Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 05.07.2006

OVG Koblenz: wiedereinsetzung in den vorigen stand, bebauungsplan, gerichtliche zuständigkeit, umlegung, grundstück, satzung, bekanntmachung, verfügung, emrk, normenkontrolle

OVG
Koblenz
05.07.2006
8 C 10590/06.OVG
Baurecht
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss
In dem Normenkontrollverfahren
des Herrn Dr. med. A.,
- Antragsteller -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Möller & Gradmann, Wittelsbachstr. 65, 67061 Ludwigshafen,
gegen
die Ortsgemeinde Hochspeyer, vertreten durch den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Hochspeyer,
Hauptstraße 121, 67691 Hochspeyer,
- Antragsgegnerin -
wegen Normenkontrolle (Bebauungsplan)
hat der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom
03. Juli 2006, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held
Richter am Oberverwaltungsgericht Schauß
Richter am Oberverwaltungsgericht Utsch
beschlossen:
Die Normenkontrollanträge betreffend den Bebauungsplan „Am M.“ sowie die zugehörige
Veränderungssperre werden abgelehnt.
Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist hinsichtlich der hilfsweise beantragten Nichtigerklärung
der dem Bebauungsplan „Am M.“ folgenden Umlegung 01/2005 unzulässig. Insoweit wird der Rechtsstreit
an das Landgericht Frankenthal – Kammer für Baulandsachen - verwiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, soweit der Rechtsweg zu den
Verwaltungsgerichten zulässig ist.
Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision und die Beschwerde gegen die Rechtswegverweisung werden nicht zugelassen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000 € festgesetzt.
G r ü n d e
I.
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen den am 10. Dezember 1998 als
Satzung beschlossenen und am 20. Mai 1999 bekannt gemachten Bebauungsplan „Am M.“ der
Antragsgegnerin.
Er ist Eigentümer des durch den Plan als allgemeines Wohngebiet festgesetzten, mit einem früheren
Wochenendhaus bebauten Grundstücks Gemarkung Hochspeyer, Parzelle Nr. … . Dieses bildete vor der
planausführenden Umlegung zusammen mit dem heutigen, außerhalb des Plangebiets gelegenen
Grundstück Parzelle Nr. … ein einheitliches Grundstück im Eigentum des Antragstellers. Auf der Parzelle
Nr. … ist an der Stelle des Wochenendhauses ein Baufenster in der Größe von 12 m mal 15 m
vorgesehen; die festgesetzte Grundflächenzahl beträgt 0,15, die Geschossflächenzahl 0,30.
Der Antragsteller hat am 19. Mai 2006 persönlich, am 22. Mai 2006 anwaltlich vertreten,
Normenkontrollantrag gestellt. Er meint, das Gericht dürfe im Hinblick auf Art 6 Abs. 1 EMRK wegen seiner
Eigentumsbetroffenheit nicht gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO durch Beschluss über den
Normenkontrollantrag entscheiden. Die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO könne ihm nicht
entgegen gehalten werden. Diese sei wegen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG verfassungswidrig.
Überdies sei sie nach dem Rechtsgedanken des § 233 BauGB auf Altverfahren nicht anwendbar. Der
angegriffene Bebauungsplan sei nichtig, weil er im Zusammenwirken mit der fehlerhaften Umlegung die
ordnungsgemäße Erschließung seiner beiden Grundstücke vereitele. Zudem setze er ohne triftigen Grund
ein zu kleines Baufenster an einer ungeeigneten Stelle, die von Wald bestanden sei, fest. Schließlich sei
das im Plangebiet gelegene Grundstück entgegen den von ihm im Aufstellungsverfahren vorgebrachten
Anregungen nicht als Mischgebiet, sondern als allgemeines Wohngebiet festgesetzt worden, obwohl er
das aufstehende Gebäude als Sitz eines landwirtschaftlichen Betriebes inklusive Büroraum und Werkstatt
nutze. Auch sei der Ausschluss der heutigen Parzelle Nr. … aus dem Geltungsbereich des
Bebauungsplans willkürlichen und widerspreche den Vorgaben des Flächennutzungsplans.
Der Antragsteller beantragt,
den Bebauungsplan „Am M.“ der Antragsgegnerin für nichtig zu erklären,
hilfsweise,
die nach dem Bebauungsplan „Am M.“ folgende Umlegung 01/2005 ist nichtig,
äußerst hilfsweise,
die mit dem Bebauungsplan „Am M.“ ergangene Veränderungssperre ist nichtig.
Die Antragsgegnerin hat sich zum Verfahren nicht geäußert.
Der Senat hat die Beteiligten mit Verfügung vom 13. Juni 2006 von seiner Absicht, über den
Normenkontrollantrag durch Beschluss zu entscheiden, in Kenntnis gesetzt. Mit Verfügung vom 27. Juni
2006 sind die Beteiligten zur beabsichtigten Rechtswegverweisung hinsichtlich des Hilfsantrages zu 1)
angehört worden
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vom Antragsteller zur
Gerichtsakte gereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
1. Der im Hauptantrag gestellte Antrag, den angegriffenen Bebauungsplan für nichtig zu erklären, ist
gemäß § 88 VwGO als solcher auf eine - gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 1. Halbsatz VwGO allein statthafte -
Unwirksamerklärung auszulegen, aber gleichwohl unzulässig.
Diese Entscheidung kann der Senat gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO durch Beschluss treffen, weil er eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und die Beteiligten zuvor angehört hat. Entgegen der
Auffassung des Antragstellers steht dem Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegen. Denn die daraus folgende
Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung bei Normenkontrollanträgen eigentumsbetroffener
Antragsteller entfällt jedenfalls dann, wenn der Normenkontrollantrag offensichtlich unzulässig ist
(BVerwG, NJW 2003, 2039, 2041). So liegt der Fall hier.
Die in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO normierte Antragsfrist hinsichtlich des angegriffenen Bebauungsplanes ist
zwei Jahre nach dessen Bekanntmachung, mithin bereits im Mai 2001 abgelaufen, sodass der erst im Mai
2006 gestellte Antrag verfristet ist. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
(s. § 60 Abs. 1 VwGO) sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich sind; auf die Frage, ob es sich bei der
Antragsfrist um eine Ausschlussfrist handelt, bei der eine Wiedereinsetzung ohnehin nicht möglich ist (so
etwa OVG NRW, BauR 2004, 1594, VGH BW, DÖV 2004, 433 sowie OVG Schleswig-Holstein, NordÖR
2001, 29 m.w.N.; a.A. für die Dreimonatsfrist gemäß Art. 13 InvWoBauLG BVerwG, BRS 62 Nr. 46), kommt
es daher nicht an.
Da die Fristbestimmung durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. a des 6. VwGO-Änderungsgesetzes (vom 01. November
1996, BGBl. I, 1626) mit Wirkung vom 01. Januar 1997 (s. Art. 10 des Gesetzes) eingefügt worden ist,
beansprucht sie für die Anfechtung des 1999 in Kraft getretenen Bebauungsplanes ohne weiteres
Geltung. Anderes folgt entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht aus § 233 Abs. 1 BauGB,
der Übergangsvorschriften für Verfahren nach dem Baugesetzbuch, nicht aber für die Anfechtung von
Bebauungsplänen im Wege der Normenkontrolle enthält.
Der Senat teilt auch nicht die vom Antragsteller geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der
Antragsfrist für Normenkontrollanträge, sodass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art.
100 Abs. 1 Satz 1 GG ausscheidet. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen
Gewalt gemäß Art. 19 Abs. 4 GG zwingt den Gesetzgeber nicht, überhaupt eine verwaltungsgerichtliche
Normenkontrolle gegen Bebauungspläne vorzusehen (vgl. BVerfGE 31, 364 [370]). Daher ist er erst recht
nicht gehindert, diese gleichwohl eröffnete Möglichkeit durch Einführung von Fristen zu beschränken (s.
BVerwG, BRS 58 Nr. 48 zu Dreimonatsfrist nach Art. 13 InvWoBauLG). Dem Antragsteller bleibt es
unbenommen, auch nach Ablauf der Antragsfrist für einen Normenkontrollantrag den Bebauungsplan im
Rahmen von Rechtsbehelfen gegen die Ablehnung eines den Planfestsetzungen widersprechenden
Bauantrages einer verwaltungsgerichtlichen Inzidentkontrolle unterziehen zu lassen und auf diesem
Wege effektiven Rechtsschutz gegen den Bebauungsplan zu erlangen.
2. Der Senat legt den Hilfsantrag „die mit dem Bebauungsplan ‚Am M.’ ergangene Veränderungssperre ist
nichtig“ als Normenkontrollantrag gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen die Satzung über die
Veränderungssperre aus. Dieser ist indessen mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Denn der
Antragsteller hat nicht dargelegt, dass diese Satzung noch Rechtswirkungen entfaltet. Vielmehr ist sie
gemäß § 17 Abs. 5 BauGB mit der nach Angaben des Antragstellers am 20. Mai 1999 erfolgten
Bekanntmachung des angegriffenen Bebauungsplans auch dann außer Kraft getreten, wenn dieser
wegen Verstößen gegen höherrangiges Recht unwirksam sein sollte (s. BVerwG, NVwZ 1990, 656f.).
Eine Auslegung des Hilfsantrages als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 1. Alt. VwGO verbietet sich
nach Auffassung des Senats nicht nur deshalb, weil es hierfür an der instanziellen Zuständigkeit des
Oberverwaltungsgerichts fehlen würde; vielmehr wäre eine solche Klage ebenfalls unzulässig, weil der
Antragsteller ein berechtigtes Interesse betreffend die Feststellung des Nichtbestehens eines erledigten
Rechtsverhältnisses (s. dazu BVerwG, NJW 1989, 1495 [1497]) nicht dargelegt hat.
3. Für den Hilfsantrag „die nach dem Bebauungsplan ‚Am M.’ folgende Umlegung 01/2005 ist nichtig“ ist
der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gemäß § 40 Abs. 1 VwGO nicht eröffnet. Da es sich bei dem
Umlegungsplan um einen Verwaltungsakt nach dem Vierten Teil des Ersten Kapitels des BauGB (s. §§
69ff.) handelt, ist für Anträge auf gerichtliche Entscheidung hierüber gemäß der abdrängenden
Sonderzuweisung des § 217 Abs. 1 Satz 4 BauGB der Rechtsweg zu den Baulandgerichten eröffnet.
Gemäß §§ 173 Satz 1 VwGO, 17a Abs. 2 Satz 1 GVG ist daher die Unzulässigkeit des beschrittenen
Rechtsweges von Amts wegen auszusprechen und der Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten an das
zuständige Landgericht Frankenthal – Kammer für Baulandsachen – (s. § 7 der Landesverordnung über
die gerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 22.
November 1985, GVBl. S. 267) zu verweisen.
Die Kostenentscheidung folgt, soweit der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist, aus § 154
Abs. 1 VwGO. Im Übrigen obliegt die Kostenentscheidung gemäß § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG dem
Baulandgericht.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Beschlusses hinsichtlich der Kosten beruht auf
§§ 167 VwGO, 708ff. ZPO.
Die Revision gegen die Sachentscheidung sowie die Beschwerde gegen die Rechtswegverweisung (s.
zur Zulassungsbedürftigkeit auch bei erstinstanzlichen Beschlüssen eines oberen Landesgerichts etwa
BFH, BFH/NV 2002, 513) ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO bzw. §
17a Abs. 4 Satz 5 GVG nicht vorliegen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
gez. Dr. Held gez. Schauß gez. Utsch