Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 24.02.2011

OVG Koblenz: psychisch kranker, bebauungsplan, entwässerung, medizinische betreuung, privates interesse, juristische person, gemeinde, rechtsverletzung, wohnheim, grundstück

OVG
Koblenz
24.02.2011
1 C 10277/11.OVG
Bauplanungsrecht, Normenkontrolle
Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Normenkontrollverfahren
des Herrn
- Antragsteller -
Prozessbevollmächtigter: Kunz Rechtsanwälte, Mainzer Straße 108, 56068 Koblenz,
gegen
die Stadt Cochem, vertreten durch den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Cochem, Ravenèstraße 61,
56812 Cochem,
- Antragsgegnerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Klinge - Hess, Rheinstraße 2 a, 56068 Koblenz,
beigeladen:
Landeskrankenhaus (AöR),
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Jeromin & Kerkmann, Rennweg 72, 56626 Andernach,
wegen Bebauungsplan (Normenkontrolle)
hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 24. Februar 2011, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Zimmer
Richter am Oberverwaltungsgericht Schneider
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Berthold
für Recht erkannt:
Der Normenkontrollantrag des Antragstellers wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Antragsteller wendet sich in dem vorliegenden Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan
„Bereich zwischen Fliegerkaserne und Wohnsiedlung Lilienthal-Straße“, den der Stadtrat der
Antragsgegnerin in seiner Sitzung am 26.03.2009 beschlossen hat. In dem Veröffentlichungsorgan der
Antragsgegnerin „Stadt- und Landbote“ (Ausgabe Nr. 20) ist der Bebauungsplan am 15.05.2009 öffentlich
bekannt gemacht worden und zum gleichen Zeitpunkt in Kraft getreten.
Der Plan sieht auf einer Fläche von etwa 2,28 ha (Flurstücke …./.. und …/.. tlw.) ein allgemeines
Wohngebiet (WA) vor, welches in die zwei Teilbereiche WA 1 und WA 2 untergliedert ist. Das Gebiet WA 1
soll der überwiegenden Wohnbebauung dienen, während im Gebiet WA 2 eine im Eigentum der
Beigeladenen zu errichtende Einrichtung für psychisch kranke Menschen vorgesehen ist, die nach dem
Anhörungsschreiben der Antragsgegnerin vom 30.06.2008 (Bl. 13 der Planaufstellungsakten – PA –) für
die Unterbringung und Betreuung von 25 Patienten ausgelegt sein soll. Einzelheiten der Planung werden
u.a. auf S. 16ff der Begründung (Bl. 29ff PA) beschrieben.
Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten westlich an das Plangebiet WA 1
grenzenden Grundstücks mit der Flurstück-Nr. …/... Er trägt zur Zulässigkeit seines Normenkontrollantrags
im Wesentlichen vor, er sei als Eigentümer eines unmittelbar an das Plangebiet grenzenden Grundstücks
antragsbefugt, weil er durch die ungeklärte Entwässerungsfrage des Plangebietes WA 1 unmittelbar
nachteilig betroffen werde und dies abwägungserheblich sei. Er habe künftig mit erheblichen
Beeinträchtigungen durch Niederschlagswasser aus dem Plangebiet zu rechnen.
Der Normenkontrollantrag sei auch begründet. Der angegriffene Bebauungsplan verstoße gegen die
bauplanungsrechtlichen Vorschriften der §§ 1 Abs. 3, 1 Abs. 7, 2 Abs. 3 und § 9 BauGB und sei daher
unwirksam.
Der Bebauungsplan verstoße bereits gegen § 1 Abs. 3 BauGB. Die Festsetzung eines allgemeinen
Wohngebietes (WA) stelle einen Etikettenschwindel dar. Allgemeine Wohngebiete nach § 4 Abs. 1
BauNVO müssten vorwiegend dem Wohnen dienen und andere Nutzungen dürften nicht überwiegen.
Dies sei vorliegend nicht der Fall, weil lediglich die psychiatrische Fachklinik realisiert werden solle, für
die ein Klinikgebiet nach § 11 Abs. 2 BauNVO hätte festgesetzt werden müssen.
Es bestehe auch keine Realisierungsabsicht hinsichtlich des WA 1-Gebietes. Es sei nicht ersichtlich, dass
in einem Stadtteil von nicht einmal 1.000 Einwohnern ein Bedarf von 20 Bauplätzen bestehe, was nach
erfolgter Bebauung einem Einwohnerzuwachs von etwa 10 % entspreche. Es sei auszuschließen, dass
eine ausreichende Anzahl von Familien neben einem bestehenden sozialen Brennpunkt mit einem hohen
Migrantenanteil und neben einem Wohnheim für psychisch kranke Menschen Eigentum erwerben wolle.
Der angebliche Bedarf sei daher nur vorgeschoben, um ohne eine Änderung der
Flächennutzungsplanung ein Sonderbauvorhaben auf einer Wohnbaufläche ermöglichen zu können; es
liege mithin ein Fall des sogenannten Etikettenschwindels vor.
Das Wohngebiet WA 2 sei vielmehr der Sache nach ein Klinikgebiet im Sinne des § 11 Abs. 2 BauNVO,
welches nach der Bebauungsplanbegründung einen wohnähnlichen Charakter haben solle. Nach den
Baugenehmigungsunterlagen handele es sich jedoch nicht nur um ein Wohnheim, sondern um ein
Krankenhaus mit drei Stationen, die jeweils über ein Stationsbad und ein Dienstzimmer verfügten.
Günstigstenfalls könne es sich um eine Anlage für soziale und gesundheitliche Zwecke handeln. Die
Errichtung von Wohngebäuden sei hingegen durch die Festsetzung eines übergroßen Baufensters ohne
Innenerschließung und mit einer unzureichenden äußeren Erschließung über eine zu schmale
Erschließungsstraße ohne Wendehammer praktisch unmöglich gemacht worden. Auch von daher hätte
ein Sondergebiet festgesetzt werden müssen.
Selbst wenn eine Realisierungsabsicht hinsichtlich des WA 1-Gebietes bestünde, wäre der
Bebauungsplan gemäß § 1 Abs. 7 BauGB unwirksam, weil die Abwägungen in mehrfacher Hinsicht
fehlerhaft seien. Entgegen § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB würden weder die Bevölkerungsentwicklung noch die
Wohnbedürfnisse berücksichtigt. Der Wohnflächenbedarf sei ungeachtet des Grundsatzes GA 1 in
Kapitel 2.1 des RROP Mittelrhein-Westerwald ausschließlich aus dem Flächennutzungsplan abgeleitet
worden. Vor allem aber sei der Belang der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen
nach § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB fehlerhaft abgewogen worden. Es sei vor diesem Hintergrund nicht
nachvollziehbar, warum ein anerkanntermaßen bereits sozial instabiler Stadtteil mit nur 1.000 Einwohnern
(Hinweis auf Bl. 440 PA) noch zusätzlich mit einer Einrichtung für psychisch kranke Menschen belastet
werden solle.
Darüber hinaus seien bei der Abwägung die Belange des § 1 Abs. 6 Nr. 9 BauGB sowie des § 1 Abs. 6
Nr. 7 BauGB nicht hinreichend berücksichtigt worden und seien die unzureichende äußere und innere
Erschließung des Gebiets über die Immelmannstraße bzw. die vorgesehenen Planstraßen A bis C zu
rügen. Zudem gebe es erhebliche Ermittlungsdefizite im Sinne von § 2 Abs. 3 BauGB was den
Wohnflächenbedarf und die Entwässerung sowie den Ausbau der Immelmannstraße angehe. Ein
Entwässerungskonzept liege noch immer nicht vor.
Die Entwässerungsproblematik werde nicht gelöst, sondern nur „weggewogen“. Bei feuchter Witterung
könnte hinter den Reihenhäusern im Wohnbereich des Antragstellers Staunässe bis hin zu
Seenbildungen entstehen. Die Problematik der Flächenversiegelung und die daraus resultierende
„Verschärfung des Oberflächenabflusses“ sei zwar gesehen, geeignete Maßnahmen aber nicht getroffen
worden. Außerdem gebe es erhebliche technische Schwierigkeiten bei der Verlegung der
Abwasserleitungen und sonstigen Einrichtungen der Entwässerung, die bisher ungelöst seien.
Schließlich sei die Planung auch nicht mit den Grundsätzen der Raumordnung nach dem RROP
Mittelrhein-Westerwald zu vereinbaren was die Entwicklungschancen von Baugebieten, den Erhalt der
Wälder und die Anforderungen an den Klimaschutz betreffe. Zudem sei das Konzept der
Ausgleichsflächen für die 2,2 ha Wald nicht nachvollziehbar, was zu einer Abwägungsdisproportionalität
der Planung insgesamt führe.
Der Antragsteller beantragt,
den Bebauungsplan der Antragsgegnerin „Bereich zwischen Fliegerkaserne und Wohnsiedlung
Lilienstraße“ vom 26. März 2009 für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.
Der Normenkontrollantrag sei schon mangels Antragsbefugnis unzulässig. Der Antragsteller sei
insbesondere nicht antragsbefugt, weil er eine nachteilige Betroffenheit aus der Entwässerungsplanung
nicht habe darlegen können. Das Entwässerungskonzept sei teilweise noch im Planungsstadium, es
müsse auch nicht bei Erlass des Bebauungsplans vollständig vorhanden sein, sondern könne vielmehr
dessen Vollzug überlassen bleiben.
Die Anträge seien darüber hinaus auch unbegründet. Der Bebauungsplan sei zunächst erforderlich im
Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB, wobei zunächst das WA 2-Gebiet realisiert werde. Es sei jedoch eine
unrichtige Darstellung der Antragstellerseite, dass lediglich eine Wohnstätte für psychisch Kranke
realisiert werden solle. Es sei mehrfach erklärtes Ziel der Antragsgegnerin, dass in dem Bebauungsplan
ausgewiesene Wohngebiet WA 1 zu erschließen und Bauinteressenten zur Verfügung zu stellen.
Entsprechende Haushaltsmittel stünden bereit, die Entwässerung zur Straßenplanung sei erstellt. Auch
die Entwässerung des Wohngebietes WA 2 sei sichergestellt, während die Entwässerung des
Wohngebiets WA 1 aufgrund der notwendigen Herstellung eines Regenrückhaltebeckens außerhalb des
Planbereichs einer weiteren Genehmigung bedürfe. Der Antrag werde derzeit durch ein Ingenieur-Büro
erstellt und die Genehmigung sodann anschließend beantragt. Die Erschließung des WA 2 erfolge
2010/2011 und des WA 1 nach Vorliegen der genehmigten Entwässerungsplanung 2011/2012.
Es liege auch kein Etikettenschwindel vor; die Antragsgegnerin habe ein Wohngebiet ausgewiesen und
beabsichtige dieses zu realisieren. Die geplante Einrichtung zum betreuten Langzeitwohnen für psychisch
kranke Menschen sei auch eine Wohnnutzung. Die Notwendigkeit von Betreuung und Pflege stehe einem
selbstbestimmten Wohnen nicht entgegen. Dafür reiche es aus, dass die für das Wohnen konstituierenden
Merkmale erfüllt seien. Dies sei auch dann der Fall, wenn bei den Bewohnern aufgrund ihrer Betreuungs-
und Pflegebedürftigkeit eine selbständige Haushaltsführung und Lebensgestaltung in den Hintergrund
trete oder sogar aufgegeben werde.
Eine ständige medizinische Versorgung wie in einem Krankenhaus finde nicht statt. Das Wohnheim
beschäftige auch keinen eigenen Arzt, die medizinische Betreuung werde von externen Ärzten
sichergestellt. Die fachpsychiatrische Betreuung erfolge durch die Beigeladene, sofern von
Heimbewohnern kein niedergelassener Arzt gewählt werde. Selbst wenn also der Planungswille dahin
gegangen sei, im Wohngebiet 2 eine Einrichtung für die Behandlung psychisch Kranker zu etablieren, so
sei diesem Planungswillen durch die Ausweisung eines allgemeinen Wohngebietes Rechnung getragen.
Außerdem sei die beabsichtigte Nutzung durch die Beigeladenen in einem allgemeinen Wohngebiet als
Anlage für gesundheitliche und/oder soziale Zwecke (§ 4 Nr. 2 Nr. 3 BauNVO) allgemein zulässig.
Die Beigeladene beantragt,
den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.
Sie trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:
Eine Antragsbefugnis des Antragstellers bestehe mangels Verletzung eigener Rechte nicht. Der
Antragsteller leite seine Antragsbefugnis zu Unrecht daraus ab, dass durch die vermeintlich ungeklärte
Entwässerungsfrage in der Bauleitplanung seine Grundstückseigentümerinteressen negativ beeinträchtigt
seien. Schon aus den Planakten ergebe sich, dass die Entwässerungsfrage geklärt und das Gebiet nur
realisiert werde, wenn das Entwässerungskonzept vorliege.
Der Normenkontrollantrag des Antragstellers sei in jeden Fall auch unbegründet. Die Planung sei gemäß
§ 1 Abs. 3 BauGB erforderlich, wobei ein weites planerisches Ermessen zugrunde zu legen sei. Das
Negieren des Bedarfs seitens der Antragstellers gehe insoweit von falschen Tatsachen aus. Ziel der
Planung sei die Ausweisung der Flächen zur Bebauung gewesen und damit einem weiten Kreis der
Bevölkerung Bauland zur Eigentumsbildung zu verschaffen bzw. zur Eigentumsbildung zu verhelfen.
Sofern das Brauheck seitens des Antragstellers als Konfliktgebiet bezeichnet werde, sei gerade der
Bebauungsplan geeignet und erforderlich, diese angeblich negativen Zustände zu beseitigen.
Es handele sich auch nicht um einen Etikettenschwindel, da angeblich ein Sondergebiet nach § 11 Abs. 2
BauNVO hätte ausgewiesen werden müssen. Ein Etikettenschwindel liege nur vor, wenn eine tatsächlich
nicht gewollte Gebietsart ausgewiesen werde, um so städtebaulich unzulässige Zielkonflikte zu umgehen.
Der Antragsteller verkenne jedoch, dass in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO
auch Anlagen für gesundheitliche Zwecke zulässig seien. Auch das im Gebiet WA 2 zu verwirklichende
Bauprojekt der Beigeladenen sei als Anlage für gesundheitliche Zwecke nach dieser Vorschrift bzw. als
Wohnanlage nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zu qualifizieren. Bei der bereits genehmigten Anlage handele
es sich letztendlich um eine Kombination aus Wohnen und medizinischer Betreuungsleistung, was auch
aus dem Betriebskonzept der Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach eindeutig hervorgehe. Aus der
Planbegründung (S. 8) folge auch, dass es sich keineswegs um einen Krankenhauskomplex handele, der
nach Auffassung des Antragstellers nur in einem Sondergebiet zulässig wäre, sondern dass das Wohnen
in der genannten Einrichtung der Beigeladenen nicht nur überwiegen solle, sondern gerade Kern des
therapeutischen Konzepts sei. Die psychisch kranken Menschen sollten lernen, sich wieder in die
Gesellschaft zu integrieren, wobei auf Grundlage des gegebenen Konzepts ein Gewaltpotential und eine
Gefährdung der Anwohner ausgeschlossen werden könne. Einen allgemeinen Anspruch auf ein
Ausblenden bestimmter Probleme und Erkrankungen bestehe indessen nach der Rechtsprechung nicht.
Der Senat hat die Verfahren weiterer Antragsteller abgetrennt und unter den Aktenzeichen
1 C 10276/11.OVG bzw. 1 C 10610/10.OVG fortgeführt.
Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung den Bescheid über die wasserrechtliche
Erlaubnis für die Entwässerung des gesamten Plangebiets der zuständigen Regionalstelle der Struktur-
und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord vom 16.02.2011 (Az.: 5 – 702 – 22) vorgelegt. Wegen der
weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte
einschließlich der Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Planungsakten der
Antragsgegnerin (8 Ordner). Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Der Normenkontrollantrag ist unzulässig.
Dem Antragsteller fehlt es bereits an der Antragsbefugnis gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO. Nach dieser
Bestimmung kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift
oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie
jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift den
Normenkontrollantrag stellen.
Ausreichend ist dabei, dass ein Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es
zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem
subjektiven Recht verletzt wird. Eine Rechtsverletzung ist dabei nicht nur dann möglich, wenn die Norm
oder ihre Anwendung unmittelbar in eine Rechtsstellung eingreift. Entscheidend ist vielmehr, ob sich die
mögliche Verletzung subjektiver Rechte der angegriffenen Norm tatsächlich und rechtlich zuordnen lässt.
Die Antragsbefugnis eines Grundstückseigentümers wegen möglicher Eigentumsverletzung ist
regelmäßig dann gegeben, wenn er sich als Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks
gegen eine bauplanerische Festsetzung wendet, die unmittelbar sein Grundstück betrifft (vgl. BVerwG,
Beschluss vom 22.08.2000, NVwZ 2000, 1413 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb
nicht erfüllt, weil das betroffene Gebäude des Antragstellers auf dem Flurstück-Nr. 705/37 nicht innerhalb
des räumlichen Geltungsbereichs des mit dem vorliegenden Normenkontrollantrag angegriffenen
Bebauungsplans liegt, sondern in der Nachbarschaft des Wohngebiets WA 1.
Der Antragsteller kann sich im Hinblick auf die erwartete Errichtung eines „Klinikgebäudes“ im – nicht an
sein Grundstück heranreichenden – Teilgebiet WA2 auch nicht auf einen gebietsübergreifenden
Gebietserhaltungsanspruch berufen, der durch die Festsetzung des Bebauungsplanes verletzt sein soll.
Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im
lediglich angrenzenden Plangebiet besteht unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen grundsätzlich
nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007, NVwZ 2008, 427; BayVGH, Beschluss vom 01.07.2009,
14 ZB 07.1727 - juris). Allenfalls bei einem erkennbaren Willen des Satzungsgebers, dass
Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze
liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen, kann ein solcher gebietsübergreifender
Erhaltungsanspruch eingreifen (OVG RP, Urteil vom 14.01.2000, BauR 2000, 527; BayVGH, Beschluss
vom 24.03.2009, 14 Cs 08.3017 - juris). Eine solche Konstellation ist aber hier nicht gegeben, so dass an
dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen werden muss, dass auch das neue Plangebiet ein
allgemeines Wohngebiet (WA) ausweist, wenn auch mit der Möglichkeit, eine Einrichtung zum Wohnen
und Behandeln psychisch kranker Menschen dort unterzubringen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 09.01.1997,
7 A 2175/95). Eine die Antragsbefugnis begründende „mögliche“ Rechtsverletzung folgt auch nicht
daraus, dass der Antragsteller eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung und damit
eine Verletzung des drittschützenden Abwägungsgebots (§ 1 Abs. 7 BauGB) geltend machen könnte und
die dazu vorgetragenen Tatsachen dies auch als möglich erscheinen ließen (vgl. BVerwG, Urteil vom
24.09.1998, BVerwGE 107, 215). Ein die Befugnis zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens gegen
einen Bebauungsplan begründender Nachteil im Sinne des § 47 Abs 2 S 1 VwGO ist gegeben, wenn der
Antragsteller durch den Bebauungsplan oder durch dessen Anwendung negativ, d.h. verletzend, in einem
Interesse betroffen wurde bzw. in absehbarer Zeit betroffen werden kann, das bei der Entscheidung über
den Erlass oder den Inhalt dieses Bebauungsplans als privates Interesse des Antragstellers in der
Abwägung berücksichtigt werden musste. Das setzt voraus, dass sich der Antragsteller auf einen
abwägungserheblichen Belang berufen kann (BVerwG, Urteile vom 10.03.1998, NVwZ 1998, 732/733 und
vom 24.09.1998, BVerwGE 107, 215/219 ff.). Nicht jeder private Belang ist in der Abwägung zu
berücksichtigen, sondern nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich
relevanten Bezug haben. Nicht abwägungsbeachtlich sind also insbesondere geringwertige oder mit
einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen
besteht oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren.
Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen kann sich der Antragsteller nicht auf abwägungserhebliche
schutzwürdige Belange berufen, aus denen die Zulässigkeit seines Normenkontrollantrags folgen würde.
Die von dem Antragsteller im Planverfahren vorgetragenen Einwände (Bl. 414ff PA) bezogen sich
zunächst auf das Vorliegen von „Vertrauensschutz nach § 39 BauGB“, weil das Gelände ursprünglich der
Bundeswehr gehört habe und für eine Bebauung nicht vorgesehen gewesen sei. Die Realisierung der
Bebauung würde den vorhandenen Baumbestand als effektiven Windschutz beseitigen und zugleich
„gravierende Feuchtigkeitsprobleme für den vorhandenen Bestand“ verursachen.
Auf die unveränderte Nutzung des Nachbargrundstücks sowie dessen Funktion als „Windschutz“ hat der
Antragsteller keinen gesetzlichen Anspruch, was keiner Ausführungen bedarf. Anhaltspunkte für einen
Vertrauensschaden im Sinne des § 39 BauGB bestehen schon nicht im Ansatz, da die Wohnnutzung des
Antragstellers unberührt bleibt.
Auch die geltend gemachte Entwässerungsfrage begründet keine Antragsbefugnis des Antragstellers.
Diese musste vorliegend nicht bereits umfassender in der Bauleitplanung selbst geregelt werden, da
schon nach der vorliegenden Plankonzeption eine Beeinträchtigung des Wohngebietes des Antragstellers
durch die Entwässerung ausgeschlossen erscheint. Die Gemeinde darf demgemäß von einer
abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan Abstand nehmen und die Probleme auf
nachfolgende Genehmigungsverfahren verlagern, da die Durchführung der als notwendig erkannten
Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planungsverfahrens auf der Stufe der Planverwirklichung
sichergestellt ist. Die Grenzen zulässiger Konfliktverlagerung sind nur dann überschritten, wenn bereits im
Planungsstadium absehbar ist, dass sich der offengelassene Interessenkonflikt auch in einem
nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht lösen lassen wird (BVerwG, Beschluss vom 26.03.2007, 4 BN
10/07).
Bereits im Planungsstadium war indessen zur Überzeugung des Senats auf der Grundlage der fachlichen
Feststellungen (u.a. der Fachbehörden, des Büros „W …. S……………… der Fa. S…….C……. ………..)
erkennbar, dass sich die Frage der Entwässerung des betreffenden Gebiets sachgerecht würde lösen
lassen, ohne dass Rechte der Anwohner gefährdet werden. Dabei ist für den im Rahmen der
Antragsbefugnis erheblichen Bereich des Antragstellers insbesondere zu beachten, dass die
Entwässerung dieses – kleineren Teilgebiets – wegen der bestehenden topografischen Situation nur bis
zu der natürlich vorhandenen Wasserscheide (siehe Bl. 164 PA) zu realisieren war und die Entwässerung
dieses Gebiets gerade bisher durch die unzureichende Versickerungsfähigkeit des vorhandenen
Waldbodens erschwert war. Dass nun durch die Realisierung weniger Einfamilienhäuser unter
gleichzeitiger Projektierung einer umfassenden Entwässerungsplanung überhaupt
Entwässerungsprobleme auf dem Grundstück des Antragstellers im Sinne einer Verschlechterung der
Situation auftreten könnten, die sich zudem in einer nachfolgenden Detailplanung nicht sachgerecht lösen
lassen würden, ist seitens des Antragstellers nicht im Ansatz dargelegt worden. Vielmehr liegt es auf der
Hand, dass die zu errichtenden Entwässerungssysteme die durch fehlende Versickerung aufgrund
natürlicher Bodenbeschaffenheiten schon jeher vorhandenen Probleme eher gelöst als vergrößert
werden. Hiervon ist der Senat auf der Grundlage der Planaufstellungsakten und der Anhörung in der
mündlichen Verhandlung überzeugt.
Die Annahme der Antragsgegnerin, dass eine bis ins Einzelne gehende Entwässerungsplanung noch
nicht im Bebauungsplan erforderlich ist, hat sich gerade nachträglich auch durch die Genehmigung des
Entwässerungskonzepts seitens der SGD Nord bestätigt (s.u.). Es bestanden aber schon während der
Planung keine ernstlichen Zweifel daran, dass für das gesamte Plangebiet eine ordnungsgemäße
Entwässerung auf der Grundlage des Entwässerungskonzepts der Firma S….. ………. ……… vom Mai
2009 gewährleistet werden kann, wie auch aus den Ausführungen des beauftragten Fachbüros W….
…………… (Bl. 456 VA) hervorgeht. Hier wurde nochmals verdeutlicht, dass im Plangebiet keine
Versickerung der anfallenden Niederschlagswasser auf versiegelten Flächen stattfinden werde und die
ausreichende Rückhaltung des Oberflächenwassers durch Rückhaltebecken der
Gemeinschaftskläranlage Faid, Dohr und Brauheck mit einem Rückhaltevolumen von 3.700 cbm und ggf.
zusätzlichen Maßnahmen sicher gewährleistet werden könne. Der Umstand, dass das
Entwässerungskonzept noch nicht in allen Details im Rahmen der Bauleitplanung vorlag, ist daher nicht
zu beanstanden. Es ist der planenden Gemeinde in derartigen Konstellationen unbenommen, ob sie
diese Fragestellung bereits in der Bauleitplanung oder erst auf der danach folgenden Vollzugsebene
abschließend klärt (vgl. Urteil des Senats vom 24.11.2010, 1 C 10852/09, ESOVG-RP).
Dementsprechend hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung auch die Genehmigung für
das Entwässerungskonzept der SGD Nord vom 16.02.2011 vorgelegt. Danach wird der Antragsgegnerin
die Erlaubnis für die Einleitung von Niederschlagswasser aus dem Neubaugebiet „Bereich zwischen
Lilienthalstraße und Fliegerkaserne“ und dem Baugebiet „Wohnsiedlung Brauheck“ (In der Goldwies) der
Ortslage Cochem-Brauheck in eine Grabenverrohrung zum Märtschelbach (Gewässer III. Ordnung) erteilt.
Die erlaubte Gewässerbenutzung diene der Beseitigung des in den genannten Neubaugebieten
„anfallenden Niederschlagswasser aus einem Regenrückhaltebecken (RRB)“. Die Einleitung hinsichtlich
des Regenrückhaltebeckens ist an einem 100-jährigen Regenereignis ausgerichtet worden. Nach Nr. 3
der Erlaubnis liegen dieser die vom Ing.-Büro S…….. ………. GmbH im Juni 2010 vorgelegten Unterlagen
und Pläne sowie der Fachbeitrag zum Naturschutz des Ing.-Büros H……… M……. vom August 2010
zugrunde. Diese sind Bestandteil des Bescheides und mit einem entsprechenden Vermerk versehen. Die
genannte Erlaubnis schließt gemäß § 26 Abs. 3 LWG die Genehmigung nach § 54 Abs. 1 und 3 LWG zum
Bau und Betrieb des neuen Regenrückhaltebeckens mit ein.
Der Senat hat sich das Entwässerungskonzept anhand der Pläne in der mündlichen Verhandlung von
dem Leiter der Stadtwerke Cochem erläutern lassen. Dabei sind keine Umstände sichtbar geworden, die
an einer Realisierbarkeit des Konzepts Zweifel aufgeworfen hätten. Bei Umsetzung kann entgegen der
Annahmen des Antragstellers sogar davon ausgegangen werden, dass durch die Bebauung der Flächen
und Herstellung einer fachgerechten Entwässerung eine Verbesserung der geltend gemachten
bodenbedingten Problematik der vorhandenen feuchten Stellen im Waldgebiet und von Sickerwasser
eintreten wird, sodass der Antragsteller durch die Planung nicht beschwert ist.
Gegen diese bereits in der mündlichen Verhandlung erörterte Einschätzung des Senats hat der
Antragsteller keine erheblichen Einwände mehr vorgetragen. Eine „vorsorgliche Normenkontrolle" für den
Fall, die Stadt werde in der Vollziehung des Plans keine ordnungsgemäße Entwässerung herstellen, ist
bei der vorliegenden Konstellation nicht nur wegen der mittlerweile vorliegenden Genehmigung der SGD
Nord vom 16.02.2010 fernliegend, sondern auch wegen der von Anfang an konkret geäußerten Absicht
der Antragsgegnerin, die Entwässerung des Bebauungsplangebiets sachgerecht zu bewerkstelligen. Eine
mögliche Verletzung von Rechten des Antragstellers und damit die Begründung der Antragsbefugnis kann
hieraus nicht geschlossen werden. Maßgebend ist daher auch in diesem Zusammenhang, ob die
angegriffene planerische Festsetzung auf das Grundeigentum des Antragstellers in
abwägungserheblicher Weise unmittelbar einwirkt und welche konkreten Beeinträchtigungen
beispielsweise erst in einem nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren zu beurteilen sind (vgl. auch
BVerwG, Beschluss vom 30.07.2001, 4 BN 41/01). Somit bleibt maßgeblich, dass es dem Antragsteller
nicht gelungen ist, die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die Entwässerungsplanung des
vorgesehenen WA 1-Gebiets plausibel darzulegen, so dass es dem Antrag nach Maßgabe des § 47 Abs.
2 VwGO an der erforderlichen Antragsbefugnis fehlt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167
VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der In § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
RMB
gez. Zimmer
gez. Schneider
gez. Dr. Berthold
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,-- € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr.
9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungs-gerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327 ff.).
gez. Zimmer
gez. Schneider
gez. Dr. Berthold