Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 28.01.2009

OVG Koblenz: verordnung, naturschutz, eigentümer, vergütung, landwirtschaft, pflege, betriebsinhaber, erhaltung, bewirtschaftung, zustand

OVG
Koblenz
28.01.2009
8 A 10938/08.OVG
landwirtschaftliche Subvention
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, vertreten durch den Präsidenten, Willy-Brandt-Platz 3,
54290 Trier,
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
gegen
den Landkreis Bad Dürkheim, vertreten durch die Landrätin, Philipp-Fauth-Straße 11, 67098 Bad
Dürkheim,
- Beklagter und Berufungskläger -
beigeladen:
Frau ***************************, *********************, ***** ************,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Redeker Sellner Dahs & Widmaier, Mozartstraße 4-10,
53115 Bonn,
wegen Subvention
hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 28. Januar 2009, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held
Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß
Richter am Oberverwaltungsgericht Müller-Rentschler
ehrenamtlicher Richter Ingenieur Dipl.-Ing. Buchwald
ehrenamtlicher Richter Angestellter Gewehr
beschlossen:
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Es wird gemäß Art. 234 Abs. 1 und 2 EGV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften zu folgenden Fragen eingeholt:
1. Handelt es sich auch dann um eine landwirtschaftliche Fläche im Sinne von Art. 44 Abs. 2
Verordnung (EG) Nr. 1782/2003, wenn deren Nutzung zwar auch landwirtschaftlichen Zwecken dient
(Beweidung zwecks Schafhaltung), der überwiegende Zweck aber in der Verfolgung der Ziele der
Landschaftspflege und des Naturschutzes besteht?
2. Für den Fall, dass Frage 1) zu bejahen ist:
Wird eine Fläche für nicht landwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt im Sinne von Art. 44 Abs. 2 Verordnung
(EG) Nr. 1782/2003, wenn die Tätigkeit überwiegend dem Naturschutz dient oder jedenfalls dann, wenn
der Landwirt bei der Erfüllung der Naturschutzziele Weisungen der Naturschutzbehörde unterliegt?
3. Für den Fall, dass eine landwirtschaftliche Fläche vorliegt (Frage 1), die auch für eine
landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt wird (Frage 2):
Setzt die Zuordnung einer landwirtschaftlichen Fläche zum Betrieb (landwirtschaftliche Fläche des
Betriebes im Sinne von Art. 44 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003) voraus,
a) dass sie dem Betrieb aufgrund eines Pachtvertrages oder eines ähnlichen befristeten Geschäftes
gegen Entgelt zur Verfügung steht?
b) Verneinendenfalls: Ist es für die Betriebszuordnung unschädlich, wenn die Flächen dem Betrieb
unentgeltlich oder nur gegen Übernahme der Beiträge zur Berufsgenossenschaft zur Nutzung in
bestimmter Weise und innerhalb eines begrenzten Zeitraumes entsprechend den Zielen des Natur-
schutzes überlassen werden?
c) Bejahendenfalls: Ist es für die Betriebszuordnung unschädlich, wenn der Betrieb verpflichtet ist, auf
den Flächen bestimmte Leistungen zu erbringen und dafür eine Vergütung erhält?
Gründe
I.
1 Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Flächen bei der Festsetzung von
Zahlungsansprüchen für die Betriebsprämie.
2 Die Beigeladene ist Inhaberin eines landwirtschaftlichen Betriebes mit Schafhaltung. Die
Nutzung von Grundstücken erfolgt zu etwa 40 % aufgrund von Pachtverträgen, zu etwa 10 % aufgrund
mündlicher unentgeltlicher Gestattung und zu etwa 50 % aufgrund von Vertragsnaturschutz. Den zum
Zweck des Naturschutzes überlassenen Grundstücken liegen zwei Verträge zugrunde.
3 Nach dem Bewirtschaftungsvertrag vom 12. November 1998 mit dem Land Rheinland-Pfalz
darf die Beigeladene unentgeltlich, aber gegen Übernahme der Beiträge für die Berufsgenossenschaft,
Flächen im Umfang von 5,2029 ha als Mähwiese und Weide mit bestimmten Einschränkungen nutzen. So
dürfen die Flächen in der Zeit vom 1. November bis zum 15. Juni nicht gemäht werden. Die Mahd darf
nicht mit Saug- oder Kreiselmähern durchgeführt werden. Anstelle des zweiten Mähganges ist eine
Beweidung mit Schafen und Ziegen in Form der Umtriebs- oder Hütebeweidung möglich, wobei die Dauer
des Weideganges mit der Landespflegebehörde abzustimmen ist. Das Land hat seinerseits die Flächen
von den Eigentümern angepachtet.
4 Nach dem Pflege- und Bewirtschaftungsvertrag mit dem beklagten Landkreis vom 1. Mai
2000 bis 30. November 2005, der inhaltlich weitgehend mit dem vorgelegten neuen Vertrag vom 8. Mai
2006 übereinstimmt, ist die Beigeladene ‑ als „Auftragnehmerin“ - verpflichtet, bestimmte Flächen im Sinne
des Naturschutzes zu pflegen und zu bewirtschaften. Dafür erhält sie eine Vergütung von 13.870,00 € im
Jahr. Sie hat konkrete vertragliche Vorgaben sowie weitere Anweisungen der Naturschutzbehörde - etwa
zur Intensität der Beweidung - zu befolgen und wird durch Pflegemaßnahmen der Naturschutzbehörde
unterstützt, etwa durch vorbereitende Mahd von Teilbereichen sowie laufende Entbuschungs- und
Rodungsmaßnahmen durch Dritte. Die Flächen stehen zum Teil im Eigentum des Landes, zum Teil haben
die Eigentümer eine naturschutzorientierte Beweidung erlaubt, zum Teil wurden die Eigentümer durch
naturschutzrechtliche Allgemeinverfügungen zur Duldung der Pflege durch die Beigeladene verpflichtet.
5 Die Beigeladene gab die aufgrund dieser Verträge genutzten Flächen im Rahmen der
Förderanträge für die Agrarförderung als betriebszugehörige Dauergrünlandflächen an. Auf dieser
Grundlage ergingen verschiedene Förderbescheide, u.a. der Bescheid vom 20. Februar 2006 über die
Festsetzung und Zuweisung von Zahlungsansprüchen nach der Betriebsprämienregelung. Damit wurden
der Beigeladenen 1,18 Acker-Zahlungsansprüche à 329,30 € und 81,12 Grünland-Zahlungsansprüche à
100,86 € zugewiesen.
6 Der Bescheid vom 20. Februar 2006 wurde auf ministerielle Anweisung durch Bescheid vom
14. Mai 2007 mit der Begründung abgeändert, dass die aufgrund der Bewirtschaftungsverträge genutzten
Flächen nicht förderfähig seien. Zugunsten der Beigeladenen wurden lediglich 40,74 Grünland-
Zahlungsansprüche à 154,3 € festgesetzt. Dagegen erhob die Beigeladene Widerspruch. Mit
Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2007 gab der Kreisrechtsausschuss des Beklagten dem
Widerspruch statt und hob den Änderungsbescheid vom 14. Mai 2007 im Wesentlichen mit folgender
Begründung auf: Der Ausgangsbescheid vom 20. Februar 2006 sei zu Recht ergangen. Die umstrittenen
Flächen würden als Dauergrünland und damit landwirtschaftlich genutzt. Die Beweidung mit Nutztieren
zur Erzielung eines Einkommens sei eine klassische landwirtschaftliche Tätigkeit. Die Flächen stünden
der Beigeladenen 10 Monate im Jahr zur Verfügung. Soweit der Beigeladenen eine Vergütung gewährt
werde, handele es sich nicht um einen Lohn für die Beweidung sondern eine Erschwerniszulage, weil die
Bewirtschaftung aus ökologischen Gründen in einer bestimmten, sehr aufwendigen Art und Weise durch-
geführt werden solle. Die Beweidung selbst diene jedoch dem landwirtschaftlichen Betrieb, da die Schafe
sonst anderweitig gefüttert werden müssten.
7 Zur Begründung ihrer daraufhin erhobenen staatlichen Beanstandungsklage hat die
Klägerin vorgetragen: Förderfähig seien nur Flächen, die beihilfefähig seien und dem Betrieb zur Ver-
fügung stünden. Die aufgrund der Bewirtschaftungsverträge vom 12. November 1998 und 8. Mai 2006
genutzten Flächen seien nicht beihilfefähig im Sinne von Art. 42 Abs. 2 VO(EG) Nr. 1782/2002. Es handele
sich nicht um landwirtschaftliche Flächen, denn sie dienten nicht hauptsächlich einer landwirtschaftlichen
Tätigkeit. Vielmehr seien sie hauptsächlich dem Naturschutz gewidmet. Diesem Zweck sei die zeitweilige
Beweidung durch Schafe untergeordnet. Die gezahlte Vergütung belege, dass die landwirtschaftliche
Nutzung nicht wirtschaftlich sei. Sie hätten dem Betrieb der Beigeladenen weder zum maßgeblichen Zeit-
punkt am 17. Mai 2005 noch für einen Zeitraum von 10 Monaten im Wirtschaftsjahr zur Verfügung
gestanden. Zur Verfügung stehe eine Fläche nur, wenn der Betriebsinhaber die tatsächliche
Verfügungsgewalt ausübe und damit auch die Verpflichtungen aus den Cross-Compliance-Vorschriften
erfüllen könne. Das sei in der Regel nur der Fall, wenn der Betriebsinhaber Eigentümer oder Pächter sei.
Mit dem Vertrag vom 8. Mai 2006 seien keine Flächen zur Verfügung gestellt worden, sondern die
Beigeladene sei gegen Entgelt zu bestimmten Leistungen verpflichtet worden. Soweit die Nutzung durch
eine naturschutzrechtliche Allgemeinverfügung ermöglicht werde, bestehe das Risiko, dass die
Eigentümer selbst die Nutzung vornähmen. Nach dem Vertrag vom 12. November 1998 dürften die
Flächen vom 1. November bis zum 15. Juni nicht bewirtschaftet werden, stünden in dieser Zeit also nicht
zur Verfügung.
8 Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 2. Juli 2006 der Beanstandungsklage
stattgegeben, den Widerspruchsbescheid aufgehoben und damit den Änderungsbescheid vom 14. Mai
2007 wiederhergestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Bescheid vom 14. Mai 2007 sei
rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bescheides vom 20. Februar 2006 lägen vor.
Insbesondere sei die Zuweisung von 81,12 Zahlungsansprüchen für Dauergrünland statt von 40,47
Zahlungsansprüchen rechtswidrig gewesen. Förderfähig sei jede landwirtschaftliche Fläche des
Betriebes, die als Ackerland oder Dauergrünland genutzt werde. Weise die Bewirtschaftung sowohl
Merkmale einer naturschutzorientierten Pflege als auch die einer extensiven landwirtschaftlichen Tätigkeit
auf, komme es auf das zugrunde liegende Nutzungsrecht an. Die Betriebsprämienregelung bezwecke
keine Einkommensbeihilfe für die Erfüllung von Naturschutzaufgaben, mit deren Wahrnehmung der
Betriebsinhaber durch die Behörde des Mitgliedstaates beauftragt worden sei. Eine landwirtschaftliche
Nutzung liege nur vor, wenn dem Betrieb die Befugnis zur landwirtschaftlichen Nutzung übertragen
worden sei. Dies geschehe durch Landpacht oder ähnliche Geschäfte. Die hier vorliegenden
Bewirtschaftungsverträge hätten keine Landpacht zum Gegenstand, sie seien nicht auf Überlassung der
Grundstücke, sondern nur auf Ausübung des Weide- und Mahdrechtes gerichtet und deshalb mit der
Landpacht nicht vergleichbar. Die Überlassung erfolge nicht zu landwirtschaftlichen Zwecken, sondern mit
naturschutzrechtlicher Zielsetzung. Die Nutzung sei auch nicht entgeltlich. Das Recht, auf den Flächen
Schafe zu landwirtschaftlichen Zwecken zu halten, hätten die Behörden der Beigeladenen nicht
übertragen können, weil sie die Bewirtschaftungsverträge nur zur Erfüllung naturschutzrechtlicher
Aufgaben abschließen durften. Die Behörden hätten die Grundstückseigentümer auch nur zur Duldung
von Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege verpflichten können. Zwar sei die
Erhaltung der Flächen in gutem landwirtschaftlichen ökologischen Zustand Bestandteil der
landwirtschaftlichen Tätigkeit, dies setze aber voraus, dass die Flächen zu dem geförderten Betrieb
gehörten und dieser zur landwirtschaftlichen Nutzung befugt sei, woran es hier fehle.
9 Sowohl der Beklagte als auch die Beigeladene haben die vom Verwaltungsgericht zuge-
lassene Berufung eingelegt. Der Beklagte trägt vor: Das Verwaltungsgericht stelle fälschlich auf das
Bestehen eines förmlichen Pachtvertrages ab. Entscheidend sei die berechtigte tatsächliche Nutzung. Die
Nutzungsberechtigung könne auch öffentlich-rechtlich begründet und an Dritte weitergegeben sein. Eine
landwirtschaftliche Nutzung liege auch dann vor, wenn sie umweltbedingten Einschränkungen unterliege.
Auch bei der Beweidung von Magerrasen und Heiden handele es sich um eine landwirtschaftliche
Tätigkeit. Das Verwaltungsgericht habe eigene Aufgaben und Befugnisse der Naturschutzverwaltung mit
der Inanspruchnahme Privater im Rahmen der privaten Nutzung von Grundstücken vermischt. Bei einer
unterlassenen Bewirtschaftung dürfe die Naturschutzbehörde auch Pflegemaßnahmen einschließlich
landwirtschaftlicher Tätigkeiten anordnen. Die Eigentümer hätten die Pflege nicht fristgerecht aufge-
nommen und seien mit der Bewirtschaftung durch die Beigeladene einverstanden. Die Flächen stünden
der Beigeladenen auch ganzjährig zur Verfügung. In österreichischen und französischen
Förderprogrammen würden die zum Zwecke des Naturschutzes überlassenen Flächen bei der Förderung
mit der Betriebsprämie berücksichtigt.
10 Die Beigeladene trägt vor, die aufgrund von Bewirtschaftungsverträgen genutzten Flächen
seien beihilfefähig. Es handele sich um landwirtschaftliche Flächen. Maßgeblich sei die konkrete Nutzung
für die Landwirtschaft, die nicht deswegen ausgeschlossen sei, weil die Flächen auch dem Naturschutz
und der Landespflege dienten. Die gewährte Vergütung sei kein Lohn für die Pflege der Flächen, sondern
eine Erschwerniszulage. Ohne diese Zulage müsse sie andere beihilfefähigen Flächen bewirtschaften.
Für die Zuordnung zu ihrem Betrieb komme es ebenfalls entscheidend auf die tatsächliche Nutzung an
und nicht darauf, ob die Bewirtschaftungsverträge pachtähnliche Geschäfte seien. Die Berechtigung zur
Nutzung sei nur von Bedeutung, wenn eine Doppelnutzung durch verschiedene Nutzer vorliege oder der
Nutzer sich das Nutzungsrecht offensichtlich anmaße. Die Flächen stünden auch in 10 Monaten des
Jahres zur Verfügung. Die Beigeladene sei die einzige Nutzungsberechtigte.
11 Die Klägerin verweist auf ihren früheren Vortrag und die Begründung des angefochtenen
Urteils. In anderen Bundesländern werde in gleicher Weise verfahren.
II.
12 Der Rechtsstreit wird in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO ausgesetzt und es wird
gemäß Art. 234 Abs. 1 und 2 EGV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemein-
schaften zur Auslegung von Art. 44 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom
29. September 2003 (ABl. L 270 vom 21. Oktober 2003, S. 1) eingeholt. Art. 44 Abs. 2 der Verordnung
(EG) Nr. 1782/2003 lautet:
Eine „beihilfefähige Fläche“ ist jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebs, die als Ackerland oder
Dauergrünland genutzt wird, ausgenommen die für Dauerkulturen, Wälder oder nicht landwirtschaftliche
Tätigkeiten genutzten Flächen.
13 Der Gerichtshof ist zuständig, da es um die Auslegung von Gemeinschaftsrecht geht.
14 Die vorgelegten Fragen zur Auslegung der Verordnung sind entscheidungserheblich und
bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof.
15 Die Entscheidung des Rechtsstreites hängt davon ab, ob der Bescheid vom 20. Februar 2006
rechtswidrig war. Rechtswidrig war er nur dann, wenn durch ihn Zahlungsansprüche unter
Berücksichtigung nicht beihilfefähiger Flächen im Sinne von Art. 44 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr.
1782/2003 festgestellt und zugewiesen wurden. Ob es sich um beihilfefähige Flächen handelt,
entscheidet sich nach der Beantwortung der Vorlagefragen. Die Klage hat nicht bereits aus anderen Grün-
den keinen Erfolg.
16 Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Aufhebung des Bescheides ihre
Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 1 Satz 1 des Marktorganisationsgesetzes (MOG) findet und die Benennung
von § 10 Abs. 2 MOG als Rechtsgrundlage unschädlich ist. Es hat weiter zutreffend festgestellt, dass die
Ausschlussfrist nach § 10 Abs. 1 MOG i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG wegen der Vorgaben des
Gemeinschaftsrechts nicht zu berücksichtigen ist, sowie, dass die Rücknahmeentscheidung auch nicht
aus Gründen des Vertrauensschutzes unterbleiben muss (etwa Art. 73 Abs. 4 VO (EG) Nr. 796/2004 oder
§ 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 10 Abs. 1 MOG).
17 Die vorgelegten Fragen zur Auslegung von Art. 44 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003
bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof, da sie für sich nicht ohne weiteres anhand der
gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zu beantworten sind und von erheblicher praktischer Bedeutung
für die Abgrenzung der Förderung nach der Betriebsprämienregelung sind.
Zur ersten Frage:
18 Nach Art. 44 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 ist beihilfefähige Fläche nur
landwirtschaftliche Fläche, die als Ackerland oder Dauergrünland genutzt wird. Der Begriff
landwirtschaftliche Fläche ist in Art. 2 Buchstabe a) Verordnung (EG) Nr. 795/2004 der Kommission vom
21. April 2004 (ABl. L 141 vom 30. April 2004, S. 1) definiert als Gesamtheit der Flächen an Ackerland,
Dauergrünland und Dauerkulturen. Dauergrünland ist definiert nach Art. 2 Buchstabe e) Verordnung (EG)
Nr. 795/2004 i.V.m. Art. 2 Nr. 2 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl. L
141 vom 30. April 2004, S. 18) als Flächen, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat)
zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden und mindestens fünf Jahre nicht
Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebes sind. Daraus ergibt sich, dass
landwirtschaftliche Flächen für landwirtschaftliche Zwecke genutzt werden müssen. Unklar ist, ob es bei
einer mehreren Zwecken dienlichen Nutzung einer Fläche (etwa zusätzlich als Naturschutzfläche oder für
Zwecke eines Flugplatzes oder Golfplatzes) ausreicht, wenn zumindest auch ein landwirtschaftlicher
Zweck verfolgt wird, oder ob es in diesem Fall auf den überwiegenden Zweck ankommt. Dann würde sich
weiter die Frage stellen, nach welchen Kriterien sich der überwiegende Zweck bestimmt, etwa nach der
überwiegenden Nutzungsabsicht des Eigentümers oder des Landwirts oder der unterschiedlichen
Intensität der Nutzung.
19 Nach Ansicht des Senats reicht es aus, wenn mit der Nutzung der Fläche zumindest auch ein
landwirtschaftlicher Zweck verfolgt wird, wenn also etwa der Aufwuchs der Flächen als Viehfutter
Verwertung findet, auch wenn der Wert des gewonnenen Viehfutters nebensächlich ist im Verhältnis zu
der Bedeutung der Freihaltung der Fläche für den Naturschutz. Eine landwirtschaftliche Nutzung wird nicht
dadurch ausgeschlossen, dass sie auch oder in erster Linie dem Naturschutz dient. Da ein
landwirtschaftlicher Zweck schon dann verfolgt wird, wenn es lediglich um die Erhaltung der Fläche in
einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand geht (Art. 2 Buchstabe c) Verordnung (EG)
Nr. 1782/2003), ist eine bloße Erhaltung in einem solchen Zustand schon eine landwirtschaftliche
Nutzung, die die Annahme einer landwirtschaftlichen Fläche rechtfertigt.
Zur zweiten Frage:
20 Nach Art. 44 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 ist eine landwirtschaftliche Fläche dann
nicht beihilfefähig, wenn es sich um eine für nicht landwirtschaftliche Tätigkeiten genutzte Fläche handelt.
Der Begriff landwirtschaftliche Tätigkeit ist definiert nach Art. 2 Buchstabe c) Verordnung (EG) Nr.
1782/2003 als die Erzeugung, die Zucht oder den Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse, einschließlich
Ernten, Melken, Zucht von Tieren und Haltung von Tieren für landwirtschaftliche Zwecke, oder die
Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischem Zustand gemäß Art. 5. Daraus
folgt nach Auffassung des Senats, dass eine aktuelle landwirtschaftliche Erzeugung nicht erforderlich ist,
andererseits aber auch die bloße Verbesserung allein des ökologischen Zustandes keine
landwirtschaftliche Tätigkeit mehr darstellt. Aus Art. 3 und 5 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003, wonach der
geförderte Betriebsinhaber Anforderungen an die Betriebsführung erfüllen muss, folgert der Senat, dass
als landwirtschaftliche Tätigkeit nur eine solche angesehen werden kann, bei der der Betriebsinhaber
eigenverantwortlich handelt und keinen Weisungen unterliegt.
21 Der Senat hat Zweifel, ob noch eine landwirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, wenn die Tätigkeit
des Landwirts durch Anweisungen der Naturschutzbehörde, etwa hinsichtlich der in einer konkreten
Situation witterungsbedingt zulässigen Bewirtschaftungsintensität, maßgeblich gesteuert werden kann
und er insoweit weisungsgebunden ist.
Zur dritten Frage:
22 Nach § 44 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 muss es sich bei beihilfefähigen Flächen
um Flächen des Betriebes handeln.
23 a) Nach Ansicht der Klägerin muss eine solche Fläche dem Betrieb 10 Monate lang im
Wirtschaftsjahr zur Verfügung stehen (Art. 44 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003), so dass auch die
zur Einhaltung der Cross-Compliance-Vorschriften erforderliche Verfügungsbefugnis besteht. Dies sei
aber nur der Fall, wenn ein Pachtvertrag oder eine ähnliche Art von befristeten Geschäften im Sinne von
Art. 2 Buchstabe h) der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 vorliege, da andere Vertragsverhältnisse nicht
erwähnt würden.
24 Der Senat teilt diese Auffassung nicht, wonach die Verfügungsbefugnis des Betriebes nur bei
einem Pachtvertrag oder einem ähnlichen Geschäft vorliegt. Die Definition von Pacht in Art. 2 Buchstabe
h) Verordnung (EG) Nr. 795/2004 bezieht sich offensichtlich auf die Art. 20 und 22 Verordnung (EG) Nr.
795/2004 und betrifft nicht die Beihilfefähigkeit der im Jahr 2005 angemeldeten Flächen. Im Übrigen geht
Art. 20 davon aus, dass eine kostenlose Übertragung durch Pacht möglich ist. Gerade Schäfer nutzen die
landwirtschaftlichen Flächen traditionell oft extensiv und unentgeltlich aufgrund gewohnheitsrechtlicher
Duldung durch die Eigentümer.
25 b) Im Hinblick auf den Vertrag vom 12. November 1998 stellt sich die Frage, ob eine Fläche,
die dem Betrieb unentgeltlich oder lediglich gegen Übernahme der Beiträge für die Berufsgenossenschaft
aus Gründen des Naturschutzes zu landwirtschaftlicher Nutzung unter Einschränkungen nach Zeit und Art
der Nutzung zur Verfügung gestellt wird, eine Fläche des Betriebes ist. Trotz der Einschränkung der
Nutzung ist noch eine landwirtschaftliche Nutzung möglich, da der Aufwuchs als Futter verwendet werden
kann. Die Fläche kann zwar nicht 10 Monate im Jahr genutzt werden (vgl. früher § 44 Abs. 3 Verordnung
(EG) Nr. 1782/2003, geändert durch Art. 1 Nr. 3 Verordnung (EG) Nr. 146/2008 des Rates vom 14. Februar
2008, Abl. L 46 vom 21. Februar 2008, S. 1), weil die Ausübung der Nutzung zeitlich beschränkt ist. Es
reicht nach Ansicht des Senats jedoch aus, dass in diesem Zeitraum keine andere landwirtschaftliche
Nutzung erfolgt und der Betrieb den in 10 Monaten herangewachsene Aufwuchs als Futter nutzen kann.
26 c) Im Hinblick auf den Vertrag vom 8. Mai 2006 stellt sich die Frage, ob eine Fläche des
Betriebes vorliegt, wenn der Betriebsinhaber sich zu bestimmten Maßnahmen auf der Fläche verpflichtet
und dafür eine Vergütung erhält. Nach Ansicht der Beigeladenen kommt es nur darauf an, dass tatsächlich
eine landwirtschaftliche Nutzung durch den Betrieb erfolgt. Nach Ansicht des Senats handelt es sich bei
der Fläche, auf der diese Maßnahmen auszuführen sind, nicht um eine Fläche des Betriebes, sondern um
eine Fläche des Auftraggebers, auf der sich der Betrieb - als Auftragnehmer - verpflichtet, bestimmte
Maßnahmen durchzuführen.
Dr. Held Schauß Müller-Rentschler