Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 10.06.2005

OVG Koblenz: altersgrenze, wechsel, bereitschaftsdienst, gesundheit, dienstplan, sport, fürsorgepflicht, arbeitsbedingungen, beratung, erfahrung

OVG
Koblenz
10.06.2005
2 A 10187/05.OVG
Beamtenrecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Festsetzung der individuellen Altersgrenze
hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 10. Juni 2005, an der teilgenommen haben
Präsident des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Meyer
Richter am Oberverwaltungsgericht Bonikowski
Richterin am Oberverwaltungsgericht Stengelhofen
ehrenamtlicher Richter Landwirtschaftsmeister Perscheid
ehrenamtlicher Richter Kaufmann Schäfer
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund der Beratung vom 25. November 2004 ergangene Urteil
des Verwaltungsgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Beteiligten streiten darüber, ob die individuelle Altersgrenze für den Kläger auf das vollendete 60.
Lebensjahr festzusetzen ist.
Der Kläger ist 1945 geboren und als Kriminalhauptkommissar im gehobenen Polizeidienst des Landes
Rheinland-Pfalz (Besoldungsgruppe A 11) tätig. Bis zum Ablauf des Jahres 2003 bildete das vollendete
60. Lebensjahr die einheitliche Altersgrenze für alle Polizeibeamten. Nach der zum 1. Januar 2004 in Kraft
getretenen Neufassung des § 208 Landesbeamtengesetz - LBG - treten nunmehr nur noch diejenigen
Polizeibeamten mit Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand, die mindestens 25 Jahre in
Funktionen des Wechselschichtdienstes, im Mobilen Einsatzkommando, im Spezialeinsatzkommando
oder in der Polizeihubschrauberstaffel eingesetzt waren. Für die übrigen Polizeibeamten liegt die
Altersgrenze je nach Laufbahngruppe und Geburtsjahrgang bei 61 bis 65 vollendeten Lebensjahren.
Unter Bezugnahme auf die neu gefasste Vorschrift setzte das Polizeipräsidium K. mit Bescheid vom 28.
November 2003 nach vorheriger Anhörung die individuelle Altersgrenze für den Kläger auf das vollendete
62. Lebensjahr fest. Denn dieser habe lediglich ein Jahr und vier Monate Dienst in Wechselschichten ver-
richtet. Der Begriff des Wechselschichtdienstes in § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG knüpfe an der in § 20 Abs. 1
Satz 1 Erschwerniszulagenverordnung - EZulV - enthaltenen Definition an. Danach leiste ein Beamter
Dienst in Wechselschichten, wenn er in einem Bereich tätig sei, in dem ununterbrochen bei Tag und Nacht
in verschiedenen Schichten (Früh-, Spät- und Nachtschicht) gearbeitet und er nach dem Dienstplan zu
allen Schichten herangezogen werde. Zeiten eines Bereitschaftsdienstes gälten nach § 20 Abs. 1 Satz 2
EZulV nicht als Wechselschichtdienst, sodass sich der Kläger ohne Erfolg auf den von ihm während seiner
erkennungsdienstlichen Tätigkeit von Juli 1972 bis Juli 2001 versehenen Bereitschaftsdienst berufe.
Zudem habe das Ministerium des Innern und für Sport zwecks Gewährleistung einer landeseinheitlichen
Handhabung in seinem Schreiben vom 31. Juli 2003 darauf hingewiesen, dass Dienstverrichtungen, die
mit unregelmäßigen Arbeitszeiten, gegebenenfalls auch nachts oder zu anderen dienstfreien Zeiten, ver-
bunden seien, nicht als Wechselschichtdienst angerechnet werden könnten.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Polizeipräsidium K. mit Bescheid vom 5. April 2004
zurück. Die Zeiten des Bereitschaftsdienstes seien auch vor dem Hintergrund der jüngsten
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Anerkennung der Zeiten des Bereitschaftsdienstes
als Arbeitszeit und deren Umsetzung im nationalen Arbeitszeitgesetz nicht mit dem Wechselschichtdienst
gleichzusetzen. Maßgeblich für die Festsetzung einer besonderen Altersgrenze für im
Wechselschichtdienst eingesetzte Polizeibeamte sei die allgemeine Erfahrung, dass deren Leistungskraft
aufgrund der mit dem Wechselschichtdienst verbundenen physischen und psychischen Mehrbelastung in
der Regel früher als mit Erreichung der Regelaltersgrenze nachlasse. Bei der nach Maßgabe des
europäischen Rechts gebotenen Zuordnung des Bereitschaftsdienstes zur Arbeitszeit gehe es hingegen
um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer durch Gewährung von
Ausgleichsruhezeiten und Berechnung der Höchstgrenze der wöchentlichen Arbeitszeit.
Mit seiner hiergegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er hält die Neufassung
des § 208 LBG für verfassungswidrig. Sie verletze den verfassungsrechtlich vorgegebenen Grundsatz der
Fürsorge. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit bestimmter Polizeibeamter aus rein fiskalischen
Gründen, nämlich zur Haushaltskonsolidierung, sei mit dem Fürsorgeprinzip nicht zu vereinbaren.
Insbesondere könne die Altersgrenze für Beamte höherer Laufbahnen nicht ausschließlich mit dem
Hinweis auf die längere und teurere Ausbildung sowie die höhere Besoldung heraufgesetzt werden.
Darüber hinaus verstoße die Anhebung der Altersgrenze für Polizeibeamte gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz. Es sei bekannt, dass der Polizeidienst generell mit stärkeren physischen und psychischen
Belastungen verbunden sei als der allgemeine Verwaltungsdienst. Insbesondere gebe es keinen
sachlichen Grund, unterschiedliche Altersgrenzen für Polizeibeamte des mittleren, gehobenen und
höheren Polizeidienstes festzusetzen. Ebenso wenig sei die Festlegung unterschiedlicher Altersgrenzen
für Beamte, die im Wechselschichtdienst eingesetzt gewesen seien und solchen, die Bereitschaftsdienst
oder Rufbereitschaft geleistet hätten, sachlich begründet. Weder der Bereitschaftsdienst noch die
Rufbereitschaft stellten geringere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit als der Wechselschichtdienst.
Die mit diesen Diensten verbundenen Belastungen stünden denjenigen des Wechselschichtdienstes
zumindest gleich, zumal es regelmäßig zu Einsätzen an Wochenenden und zur Nachtzeit komme. Dafür
spreche auch, dass der Bereitschaftsdienst nach den Vorgaben des Europarechts dem Dienst im
arbeitszeitrechtlichen Sinne zuzuordnen sei. Wissenschaftliche Untersuchungen, die belegten, dass der
Einsatz im Wechselschichtdienst belastender sei als der Einsatz im Bereitschaftsdienst oder in der
Rufbereitschaft, gebe es nicht. Schließlich sei auch eine Differenzierung nach den Aufgabenbereichen
nicht gerechtfertigt. Es gebe auch Beamte im Mobilen Einsatzkommando, im Spezialeinsatzkommando
und in der Polizeihubschrauberstaffel, die ausschließlich oder überwiegend administrativ tätig seien und
deren Belastungssituation sich somit nicht von den übrigen Polizeibeamten unterscheide.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Polizeipräsidiums Koblenz vom 28. November 2003
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2004 zu verpflichten, die Altersgrenze für ihn auf
das vollendete 60. Lebensjahr festzusetzen.
Dem ist der Beklagte aus den Gründen der angefochtenen Entscheidungen entgegen getreten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Festsetzung der
Altersgrenze auf das vollendete 60. Lebensjahr. Diese sei vielmehr zu Recht auf das vollendete 62.
Lebensjahres festgelegt worden. Die Entscheidung finde ihre Rechtsgrundlage in der seit dem 1. Januar
2004 geltenden Fassung des § 208 LBG. Diese Vorschrift sei verfassungsgemäß. Sie verletze ins-
besondere nicht den Fürsorgegrundsatz oder den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Im Übrigen erfülle
der Kläger jedoch nicht die Voraussetzungen des § 208 Abs. 1 Satz 1 bis 3 LBG, bei deren Vorliegen
ausnahmsweise weiterhin das vollendete 60. Lebensjahr die Altersgrenze bilde.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen
Vorbringens die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt,
das aufgrund der Beratung vom 25. November 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz
abzuändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Insbesondere teilt er die Auffassung des
Verwaltungsgerichts, dass die Vorschrift des § 208 LBG verfassungsgemäß sei.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses beteiligt sich am Verfahren und hält die Neufassung des § 208
LBG im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn und den allgemeinen Gleichheitssatz ebenfalls für
verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber habe den ihm in Bezug auf die Bestimmung der Altersgrenze einge-
räumten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Im Vordergrund habe die Anpassung an die
geänderten Arbeitsbedingungen im Polizeibereich gestanden. Nicht mehr jede polizeiliche Tätigkeit sei
mit erhöhten, eine verkürzte Lebensarbeitszeit rechtfertigenden gesundheitlichen Belastungen
verbunden. Dies gelte vor allem für den Bereitschaftsdienst und die Rufbereitschaft. Diese setzten
anderes als der Wechselschichtdienst und die Einsätze der polizeilichen Spezialeinheiten keine
gesteigerte Dienstfähigkeit voraus.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsvorgänge
(1 Heft) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen
Anspruch auf die von ihm begehrte Festsetzung der Altersgrenze auf das vollendete 60. Lebensjahr. Der
Beklagte ist vielmehr zutreffend davon ausgegangen, dass für den Kläger das vollendete 62. Lebensjahr
die Altersgrenze bildet. Auf die zutreffenden Gründe im verwaltungsgerichtlichen Urteil wird gemäß § 130
b Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - verwiesen. Zur Verdeutlichung führt der Senat ergänzend
aus:
1. Die gesetzliche Altersgrenze, bei deren Erreichen der Ruhestand unabhängig von der wirklichen
Leistungskraft des einzelnen Beamten beginnt, ist ihrem Wesen nach eine generalisierende Vermutung
des für die Dienstverrichtung erforderlichen Leistungsvermögens (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juni
1959 - 1BvR 71/57 - BVerfGE 9, 338 [345]). Sie trägt der Erfahrung Rechnung, dass bei Erreichen eines
gewissen Alters Leistungskraft und -fähigkeit im Allgemeinen nachlassen und dem gesundheitlichen
Anforderungsprofil des Dienstes nicht mehr genügen. Der Gesetzgeber besitzt bei der Bestimmung der
Altersgrenze und damit der Lebensarbeitszeit Gestaltungsfreiheit. Er ist von Verfassungs wegen nicht ver-
pflichtet, eine einheitliche Altersgrenze für alle Beamten zu bestimmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.
Dezember 1985 - 2 BvL 18/83 - BVerfGE 71, 255 [270]; BVerwG, Urteil vom 22. September 1966 - BVerwG
2 C 109.64 - BVerwGE 25, 83 [85 f.]). Vielmehr kann er für einzelne Beamtengruppen, wie die hier in Rede
stehenden Polizeibeamten, abweichend von der Regelaltersgrenze (Vollendung des 65. Lebensjahres, §
54 Abs. 1 Satz 1 LBG), deren Bezugspunkt der allgemeine Verwaltungsdienst ist, besondere
Altersgrenzen festsetzen (vgl. §§ 54 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. 208, 216, 216 a LBG), weil die Dienstausübung
dieser Beamten eine gesteigerte Dienstfähigkeit voraussetzt. Ebenso wenig gebietet das Verfassungs-
recht, die Altersgrenze auf ein bestimmtes Lebensjahr festzulegen (vgl. BVerfG, a.a.O.). Es ist in erster
Linie Sache des Gesetzgebers, mit Rücksicht auf die dem Beamten verfassungsrechtlich geschuldete
Fürsorge die mit einem Amt verbundenen Anforderungen an die physische und psychische Leistungs-
fähigkeit einzuschätzen und in Anpassung an die jeweiligen Erfordernisse die Altersgrenze festzusetzen.
Dies schließt das Recht mit ein, bei Änderungen der insoweit maßgeblichen Umstände von der bisherigen
Bewertung abzuweichen und die Altersgrenze entsprechend herauf- oder herabzusetzen. Anders lässt
sich eine vernünftige und sachgerechte Regelung der Lebensarbeitszeit nicht bewerkstelligen. Angesichts
der Gestaltungsfreiheit und Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers ist dessen Entscheidung
gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Jede gesetzliche Regelung der Altersgrenze muss
zwangsläufig generalisieren und typisieren. Sie enthält von daher auch unvermeidbare Härten. Diese sind
hinzunehmen, soweit sich für die Gesamtregelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen
lässt. Das gilt sowohl für die Anwendung des zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums
gehörenden Fürsorgegrundsatzes als auch für die Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes.
2. Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben ist die Neufassung des § 208 LBG unter dem
Gesichtspunkt der verfassungsrechtlich in Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz - GG - verankerten Fürsorgepflicht
nicht zu beanstanden. Diese gebietet, für das Wohl des Beamten und seiner Familienangehörigen zu
sorgen und Schaden von ihnen abzuwenden. Der Gesetzgeber hat somit bei der (Neu)Regelung der
Lebensarbeitszeit den wohlverstandenen Interessen der Polizeibeamten gebührend Rechnung zu tragen.
Das bedeutet aber nur, dass es ihm untersagt ist, sich bei der Festlegung der besonderen Altersgrenze
von anderen als sachlichen Erwägungen leiten zu lassen. Umgekehrt darf aber die Fürsorgepflicht nicht
zu einer Vernachlässigung der berechtigten öffentlichen Interessen an der Anhebung der Altersgrenze im
Bereich der Polizei führen. Dementsprechend hat der Gesetzgeber bei der Ausübung seines
Gestaltungsermessens die Belange der Fürsorgepflicht und die für eine Verlängerung der
Lebensarbeitszeit sprechenden öffentlichen Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urteile
vom 19. März 1970 - BVerwG 2 C 111.67 - ZBR 1970, 364 [365] und 12. Februar 1981 - BVerwG 2 A 2.78 -
Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 78). Neben dem berechtigten Interesse der Polizeibeamten an einem alters-
gerechten Übergang vom aktiven Dienst in den Ruhestand unter Berücksichtigung der besonderen
Anforderungen des Polizeidienstes ist demnach vor allem das öffentliche Interesse an einer sparsamen
Personalwirtschaft zu berücksichtigen. Auch in Zeiten knapper Haushaltsmittel ist die für die polizeiliche
Einsatzbereitschaft notwendige Personalstärke zu erhalten, um die Funktionsfähigkeit der Polizei und eine
ordnungsgemäße und reibungslose Aufgabenerfüllung zu gewährleisten.
Die neu gefasste Vorschrift über die besonderen Altersgrenzen für Polizeibeamte schafft insoweit einen
angemessenen Interessenausgleich. Sie hält sich im Rahmen des vorstehend umrissenen Regelungs-
und Typisierungsspielraums des Gesetzgebers. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass eine
zwingend erforderliche Haushaltskonsolidierung mit zum Anlass genommen wurde, die bisherige
Altersgrenze für einen Teil der Polizeibeamten anzuheben. Das gewählte Differenzierungsmerkmal der
Belastungssituation ist sachgerecht. Es genügt dem Interesse der Beamten, nicht übermäßig belastet und
dadurch in ihrer Gesundheit gefährdet zu werden. Darüber hinaus trägt es in besonderem Maße dem
Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Personalwirtschaft Rechnung. Auf Grund der eingetretenen
Änderungen in den Organisationsstrukturen und Aufgabenbereichen sowie im Hinblick auf die
Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch den starken technischen Wandel im Polizeibereich ist
nämlich nicht mehr für jeden Dienstposten eine gesteigerte Dienstfähigkeit erforderlich. Vielmehr gibt es
auch im Polizeibereich Funktionen und Aufgabenbereiche, deren jeweiliges gesundheitliches
Anforderungsprofil im Verhältnis zum allgemeinen Verwaltungsdienst keine Unterschiede von solcher Art
und solchem Gewicht aufweist, dass eine Herabsetzung der Regelaltersgrenze gerechtfertigt ist (vgl. Amtl.
Begr. des Gesetzesentwurfs, LT-Drucks. 14/1800, S. 9). Die Bewertung, welche Tätigkeiten im
Polizeidienst nach wie vor besondere, d.h. im Verhältnis zum allgemeinen Verwaltungsdienst erhöhte
Anforderungen an das Leistungsvermögen stellen, ist - wie bereits erwähnt - dem Gesetzgeber vorbe-
halten. Die von ihm in § 208 LBG vorgenommene typisierende Einschätzung ist weder evident unrichtig
noch eindeutig widerlegbar. Leitbild der vorgezogenen Altersgrenze bildet danach der Wechselschicht-
dienst. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist eine verkürzte Lebensarbeitszeit in erster Linie für
solche Polizeibeamte gerechtfertigt, für die nach einem Dienstplan ein regelmäßiger Wechsel der
täglichen Arbeitszeit im Volldienst vorgesehen ist, die also abwechselnd in der Früh-, Spät- und
Nachtschicht eingesetzt werden (vgl. Amtl. Begr. des Gesetzesentwurfs, a.a.O. S. 11; Schreiben des
Ministeriums des Innern und für Sport vom 31. Juli 2003). Denn dieser Wechsel hat erhebliche
gesundheitliche und soziale Auswirkungen. Er fordert von den Beamten nicht nur eine ständige
Umstellung des Dienst- und Lebensrhythmus, sondern verhält sich zum Großteil auch antizyklisch zum
natürlichen menschlichen Biorhythmus sowie zum Sozialleben im privaten Umfeld. Von daher ist es plau-
sibel anzunehmen, dass diese Beamten üblicherweise mit Vollendung des 60. Lebensjahres die
besonderen Anforderungen des Polizeidienstes gesundheitlich nicht mehr zu erfüllen vermögen. Einer
vergleichbaren Belastung sind nach der Einschätzung des Gesetzgebers die Polizeibeamten des Mobilen
Einsatzkommandos, des Spezialeinsatzkommandos und der Polizeihubschrauberstaffel ausgesetzt.
Anknüpfungspunkt bildet insoweit nicht die bloße organisationsrechtliche Zugehörigkeit zu einer
derartigen Spezialeinheit. Entscheidend ist vielmehr die Wahrnehmung einer in Bezug auf die
Belastungssituation dem Wechselschichtdienst vergleichbaren Tätigkeit. Eine derartige Tätigkeit ist
namentlich in Bezug auf die zu besonderen polizeilichen Einsätzen herangezogenen Beamten sowie das
fliegende Personal zu bejahen (vgl. Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport vom 7. April und
31. Juli 2003). Des Weiteren hält der Gesetzgeber eine vorgezogene Altersgrenze für Beamte in den
Ämtern des mittleren (mit Vollendung des 62. Lebensjahres) und gehobenen Polizeidienstes (mit
Vollendung des 63. Lebensjahres) für angezeigt. Auch insoweit ist der frühere Eintritt in den Ruhestand
nicht in der bloßen Laufbahnzugehörigkeit, sondern in den spezifischen dienstlichen Belastungen der
einzelnen Laufbahngruppen begründet (vgl. Amtl. Begr. des Gesetzesentwurfs, a.a.O., S. 9). Schließlich
enthält die Vorschrift im Wege einer detaillierten und hinreichend bemessenen Übergangsregelung
weitere Altersgrenzen für Polizeibeamte, die zwischen 1944 und 1947 geboren wurden, um diesen zu
weitere Altersgrenzen für Polizeibeamte, die zwischen 1944 und 1947 geboren wurden, um diesen zu
ermöglichen, sich in ihrer Lebensplanung auf den späteren Eintritt in den Ruhestand einzustellen (vgl.
Amtl. Begr. des Gesetzesentwurfs, a.a.O., S. 11).
Mit Blick auf die Fürsorgepflicht ist es entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht zu beanstanden,
dass für Polizeibeamte, die Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft geleistet haben, nicht an der
bisherigen Altersgrenze festgehalten wird. Zwar können auch diese Dienstzeiten mit erhöhten
Belastungen verbunden sein, zumal wenn sich die Notwendigkeit des Einsatzes häufig realisiert.
Gleichwohl ist es gerechtfertigt, den Bereitschaftsdienst und die Rufbereitschaft anders als den
Wechselschichtdienst zu behandeln. Denn sie sind gerade nicht mit einem regelmäßigen Wechsel der
täglichen Arbeitszeit im Volldienst verbunden. Anfangs- und Endzeitpunkt des normalen Dienstes und des
darüber hinaus zu leistenden Bereitschaftsdienstes bzw. der zusätzlichen Rufbereitschaft bleiben im
Gegenteil in der Regel gleich. Der Bereitschaftsdienst und die Rufbereitschaft fordern daher keine dem
Wechselschichtdienst vergleichbare ständige Umstellung des Dienst- und Lebensrhythmus. Zudem sind
sie keine volle Dienstleistung, auch wenn der Bereitschaftsdienst nach der neueren Rechtsprechung in
anderem Zusammenhang als Arbeitszeit anzuerkennen ist. Es handelt sich bei ihnen vielmehr um eine
Aufenthaltsbeschränkung, die mit der Verpflichtung verbunden ist, bei Bedarf unverzüglich den Dienst
(voll) aufzunehmen. Beim Bereitschaftsdienst bestimmt der Dienstherr den regelmäßig außerhalb des
privaten Bereichs liegenden Ort, an dem sich der Beamte aufzuhalten hat (BVerwG, Urteil vom 21. März
1996 - BVerwG 2 C 24.95 - Buchholz 240.1 Nr. 17). Im Fall der Rufbereitschaft kann der Beamte seinen
Aufenthaltsort in erreichbarer Nähe frei wählen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1979 - BVerwG 2 C
7.78 - BVerwGE 59, 45 [47]). Außerdem werden die Einsätze während des Bereitschaftsdienstes und der
Rufbereitschaft nicht durch den Dienstplan, sondern durch aktuelle und unvorhersehbare Vorkommnisse
bestimmt. Angesichts dieser beachtlichen Unterschiede ist es nachvollziehbar und sachlich vertretbar,
wenn der Gesetzgeber die mit dem Bereitschaftsdienst oder der Rufbereitschaft einhergehenden
Belastungen nicht als ebenso gravierend wie die des Wechselschichtdienstes ansieht und deshalb von
einer Verkürzung der Lebensarbeitszeit absieht.
3. Die Neuregelung der besonderen Altersgrenze für Polizeibeamte verstößt ferner nicht gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 17 Abs. 1 und 2 Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV -).
Dieser verbietet es, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich
zu behandeln. Dieses Verbot ist verletzt, wenn der Gesetzgeber Übereinstimmungen oder Unterschiede in
den zu ordnenden Lebensverhältnissen nicht berücksichtigt, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am
Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen, mit anderen Worten,
wenn ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst einleuchtender Grund für die
gesetzliche Differenzierung fehlt. Es ist indessen nicht erforderlich, dass der Gesetzgeber im Einzelfall die
zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (stRspr., vgl. z.B. BVerfG, Beschluss
vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225 [240]; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 -
BVerwG 2 C 36.02 - BVerwGE 118, 277 [283 f.]).
Mit diesem Maßstab steht die Neufassung des § 208 LBG in Einklang. Insoweit wird auf die vorstehenden
Ausführungen Bezug genommen. Die Gründe, die unter dem Blickwinkel des Art. 33 Abs. 5 GG für die
Sachgerechtigkeit der Anhebung der besonderen Altersgrenze für Polizeibeamte nach Maßgabe der
gesundheitlichen Anforderungen sprechen, lassen die Regelung auch als im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG,
Art. 17 Abs. 1 und 2 LV sachgerecht erscheinen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167
VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
gez. Prof. Dr. Meyer gez. Bonikowski gez. Stengelhofen
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird zugleich auch für das erstinstanzliche Verfahren auf 21.181,36 €
festgesetzt (§§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 5 Satz 2, 72 Nr. 1 Gerichtskostengesetz in Verbindung mit 10.2
des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004 [DVBl. 2004,
1525]). Er entspricht der Hälfte des dreizehnfachen Betrages des Endgrundgehaltes der Be-
soldungsgruppe A 11 zuzüglich der ruhegehaltfähigen Zulage nach Nr. 27 der Vorbemerkungen zu den
Besoldungsordnungen A und B.
gez. Prof. Dr. Meyer gez. Bonikowski gez. Stengelhofen