende Maßnahmen von dem Ergebnis der
noch ausstehenden ärztlichen Untersuchung des Antragstellers, die vorliegend durch den
Amtsarzt zu veranlassen ist, abhängig gemacht hat, ist nach allem völlig offen, ob dem
Antragsteller in absehbarer Zeit eine Abschiebung droht. Mit Blick hierauf ist die begehrte
einstweilige Anordnung derzeit auch nicht erforderlich und ein Anordnungsgrund nicht
vorhanden.
Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 II VwGO zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 II, 53 III, 52 II, 47 GKG, wobei im vorliegenden
Eilverfahren eine Halbierung des in Ansatz zu bringenden Auffangstreitwerts gerechtfertigt
ist.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar.