Urteil des OVG Saarland vom 17.07.2009

OVG Saarlouis: besondere härte, aufenthaltserlaubnis, brasilien, lebensgemeinschaft, wohnung, trennung, stadt, visum, kurzaufenthalt, abschiebung

OVG Saarlouis Beschluß vom 17.7.2009, 2 B 385/09
Visumsfreistellung der Einreise für einen Kurzaufenthalt bis zu drei Monaten - Zum
nachehelichen Aufenthaltsrecht
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des
Saarlandes vom 1. Juni 2009 – 10 L 268/09 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist brasilianische Staatsangehörige, begehrt die Verlängerung ihrer
Aufenthaltserlaubnis und wendet sich ferner gegen die im Zuge deren Ablehnung durch den
Antragsgegner ausgesprochene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung.
Die Antragstellerin heiratete am 20.12.1990 in Salvador/Brasilien den deutschen
Staatsangehörigen W. In einem Schreiben der Antragstellerin vom Januar 2004 an die
Ausländerbehörde in Saarbrücken, bei der sie bis dahin nicht in Erscheinung getreten war,
heißt es, sie habe mit dem Ehemann einige Jahre in Brasilien gelebt, bis sich dieser
entschlossen habe, nach Deutschland zurückzukehren. Sie sei ihm im November 2000
gefolgt, davon ausgegangen, dass sie als Ehefrau eines Deutschen „kein Visum benötige“
und in dem Glauben vom Ehemann bestärkt worden. Sie sei der deutschen Sprache nicht
mächtig, leide inzwischen an Diabetes, habe keine Krankenversicherung und bitte, auf den
Ehemann einzuwirken, dass dieser – wie mehrfach zugesagt – sich mit der
Ausländerbehörde in Verbindung setze.
Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache im Februar 2004 bei der Ausländerbehörde
erklärte der Ehemann, dass er mit der Antragstellerin, die sich seit drei Jahren in einer ihm
gehörenden Wohnung in A-Stadt aufhalte, eine bisher nicht bestehende eheliche
Lebensgemeinschaft nicht aufnehmen wolle. Er sei ursprünglich davon ausgegangen, dass
sie ihn „nur kurz besuche“ und dann nach Brasilien zurückkehre.
Im Juli 2004 beantragte die Antragstellerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Nachdem der Ehemann – mit seinen Worten – „berichtigend“ gegenüber der
Ausländerbehörde erklärt hatte, dass die Ehe mit der Antragstellerin „wenn auch unter
zeitweiligen Spannungen noch ausgeübt“ werde und eine Trennung nicht beabsichtigt sei,
wurde dieser am 2.12.2004 eine bis zum 1.12.2005 gültige Aufenthaltserlaubnis erteilt.
Auf die an diesem Tag beantragte Verlängerung erhielt die Antragstellerin in der Folge
Fiktionsbescheinigungen.
Zum 21.9.2005 meldete der Ehemann seinen Wohnsitz in A-Stadt ab. Im Mai 2006
beantragte er beim Amtsgericht in A-Stadt die Scheidung der kinderlos gebliebenen Ehe
und verwies dabei auf einen Trennungszeitpunkt im März 2005. Das Verfahren ist noch
nicht abgeschlossen.
Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Ablehnung des Verlängerungsantrags wandte
die Antragstellerin ein, der Ehemann sei nicht im September 2005 aus der gemeinsamen
Wohnung ausgezogen, sondern habe sich nur „aus steuerlichen Gründen“ in H.
angemeldet. Die Trennung sei erst im Mai 2006 erfolgt.
In der Sitzung des Amtsgerichts – Familiengericht – A-Stadt im Oktober 2006 bekräftigte
der Ehemann den von ihm genannten Trennungszeitpunkt (März 2005), wohingegen die
Antragstellerin erklärte, für sie sei die Trennung Ende April/Anfang Mai 2006 gewesen, als
der Ehemann seine Sachen aus der gemeinsamen Wohnung herausgenommen habe. (vgl.
die Niederschrift über die nicht öffentliche Sitzung des AG Saarbrücken vom 19.10.2006 –
2 F 178/06 S –, Blätter 86-88 der Ausländerakte)
Durch Bescheid vom 28.1.2009 lehnte der Antragsgegner die Verlängerung der
Aufenthaltserlaubnis ab, forderte die Antragstellerin zur Ausreise auf und drohte ihr für den
Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung nach Brasilien an. Zur Begründung wurde
ausgeführt, da die Antragstellerin unstreitig seit geraumer Zeit, zumindest seit Mai 2006,
vom Ehemann getrennt lebe und ein Scheidungsverfahren eingeleitet worden sei, komme
eine Aufenthaltserlaubnis zur Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr in
Betracht. Ein eigenständiges nacheheliches Aufenthaltsrecht stehe der Antragstellerin nicht
zu. Da sie sich zunächst unerlaubt in Deutschland aufgehalten habe, sei die erforderliche
Mindestbestandszeit einer rechtmäßigen Ehe von zwei Jahren im Inland nicht erfüllt. Eine
Aufenthaltserlaubnis sei ihr vielmehr erst am 2.12.2004 erteilt worden. Vom Vorliegen
eines Härtefalles könne ebenfalls nicht ausgegangen werden. Ein solcher werde
insbesondere nicht durch den Vortrag belegt, dass sie sich aufgrund eigener
Verständigungsschwierigkeiten habe in Deutschland auf den Ehemann verlassen müssen.
Wer die Trennung zu verantworten habe, spiele ausländerrechtlich keine Rolle.
Gegen die Entscheidung hat die Antragstellerin Widerspruch erhoben und beim
Verwaltungsgericht einen Aussetzungsantrag gestellt.
Sie hat geltend gemacht, nach ihrem „Zuzug“ im November 2000 habe sie sich
wenigstens für drei Monate rechtmäßig in Deutschland aufgehalten, da brasilianischen
Staatsangehörigen nach einer einschlägigen EU-Verordnung vom März 2001 die Einreise
und ein solcher Kurzaufenthalt ohne Visum erlaubt seien. Die Berechtigung zur Einreise
nach Deutschland ohne Visum habe die deutsche Botschaft in Brasilien bereits in einer
Verbalnote von 1956 zugesagt. Von daher sei eine Aufenthaltserlaubnis für brasilianische
Staatsangehörige „deklaratorischer Natur“. Erstmals im Mai 2001 habe sie sich wegen
einer Aufenthaltserlaubnis an die Ausländerbehörde gewandt. Den deutschen Behörden sei
ihr Aufenthalt auch bekannt gewesen. So habe sie etwa gemeinsame Steuererklärungen
unterschrieben. Die Trennung vom Ehemann sei im Mai 2006 erfolgt. Dieser habe
wiederholt falsche Angaben gegenüber Behörden gemacht und sich im September 2005
lediglich aus steuerlichen Gründen nach H. umgemeldet. Er strebe ihre Ausweisung an und
wolle keinen Unterhalt mehr bezahlen. Der Ehemann habe eine „äußerst ambivalente
Persönlichkeit“, sei vermögend, besitze mehrere Immobilien in A-Stadt und H.-A. und habe
sie letztlich nur geheiratet, damit er bei der Trans Brasil Airlines, deren „Geschäftsführerin“
sie seinerzeit gewesen sei, immer erster Klasse habe fliegen können. Der Ehemann habe
sie täglich in Brasilien angerufen und gebeten, zu ihm nach Deutschland zu kommen.
Nachdem die Fluggesellschaft 2001 in die Insolvenz gegangen sei, habe er aber das
Interesse an ihr verloren. Auch habe er ständig erklärt, dass sie nicht zur Ausländerbehörde
gehen müsse. Spätestens seit Januar 2004 sei sie als rechtmäßig in Deutschland lebend
anzusehen. Es sei nicht von ihr zu vertreten, dass die Ausländerbehörde auf ihre „Anzeige“
vom 19.1.2004 erst im Dezember eine Aufenthaltserlaubnis erteilt habe. Zudem ergebe
sich ein Härtefall daraus, dass sie im November 2000 alle Kontakte in die Heimat
„komplett abgebrochen“ und auch keine Möglichkeit habe, in Brasilien wieder in
angemessener Zeit Fuß zu fassen und ein neues Leben zu beginnen.
Das Verwaltungsgericht hat das Aussetzungsbegehren durch Beschluss vom 1.6.2009 –
10 L 268/09 – zurückgewiesen. Zur Begründung wurde auf den Ablehnungsbescheid
Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, die Voraussetzungen für ein eigenständiges
Aufenthaltsrecht der Antragstellerin ließen sich unabhängig von den angegebenen
Trennungszeitpunkten nicht feststellen. Auch bei dem von der Antragstellerin genannten
Termin im Mai 2006 sei bezogen auf den allein maßgeblichen Zeitpunkt der erstmaligen
Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Dezember 2004 die notwendige Ehebestandszeit von
zwei Jahren nicht erfüllt. Insoweit sei auch nicht die Frist von drei Monaten für einen legalen
Aufenthalt zu Besuchszwecken einzurechnen, da es allein auf die zusammenhängenden
Zeiten des rechtmäßigen Bestands der ehelichen Lebensgemeinschaft bis zur Trennung
ankomme. Zwar treffe es zu, dass die Antragstellerin für die Einreise zu einem
Kurzaufenthalt von drei Monaten kein Visum benötigt hätte. Dann sei aber ein
Aufenthaltstitel innerhalb von drei Monaten nach der Einreise zu beantragen gewesen. Die
angebliche Vorsprache bei der Ausländerbehörde im Jahr 2001 sei weder aktenkundig noch
habe sie zu einer Antragstellung geführt. Die Verzögerung bei der Entscheidung im Jahre
2004 habe die Ausländerbehörde nicht zu vertreten. Der Ehemann habe seinerzeit
zunächst das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft ausdrücklich und mit
nachvollziehbarer Begründung bestritten. Nach seiner davon abweichenden Erklärung vom
30.11.2004 sei dann die Aufenthaltserlaubnis unverzüglich erteilt worden. Eine besondere
Härte lasse sich trotz inzwischen neunjährigen Aufenthalts in Deutschland nicht feststellen.
Die Antragstellerin habe den überwiegenden Teil ihres Lebens in Brasilien verbracht und
dort ihren Beruf ausgeübt. Nach ihren Angaben im Verfahren über den
Versorgungsausgleich verfüge sie über eine Rente in Brasilien und habe dort ein von ihrer
Schwester bewohntes Haus. Die angegebenen Gründe für die Übersiedlung nach
Deutschland, für die Nichtstellung eines Antrags bei der Ausländerbehörde und für das
Scheitern ihrer Ehe und die Motive des Ehemannes seien bereits wenig nachvollziehbar und
begründeten im Übrigen selbst bei einer Richtigkeit keine besondere Härtesituation.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Beschwerde der Antragstellerin.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom
1.6.2009 – 10 L 268/09 –, mit dem ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung
des Widerspruchs gegen die nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG „vollziehbare“ Ablehnung der
Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis in dem Bescheid des Antragsgegners vom
28.1.2009 zurückgewiesen wurde, muss erfolglos bleiben. Nach § 146 Abs. 4 Satz 6
VwGO bestimmt sich der gerichtliche Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren
abschließend nach dem Vorbringen in der Beschwerdebegründung, hier derjenigen vom
9.7.2009. Dieses rechtfertigt keine Änderung der angegriffenen Entscheidung des
Verwaltungsgerichts.
Soweit die Antragstellerin im Zusammenhang mit der zeitweilig in der Rechtspraxis in
Vergessenheit geratenen und durch Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt (vgl. hierzu
BGBl. II 2008, 1179) in Erinnerung gerufenen Zusage der Bundesrepublik Deutschland aus
dem Jahr 1956, mit der Staatsangehörigen der Vereinigten Staaten von Brasilien die
Möglichkeit der Einreise ohne Visum zugesagt worden ist, „fragt“, wie sie „als rechtlicher
Laie die Zusage hätte kennen sollen“, rechtfertigt das keine andere Entscheidung. Das
Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Beschluss zutreffend ausgeführt, dass damit
allenfalls eine Einreise nach Deutschland visumsfrei gestellt wurde, nicht aber ein
anschließender – hier jahrelanger – Aufenthalt. Daher kann die Antragstellerin aus der
zwischenstaatlich erteilten Zusicherung den geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung
ihres jahrelangen ausländerbehördlich bis zum Dezember 2004 nicht legalisierten
Aufenthalts nicht herleiten, und zwar unabhängig davon, ob sie die Sonderregelung kannte
oder nicht. Die in der Sachverhaltswiedergabe angesprochene Visumsfreistellung der
Einreise für einen Kurzaufenthalt bis zu drei Monaten durch die – übrigens erst nach der
Einreise der Antragstellerin erlassene – Bestimmung in Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit dem
Anhang II der Europäischen Visa-Verordnung vom März 2001 (vgl. die Verordnung (EG) Nr.
539/2001 des Rates vom 15.3.2001 zur „Aufstellung der Liste der Drittländer, deren
Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein
müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumspflicht
befreit sind“, abgedruckt bei Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, Anhang Texte Nr.
3.13, Seiten 1321 ff.) betrifft ebenfalls nur die Einreise zum Zwecke eines Kurzaufenthalts
und ersetzt insoweit allenfalls ein Besuchervisum. Ein solcher Zweck lag aber der Einreise
der Antragstellerin nicht zugrunde. Diese ist nach ihren Behauptungen im November 2000
ihrem Ehemann nach Deutschland gefolgt und zwar unstreitig zur Begründung eines
Daueraufenthalts, für den die Freistellung vom Visumszwang generell nicht gilt. Der
Vorgang wurde von ihr selbst im erstinstanzlichen Vorbringen als „Zuzug“ bezeichnet und
kann nach den Gesamtumständen des Falles auch nur als solcher gewertet werden. Auf
das sich darüber hinaus auch bei einer visumsfrei gestellten Einreise für anschließende
Daueraufenthalte aus den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen (vgl. aktuell § 41
AufenthV, früher § 9 DVAuslG) ergebende fristgebundene Erfordernis der Beantragung
eines Titels bei der inländischen Ausländerbehörde zur Legalisierung des Aufenthalts hat
bereits das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen.
Soweit die Beschwerde mit Blick auf die Härteklausel des § 31 Abs. 2 AufenthG darauf
hinweist, dass die Antragstellerin vom Ehemann „unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in
die Bundesrepublik Deutschland gelockt“ worden sei und dass dieser nur darauf bedacht
gewesen sei, „aus der Beziehung seinen Vorteil zu ziehen“, lässt sich hieraus offensichtlich
kein Anspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis herleiten. Diese bei der
Auflösung einer ehelichen Lebensgemeinschaft eines Ausländers in Deutschland ohne
Erreichen der von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG für ein eigenständiges
Aufenthaltsrecht geforderten Ehebestandszeit nicht ungewöhnlichen Erkenntnisse und
Begleitumstände mögen die Verpflichtung zur Rückkehr in das Heimatland aus Sicht der
Antragstellerin „ungerecht“ erscheinen lassen. Eine „besondere“ Härte im Sinne des § 31
Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder gar eine Unzumutbarkeit am weiteren Festhalten an der
ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne des Satzes 2 der Vorschrift für ein
ausnahmsweise ohne Einhaltung der genannten Zeitvorgabe anzuerkennendes
eheunabhängiges eigenes Aufenthaltsrecht der Antragstellerin in Deutschland begründen
sie sicher nicht. (vgl. hierzu zuletzt OVG des Saarlandes, Beschluss vom 4.2.2009 – 2 B
449/08 –) Eine solche Unzumutbarkeit (§ 31 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. AufenthG) setzt mehr
voraus als den Zerfall einer Beziehung oder die Zerrüttung der ehelichen
Lebensgemeinschaft. (vgl. hierzu die Erläuterungen und Beispielsfälle unter Nr. 31.2.5 der
Vorläufigen Anwendungshinweise zu § 31 AufenthG, abgedruckt bei Renner,
Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, zu § 31) Erfasst werden sollten durch diese Regelung
beispielsweise die Fälle, in denen der nachgezogene Ehegatte – nicht, wie hier, der Partner
– die eheliche Lebensgemeinschaft infolge physischer oder psychischer Misshandlungen
durch den anderen Ehegatten aufgehoben hat. Davon oder von einer vergleichbaren
Sachverhaltskonstellation kann hier nicht die Rede sein.
Nach der Rechtsprechung des Senats kann ferner dem Ausländer oder der Ausländerin das
Vorliegen einer „besonderen“ Härte im Rahmen der Geltendmachung eines eigenständigen
nachehelichen Aufenthaltsrechts nach § 31 Abs. 2 AufenthG unter dem Aspekt der
notwendigen Rückkehr in das Heimatland nur zugebilligt werden, wenn die von ihm/ihr zu
gewärtigenden Schwierigkeiten der Wiedereingliederung in die gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse des Herkunftslandes deutlich über die damit naturgemäß
regelmäßig verbundenen Probleme hinausgehen. (vgl. insoweit auch die Vorläufigen
Anwendungshinweise zu § 31 AufenthG, Ziffer 31.2.4.3, abgedruckt bei Renner,
Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, zu § 31 AufenthG) Daher ist im Rahmen einer
Gesamtbetrachtung unter Berücksichtung etwa der Aufenthaltsdauer und der individuellen
Integrationsleistungen speziell mit Blick auf geltend gemachte Rückkehrschwierigkeiten eine
besondere Härte nur anzunehmen, wenn im Einzelfall über die regelmäßig mit der
Aufenthaltsverlagerung in ein anderes Land verbundenen Schwierigkeiten hinaus besondere
Umstände vorliegen, aus denen heraus die Ausreisepflicht den konkreten Ausländer oder
die Ausländerin ungleich härter trifft als andere in vergleichbarer Situation. (vgl. etwa OVG
des Saarlandes, Beschlüsse vom 23.11.2005 – 2 W 31/05 –, SKZ 2006, 61 Leitsatz Nr.
75 (Rückkehr einer geschiedenen Frau nach Thailand), und vom 8.6.2000 – 9 V 14/00 –,
SKZ 2000, 265 Leitsatz Nr. 126, wonach die bei der Rückkehr zu erwartenden
Schwierigkeiten nach Art und Schwere so erheblich sein müssen, dass die Versagung der
Aufenthaltserlaubnis als nicht mehr vertretbar erscheinen würde, noch zu § 29 AuslG)
Dafür gibt es angesichts der konkreten Fallumstände keine Anhaltspunkte. Die
Antragstellerin hat den weit überwiegenden Teil ihres Lebens in ihrem Heimatland
verbracht, kennt Sprache und Lebensverhältnisse, bezieht in Brasilien eine Rente, hat – wie
allein der Verweis auf die Schwester belegt – familiäre Anknüpfungspunkte und ist sogar
Eigentümerin einer Wohnung. (vgl. in dem Zusammenhang die – erfolgreiche – sofortige
Beschwerde der Antragstellerin vom 27.9.2006 gegen die mit dem Hinweis auf eine
Verwertungsmöglichkeit der Wohnung begründete Versagung von Prozesskostenhilfe im
Scheidungsprozess, mit der die Antragstellerin geltend gemacht hat, dass sie im Falle einer
zu erwartenden „Ausweisung“ dort wiederum Wohnung finden müsse) Die alle Rückkehrer
beziehungsweise Rückkehrerinnen gleichermaßen treffenden typischen Rückkehreffekte
können von daher die Ausreisepflicht von vornherein nicht über das Merkmal der
„besonderen Härte“ in § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG suspendieren. (vgl. OVG des
Saarlandes, Beschluss vom 18.9.2001 – 1 V 26/01 –, SKZ 2002, 168, Leitsatz Nr. 69)
Ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis ergibt sich ferner nicht mit
Blick auf das laufende Scheidungsverfahren. Die Antragstellerin verweist insoweit darauf,
dass die Klärung der „familienrechtlichen Angelegenheit“ mit ihrem Ehemann „sehr
komplex und schwierig“ sei, weswegen eine ständige und persönliche Kommunikation mit
den sie in dem Scheidungsverbundverfahren vertretenden Rechtsanwälten erforderlich sei.
Diese könne von Brasilien aus nicht gewährleistet werden. Dabei ist bereits in prozessualer
Hinsicht festzustellen, dass dieser Einwand einer Notwendigkeit des vorübergehenden
Hinsicht festzustellen, dass dieser Einwand einer Notwendigkeit des vorübergehenden
Verbleibs in Deutschland erstmals im Laufe des vorliegenden Beschwerdeverfahrens
erhoben und – ersichtlich – gegenüber dem Antragsgegner bisher noch nicht geltend
gemacht wurde. (vgl. in dem Zusammenhang OVG des Saarlandes, Beschluss vom
22.6.1994 – 3 W 1/94 –, wonach darin ein Antragswechsel (§ 91 VwGO entspr.) zu
erblicken ist, der dem Erfordernis „vorgängiger Durchführung eines Verwaltungsverfahrens“
unterliegt) Wollte man darin formal über das wörtliche Vorbringen hinaus eine
Geltendmachung von Anhörungsrechten im Scheidungsverfahren, die grundsätzlich auch
im Wege der Amtshilfe realisierbar wären, erblicken, müsste sich die Antragstellerin
zumindest eine Änderung des Aufenthaltszwecks entgegenhalten lassen, dem nicht durch
die Anfechtung des Bescheids des Antragsgegners vom 28.1.2009 beziehungsweise durch
den darauf gerichteten Antrag auf Vollzugsaussetzung der Versagung der
Aufenthaltserlaubnis, sondern nur durch Einleitung eines neuen Verwaltungsverfahrens auf
vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a AufenthG Rechnung getragen
werden könnte. (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 9.2.1996 – 9 W 67/95 –
mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen zur damaligen Gesetzeslage) Ob die
Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG, der die Duldung
der vorübergehenden weiteren Anwesenheit eines Ausländers im Bundesgebiet aus
„dringenden persönlichen Gründen“ in das Ermessen der Ausländerbehörde stellt auf der
Grundlage des Sachvortrags der Antragstellerin bejaht werden könnten, erscheint sehr
zweifelhaft. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass die Kommunikation zwischen der
Antragstellerin und den sie vertretenden Rechtsanwälten nach der Rückkehr nach Brasilien
unzumutbar erschwert oder gar ausgeschlossen wäre. Zum anderen kann ein solcher
Anspruch – ebenso wie die rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise (§ 60a Abs. 2 Satz 1
AufenthG) – dann nicht angenommen werden, wenn den vom Ausländer vorgebrachten
Umständen im Einzelfall auch durch eine kurzfristige Betretenserlaubnis Rechnung getragen
werden kann, was insbesondere beim Hinweis auf ein Mitwirkungserfordernis in eigenen
und fremden Verfahren vor deutschen Gerichten grundsätzlich in Betracht kommt.
Vorliegend spricht alles dafür, dass dies auch im vorliegenden Fall ausreichend ist. Sollte die
Antragstellerin ihrer Ausreisepflicht freiwillig nachkommen, unterläge sie nach dem zuvor
Gesagten bei einer Wiedereinreise – anders als nach einer Abschiebung (§ 11 Abs. 1 Satz 1
AufenthG) – keinem Visumszwang.
Der Antragsgegner wird dieses Anliegen der Antragstellerin unter Würdigung der
Gesamtumstände, auch der Effizienz der Durchführung des Scheidungsverfahrens und des
Aspektes, inwieweit das Familiengericht eine persönliche Anwesenheit der Antragstellerin
für erforderlich hält, zur Beantwortung der Frage der Erteilung oder gegebenenfalls
Verlängerung einer vorübergehenden Duldung zu beurteilen haben. Aus der bei dem
Vorgang befindlichen Aktenrückforderung des Amtsgerichts – Familiengericht – A-Stadt
vom 29.6.2009 wird zwar deutlich, dass dem im Scheidungsverbund geführten Verfahren
offenbar Fortgang gegeben werden soll. Dieses ist indes bereits im Mai 2006 eingeleitet
worden und daher nunmehr über drei Jahre anhängig. Das zentrale Problem bildet in dem
Zusammenhang wohl die bisher mangelnde Bereitschaft oder – nach eigenem Vortrag –
Möglichkeit des Ehemannes, der bei Stellung seines Scheidungsantrags noch auf einen in
Brasilien vereinbarten, weit reichenden Ausschluss gegenseitiger Ansprüche unter anderem
auf Versorgungsausgleich und Unterhalt verwiesen hatte, belastbare, insbesondere
schriftliche Nachweise über seine aus der Vermietung mehrerer Immobilien erzielten
Einkünfte (vgl. dazu die in einem Termin des Amtsgerichts – Familiengericht – am
19.10.2006 – 2 F 178/06 S – geschlossenen Vergleich (Ziffer 5) übernommene
Verpflichtung zur Rechnungslegung und die zur Erzwingung der Verpflichtung vom
Amtsgericht mit Beschluss vom 16.5.2007 – 2 F 178/06 S – ausgesprochene Festsetzung
eines Zwangsgeldes) sowie eine Aufstellung seines „Endvermögens“ zur Ermittlung
etwaiger Ansprüche der Antragstellerin auf Zugewinnausgleich vorzulegen. (vgl. das
insoweit ergangene Teilversäumnisurteil des Amtsgerichts - Familiengericht – vom
23.4.2009 – 2 F 178/06 GÜR – , mit dem der Ehemann verurteilt wurde, Auskunft über
sein Endvermögen bei Stellung des Scheidungsantrags im Mai 2006 in Form eines
geordneten Verzeichnisses zu erteilen) Hierzu kann die Antragstellerin nach dem eigenen
Vorbringen mangels eigener Kenntnisse nichts beitragen.
Die nach § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG rechtlich vom Vorliegen von Abschiebungsverboten
nicht tangierte Abschiebungsandrohung unterliegt keinen Bedenken. Die Antragstellerin ist
nach Ablauf ihres Aufenthaltstitels im Dezember 2005 und Ablehnung der Verlängerung
durch den Antragsgegner vollziehbar ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG). Die
gegebenenfalls erforderliche Abschiebung als Vollstreckungsmaßnahme dient der
Durchsetzung der Ausreisepflicht. Dass die im Bescheid vom 28.1.2009 ausgesprochene
angemessene Ausreisefrist (§ 59 Abs. 1 AufenthG) zum 5.3.2009 inzwischen durch
Zeitablauf überholt ist, berührt deren Rechtmäßigkeit nicht.
Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid des
Antragsgegners vom 28.1.2009 zu Recht zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 2, 47 GKG 2004, wobei eine
Halbierung des Auffangstreitwerts gerechtfertigt erscheint.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar.