Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 18.07.2006

OVG Koblenz: verordnung, kommission, kontrolle, unterlassen, anschluss, beihilfe, behörde, fahrlässigkeit, ausschluss, wiese

OVG
Koblenz
18.07.2006
8 A 10526/06.OVG
Landwirtschaftsrecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des Herrn L.,
- Kläger und Antragsgegner -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Lauer-Nack und Kollegen, Abt-Richard-Str. 8, 54550 Daun,
gegen
den Landkreis Bitburg-Prüm, vertreten durch den Landrat, Trierer Str. 1, 54634 Bitburg,
- Beklagter und Antragsteller -
wegen landwirtschaftliche Subvention (FUL 2000)
hier: Zulassung der Berufung
hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom
18. Juli 2006, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held
Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm
Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß
beschlossen:
Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 30. März 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird abgelehnt.
Der Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 6.063,13 € festgesetzt.
Gründe
Der zulässige Antrag ist nicht begründet. Es bestehen weder die - allein geltend gemachten - ernstlichen
Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch liegen die
rechtlichen Voraussetzungen des von der Darlegung ernstlicher Richtigkeitszweifel regelmäßig mit
umfassten (vgl. hierzu den Beschuss des Senats vom 16. September 2003 - 8 A 11169/03.OVG -)
Zulassungsgrundes besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO)
vor.
1. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Gewährung einer Zuwendung nach dem Förderprogramm
Umweltschonende Landbewirtschaftung des Landes Rheinland-Pfalz - FUL 2000 - für das vierte
Verpflichtungsjahr 2004. Die Bewilligung war ihm unter Berufung auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung
(EG) Nr. 817/2004 der Kommission mit der Begründung versagt worden, dass er hinsichtlich des im
Flächenverzeichnis aufgeführten Flurstücks Nr. … in Flur … grob fahrlässig falsche Angaben gemacht
habe. Die Vor-Ort-Kontrolle vom 27. Juli 2004 habe er ergeben, dass es sich bei diesem Grundstück nicht
um eine Wiese, wie im Flächennachweis vom 13. Mai 2004 aufgeführt, sondern um einen Wildacker
handele. Der Antragsteller habe die Pflicht, alle subventionserheblichen Änderungen der Kreisverwaltung
mitzuteilen. Hierzu zählten selbstverständlich auch Angaben zur Nutzung von Flächen. Ein grober
Sorgfaltspflichtverstoß liege deshalb vor, weil der Antragsteller trotz der Beanstandungen im Jahr 2003 die
Nutzung der Fläche wiederum falsch angegeben habe. - Der Kläger trug zur Begründung des dagegen
erhobenen Widerspruchs vor, er habe keine falschen Angaben über subventionserhebliche Tatsachen
gemacht. Im Jahr 2003 habe er dem Jagdpächter lediglich die Beweidung der Parzelle gestattet. Das bei
der Vor-Ort-Kontrolle im Jahr 2003 festgestellte Umbrechen des Grünlandes sei ohne sein Wissen
geschehen. Nachdem er daraufhin für das Jahr 2003 von der Förderung ausgeschlossen worden sei,
habe er dem Jagdpächter im Herbst 2003 jegliches Betreten der Parzelle untersagt. Im Jahr 2004 habe er
nach vorherigem Abmulchen der Fläche und Grubbern eine neue Grasmischung in die Parzelle einge-
bracht und die Fläche gewalzt. Aufgrund der ihm verbotenen Pflanzschutzmaßnahmen habe dann aber
die vorher von dem Jagdpächter eingebrachte Wildackermischung seine Grassameneinsaat überwuchert
und erstickt. ‑ Das Verwaltungsgericht hat der Verpflichtungsklage im Wesentlichen stattgegeben und zur
Begründung ausgeführt: Dem Kläger könnten bereits falsche Angaben bei Antragstellung nicht
vorgeworfen werden. Jedenfalls habe er nicht grob fahrlässig gehandelt, denn die ihm vorgehaltene
Fehlerhaftigkeit betreffe lediglich eine Fläche von 5.230 m², die weniger als 1 % der im Flächennachweis
angeführten Grünlandflächen ausmache. - Zur Begründung des Zulassungsantrags beruft sich der
Beklagte darauf, dass der Kläger in grob fahrlässiger Art und Weise seine Pflicht zur Mitteilung
subventionserheblicher Änderungen verletzt habe.
2. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 1
Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 817/2004 der Kommission vom 29. April 2004 (ABl. Nr. L 231/24) über den
Ausschluss von Fördermaßnahmen nicht vorliegen. Da die übrigen Bewilligungsvoraussetzungen für die
Förderung zwischen den Beteiligten nicht im Streit sind, bestehen somit keine ernstlichen Zweifel an der
Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
Nach Art. 72 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 817/2004 der Kommission wird der Begünstigte für das
entsprechende Kalenderjahr von sämtlichen ‑ im betreffenden Kapitel der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999
des Rates vorgesehenen - Fördermaßnahmen für den ländlichen Raum ausgeschlossen, wenn falsche
Angaben vorliegen, die aufgrund grober Fahrlässigkeit gemacht wurden. Dem Kläger wird nicht
vorgehalten, bereits bei Antragstellung im Mai 2004 falsche Angaben gemacht zu haben. Der Beklagte
vertritt jedoch die Auffassung, dass die Sanktion des Art. 72 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 817/2004 auch
dann Anwendung finde, wenn sich Angaben im Antragsformular aufgrund einer nachträglichen Ent-
wicklung als falsch erwiesen. Insofern beruft sich der Beklagte auf die Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs.
Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die vom Europäischen Gerichtshof in der Sache
Agrargenossenschaft Pretzsch e.G. zu Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission
aufgestellten Grundsätze auf Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 817/2004 übertragbar sind, wozu der Senat
allerdings neigt. In dem Urteil vom 28. November 2002 (Slg. I, 1170 ff.) hat der Europäische Gerichtshof
6. Kammer - entschieden, dass Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 3 VO (EWG) Nr. 3887/92 zwecks wirksamer
Vermeidung und Ahndung von Unregelmäßigkeiten und Betrugsfällen nicht auf den Fall zu beschränken
ist, dass der Betriebsinhaber bei der Beantragung von Beihilfen fehlerhafte oder falsche Angaben
gemacht hat, sondern auch dann Anwendung findet, wenn er es unterlassen hat, der zuständigen
Behörde förderungsrelevante Veränderungen zu melden (a.a.O., Tenor und Rn. 50). Das Festhalten am
ursprünglichen Beihilfeantrag trotz einer späteren Änderung der Umstände, die sich auf die Gewährung
der Beihilfen auswirken können, stelle folglich für sich genommen eine Unregelmäßigkeit im Sinne der
genannten Vorschrift dar (a.a.O., Rn. 51). Bei der Durchführung der gemäß dem integrierten System
gewährten Beihilfen handele es sich um Verfahren, die eine Vielzahl von Anträgen beträfen. Ein
wirksamer Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft setze in seinem solchen Kontext voraus,
dass die Beihilfeempfänger aktiv an der korrekten Durchführung dieser Verfahren mitwirkten und die
Verantwortung für die Richtigkeit der ihnen im Rahmen des integrierten Systems ausgezahlten Beträge
übernähmen (a.a.O., Rn. 45). Im Rahmen des integrierten Systems obliege es den Betriebsinhabern,
Beihilfeanträge nur für Flächen zu stellen, die die erforderlichen Bedingungen für die Gewährung der
betreffenden Beihilfen erfüllten, und die zuständigen Behörden über jede nach Antragstellung eintretende
Änderung der Sachlage zu informieren (a.a.O., Rn. 52).
Selbst wenn man die Sanktionsregel in Art. 72 Abs. 1 VO (EG) Nr. 817/2004 in diesem weiten Sinne
versteht und auch auf das Unterlassen einer nachträglich eingetretenen Änderung
subventionserheblicher Angaben erstreckt, scheitert die Anwendung dieser Bestimmung aber daran, dass
dem Kläger der dort geforderte erhebliche Verschuldensvorwurf auch nach Auffassung des Senats nicht
gemacht werden kann. So hat der Europäische Gerichtshof in der genannten Entscheidung ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass es auch bei dem weiten Verständnis des „Vorliegens falscher Angaben“ der
Beurteilung des jeweils zuständigen (nationalen) Gerichts obliege, die Schwere der begangenen
Unregelmäßigkeit und insbesondere die Frage zu bewerten, ob der Antragsteller es absichtlich oder
aufgrund grober Fahrlässigkeit unterlasse habe, der zuständigen Behörde förderungsrelevante
Veränderungen zu melden (a.a.O., Rn. 55).
In diesem Sinne kann dem Kläger im vorliegenden Fall nicht der Vorwurf gemacht werden, die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt zu haben. Dabei geht der Senat von der
Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers aus. Es ist nachvollziehbar, dass er im Anschluss an den
Ausschluss von der Förderung im Jahr 2003 ein solches Risiko für das Jahr 2004 vermeiden wollte. Von
daher erscheint es folgerichtig, dem Jagdpächter jegliches Betreten der Parzelle Nr. … in Flur … zu
untersagen, die Fläche mit einer Grasmischung einzusäen und zu walzen. Angesichts dessen verhielt sich
der Kläger vollkommen korrekt, wenn er die Fläche im Förderantrag vom 13. Mai 2004 als „Wiese“ angab.
Der Beklagte hat nicht nachwiesen und es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger vor Bekanntgabe des
Ergebnisses der Vor-Ort-Kontrolle vom 27. Juli 2004 den zwischenzeitlich eingetretenen Zustand des
Grundstücks kannte. Mangels positiver Kenntnis kann ihm deshalb eine unmittelbare Verletzung von
Mitteilungspflichten nicht vorgehalten werden. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall deutlich
von dem der zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zugrunde liegenden Sachverhalt, war
dort die als stillgelegt angegebene Fläche doch von dem Antragsteller selbst als Weide genutzt worden.
Somit könnte dem Kläger allein eine mittelbare Verletzung seiner Mitteilungspflichten insoweit
vorgeworfen werden, als er es unterlassen habe, den Zustand der Parzelle Nr. … in Flur … auch nach
Antragstellung zu kontrollieren. Für das Bestehen einer solchen Kontrollpflicht besteht allerdings deshalb
wenig Raum, weil die Fläche entsprechend dem Förderprogramm Umweltschonende Landbe-
wirtschaftung nur extensiv zu nutzen ist und insbesondere keine Bewirtschaftungspflichten zu bestimmten
Zeiten bestehen. Eine besondere Kontrollpflicht im vorliegenden Fall könnte man daher allenfalls aus der
Nutzung des Grundstücks im Jahr 2003 und deren Beanstandungen durch den Beklagten herleiten.
Insofern ist der Senat allerdings mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass die Verletzung
dahingehender Pflichten durch den Kläger nicht besonders schwer wiegen. Zum einen hat er im
Anschluss an die Beanstandungen im Jahr 2003 die wesentlichen Voraussetzungen für eine
Wiesennutzung der Fläche geschaffen. Zum anderen handelt es sich bei dem umstrittenen Grundstück
um eine gemessen an dem Umfang des insgesamt im Flächennachweis angeführten Grünlands nur sehr
kleine Fläche, so dass nicht von einer besonders schweren Unregelmäßigkeit gesprochen werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 und Abs. 3, 52 Abs. 3 GKG.
gez. Dr. Held gez. Stamm gez. Schauß