Urteil des OVG Saarland vom 05.05.2004

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OVG Saarlouis Beschluß vom 5.5.2004, 1 Y 4/04
Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen einerseits der Bedürftigkeit und andererseits der "hinreichenden
Erfolgsaussicht" der Rechtsverfolgung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Tenor
Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 25.
Februar 2004 – 5 K 115/03 – wird dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Raten für den
ersten Rechtszug bewilligt und Rechtsanwalt Joachim Plath zur Wahrnehmung seiner
Rechte beigeordnet.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die hinsichtlich ihrer Zulässigkeit keinen durchgreifenden Bedenken
unterliegende Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts vom 25.2.2004 – 5 K 115/03 – ist begründet. Der Kläger
hat einen Anspruch auf Bewilligung der von ihm beantragten Prozesskostenhilfe
für das erstinstanzliche Klageverfahren. Die hierfür in den §§ 166 VwGO, 114,
115 ZPO normierten subjektiven und objektiven Voraussetzungen liegen vor.
Unter Berücksichtigung der von dem Kläger in seiner Erklärung vom 28.8.2003
über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom (Vordruck)
gemachten Angaben ist dieser nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung
aufzubringen (§ 114 ZPO).
Der Kläger bezieht danach – bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung -
eine Altersrente von 748,- im Monat und ein Wohngeld von 78,- (zusammen :
826,- ). Die von seiner Ehefrau erzielten monatlichen Einkünfte sind bei der
Ermittlung seines einzusetzenden Einkommens nach § 115 Abs. 1 ZPO nicht
hinzuzurechnen
vgl. hierzu etwa Zöller, ZPO, 23. Auflage 2002, § 115 RNr. 7,
wonach Ehegatteneinkommen nur nach Maßgabe des § 115 Abs. 1
Satz 3 Nr. 2 ZPO hinsichtlich der Unterhaltsbedürftigkeit zu
berücksichtigen ist, da ansonsten eine mittelbare Haftung des
Ehegatten für Prozesskosten in nicht persönlichen Angelegenheiten
zustande käme, für die er nach einschlägigen familienrechtlichen
Bestimmungen (§§ 1360a Abs. 4, 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB) nicht
aufzukommen hätte; ebenso Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs,
Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Auflage 2003, RNr. 210.
Auch wenn aufgrund des eigenen Einkommens der Ehefrau (insgesamt : 1.063,-
) nur von einer Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber den nicht über eigene
Einkünfte verfügenden vier Kindern ausgegangen wird, ergibt sich bereits nach
§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO i. V. m. §§ 79, 82 BSHG ein vom Einkommen
abzusetzender Unterhaltsfreibetrag für ihn und die Kinder, der die monatlichen
Einkünfte des Klägers übersteigt, so dass hier auf die Kosten für Unterkunft und
Heizung (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO) und sonstige laufende Belastungen
nicht eingegangen werden muss.
Nach der Erklärung vom 28.8.2003 ist ferner kein in zumutbarer Weise
verwertbares Vermögen zur Aufbringung der Prozesskosten (§§ 115 Abs. 2
ZPO, 88 BSHG) vorhanden. Das gilt sowohl für das selbst genutzte, 100 Jahre
alte Wohnhaus mit Grundstück (Anwesen D. Straße 10), das im hälftigen
Miteigentum des Klägers steht (§ 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG), als auch für den 13
Jahre alten VW-Bus des Klägers und das Guthaben von "ca. 1.000,- " bei der
Kreissparkasse Neunkirchen (§ 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG)
vgl. zu den in dem Zusammenhang von der Rechtsprechung
angenommenen Freibeträgen etwa Zöller, a.a.O., § 115 RNr. 57,
sowie § 1 der Durchführungsverordnung zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG
i.d.F. des Gesetzes über die Einordnung des Sozialhilferechts in das
Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl. I, Seiten 3022 ff., dort Art.
15 (Seite 3060).
Liegen danach die in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen
begründeten Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe vor, so
gilt dies entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch für die weiteren
Voraussetzungen des § 114 ZPO. Die gerichtliche Verfolgung des
Verpflichtungsbegehrens (§ 113 Abs. 5 VwGO) auf Erteilung eines positiven
Bauvorbescheids (§ 76 LBO 1996) für den beabsichtigten Neubau eines
maximal zweigeschossigen Einfamilienhauses auf den Parzellen 284, 285 in Flur
1 der Gemarkung B.
vgl. die dem zugrunde liegende Bauvoranfrage des Klägers vom
22.7.2002,
erscheint nicht mutwillig und bietet nach dem als Erkenntnismaterial
gegenwärtig allein zur Verfügung stehenden Akteninhalt hinreichende Aussicht
auf Erfolg
vgl. hierzu allgemein Zöller, a.a.O:, § 114 RNr. 19, wonach mit Blick
auf die gesetzliche Zielsetzung und den Gesetzeswortlaut
("hinreichend") die Anforderungen für die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für bedürftige Beteiligte nicht überspannt werden
dürfen und diese dann gerechtfertigt ist, wenn das Gericht den
Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung
und der vorhandenen Unterlagen für zumindest vertretbar hält und
bei Aufklärungsbedarf in tatsächlicher Hinsicht zumindest von der
Möglichkeit der Beweisführung in seinem Sinne überzeugt ist,
unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des BGH;
dazu auch Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., RNr. 409,
wonach insbesondere keine vorweggenommene
Hauptsacheentscheidung im Rahmen des PKH-Verfahrens erfolgt;
Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage 2003, § 166 RNr. 8, wonach eine
"gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs" genügt und eine
überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht erforderlich ist.
Ungeachtet der Frage, ob die Bauvoranfrage des Klägers überhaupt auf eine
Vorausbeurteilung auch der Frage der Einhaltung der bauordnungsrechtlichen
Bestimmungen über die vor Gebäudeaußenwänden regelmäßig auf dem
Baugrundstück frei zu haltenden Abstandsflächen (§ 6 LBO) zielt, hat der Kläger
mit der Beschwerde unwidersprochen sowie unter Hinweis auf einen
beigefügten Grundbuchauszug vorgetragen, dass er auch Miteigentümer der
seitlich benachbarten, nach der bei den Antragsunterlagen befindlichen
Lageskizze
vgl. Blatt 6 der Bauakte 00709-02 des Beklagten
für die Ausführung des Vorhabens ebenfalls in Anspruch zu nehmenden Parzelle
Nr. 283/3 ist. Zumindest von daher kann insoweit von einem durchgreifenden,
der Erteilung eines Vorbescheids entgegen stehenden Genehmigungshindernis
nicht ausgegangen werden.
Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus die Erfolgsaussichten der Klage auch
unter bauplanungsrechtlichen Gesichtspunkten verneint, indem es "nach
Auswertung der der Kammer zur Verfügung stehenden Luftbilder der staatlichen
Katasterverwaltung des Saarlandes" von einer Belegenheit der Parzellen Nr. 284
und 285 im Außenbereich (§ 35 BauGB) des Ortsteils B. der Beigeladenen
bejaht hat. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Frage, ob der in Aussicht
genommene, nicht beplante Bauplatz - von der D. Straße aus gesehen - hinter
dem Wohnhaus des Klägers (Parzelle Nr. 271/3), was für die Beurteilung der
bodenrechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens in der Tat von wesentlicher
Bedeutung ist, noch der im Zusammenhang bebauten Ortslage von B. im
Verständnis des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zuzuordnen ist, lässt sich nicht
abschließend auf Grund des erwähnten Luftbildes beantworten. Die
entsprechende Beurteilung erfordert, auch wenn die vom Verwaltungsgericht
auf der Grundlage des Luftbildes vorgenommene Zuordnung zum Außenbereich
nach gegenwärtigem Erkenntnisstand ein mögliches, vielleicht auch ein nach
dem Bild nachvollziehbares Ergebnis darstellt, eine Würdigung der konkreten
örtlichen Verhältnisse im Rahmen einer Besichtigung der Örtlichkeit. Es handelt
sich nicht um ein "fernab" jeglicher Bebauung befindliches Gelände, sondern um
eine Ortsrandlage, in der sich unstreitig auch von der Straße abgesetzte
Bebauung befindet. Abschließende Klarheit über die bodenrechtliche Einordnung
kann in dieser Situation nur eine wertende Beurteilung der konkreten baulichen
Verhältnisse vor Ort durch das Gericht bringen.
Mit Blick auf die Erfolgsaussichten bedeutsam erscheint insoweit, dass nach
dem Inhalt der Bauakten sowohl der Beklagte als auch die Beigeladene zu
keinem Zeitpunkt von einer Außenbereichslage des Bauplatzes im Sinne des
§ 35 BauGB ausgegangen sind, dass vielmehr die Zugehörigkeit zur Ortslage –
ob zu Recht oder nicht, mag hier dahinstehen – im Verwaltungsverfahren durch
die beteiligten, im Gegensatz zum Verwaltungsgericht über einen Eindruck der
Örtlichkeit verfügenden Behörden nie in Zweifel gezogen worden ist. Unstreitig
wurde den Rechtsvorgängern des Klägers unter dem 6.9.1999 (759/98) sogar
ein positiver Vorbescheid für ein entsprechendes Vorhaben erteilt, und auch die
Beigeladene hat bei der Verweigerung ihres Einvernehmens (§ 36 BauGB) zu
der Bauvoranfrage des Klägers, die nach dem Inhalt des Ablehnungsbescheids
des Beklagten und des Widerspruchsbescheids vom 13.6.2003 (KRA 6159-
46/03) offenbar alleiniger Grund für die negative bauaufsichtsbehördliche
Entscheidung war, ausdrücklich die Belegenheit im "Innenbereich (§ 34 BauGB)"
bejaht
vgl. dazu die negativen Stellungnahmen der Beigeladenen vom
25.10.2002 (Blatt 9 der Bauakte) und – nach nochmaliger Anfrage
des Beklagten - vom 31.3.2003 (Blatt 22 der Bauakte), die nach den
Erklärungen des Vertreters der Beigeladenen in der Verhandlung vor
dem Kreisrechtsausschuss im Übrigen von der Gemeindeverwaltung
nicht geteilt werden,
und die Genehmigungsunfähigkeit nunmehr – anders als im Falle der
Voreigentümer – mit der Besorgnis der Entwicklung einer "Hinterhausbebauung"
begründet. Auch dieser Aspekt würde indes – ausgehend von einer
Anwendbarkeit des § 34 BauGB – jedenfalls nach "Aktenlage" und
gegenwärtigem Erkenntnisstand kein zwingendes Genehmigungshindernis
begründen
vgl. zu den Anforderungen an die bodenrechtliche Zulässigkeit der
Errichtung von Wohngebäuden "in zweiter Reihe" zuletzt etwa OVG
des Saarlandes, Urteil vom 30.9.2003 – 1 R 22/03 -, SKZ 2004, 66
ff., m.z.N..
Vor diesem Hintergrund ist gegenwärtig von hinreichenden Erfolgsaussichten der
Verpflichtungsklage des Klägers im Sinne des § 114 ZPO auszugehen und dem
Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu entsprechen.
Die Beiordnung des Rechtsanwalts findet ihre Grundlage in den §§ 166 VwGO,
121 Abs. 2 ZPO.
Der Kostenausspruch beruht auf §§ 166 VwGO, 127 Abs. 4 ZPO.
Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich
vgl. Bader u.a., VwGO, 2. Auflage 2002, § 166 RNr. 58.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar.