Urteil des OVG Saarland vom 17.08.2005

OVG Saarlouis: selbstbehandlung, aufwendungen für die anschaffung, gefahr, anerkennung, beihilfe, form, gerät, belastung, privatversicherung, beweisantrag

OVG Saarlouis Beschluß vom 17.8.2005, 1 Q 4/05
Beihilfefähigkeit eines Gerätes zur Selbstbehandlung (UVB-Bestrahlung)
Leitsätze
1. Die beihilferechtliche Regelung, wonach die beihilferechtliche Anerkennung eines Geräts
zur Selbstbehandlung die Unbedenklichkeit der Selbstbehandung voraussetzt, ist aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
2. Die mit Blick auf mögliche Gesundheitsgefahren vorauszusetzende Unbedenklichkeit
einer Selbstbehandlung muss in der geforderten ärztlichen Bescheinigung in objektivierter
Form nachvollziehbar dargelegt werden.
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 14. Dezember 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 3 K
129/03 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 938,--Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil zuzulassen, ist
zwar zulässig, aber unbegründet.
Mit diesem Urteil wurde das Begehren der Klägerin auf Feststellung (bzw. Voranerkennung)
der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die Anschaffung eines Bestrahlungsgeräts für
die Breitband UVB-Lichttherapie im Heimtherapiebereich (Anschaffungskosten: 1.877,58
Euro) zur Behandlung einer Hauterkrankung, im konkreten Fall: „Lichen ruber“ (Synonym:
Knötchenflechte)
siehe dazu Springer Lexikon Medizin (2004), Seite 1244 f.: chronische Entzündung der
Haut und Schleimhaut mit juckenden Papeln; kann die Haut, Schleimhaut und Nägel
befallen, nie aber innere Organe; ist meist quälend oder schmerzhaft, aber immer harmlos
und muss nur selten intensiv therapiert werden; tritt weltweit auf und ist eine der
häufigsten Hauterkrankungen;
abgelehnt. Begründet ist dies damit, dass die beihilferechtlich für die Anerkennung von
Apparaten und Geräten zur Selbstbehandlung nach ärztlicher Bescheinigung
vorausgesetzte Unbedenklichkeit der Selbstbehandlung bei dem in Rede stehenden UVB-
Bestrahlungsgerät nicht gegeben sei.
Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch, denn es
bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der klageabweisenden Entscheidung
(§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch belegt die den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren
begrenzende Antragsbegründung gemäß Schriftsatz vom 28.2.2005 einen nach § 124
Abs. 2 Nr. 5 VwGO durchschlagenden Verfahrensmangel, und schließlich weist die
Rechtssache auch nicht besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im
Verständnis des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen nicht.
Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Apparate
und Geräte zur Selbstbehandlung nach der einschlägigen beihilferechtlichen Regelung (u.a.)
voraussetzt, dass „die Selbstbehandlung nach ärztlicher Bescheinigung unbedenklich ist“
so die auf § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 3 BhVO beruhenden Richtlinien, die in der bis 30.06.2003
geltenden Fassung (GMBl.Saar 1993, S. 456) in der hier einschlägigen Nr. 2.3 mit der ab
1.7.2003 in Kraft getretenen Neufassung (GMBl.Saar 2003 S. 548) - jetzt einschlägig
Nr.2.2 - wörtlich übereinstimmen.
Diese - wie zu betonen ist - ausschließlich beihilferechtliche Unbedenklichkeit einer
Selbstbehandlung mit dem von der Klägerin zur Anschaffung vorgesehenen bzw. bereits
angeschafften
siehe dazu die Auftragsbestätigung der Firma W Medizintechnik vom 9.2.2003,
UVB-Bestrahlungsgerät hat das Verwaltungsgericht mit insgesamt zutreffenden
Erwägungen, die sich der Senat zu Eigen macht, überzeugend verneint (Seiten 7, 8 des
Urteils). Wesentlich neue Gesichtspunkte, die die Richtigkeit der erstinstanzlichen
Entscheidung ernstlich in Zweifel ziehen könnten, ergeben sich aus der
Zulassungsbegründung nicht.
Es genügt nicht, wie die Klägerin offenkundig annimmt, dass die Unbedenklichkeit der
Selbstbehandlung ärztlicherseits formal bescheinigt wird. Vielmehr muss die ärztliche
Bescheinigung anhand der konkreten Gegebenheiten die mit Blick auf mögliche
Gesundheitsgefahren vorauszusetzende Unbedenklichkeit einer Selbstbehandlung in
objektivierter Form nachvollziehbar darlegen. Hierfür reicht die Feststellung in der ärztlichen
Bescheinigung der Hautärztin Dr. med. K vom 12.6.2003 nicht aus, die Klägerin wende
das Bestrahlungsgerät „nach Vorschrift“ an und stelle sich regelmäßig zur
Überwachungskontrolle vor. Auch die Aussage, es sei bisher nicht zu Verbrennungen
gekommen, und die damit verbundene Prognose, bei weiterhin sachgemäßem Gebrauch
werde dies auch nicht eintreten, da die Patientin genaue Verhaltensregeln beachte, können
die Annahme einer objektiv gegebenen Gefahrensituation bei häuslicher Selbstbehandlung
nicht ausschließen. In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht zutreffend
hervorgehoben, dass ausweislich der Gebrauchsanweisung das UVB-Bestrahlungsgerät
ungeachtet der ab Werk standardmäßig vorgesehenen geringeren Maximaldosis vom
Benutzer auf eine größere Bestrahlungsdosis eingestellt werden kann. Darauf, ob auch
konkret im Falle der Klägerin die Gefahr einer Schädigung bei einer Selbstbehandlung mit
dem streitbefangenen Bestrahlungsgerät besteht oder ob eine derartige Gefahr infolge der
Erfahrungen der Klägerin mit Bestrahlungsgeräten und im Hinblick auf die Überwachung der
Selbstbehandlung durch die die Klägerin behandelnde Hautärztin ausgeschlossen werden
kann, kommt es nicht an
so zutreffend für die vergleichbare beihilferechtliche Regelung in Nordrhein-Westfalen OVG
Münster, Urteil vom 13.5.1993 - 1 A 253/90 -, DÖD 1994, 43 = RiA 1994, 45 = ZBR
1993, 383 (Leitsatz).
Die beihilferechtlich vorausgesetzte Unbedenklichkeit einer Selbstbehandlung soll nach Sinn
und Zweck dieser Regelung erkennbar generell verhindern, dass durch einen möglichen
unsachgemäßen Gebrauch eines Geräts zur Selbstbehandlung zusätzliche
Gesundheitsbeeinträchtigungen auftreten, die wiederum einer medizinischen, unter
Umständen kostenintensiven Behandlung bedürfen und damit zwangsläufig
Beihilfeansprüche begründen
bei Benutzung von UVB-Bestrahlungsgeräten sind bei nicht sachgemäßer Einstellung
(Dosierung) Gesundheitsschädigungen der Haut, namentlich ein erhöhtes Karzinomrisiko,
zu befürchten; vgl. dazu OVG Münster, Beschluss vom 4.6.2002 - 1 A 178/00 -, IÖD 2002,
225.
Die Klägerin wird durch diese beihilferechtliche Regelung nicht unzumutbar belastet. Denn
es ist für sie zumutbar, die von ihrer Ärztin für sehr erfolgversprechend und therapeutisch
sinnvoll eingeschätzte Lichtbehandlung
siehe ärztliche Bescheinigung der Frau Dr. med. K vom 18.3.2003,
ambulant in einer wohnortnahen Arztpraxis durchführen zu lassen. Wenn die Klägerin
dennoch aus persönlichen, mit beruflicher Belastung einhergehenden Gründen eine
„Heimbehandlung“ mittels eines von ihr angeschafften UVB-Bestrahlungsgeräts wünscht,
so ist ihr unbelassen, ein solches Gerät auf eigene Kosten anzuschaffen
aus ihrem Schreiben an den Beklagten vom 15.4.2003 ergibt sich zumindest die
Möglichkeit einer Kostenübernahme seitens ihrer Privatversicherung (Debeka).
Die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht verlangt jedenfalls nicht, dass durch Beihilfe und
Versicherungsleistung die Aufwendungen in Krankheitsfällen vollständig gedeckt werden,
dass der Dienstherr in jedem Fall einen Teil der Aufwendungen übernimmt oder dass das
von der Beihilfe nicht gedeckte Risiko in vollem Umfang versicherbar ist. Das Beihilfesystem
und die private Versicherung müssen nicht lückenlos aufeinander abgestimmt sein. Das
Alimentationsprinzip verbietet es lediglich, dem Beamten Risiken aufzubürden, deren
wirtschaftliche Auswirkungen unüberschaubar sind. Das ist nicht zu besorgen, wenn das -
nicht versicherbare - finanzielle Risiko auf einen Betrag begrenzt ist, der die
amtsangemessene Lebensführung nicht beeinträchtigt
so BVerwG, Urteil vom 3.7.2003 - 2 C 36/02 -, BVerwGE 118, 277 = NJW 2004, 308 =
ZBR 2004, 49 = IÖD 2004, 50.
Im Falle einer Anschaffung des UVB-Bestrahlungsgeräts, das die Klägerin nach eigener
Einschätzung (Schreiben vom 10.5.2003) „in den nächsten Jahren“ benötigt, entstehen ihr
einmalige Kosten von rund 1.800,- Euro
vgl. die bereits erwähnte Auftragsbestätigung vom 9.4.2003,
so dass bei einer Kostenverteilung auf mehrere Jahre eine rechtlich bedeutsame
Beeinträchtigung ihrer amtsangemessenen Lebensführung nicht anzunehmen ist.
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich sodann, dass es zur Beantwortung der Frage, ob
die Selbstbehandlung mit dem UVB-Bestrahlungsgerät zu keinen Gesundheitsgefahren
führt, nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf, so dass der
diesbezügliche Beweisantrag vom Verwaltungsgericht zu Recht abgelehnt wurde (§ 86
Abs. 2 VwGO).
Schließlich weist die Rechtssache auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen
Schwierigkeiten im Verständnis des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Wie die
vorangegangenen Ausführungen zeigen, bedarf es nicht erst der Durchführung eines
Berufungsverfahrens, sondern steht schon jetzt - auch unter Würdigung des Vorbringens
der Klägerin im Zulassungsverfahren - fest, dass das Verwaltungsgericht sowohl im
Ergebnis richtig entschieden als auch sein Urteil unter Erörterung aller relevanter
Gesichtspunkte überzeugend begründet hat.
Nach allem muss der Berufungszulassungsantrag der Klägerin zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3, 47 GKG. Ihr liegt ein
Beihilfebemessungssatz der Klägerin von 50 vom Hundert zugrunde.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.